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Drittes bis Sechstes Bändchen
XIX.
Die Audienz

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»Nun?« rief Athos mit einem sanften Vorwurf, als d’Artagnan den von Monk an ihn gerichteten Brief gelesen hatte.

»Nun!« erwiederte d’Artagnan roth vor Vergnügen und ein wenig vor Scham, »das ist eine Artigkeit, welche zu nichts verbindet . . . doch es ist am Ende eine Artigkeit.

»Ich muß gestehen, ich konnte nicht wohl glauben, der Prinz sei undankbar,« sprach Athos,

»Es ist wahr, seine Gegenwart steht seiner Vergangenheit sehr nahe,« sagte d’Artagnan, »doch bis jetzt hat Alles meine Meinung gerechtfertigt.

»Ich gebe es zu, theurer Freund, ich gebe es zu! Ah! Euer guter Blick ist wiedergekehrt. Ihr könnt nicht glauben, wie sehr mich das freut.«

»Seht,« sagte d’Artagnan, »Karl II. empfängt Herrn Monk um neun Uhr, mich wird er um zehn Uhr empfangen, das ist eine große Audienz, eine von denjenigen, welche wir im Louvre Austheilung von Hofweihwasser nennen. Stellen wir uns unter die Traufe, mein lieber Freund.«

Athos antwortete nichts, und Beide wandten sich, ihre Schritte beschleunigend, nach dem Palast von Saint-James, den die Menge immer noch belagerte, um an den Scheiben die Schatten der Höflinge und die Reflexe der königlichen Person zu sehen.

Es schlug acht Uhr, als die zwei Freunde in der von Höflingen und Bittstellern gefüllten Gallerte Platz nahmen. Jeder blickte nach diesen einfachen Kleidern von seltsamer Form, nach diesen so edlen und charaktervollen Köpfen. Athos und d’Artagnan fingen, nachdem sie mit zwei Blicken diese ganze Versammlung überschaut hatten, wieder an mit einander zu plaudern.


Plötzlich entstand ein gewaltiger Lärmen am Ende der Gallerie: es war der General Monk, der gefolgt von zwanzig Officieren eintrat, welche auf jedes Lächeln von ihm lauerten, denn noch am Tage vorher war er Herr von England und man vermuthete einen schönen andern Tag für den Wiederhersteller der Familie der Stuarts.

»Meine Herren,« sprach Monk, sich umwendend, »ich bitte, erinnert Euch, daß ich fortan nichts mehr bin. Vor Kurzem noch befehligte ich die Hauptarmee der Republik; nun gehört diese Armee dem König, in dessen Hände ich, seinem Gebot gemäß, die Macht, die ich gestern besaß, niederlegen werde.«

Ein großes Erstaunen drückte sich in allen Gesichtern aus, und der Kreis der Schmeichler und Bittenden, der Monk einen Augenblick vorher umschloß, erweiterte sich allmälig und verlor sich am Ende in den großen Wogungen der Menge. Monk wartete im Vorzimmer wie alle Welt. D’Artagnan konnte sich nicht enthalten, hierüber eine Bemerkung gegen den Grafen de la Fère zu machen, der die Stirne faltete. Plötzlich öffnete sich die Thüre des Cabinets von Karl, und es erschien der junge König, dem zwei Officianten seines Hauses vorangingen.

»Guten Abend, meine Herren,« sprach er. »Ist der General Monk hier?«

»Hier bin ich, Sire,« erwiederte der alte General.

Karl eilte auf ihn zu, drückte ihm mit glühender Freundschaft die Hände und sagte laut:

»General, ich habe so eben Euer Patent unterzeichnet: Ihr seid Herzog von Albermale, und es ist meine Absicht, daß keiner Euch an Macht und Vermögen in diesem Königreich gleichkomme, wo Euch, den edlen Montrose ausgenommen, keiner an Rechtschaffenheit, Muth und Talent gleichgekommen ist. Meine Herren, der Herzog ist Obercommandant unserer Heere zu Wasser und zu Land; wollt ihm in dieser Eigenschaft die ihm schuldige Achtung erweisen.«

Während sich Jeder um den General drängte, der alle diese Huldigungen hinnahm, ohne einen Augenblick seine gewöhnliche Unempfindlichkeit zu verlieren, sagte d’Artagnan zu Athos:

»Wenn man bedenkt, daß dieses Herzogthum, dieses Commando der Heere zu Wasser und zu Land, mit einem Wort, alle diese Größen in einer Kiste von sechs Fuß Länge und drei Schuh Breite eingesperrt waren!«

»Freund,« erwiederte Athos, »viel mächtigere Größen müssen sich mit kleineren Kisten begnügen; sie verschließen für immer . . . «

Plötzlich erblickte Monk die zwei Edelleute, die sich beiseit hielten und warteten, bis sich die Woge verlaufen hätte. Er bahnte sich einen Weg und ging auf sie zu, so daß er sie mitten in ihren philosophischen Betrachtungen überraschte.

»Ihr spracht von mir?« sagte er mit einem Lächeln.

»Mylord,« antwortete Athos, »wir sprachen auch von Gott.«

Monk dachte einen Augenblick nach und sagte dann heiter:

»Sprechen wir auch ein wenig vom König, wenn es Euch beliebt, denn Ihr habt, glaube ich, Audienz beim König.«

»Um neun Uhr,« sagte Athos,

»Um zehn Uhr,« sagte d’Artagnan.

»Treten wir sogleich in das Cabinet ein,« sprach Monk und bedeutete seinen beiden Gefährten, sie möchten vorangehen, was weder der Eine, noch der Andere thun wollte.

Der König war während dieses ganz französischen Streites in die Mitte der Gallerie zurückgekehrt.

»Oh! meine Franzosen,« sagte er mit jenem Tone sorgloser Heiterkeit, den er trotz so großen Kummers, trotz so vieler Unglücksfälle nicht verloren hatte. »Die Franzosen, mein Trost!«

D’Artagnan und Athos verbeugten sich.

»Herzog, führt diese Herren in mein Studirzimmer. Ich gehöre Euch, meine Herren,« fügte er in französischer Sprache bei. Und er fertigte rasch seinen Hof ab, um zu seinen Franzosen, wie er sie nannte, zurückzukehren.

»Herr d’Artagnan,« sprach er, als er in sein Cabinet eintrat, »es freut mich, Euch wiederzusehen.«

»Sire, ich fühle mich im höchsten Grade glücklich. Eure Majestät im Palast von Saint-James begrüßen zu dürfen.«

»Mein Herr, Ihr wolltet mir einen sehr großen Dienst leisten, und ich bin Euch Dank dafür schuldig. Befürchtete ich nicht, in die Rechte meines Obercommandanten einzugreifen, so böte ich Euch irgend einen Eurer würdigen Posten bei unserer Person an.«

»Sire,« entgegnete d’Artagnan, »als ich den Dienst des Königs von Frankreich verließ, versprach ich meinem Fürsten, keinem andern König zu dienen.«

»Ah! das macht mich sehr unglücklich,« sagte Karl, »ich hätte gern viel für Euch gethan, denn Ihr gefallt mir . . . «

»Sire . . . «

»Laßt sehen,« fuhr Karl mit einem Lächeln fort, »kann ich es nicht dahin bringen, daß Ihr Euer Wort brecht? Herzog, helft mir. Wenn man Euch, oder wenn ich Euch vielmehr den Oberbefehl über meine Musketiere anböte?«

D’Artagnan verbeugte sich tiefer als das erste Mal und erwiederte:

»Zu meinem großen Bedauern müßte ich das huldreiche Anerbieten Eurer Majestät ausschlagen; ein Edelmann hat nur sein Wort, und dieses Wort ist, wie ich Eurer Majestät zu sagen die Ehre gehabt, dem König von Frankreich verpfändet.«

»Sprechen wir nicht mehr davon,« sagte der König, sich gegen Athos umwendend.

Und er verließ d’Artagnan, der in die heftigsten Schmerzen der Enttäuschung versank.

»Ah! ich sagte es doch,« murmelte der Musketier; »Worte! Hofweihwasser! Die Könige haben stets ein wunderbares Talent, uns das, wovon sie wissen, daß wir es nicht annehmen werden, anzubieten, und sich ohne Gefahr freigebig zu zeigen. Ich Dummkopf! . . . ich dreifacher Dummkopf, der ich war, daß ich einen Augenblick hoffte.«

Während dieser Zeit nahm Karl Athos bei, der Hand und sprach zu ihm:

»Graf, Ihr seid für mich ein zweiter Vater gewesen; der Dienst, den Ihr mir geleistet habt, läßt sich nicht bezahlen. Dennoch gedenke ich Euch zu belohnen. Ihr seid von meinem Vater zum Ritter vom Hosenbandorden ernannt worden; das ist ein Orden, den alle Könige Europas zu tragen sich zur Ehre rechnen müssen; durch die Königin Regentin zum Ritter vom heiligen Geist, was ein nicht minder erhabener Orden ist; ich füge den vom goldenen Vließ bei, den mir, der König von Frankreich geschickt, welchem der König von Spanien, sein Schwiegervater, bei Gelegenheit seiner Vermählung zwei gegeben hatte; dagegen habe ich jedoch einen Dienst von Euch zu verlangen.«

»Sire,« sprach Athos ganz verwirrt, »mir das goldene Vließ, während der König von Frankreich der Einzige meines Landes ist, der sich dieser Auszeichnung erfreut.«

»Ihr sollt in Eurem Land und überall allen denen gleichstehen, welche die souveränen Fürsten mit ihrer Gunst beehrt haben,« sprach Karl, indem er die Kette von seinem Halse nahm, »und ich bin überzeugt, Graf, daß mir mein Vater aus der Tiefe seines Grabes zulächelt.«

»Es ist doch seltsam,« sprach d’Artagnan, während sein Freund auf den Knieen den hochgefeierten Orden empfing, den ihm der König übertrug, »es ist unglaublich, daß ich stets den Regen des Glückes auf diejenigen, welche mich umgeben, habe fallen sehen, während nicht ein Tropfen je mich getroffen hat! Bei meinem Ehrenwort, man könnte sich die Haare ausraufen, wenn man neidisch wäre.«

Athos stand auf. Karl umarmte ihn zärtlich.

»General,« sagte er zu Monk; dann sich mit einem Lächeln unterbrechend, »verzeiht, ich wollte Herzog sagen . . . Seht, wenn ich mich irre, so geschieht es, weil das Wort Herzog noch zu kurz für mich ist . . . Ich suche immer einen längeren Titel . . . Ich möchte Euch gern so nahe an meinem Thron sehen, daß ich wie zu Ludwig XV,: Mein Bruder! sagen könnte. Oh! ich habe es, und Ihr werdet beinahe mein Bruder sein, denn ich mache Euch zum Vicekönig von Irland und Schottland, mein lieber Herzog . . . Auf diese Art werde ich fortan keinen Irrthum mehr begehen.«

Der Herzog ergriff die Hand des Königs, aber ohne Begeisterung, ohne Freude, wie er Alles that. Sein Herz war indessen von dieser letzten Gunst erschüttert worden. Geschickt mit seiner Freigebigkeit zu Rathe gehend, hatte Karl dem Herzog Zeit gelassen zu wünschen . . . obgleich er nicht so viel hätte wünschen können, als man ihm gab.

»Mordioux!« brummelte d’Artagnan, »der Platzregen beginnt. Oh! man könnte den Verstand darüber verlieren!«

Und er wandte sich mit einer so verdrießlichen, so komisch kläglichen Miene ab, daß sich der König eines Lächelns nicht erwehren konnte. Monk schickte sich an, das Cabinet zu verlassen und von Karl Abschied zu nehmen.

»Wie, mein Getreuer,« sagte der König zum Herzog, »Ihr geht?«

»Wenn es Eure Majestät erlaubt, denn ich bin in der That sehr müde . . . Die Aufregung des Tages hat mich entkräftet, und ich bedarf der Ruhe.«

»Doch ich hoffe, Ihr geht nicht ohne Herrn d’Artagnan?«

»Warum, Sire?« fragte der alte Krieger.

»Ihr wißt wohl, warum,« sprach der König.

Monk schaute Karl erstaunt an und erwiederte:

»Ich bitte Eure Majestät um Verzeihung, ich weiß nicht, was sie sagen will.«

»Oh! das ist möglich; doch wenn Ihr vergeßt, vergißt Herr d’Artagnan nicht.«

Nun prägte sich das Erstaunen in dem Gesicht des Musketiers aus.

»Sprecht, Herzog,« sagte der König, »wohnt Ihr nicht mit Herrn d’Artagnan zusammen?«

»Ich habe die Ehre gehabt, Herrn d’Artagnan eine Wohnung anzubieten, ja, Sire.«

»Dieser Gedanke ist Euch von Euch selbst, und Euch allein gekommen?«

»Von mir selbst und mir allein, ja, Sire.«

»Nun, es konnte nicht anders sein, der Gefangene ist immer in der Wohnung seines Siegers.«

Erröthend sprach Monk:

»Ah! es ist wahr, ich bin der Gefangene von Herrn d’Artagnan.«

»Allerdings, Monk, da Ihr noch nicht losgekauft seid; doch macht Euch keine Sorge, ich, der ich Euch Herrn d’Artagnan entrissen habe, ich werde Euer Lösegeld bezahlen.«

Die Augen von d’Artagnan gewannen wieder ihre Heiterkeit und ihren Glanz; der Gascogner fing an zu begreifen. Karl ging auf ihn zu und sprach:

»Der General ist nicht reich und könnte Euch nicht bezahlen, was er werth ist. Ich bin sicherlich reicher; doch nun, da er Herzog und, wenn nicht König, wenigstens beinahe König ist, beträgt sein Werth eine Summe die ich Euch vielleicht auch nicht bezahlen könnte. Laßt hören, Herr d’Artagnan, schont mich: wie viel bin ich Euch schuldig?«

Entzückt über die Wendung, welche die Sache nahm, doch vollkommen sich selbst beherrschend, antwortete d’Artagnan:

»Sire, Eure Majestät hat Unrecht, sich zu beunruhigen. Als ich das Glück hatte, Seine Herrlichkeit gefangen zu nehmen, war Herr Monk nur General; man ist mir folglich nur das Lösegeld für einen General schuldig. Doch der General wolle die Güte haben, mir seinen Degen zurückzugeben, und ich halte mich für bezahlt, denn es gibt in der Welt nur den Degen des Generals, der so viel werth ist, als er.«

»Odds fish!« wie mein Vater sagte,« rief Karl II., »das ist ein artiger Vorschlag und ein artiger Mann, nicht wahr, Herzog?«

»Bei meiner Ehre, ja, Sire,« antwortete der Herzog.

Und er zog seinen Degen.

»Mein Herr,« sagte er zu d’Artagnan, »hier ist das, was Ihr verlangt. Viele haben bessere Klingen in der Hand gehalten, doch so bescheiden auch die meinige sein mag, sie ist nie von mir einem Menschen übergeben worden.«

D’Artagnan nahm mit Stolz diesen Degen, der einen König gemacht hatte.

»Hoho!« rief Karl II.; »wie! ein Degen, der mir meinen Thron zurückgegeben, sollte aus diesem Königreich kommen und nicht eines, Tags seine Stelle unter meinen Kronjuwelen haben? Nein, bei meiner Seele, das wird nicht geschehen! Kapitän d’Artagnan, ich gebe Euch zweimal hundert tausend Livres für diesen Degen; ist das zu wenig, so sagt es mir.«

»Es ist zu wenig, Sire,« erwiederte d’Artagnan mit einem unnachahmlichen Ernst. »Vor Allem will ich ihn durchaus nicht verkaufen, doch wenn es Eure Majestät wünscht, so ist es Befehl. Ich gehorche also; aber die Ehrfurcht, die ich dem erhabenen Krieger schuldig bin, der mich hört, heischt es, daß ich das Pfand meines Sieges um ein Drittel höher schätze. Ich verlange also dreimal hundert tausend Livres für den Degen, oder ich gebe ihn Eurer Majestät umsonst.«

Und er nahm ihn bei der Spitze und reichte ihn dem König.

Karl brach in ein schallendes Gelächter aus.

»Ein artiger Mann und ein lustiger Geselle! Odds fish! nicht wahr, Herzog? nicht wahr, Graf? Er gefällt mir, und ich liebe ihn. Hört, Chevalier d’Artagnan, nehmt dieses.«

Und er ging an einen Tisch, ergriff eine Feder und schrieb eine Anweisung von dreimal hunderttausend Livres auf seinen Schatzmeister.

D’Artagnan nahm sie, wandte sich ernst gegen Monk um und sprach:

»Ich weiß, ich habe noch zu wenig verlangt; doch glaubt mir, Herr Herzog, ich wäre eher gestorben, als daß ich mich hätte durch den Geiz verleiten lassen.«

Der König lachte wieder wie der glücklichste Cokney seines Reiches.

»Ihr kommt noch einmal zu mir, ehe Ihr geht, Chevalier,« sagte er; »ich brauche noch einen Vorrath von Heiterkeit, nun, da mich meine Franzosen verlassen.«

»Ah! Sire, bei der Heiterkeit wird es nicht sein wie bei dem Degen des Herzogs; ich gebe sie Eurer Majestät gratis,« erwiederte d’Artagnan, dessen Füße die Erde nicht mehr berührten.

»Und Ihr, Graf,« fügte Karl, sich an Athos wendend, bei, »kommt auch noch einmal, ich habe Euch einen wichtigen Auftrag anzuvertrauen. Eure Hand, Herzog.«

Monk reichte dem König die Hand.

»Gott befohlen, meine Herren,« sprach Karl, indem er den zwei Franzosen jedem eine Hand bot, die sie an ihre Lippen drückten.

»Nun!« fragte Athos, als sie außen waren, »seid Ihr zufrieden?«

»Stille!« erwiederte d’Artagnan ganz bewegt vor Freude; »ich bin noch nicht vom Schatzmeister zurück, die Traufe kann mir auf den Kopf fallen.«

Der Graf von Bragelonne

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