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Drittes bis Sechstes Bändchen
XIII.
Am andern Tag

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Es war sieben Uhr Morgens: die ersten Strahlen des Tages beleuchteten die Teiche, in denen sich die Sonne wie eine rothe Kugel wiederspiegelte, als Athos erwachend und das Fenster seines Schlafzimmers öffnend, das nach dem Flusse ging, ungefähr in einer Entfernung von fünfzehn Schritten den Sergenten und die Leute erblickte, die ihn am Abend vorher begleitet hatten und, nachdem sie die Tonnen bei ihm niedergelegt, auf der Chaussee rechts nach dem Lager zurückgekehrt waren.

Warum waren diese Menschen, nachdem sie ins Lager zurückgekehrt, wieder gekommen? Dies war die Frage, die sich plötzlich dem Geist von Athos darbot.

Den Kopf hoch, schien der Sergent auf den Augenblick zu lauern, wo der fremde Edelmann erscheinen würde, um ihn anzurufen. Erstaunt, diejenigen hier wiederzufinden, die er am Abend vorher sich hatte entfernen sehen, konnte er sich nicht enthalten, ihnen seine Verwunderung hierüber zu bezeigen.

»Darüber dürft Ihr Euch nicht wundern, mein Herr,« sagte der Sergent, »gestern hat mir der General über Eurer Sicherheit zu wachen befohlen, und ich habe diesem Befehl Folge geleistet.«

»Ist der General im Lager?« fragte Athos.

»Ohne allen Zweifel, mein Herr, da Ihr ihn verließet, als er sich dahin begab.«

»Wohl! so erwartet mich, ich will zu ihm gehen, um ihm zu melden, mit welcher Treue Ihr Euren Auftrag erfüllt habt, und zugleich um meinen Degen zu holen, den ich gestern auf seinem Tisch liegen ließ.«

»Das trifft sich vortrefflich,« sagte der Sergent, »denn wir wollten Euch darum bitten.«

Athos glaubte eine gewisse zweideutig treuherzige Miene im Gesichte des Sergenten wahrzunehmen, doch das Abenteuer des unterirdischen Gewölbes konnte die Neugierde dieses Menschen erregt haben, und es war daher nicht besonders auffallend, daß er auf seinem Gesicht die Gefühle ein wenig durchblicken ließ, die seinen Geist bewegten.

Athos schloß sorgfältig die Thüre und übergab den Schlüssel Grimaud, der seine Wohnung unter dem Schirmdache genommen hatte, unter dem man in den Speisekeller gelangte, wo die Tonnen aufbewahrt waren. Der Sergent begleitete den Grasen de la Fère bis ins Lager. Hier wartete eine neue Wache und löste die vier Mann ab, welche Athos geführt hatten.

Diese neue Wache wurde befehligt vom Adjutanten Digby, welcher unter Weges auf Athos so wenig ermuthigende Blicke heftete, daß der Franzose sich fragte, woher diese Wachsamkeit und diese Strenge gegen ihn kämen, während man ihn am Tage vorher so völlig frei gelassen.

Er ging nichtsdestoweniger weiter nach dem Hauptquartier und verschloß in seinem Innern die Bemerkungen, die ihn die Menschen und die Dinge zu machen nöthigten. Er fand unter dem Zelte des Generals, wo er am Tage zuvor eingeführt worden war, drei höhere Officiere: dies waren der Lieutenant von Monk und zwei Obersten. Athos erblickte seinen Degen; er lag noch auf dem Tisch des Generals, an dem Platz, wo er ihn gelassen hatte.

Keiner von den Offerieren hatte Athos gesehen, keiner kannte ihn folglich. Der Lieutenant von Monk fragte, als er Athos erblickte, ob dies nicht der französische Edelmann sei, mit dem der General das Zelt verlassen habe.

»Ja, Eure Ehren, er ist es,« antwortete der Soldat.

»Mir scheint, ich leugne das nicht,« sprach Athos mit stolzem Tone; »und nun, meine Herren, erlaubt mir meinerseits, Euch um eine Erklärung zu bitten, wozu alle diese Fragen und besonders warum der Ton, in dem Ihr sie thut.«

»Mein Herr,« erwiederte der Lieutenant, »wenn wir diese Fragen an Euch richten, so haben wir das Recht, sie zu thun, und wenn wir sie in diesem Ton stellen, so geschieht dies, glaubt mir, weil dieser Ton der Lage der Dinge entspricht.«

»Meine Herren,« entgegnete Athos, »Ihr wißt nicht, wer ich bin, doch ich muß Euch bemerken, daß ich hier nur den General Monk als meines Gleichen anerkenne. Wo ist er? Man führe mich vor ihn und wenn er eine Frage an mich zu richten hat, so werbe ich antworten, und zwar, wie ich hoffe, auf eine ihn befriedigende Weise. Ich wiederhole, meine Herren, wo ist der General?«

»Ei, bei Gott! Ihr wißt besser als wir, wo er ist!« rief der Lieutenant.

»Ich?«

»Gewiß, Ihr.«

»Mein Herr, ich verstehe Euch nicht.«

»Ihr werdet mich verstehen, und sprecht vor Allem leiser, mein Herr. Was hat Euch der General gestern gesagt?«

Athos lächelte verächtlich.

»Es handelt sich hier nicht darum, zulächeln, sondern zu antworten,«» rief aufbrausend einer von den Obersten.

»Und ich, meine Herren, ich erkläre Euch, daß ich nicht antworten werde, wenn ich nicht dem General gegenüberstehe.«

»Ihr wißt wohl, daß Ihr etwas Unmögliches verlangt,« sagte der Oberste, der schon gesprochen hatte.

»Zum zweiten Male gibt man mir dieselbe seltsame Antwort auf den Wunsch, den ich ausdrücke,« sprach Athos. »Ist der General abwesend?«

Die Frage von Athos wurde so treuherzig ausgesprochen und der Graf hatte dabei eine so unschuldig erstaunte Miene, daß die drei Officiere Blicke wechselten. Der Lieutenant nahm durch eine Art von stillschweigender Uebereinkunft mit den zwei andern Officieren das Wort und sagte:

»Mein Herr, der General hat Euch gestern an der Grenze des Klosters verlassen?«

»Ja, mein Herr.«

»Und wohin seid Ihr gegangen?«

»Es ist nicht an mir. Euch zu antworten, sondern an denjenigen, welche mich begleitet haben. Das sind Eure Soldaten, befragt sie.«

»Aber wenn es uns beliebt. Euch zu befragen?«

»Dann wird es mir belieben, Euch zu erwiedern, mein Herr, daß ich von Niemand hier abhängig bin, daß ich hier nur den General kenne und nur ihm antworten werde.«

»Es sei, doch da wir die Herren sind, so werden wir uns zum Kriegsgericht erheben, und wenn Ihr Richter vor Euch habt, müßt Ihr wohl antworten.«

Das Antlitz von Athos drückte nur Erstaunen und Verachtung statt des Schreckens aus, den die Officiere darauf zu lesen erwarteten.

»Schottische oder englische Richter mir, der ich Unterthan des Königs von Frankreich, mir, der ich unter den Schutz der britischen Ehre gestellt bin! Ihr seid Narren, meine Herren,« rief Athos die Achseln zuckend.

»Mein Herr, Ihr behauptet also, Ihr wisset nicht, wo der General ist?« sagten sie.

»Hierauf habe ich schon geantwortet.«

»Ja; aber Ihr habt etwas Unglaubliches geantwortet.«

»Es ist dennoch wahr, meine Herren. Die Leute meines Standes lügen gewöhnlich nicht. Ich bin Edelmann, wie ich Euch schon bemerkte, und wenn ich den Degen an meiner Seite habe, den ich gestern aus einem Uebermaß von Zartgefühl auf dem Tische ließ, wo er noch liegt, so wird mir, glaubt mir, Keiner Dinge sagen, die ich nicht hören will. Heute bin ich entwaffnet; wenn Ihr meine Richter zu sein Euch anmaßt, so richtet mich; wenn Ihr nur meine Henker seid, so tödtet mich!«

»Aber, mein Herr? . . . « fragte mit höflicherem Tone der Lieutenant, berührt von der Größe und Kaltblütigkeit von Athos.

»Mein Herr, ich kam hierher, um mit Eurem General im Vertrauen über wichtige Angelegenheiten zu sprechen. Es war kein gewöhnlicher Empfang, der Empfang, den er mir zu Theil werden ließ. Die Berichte Eurer Soldaten können Euch hiervon überzeugen. Wenn er mich so empfing, so wußte der General, welche Ansprüche ich auf Ächtung zu machen habe. Ich denke, Ihr nehmt nun nicht an, ich werde Euch meine Geheimnisse oder gar die seinigen offenbaren.«

»Aber was enthielten denn die Tonnen?«

»Habt Ihr diese Frage nicht an Eure Soldaten gerichtet? Was haben sie Euch geantwortet?«

»Sie enthalten Pulver und Blei.«

»Von wem erhielten sie diese Kunde? sie mußten Euch das sagen.«

»Vom General; doch wir lassen uns nicht bethören.«

»Nehmt Euch in Acht, mein Herr, ich bin es nicht mehr, den Ihr Lügen straft, sondern Euer Chef.«

Die Officiere schauten sich abermals an; Athos fuhr fort:

»Vor Euren Soldaten hat mir der General gesagt, ich möge acht Tag warten, in acht Tagen würde er mir die Antwort geben, die er mir zu ertheilen habe. Bin ich entflohen? Nein, ich warte.«

»Er hat Euch acht Tage warten heißen!« rief der Lieutenant.

»Mein Herr, ich habe ein Sloop in der Mündung des Flusses vor Anker, ich konnte es gestern ohne die geringste Schwierigkeit erreichen und mich einschiffen. Bin ich aber geblieben, so geschah dies einzig und allein, um den Wünschen des Generals zu entsprechen, da mich Seine Herrlichkeit ersuchte, nicht ohne eine letzte Audienz abzureisen, deren Zeitpunkt sie selbst auf acht Tage feststellte. Ich wiederhole Euch also, daß ich warte,«

Der Lieutenant wandte sich gegen die zwei andern Officiere um und sagte mit leiser Stimme:

»Wenn dieser die Wahrheit spricht, so wäre noch Hoffnung vorhanden. Der General hätte so geheime Unterhandlungen pflegen müssen, daß er es sogar für unklug gehalten haben würde, uns davon in Kenntniß zu setzen. Seine Abwesenheit würde sodann acht Tag dauern.«

Dann sich an Athos wendend, sprach er:, »Mein Herr, Eure Erklärung ist von der höchsten Wichtigkeit, wollt Ihr sie unter dem Siegel des Schwurs wiederholen?«

»Mein Herr,« antwortete Athos, »ich habe immer in einer Welt gelebt, in der man mein einfaches Wort als den heiligsten der Schwüre betrachtete.«

»Diesmal jedoch, mein Herr, sind die Verhältnisse ernster als alle diejenigen, in denen Ihr Euch je befunden haben möget. Es handelt sich um das Heil einer ganzen Armee. Bedenkt es wohl. Der General ist verschwunden und wir forschen nach ihm. Ist das Verschwinden natürlich? Ist ein Verbrechen begangen worden? Müssen wir unsere Nachforschungen bis auf’s Aeußerste treiben? Sollen wir In Geduld warten? In diesem Augenblick, mein Herr, hängt Alles von dem Wort ab, das Ihr aussprechen werdet.«

»So befragt zögere ich nicht,« erwiederte Athos; »ja, ich hatte eine vertrauliche Unterredung mit dem General und bat ihn um eine Antwort über gewisse Interessen; ja, der General, der sich ohne Zweifel nicht vor der Schlacht, die man erwartet, aussprechen konnte, bat mich, noch acht Tage in dem Hause zu warten, das ich bewohne, und versprach mir zugleich, ich würde ihn in acht Tagen wiedersehen. Ja, dies Alles ist wahr, und ich schwöre es bei Gott, der der unumschränkte Herr meines Lebens und des Eurigen ist.«

Athos sprach diese Worte mit so viel Größe und mit solcher Feierlichkeit, daß die drei Officiere beinahe überzeugt waren. Einer von den Obersten wollte indessen noch einen Versuch machen und sagte:

»Mein Herr, obgleich wir nun von dem, was Ihr behauptet, überzeugt sind, liegt doch in dem Allem ein seltsames Geheimniß. Der General ist ein zu kluger Mann, um so sein Heer am Vorabend einer Schlacht zu verlassen, ohne wenigstens einen von uns davon in Kenntniß zu setzen. Ich, was mich betrifft, kann nichts Anderes glauben, als daß ein seltsames Ereigniß die Ursache dieses Verschwindens ist. Gestern sind fremde Fischer hierhergekommen, um ihre Fische zu verkaufen; man quartierte sie dort unten bei den Schottländern ein, nämlich am Wege, dem der General folgte, um mit dem Herrn in die Abtei zu gehen und von dort zurückzukehren. Einer dieser Fischer hat den General mit einer Laterne begleitet . . . und diesen Morgen waren Barke und Fischer von der Fluth fortgetragen verschwunden.«

»Ich,« versetzte der Lieutenant, »ich sehe darin nichts, was nicht natürlich wäre, denn diese Leute waren keine Gefangenen.«

»Nein; aber ich wiederhole, einer von ihnen hat dem General und dem Herrn in dem Gewölbe der Abtei geleuchtet, und Digby versichert uns, der General habe schlimmen Verdacht über diese Leute gehabt. Wer sagt uns aber, daß diese Fischer nicht mit dem Herrn einverstanden waren, und nachdem der Streich ausgeführt, sei dieser Herr, der sicherlich muthig ist, nicht geblieben, um uns durch seine Gegenwart zu beruhigen und es zu verhindern, daß unsere Nachforschungen die geeignete Richtung nehmen?«

Diese Rede machte Eindruck auf die zwei andern Officiere.

»Mein Herr,« sprach Athos, »erlaubt mir, Euch zu bemerken, daß es Eurem scheinbar sehr richtigen Urtheil doch in dem, was mich betrifft, an Haltbarkeit fehlt. Ihr sagt, ich sei geblieben, um den Verdacht abzuwenden; der Verdacht regt sich im Gegentheil in mir, wie in Euch, und ich sage Euch: Es ist nicht möglich, meine Herren, daß sich der General am Vorabend einer Schlacht wegbegeben hat, ohne irgend Jemand davon in Kenntniß zu setzen. Ja, bei dem Allem waltet ein seltsames Ereigniß ob; ja, statt müßig zu bleiben und zu warten, müßt Ihr jede Wachsamkeit, jede mögliche Thätigkeit entwickeln. Ich bin Euer Gefangener, meine Herren, auf mein Wort oder auf eine andere Weise. Meine Ehre ist dabei betheiligt, daß man erfährt, was aus dem General Monk geworden ist, so daß ich, wenn Ihr zu mir sagtet: Geht, antworten würde: Nein, ich bleibe, – und daß ich, wenn Ihr mich um meine Meinung fragtet, beifügen müßte: Ja, der General ist das Opfer irgend einer Verschwörung, denn wenn er das Lager hätte verlassen müssen, so würde er es gesagt haben. Sucht also, forscht, durchwühlt die Erde, durchwühlt das Meer; der General ist nicht weggegangen, oder wenigstens nicht mit seinem eigenen Willen weggegangen.«

Der Lieutenant machte den anderen Officieren ein Zeichen.

»Nein, mein Herr,« sagte er, »nein, Ihr geht Eurerseits zu weit. Der General hat nichts von den Ereignissen zu erleiden, und er ist es ohne Zweifel im Gegentheil, der sie lenkt. Was Monk zu dieser Stunde thut, hat er schon oft gethan. Wir haben also Unrecht, uns zu beunruhigen; seine Abwesenheit wird ohne Zweifel von kurzer Dauer sein. Wir werden uns auch wohl hüten, in einer Kleinmüthigkeit, die uns der General zum Verbrechen machen würde, seine Abwesenheit, welche die Armee demoralisiren könnte, ruchbar werden zu lassen. Der General gibt uns einen ungeheuren Beweis seines Vertrauens; zeigen wir uns desselben würdig. Meine Herren, das tiefste Stillschweigen bedecke dies Alles mit einem undurchdringlichen Schleier; wir behalten den Herrn nicht wegen eines Argwohns gegen ihn hinsichtlich des Verbrechens, sondern um auf eine wirksamere Weise das Geheimniß der Abwesenheit des Generals, das wir unter uns verschließen, zu sichern; bis auf neuen Befehl wird der Herr auch im Generalquartier wohnen.«

»Meine Herren,« entgegnete Athos, »Ihr vergeßt, daß mir der General in dieser Nacht ein Gut anvertraut hat, das ich hüten muß. Gebt mir jede Bewachung, die Euch beliebt, fesselt mich, wenn Ihr wollt, doch laßt mir das Haus, das ich bewohne, als Gefängnis. Ich schwöre Euch bei meinem adeligen Ehrenwort, der General würde es Euch bei seiner Rückkehr zum Vorwurf machen, daß Ihr ihm hierin mißfallen habet.«

Die Officiere beriethen sich einen Augenblick; nach dieser Berathung sagte der Lieutenant:

»Es sei, mein Herr, kehrt in Eure Wohnung zurück.«

Dann gaben sie Athos eine Wache von fünfzig Mann, die ihn in seinem Haus einschloß, ohne ihn eine Secunde aus dem Gesicht zu verlieren.

Das Geheimniß blieb bewahrt, aber die Stunden, aber die Tage vergingen, ohne daß der General zurückkam und ohne daß man ferner Kunde von ihm erhielt.

Der Graf von Bragelonne

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