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Drittes bis Sechstes Bändchen
IX.
Worin der, Autor, wider seinen Willen, ein wenig Geschichte treiben muß
ОглавлениеWährend die Könige und die Menschen sich so mit England beschäftigten, das sich ganz allein regierte und, man muß es zu seinem Lobe sagen, nie so schlecht regiert gewesen war, verfolgte ein Mann, auf den Gott sein Auge gerichtet und seinen Finger gelegt hatte, ein Mann vom Schicksal bestimmt, seinen Namen mit glänzenden Charakteren in das Buch der Geschichte einzuschreiben, im Angesichte der Welt ein Werk voll Geheimnis; und Kühnheit. Er ging, und Niemand wußte, wohin er gehen wollte, obgleich nicht nur England, sondern auch Frankreich und ganz Europa ihn festen Schrittes und den Kopf hoch einhergehen sahen. Alles, was man über diesen Mann wußte, wollen wir sagen.
Monk hatte sich für die Freiheit des Rump-Parliament erklärt, wie man es nannte, eines Parlaments, das der General Lambert, Cromwell nachahmend, dessen Lieutenant er gewesen war, um es seinen Willen thun zu lassen, so eng eingeschlossen hatte, daß kein Mitglied während der ganzen Blocade hatte herausgehen können, und daß nur eines, Peter Wentwort, hineinzukommen im Stande gewesen war.
Lambert und Monk, Alles faßte sich in diesen zwei Männern zusammen, von denen der erste den militärischen Despotismus, der zweite den reinen Republicanismus vertrat. Diese zwei Männer waren die zwei einzigen politischen Repräsentanten der Revolution, in welcher Karl l. zuerst seine Krone und sodann sein Haupt verloren hatte.
Lambert verleugnete indessen seine Absichten nicht; er suchte eine ganz militärische Regierung zu gründen und sich zum Haupte dieser Regierung zu machen.
Monk, ein strenger Republicaner, wie die Einen sagten wollte das Rump-Parliament, diese sichtbare, obgleich entartete Vertretung der Republik, aufrecht erhalten. Geschickt herrschsüchtig, sagten die Anderen, wollte Monk sich ganz einfach aus diesem Parlament, das er zu begünstigen schien, eine solide Stufe bilden, um bis auf den Thron zu steigen, den Cromwell leer gemacht, auf den er sich aber nicht zu setzen gewagt hatte.
So hatten sich Lambert, der das Parlament verfolgte, und Monk, der sich für dasselbe aussprach, gegenseitig einander zu Feinden erklärt.
Monk und Lambert waren auch von Anfang an darauf bedacht, sich jeder eine Armee zu bilden; Monk in Schottland, wo die Presbyterianer und Royalisten, nämlich die Unzufriedenen, waren; Lambert in London, wo sich, wie immer, die stärkste Opposition gegen die Macht fand, die es vor Augen hatte. Monk stellte in Schottland den Frieden wieder her, bildete sich hier ein Heer und machte -sich daraus eine Zufluchtstätte: das eine bewachte die andere^ Monk wußte, daß der vom Herrn für eine große Veränderung bezeichnete Tag noch nicht gekommen war; sein Schwert schien auch in_seine Scheide genietet zu sein. Unüberwindlich in seinem wilden, gebirgigen Schottland, unumschränkter General, König eines Heeres von elftausend alten Soldaten, die er mehr als einmal zum Siege geführt hatte, eben so gut und besser über die Angelegenheiten in London unterrichtet als Lambert, der in der City in Garnison lag: dies war die Stellung von Monk, als er sich hundert Meilen von London für das Parlament erklärte. Lambert wohnte, wie gesagt, im Gegentheil in der Hauptstadt. Er hatte hier den Mittelpunkt von allen Operationen, und vereinigte hier um sich her sowohl alle seine Freunde, als das ganze niedrige Volk, das ewig geneigt ist, die Feinde der bestehenden Gewalt zu lieben.
Es war in London, wo Lambert erfuhr, daß Monk von den Grenzen von Schottland dem Parlament seine Unterstützung angedeihen ließ. Er dachte, es sei keine Zeit zu verlieren, und die Tweed sei nicht so weit entfernt von der Themse, daß nicht eine Armee einen Schritt von einem Fluß zum andern machen könnte, besonders wenn sie gut befehligt würde. Er wußte auch, daß die Soldaten in dem Maß, in welchem sie in England eindrängen, auf dem Wege einen Schneeball bilden würden, – das Emblem der Glückskugel, die für den Ehrgeizigen nur eine Stufe ist, welche sich unabläßig vergrößert, um ihn zu seinem Ziele zu führen. Er sammelte also sein sowohl durch die Zusammensetzung, als durch die Zahl furchtbares Heer, und eilte Monk entgegen, der, einem mitten durch Klippen rudernden Schiffer ähnlich, in ganz kleinen Tagmärschen, die Nase im Wind, auf das Geräusch horchend und die Luft witternd, die von London kam, vorrückte.
Die zwei Armeen erblickten sich auf der Höhe von Newcastle; Lambert, der zuerst angekommen war, campirte in der Stadt selbst.
Immer umsichtig, machte Monk da Halt, wo er war, und nahm sein Hauptquartier in Coldstream an der Tweed.
Der Anblick von Lambert verbreitete Freude im Heer von Monk, während im Gegentheil der Anblick von Monk Verwirrung in die Armee von Lambert brachte. Es war, als hätten sich diese unerschrockenen Raufer, die so viel Lärmen in den Straßen von London gemacht, in der Hoffnung, mit Niemand zusammenzutreffen, auf den Weg begeben, und als ob nun, da sie sahen, daß sie einer Armee begegneten, und daß diese Armee nicht nur eine Fahne, sondern auch eine Sache und ein Princip vor ihnen aufpflanzte, es war, sagen wir, als hätten diese unerschrockenen Raufer nun bedacht, daß sie minder gute Republicaner seien, als die Soldaten von Monk, insofern diese das Parlament unterstützten, während Lambert nichts unterstützte, nicht einmal sich selbst.
Hätte aber Monk nachzudenken gehabt, oder hätte er nachgedacht, so wäre dies sehr traurig gewesen, denn die Geschichte erzählt, und diese schamhafte Dame lügt bekanntlich nie, man habe am Tage seiner Ankunft in Coldstream vergebens in der ganzen Stadt einen Hammel gesucht.
Wäre Monk an der Spitze eines englischen Heeres gestanden, so hätte er dieses ganze Heer desertiren zu sehen befürchten müssen. Doch es ist bei den Schottländern nicht wie bei den Engländern, für welche das Fleisch ein ganz unerläßliches Bedürfniß ist; ein armes, nüchternes Volk, leben die Schottländer von etwas Gerste, welche zwischen zwei Steinen zerrieben, mit Brunnenwasser eingerührt und auf einem glühenden Sandstein gebacken wird.
War ihre Gerste ausgetheilt, so kümmerten sich die Schottländer nicht mehr darum, ob es Fleisch in Coldstream gab oder nicht gab.
Nicht sehr vertraut mit dem Gerstenkuchen, hatte Monk Hunger, und eben so ausgehungert als er, schaute sein Generalstab ängstlich nach rechts und links, um zu erfahren, was man zum Abendbrod bereitete.
Monk zog Erkundigungen ein; seine Vorhut hatte bei ihrer Ankunft die Stadt verlassen und die Speisekammern leer gefunden; auf Fleischer und Bäcker durfte man in Coldstream nicht rechnen. Man fand also nicht das kleinste Stückchen Brod für die Tafel des Generals.
Als diese Berichte, die einen immer so wenig beruhigend, als die andern, erfolgten, erklärte Monk, da er den Schrecken und die Entmuthigung auf allen Gesichtern sah, er habe keinen Hunger, überdies würde man am andern Tag essen, da Lambert wahrscheinlich am andern Tag eine Schlacht zu liefern beabsichtigte; würde er hierbei in Newcastle überwältigt, so müßte er seinen Proviant preisgeben, wäre er der Sieger, so würden die Soldaten von Monk für immer vom Hunger befreit.
Dieser Trost war nur bei einer kleinen Zahl wirksam; doch daran lag Monk wenig, denn Monk war sehr unumschränkt unter dem Anschein der vollkommensten Sanftheit.
Jeder mußte also zufrieden sein oder wenigstens scheinen, Monk, der eben so hungerig war, als seine Leute, aber die größte Gleichgültigkeit in Betreff des fehlenden Hammels heuchelte, schnitt ein einen halben Zoll langes Stück Tabak von der Carotte eines Sergenten ab, der zu seinem Gefolge gehörte, und fing an genanntes Stück zu kauen, indem er seine Lieutenants versicherte, der Hunger sei eine Chimäre, und überdies könne man nie hungern, so lange man etwas unter seinen Zahn zu legen, habe.
Dieser Scherz stellte einige von denjenigen zufrieden, welche dem ersten Schluß, den Monk aus der Nähe von Lambert gezogen, widerstanden waren; die Zahl der Widerspänstigen nahm also um eben so viele Köpfe ab; die Wache zog auf, die Patrouillen fingen an und der General setzte sein frugales Mahl unter einem offenen Zelte fort.
Zwischen seinem Lager und dem seines Feindes erhob sich eine Abtei, von der heut zu Tage kaum noch einige Trümmer übrig sind, welche aber damals noch stand und die Newcastle-Abtei genannt wurde. Sie war auf einem weiten Terrain gebaut, das, unabhängig vom Fluß und von der Ebene, beinahe ein von Quellen gespeister und von Regen unterhaltener Sumpf war. Doch mitten unter diesen mit hohem Gras, Schilfrohr und Binsen bedeckten Wasserlachen sah man solidere Theile des Bodens sich erheben, welche einst den Gemüsegarten, den Park, den Lustgarten und die anderen Zubehöre der Abtei bildeten, einer von jenen großen Seespinnen ähnlich, deren Leib rund ist, während sich die Füße im Umkreis ausstrecken.
Der Gemüsegarten, einer von den längsten Füßen der Abtei, dehnte sich bis zum Lager von Monk aus. Leider war man, wie gesagt, in den ersten Tagen des Monats Juni und der, übrigens verlassene, Gemüsegarten bot wenig Mittel.
Monk ließ diesen Ort bewachen als den am meisten zu Ueberfällen geeigneten. Wohl sah man jenseits der Abtei die Feuer des feindlichen Generals. Doch zwischen den Feuern und der Abtei floß die Tweed, ihre leuchtenden Schuppen unter den dichten Schatten einiger großen Steineichen entrollend.
Monk kannte diese Stellung vollkommen, da ihm Newcastle und seine Umgegend schon mehr als einmal als Hauptquartier gedient hatten. Er wußte, daß am Tag sein Feind ohne Zweifel Blänkler in diese Ruine werfen und hier ein Scharmützel suchen dürfte, daß er sich aber in der Nacht wohl hüten würde, gewagter Weise hier zu erscheinen. Er befand sich also in Sicherheit.
Seine Soldaten konnten ihn auch nach dem, was er prunkhafter Weise sein Abendmahl nannte, nämlich nachdem er die oben erwähnte Kauübung vorgenommen hatte, wie später Napoleon am Vorabend der Schlacht von Austerlitz, auf seinem Strohstuhle sitzend halb unter dem Schimmer seiner Lampe, halb unter dem Strahle des Mondes, der am Himmel aufzugehen anfing, schlafen sehen.
Woraus hervorgeht, daß es ungefähr halb zehn Uhr Abends war.
Plötzlich wurde der General diesem vielleicht scheinbaren Halbschlaf von einer Truppe Soldaten entzogen, welche unter einem Freudengeschrei herbeiliefen und mit den Füßen an die Pfosten des Zeltes schlugen, um Monk aufzuwecken.
Es war nicht nöthig, einen so gewaltigen Lärmen zu machen. Der General öffnete die Augen.
»Nun! meine Kinder, was geht denn vor?« fragte der General.
»General,« antworteten mehrere Stimmen, »General, Ihr werdet zu Nacht essen.«
»Ich habe zu Nacht gegessen?« erwiederte dieser ruhig, »und ich verdaute, wie Ihr seht. Doch tretet ein, und sagt mir, was Euch hierher führt?«
»General, eine gute Kunde!«
»Bah! hat uns Lambert sagen lassen, er werde sich morgen schlagen?«
»Nein, aber wir haben eine Barke weggenommen, welche Fische in das Lager von Newcastle brachte.«
»Und Ihr habt Unrecht gehabt, meine Freunde. Diese Herren von London sind delicat, sie halten große Stücke auf ihr erstes Gericht; Ihr versetzt sie in sehr schlechte Laune; sie werden diesen Abend und morgen unbarmherzig sein. Die Artigkeit würde verlangen, Herrn Lambert seine Fische und seine Fischer zurückzuschicken, wenn nicht . . . «
Der General dachte einen Augenblick nach.
»Sagt mir, wenn’s beliebt,« fuhr er fort, »wer sind diese Fischer?«
»Picardische Seeleute, welche an der Küste von Frankreich oder von Holland fischten und durch einen Sturm auf die unsrige geworfen worden sind.«
»Sprechen einige von ihnen unsere Sprache?«
»Der Anführer hat uns ein paar Worte Englisch gesagt,«
Das Mißtrauen des Generals war rege geworden, während er diese Nachrichten erhielt.
»Es ist gut,« sagte er, »Ich wünsche diese Leute zu sehen. Führt sie hierher.«
Sogleich ging ein Officier ab, um sie zu holen.
»Wie viel sind es?» fuhr Monk fort, »und was für ein Fahrzeug haben sie?«
»Es sind ihrer zehn bis zwölf, mein General, und sie haben eine Art von Fischerbarke von holländischer Bauart, wie es uns vorkam.«
»Und Ihr sagt, sie haben Fische in das Lager von Lambert gebracht?«
»Ja, General, es scheint sogar, sie haben einen sehr guten Fang gethan.«
»Gut, wir werden das sehen,« sagte Monk.
In demselben Augenblick kam wirklich der Officier zurück und brachte den Anführer der Fischer, einen Mann von ungefähr fünfzig bis fünfundfünfzig Jahren, aber von gutem Aussehen. Er war von mittlerem Wuchse und trug einen, Rock von grober Wolle und eine bis auf die Augen eingedrückte Mütze; ein Messer stack in seinem Gürtel, und er ging mit dem eigenthümlichen Zögern der Seeleute, welche, da sie, wegen der Bewegung des Schiffes, nie wissen, ob sie ihren Fuß auf den Boden oder in den leeren Raum setzen, jedem ihrer Schritte eine so feste Lage geben, als ob es sich darum handelte, einen Grundpfahl einzurammen.
Monk betrachtete lange mit einem seinen, durchdringenden Bück den Fischer, der ihm auf jene halb spöttische, halb alberne Weise der französischen Bauern zulächelte.
»Du sprichst Englisch?« fragte Monk in vortrefflichem Französisch.
»Ah! sehr schlecht, Mylord,« antwortete der Fischer.
Diese Antwort wurde mehr mit dem lebhaften, gestoßenen Accente der Leute jenseits der Loire, als mit dem etwas schleppenden Accent der westlichen und nördlichen Gegenden Frankreichs gegeben,
»Aber Du sprichst es doch?« sagte Monk, um noch einmal diesen Accent zu studiren,
»Wir Seeleute,« erwiederte der Fischer, »sprechen ein wenig alle Sprachen.«
»Du bist also Fischer?«
»Für heute, Mylord, Fischer und zwar ein ausgezeichneter Fischer. Ich habe einen Bar gefangen, der wenigstens dreißig Pfund wiegt, und mehr als fünfzig Seebarben: ich habe auch kleine Merlane, welche gebacken vortrefflich schmecken werden.«
»Du kommst mir vor, als hättest Du mehr im Meerbusen von Gascogne, als im Kanal gefischt,« sagte Monk lächelnd.
»Ich bin in der That aus dem Süden . . . kann man deshalb nicht ein guter Fischer sein?«
»Doch, und ich kaufe Dir Deinen Fang ab; sprich nun offenherzig, für wen hattest Du ihn bestimmt?«
»Mylord, ich verberge Euch nicht, daß ich, der Küste folgend, nach Newcastle fahren wollte, als eine Abtheilung Retter, welche in umgekehrter Richtung auf dem User ritten, meine Barke durch ein Zeichen bis zum Lager von Eurer Herrlichkeit zurückfahren hießen, wobei sie uns mit einem Musketenfeuer bedrohten, wenn wir uns weigern sollten. Da ich nicht für den Krieg ausgerüstet war, so mußte ich gehorchen,« fügte der Fischer lächelnd bei.
»Und warum wolltest Du zu Lambert gehen und nicht zu mir?«
»Mylord, soll ich offenherzig sein? erlaubt es Eure Herrlichkeit?«
»Ja, und ich befehle es Dir sogar im Nothfall.«
»Nun, Mylord, ich wollte zu Herrn Lambert, weil diese Herren von der Stadt gut bezahlen, während Ihr Schottländer, Puritaner, Presbyterianer, Convenanter, wie Ihr Euch heißen möget, wenig eßt und gar nichts bezahlt.«
Monk zuckte die Achseln, ohne sich jedoch zugleich eines Lächelns erwehren zu können.
»Und warum fischtest Du an unserer Küste, da Du aus dem Süden bist?«
»Weil ich so dumm gewesen bin, mich in der Picardie zu verheirathen.«
»Ja, aber die Picardie ist nicht England.«
»Mylord, der Mensch treibt das Schiff in’s Meer, aber Gott und der Wind thun das Uebrige und treiben das Schiff, wohin es ihnen beliebt.«
»Du hattest also nicht die Absicht, bei uns zu landen?«
»Nie.«
»Und welchen Weg hast Du gemacht?«
»Wir kamen von Ostende zurück, wo man schon Makrelen gesehen hatte, als uns ein heftiger Südwind abfallen machte; da wir sahen, daß es vergeblich gewesen wäre, mit ihm zu kämpfen, so fuhren wir vor ihm. Wir mußten also den Fang, der gut war, um ihn nicht zu verlieren, im nächsten Hasen von England verkaufen; dieser nächste Hasen aber war Newcastle; es bot sich uns eine gute Gelegenheit, denn man sagte uns, es finde sich Volk im Uebermaß im Lager, Volk im Uebermaß in der Stadt; das Lager und die Stadt seien voll von sehr reichen und sehr hungerigen Herren, sagte man uns abermals, und so wandte ich mich nach Newcastle.«
»Und wo sind Deine Gefährten?«
»Oh! sie sind an Bord geblieben; es sind Matrosen ohne alle Bildung.«
»Während Du?« fragte Monk.
»Oh! ich bin viel mit meinem Vater umhergefahren und weiß, wie man ein Sou, ein Thaler, eine Pistole, ein Louis d’or und ein Doppellouis d’or in allen Sprachen Europas sagt: meine Mannschaft hört auch auf mich wie auf ein Orakel und gehorcht mir wie einem Admiral.«
»Du hattest also Herrn Lambert als den besten Kunden gewählt?«
»Ja, gewiß. Sagt, offenherzig, Mylord, hatte ich mich getäuscht?«
»Das wirst Du später sehen,«
»In jedem Fall, Mylord, wenn ein Fehler obwaltet, ist es meine Schuld, und Ihr dürft deshalb nicht meinen Kameraden böse sein.«
»Das ist offenbar ein gescheiter Bursche!« dachte Monk.
Dann nach einigen Minuten, die er dazu anwandte um den Fischer geistig näher anzuschauen, fragte er:
»Du kommst von Ostende, wie Du sagst?«
»Ja, Mylord, in gerader Linie.«
»Dann hast Du wohl von den Angelegenheiten des Tages reden hören, denn ich zweifle nicht daran, daß man sich in Frankreich und in Holland damit beschäftigt. Was macht derjenige, welchen man den König von England nennt?«
»Oh! Mylord,« rief der Fischer mit einer geräuschvollen und schwatzhaften Offenherzigkeit, »das ist eine glückliche Frage, und Ihr hättet Euch an Niemand besser wenden können, als an mich, denn ich kann Euch in der That vortrefflich Antwort geben. Stellt Euch vor, daß ich in Ostende, wo ich anlegte, um die paar Makrelen zu verkaufen, die wir gefangen hatten, den Exkönig auf den Dünen in Erwartung seiner Pferde, die ihn nach dem Haag bringen sollten, spazieren gehen sah; es ist ein großer, bleicher Mensch mit schwarzen Haaren und einer etwas harten Miene. Er sieht aus, als ob er unpäßlich wäre, und ich glaube, die Luft von Holland wird ihm nicht zuträglich sein.«
Monk folgte mit großer Aufmerksamkeit der raschen, gefärbten und weitschweifigen Rede des Fischers in einer Sprache, die nicht die seinige war; zum Glück sprach er, wie gesagt, das Französische mit großer Leichtigkeit. Der Fischer gebrauchte seinerseits bald ein französisches Wort, bald ein englisches Wort, bald ein Wort, das gar keiner Sprache anzugehören schien und ein gascognisches war. Glücklicher Weise sprachen seine Augen für ihn, und zwar so beredt, daß man zwar ein Wort seines Mundes, aber nicht eine einzige Absicht seiner Augen verlieren konnte.
Der General schien mit seiner Prüfung immer mehr zufrieden.
»Du mußtest sagen hören, dieser Exkönig, wie Du ihn nennst, habe sich in einer Absicht nach dem Haag gewendet?«
»O ja, gewiß,« antwortete der Fischer, »ich habe das sagen hören.«
»Und in welcher Absicht?«
»Immer in derselben; hat er nicht die fixe Idee, nach England zurückzukehren?«
»Das ist wahr,« sprach Monk nachdenkend.
»Abgesehen davon,« fügte der Fischer bei, »daß der Stadhouder . . . Ihr wißt, Mylord, Wilhelm II . . . «
»Nun?«
»Er wird ihn mit seiner Lanzen Macht unterstützen.«
»Ah! Du hast das sagen hören?«
»Nein, aber ich glaube es.«
»Du bist stark in der Politik, wie es scheint?« fragte Monk.
»Oh! wir Seeleute, Mylord, die wir das Wasser und die Luft, das heißt, die zwei beweglichsten Dinge der Welt, zu studiren pflegen, täuschen uns im Uebrigen selten.«
»Höre,« sagte Monk, das Gespräch verändernd, »man behauptet, Du werdest uns, gut speisen.«
»Ich werde mein Möglichstes thun, Mylord.«
»Was verlangst Du für Deinen Fang?«
»Ich bin nicht so dumm, daß ich einen Preis mache, Mylord.«
»Warum dies?«
»Weil meine Fische Euch gehören.«
»Mit welchem Recht?«
»Mit dem Rechte des Stärkern.«
»Aber es ist meine Absicht, sie Dir zu bezahlen.«
»Das ist sehr großmüthig von Euch, Mylord.«
»Und zwar zu ihrem vollen Werth.«
»Ich verlange nicht viel.«
»Und wie viel verlangst Du denn?«
»Ich verlange nur, gehen zu dürfen.«
»Wohin? zum General Lambert?«
»Ich!« rief der Fischer, »warum sollte ich nach Newcastle gehen, da ich keine Fische mehr habe?«
»In jedem Fall höre mich.«
»Ich höre.«
»Einen Rath . . . «
»Wie, Mylord will mich bezahlen und mir auch noch einen guten Rath geben? Mylord ist gar zu gütig!«
Monk schaute fester als je den Fischer an, gegen den er immer noch einen gewissen Argwohn zu haben schien.
»Ja, ich will Dich bezahlen und Dir einen Rath geben, denn diese zwei Dinge stehen im Zusammenhang. Wenn Du zu General Lambert zurückkehrst . . . «
Der Fischer machte eine Bewegung mit dem Kopf und mit den Schultern, welche bedeutete:
»Wenn er darauf besteht, wollen wir ihm nicht widersprechen.«
»Schlage nicht den Weg durch den Sumpf ein,« fuhr Monk fort,
»Du wirst Geld bei Dir haben, und es sind im Moor einige Hinterhalte von Schottländern, die ich dahin gelegt habe. Das sind durchaus nicht geschmeidige Leute, welche die Sprache, die Du sprichst, schlecht verstehen, obgleich sie mir aus drei Sprachen zusammengesetzt zu sein scheint; sie könnten Dir wieder abnehmen, was ich Dir gegeben hätte, und in Deine Heimath zurückgekehrt würdest Du unfehlbar sagen, der General Monk habe zwei Hände, eine schottische und eine englische, und mit der schottischen Hand nehme er wieder, was er mit der englischen gegeben habe.«
»Oh! General, seid unbesorgt, ich werde gehen, wohin Ihr wollt,« sagte der Fischer mit einer Aengstlichkeit, welche zu ausdrucksvoll war, um nicht übertrieben zu sein. »Ich verlange nichts Anderes, als hier zu bleiben, wenn Ihr wollt, daß ich hier bleibe.«
»Ich glaube Dir,« erwiederte Monk mit einem unmerklichen Lächeln; »aber ich kann Dich doch nicht unter meinem Zelt behalten.«
»Ich bin nicht so anmaßend, dies zu verlangen, und wünsche nur. Eure Herrlichkeit möchte mir einen Platz anweisen. Unseretwegen braucht sie sich nicht zu belästigen, denn für uns ist eine Nacht bald vorüber.«
»Dann will ich Dich zu Deiner Barke führen lassen.«
»Wie es Eurer Herrlichkeit beliebt. Nur wäre ich Eurer Herrlichkeit unendlich dankbar, wenn sie mich wollte durch einen Zimmermann zurückführen lassen.«
»Warum dies?«
»Weil die Herren von Eurer Armee, indem sie meine Barke am Kabel, das ihre Pferde zogen, den Fluß hinauffahren ließen, dieselbe ein wenig an den Felsen des Users zerrissen, so daß ich wenigstens zwei Fuß Wasser in meinem Raum habe.«
»Ein Grund mehr, daß Du Dein Fahrzeug überwachst, wie mir scheint.«
»Mylord, ich bin ganz zu Euren Befehlen,« sagte der Fischer. »Ich will meine Körbe ausladen, wo Ihr wollt; dann werdet Ihr mich bezahlen, wenn es Euch beliebt; Ihr werdet mich zurückschicken, wenn es Euch genehm ist. Ihr seht, daß sich leicht mit mir leben läßt.«
»Ja, ja, Du bist ein guter Teufel,« erwiederte Monk, dessen forschender Blick nicht den geringsten Schatten in dem durchsichtigen Auge des Fischers hatte finden können. »Hollah! Digby.«
Es erschien ein Adjutant.
»Ihr werdet diesen würdigen Burschen und seine Gefährten zu den kleinen Zelten der Marketender vor den Sümpfen führen; auf diese Art sind sie ganz in der Nähe ihrer Barke und brauchen doch nicht diese Nacht im Wasser zu schlafen. Was gibt es, Spithead?«
Spithead war der Sergent, von dem Monk ein Stück Tabak zum Abendbrot, entlehnt hatte.
Spithead antwortete, als er in das Zelt des Generals eintrat, ohne gerufen zu sein, auf die Frage von Monk:
»Mylord, ein französischer Cavalier ist so eben bei den Vorposten erschienen und verlangt mit Eurer Herrlichkeit zu sprechen.«
Dies wurde, wohl verstanden, in englischer Sprache gesagt.
Aber obgleich es in dieser Sprache gesprochen wurde, machte doch der Fischer eine leichte Bewegung, welche Monk, mit seinem Sergenten beschäftigt, nicht bemerkte.
»Und wer ist dieser Cavalier?» fragte Monk.
»Mylord,« antwortete Spithead, »er hat es mir gesagt, doch diese verteufelten französischen Namen sind für eine schottische Kehle so schwer auszusprechen, daß ich es nicht behalten konnte. Uebrigens ist dieser Cavalier, wie mir die Wachen gesagt haben, derselbe, der sich gestern auf der Etape eingefunden hat und den Eure Herrlichkeit nicht empfangen wollte.«
»Es ist wahr» ich hatte meine Officiere zu einer Berathung versammelt.«
»Was bestimmt Mylord in Betreff dieses Cavaliers?«
»Man führe ihn hierher.«
»Soll man Vorsichtsmaßregeln nehmen?«
»Welche?«
»Ihm zum Beispiel die Augen verbinden?’’
»Wozu? Er wird nichts sehen, als was man nach meinem Willen sehen soll, nämlich daß ich elftausend Brave um mich habe, die nichts Anderes verlangen, als sich zu Ehren des Parlaments, Schottlands und Englands zu erwürgen.«
»Und dieser Mann, Mylord?« sagte Spithead auf den Fischer deutend, der während dieses Gesprächs unbeweglich wie ein Mensch, welcher sieht, aber nicht begreift, stehen geblieben war.
»Ah! es ist wahr,« versetzte Monk.
Dann sich gegen den Fischer umwendend, sprach er:
»Auf Wiedersehen, mein Braver; ich habe ein Lager für Dich gewählt. Digby, führt ihn. Sei unbesorgt, man wird Dir Dein Geld sogleich schicken.«
»Ich danke, Mylord,« sagte der Fischer.
Und nachdem er sich verbeugt hatte, ging er mit Digby ab.
Hundert Schritte vom Zelt fand er seine Kameraden wieder, welche unter sich mit einer Zungenfertigkeit flüsterten, die nicht ganz von Unruhe frei zu sein schien, doch er machte ihnen ein Zeichen, das sie wohl beruhigte.
»Hollah, Ihr Leute!« rief der Patron, »kommt hierher: Seine Herrlichkeit der General Monk ist so großmüthig, uns unsere Fische zu bezahlen und uns Gastfreundschaft für diese Nacht zu gewähren.«
Die Fischer sammelten sich um ihren Anführer, und geleitet von Digby, begab sich die kleine Truppe nach dem ihr angewiesenen Posten.
Während sie so fortwanderten, kamen die Fischer in der Dunkelheit an der Wache vorüber, die den französischen Cavalier zum General Monk führte.
Dieser Cavalier war zu Pferde und in einen weiten Mantel gehüllt, weshalb ihn der Patron nicht sehen konnte, so groß auch seine Neugierde zu sein schien. Der Cavalier aber, der nicht wußte, daß er so nahe an Landsleuten vorüberkam, schenkte der kleinen Truppe nicht die geringste Aufmerksamkeit.
Der Adjutant quartierte seine Gäste in einem ziemlich reinlichen Zelte ein, das eine irische Marketenderin verlassen mußte, welche die Nacht zubringen konnte, wo sie mit ihren sechs Kindern Platz fand. Ein großes Feuer brannte vor diesem Zell und warf sein purpurnes Licht auf die mit Gras bewachsenen Wasserlachen des Sumpfes, den ein frischer Abendwind runzelte. Als die Einquartierung geschehen war, wünschte der Adjutant den Matrosen eine gute Nacht, indem er ihnen bemerkte, man sehe von der Schwelle des Zeltes aus die Masten der Barke, die sich auf der Tweed schaukle, was zum Beweis diene, daß sie noch nicht untergesunken sei.
Dieser Anblick schien den Patron der Fischer unendlich zu erfreuen.