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Drittes bis Sechstes Bändchen
XXVI.
Staatsangelegenheiten

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Als der Cardinal in sein Cabinet kam, fand er den Grafen de la Fère, der, seiner harrend, voll Bewunderung einen sehr schönen Raphael betrachtete, welcher über einem mit goldenem Geschirr beladenen Credenztisch hing.

Seine Eminenz kam sachte, leicht und schweigsam wie ein Schatten, um gleichsam die Physiognomie des Grasen zu überrumpeln, wie er es zu thun pflegte, denn er errieth seiner Behauptung nach aus der einfachen Beschauung des Gesichtes eines Sprechenden, was das Resultat der Unterredung sein würde.

Doch diesmal täuschte sich Mazarin in seiner Erwartung. Er las durchaus nichts im Gesicht von Athos, nicht einmal die Ehrfurcht, die er in andern Gesichtern zu lesen gewohnt war.

Diese Nuance entging der schlauen Eminenz nicht. Mazarin war zu sehr mit den Menschen vertraut, um nicht in der kalten, beinahe hochmüthigen Höflichkeit von Athos ein Anzeichen von Feindseligkeit zu erblicken, was nicht die gewöhnliche Temperatur des Treibhauses war, das man den Hof nennt.

Athos war schwarz mit einer einfachen silbernen Stickerei gekleidet. Er trug den heiligen Geist, das Hosenband und das goldene Vließ, drei Orden von solcher Bedeutung, daß nur ein König allein oder ein Schauspieler sie vereinigen konnte.

Mazarin suchte lange in seinem etwas gestörten Gedächtniß, um den Namen zu finden, den er diesem eisigen Gesicht geben sollte, doch es gelang ihm nicht.

»Ich habe gewußt, es würde mir eine Botschaft von England zukommen,« sprach er endlich.

Und er setzte sich und entließ Bernouin und Brienne, der als Secretaire die Feder zu fuhren bereit war.

»Von Seiner Majestät dem König von England, ja, Eure Eminenz.«

»Ihr sprecht das Französische sehr rein für einen Engländer, mein Herr,« sagte Mazarin freundlich, während er beständig durch seine Finger den Orden vom heiligen Geist, das Hosenband, das goldene Vließ und besonders das Gesicht des Boten betrachtete.

»Ich bin kein Engländer, sondern ein Franzose, Herr Cardinal,« erwiederte Athos.

»Es ist eigenthümlich, daß der König von England Franzosen zu seinen Botschaftern wählt, und ich betrachte dies als ein gutes Vorzeichen . . . Wollt mir Euren Namen sagen, mein Herr.«

»Graf de la Fère,« antwortete Athos, sich weniger verbeugend, als es das Ceremoniel und der Stolz des allmächtigen Ministers heischten.

Mazarin bewegte leicht die Achseln, als wollte er sagen: »Ich kenne diesen Namen nicht.«

Athos verzog keine Miene.

»Und Ihr kommt, um mir zu eröffnen, mein Herr . . . « fuhr Mazarin fort.

»Ich kam im Auftrag Seiner Majestät des Königs von Großbritannien, um dem König von Frankreich zu verkündigen . . . «

Mazarin faltete die Stirne.

»Um dem König von Frankreich zu verkündigen. Seine Majestät König Karl II. habe glücklich den Thron seiner Väter wieder bestiegen.«

»Ihr habt ohne Zweifel Vollmachten?« fragte Mazarin mit kurzem, zänkischem Ton.

»Ja . . . Monseigneur.«

Dieses Wort Monseigneur kam mühsam über die Lippen von Athos; es war, als preßte er es zu sehr zusammen.

Athos zog aus einer Tasche von gesticktem Sammet, die er unter seinem Wamms trug, eine Depeche.

Der Cardinal streckte die Hand aus.

»Verzeiht, Monseigneur,« entgegnete Athos, »meine Depeche ist für den König.«

»Da Ihr Franzose seid, mein Herr, müßt Ihr wissen, was ein erster Minister am Hof von Frankreich bedeutet.«

»Es gab eine Zeit, wo ich mich in der That mit dem, was die ersten Minister bedeuten, beschäftigte! doch ich habe schon vor mehreren Jahren den Beschluß gefaßt, nur noch mit dem König zu verhandeln.«

»Dann werdet Ihr weder den Minister, noch den König sehen,« sagte Mazarin, der ärgerlich zu werden anfing, und stand auf.

Athos schob seine Depeche wieder in die Tasche, verbeugte sich ernst und machte einige Schritte nach der Thüre. Diese Kaltblütigkeit brachte Mazarin außer sich.

»Was für ein sonderbares diplomatisches Verfahren!« rief er; »sind wir noch in der Zeit, wo uns Herr Cromwell Kriegsknechte in Form von Geschäftsträgern schickte? Es fehlt Euch nichts, mein Herr, als die Pickelhaube auf dem Kopf und die Bibel am Gürtel.«

»Mein Herr,« erwiederte Athos trocken, »ich habe nie wie Ihr Gelegenheit gehabt, mit Herrn Cromwell zu verhandeln, und ich habe seine Geschäftsträger nur mit dem Schwert in der Hand gesehen; ich weiß folglich nicht, wie sie mit ersten Ministern verhandelten. Was aber den König von England Karl II. betrifft, so weiß ich, daß, wenn er an Seine Majestät König Ludwig XIV. schreibt, der Brief nicht an Seine Eminenz den Cardinal Mazarin gerichtet ist; in dieser Unterscheidung sehe ich keine Diplomatie.«

»Ah!« rief Mazarin, indem er sein abgemagertes Haupt erhob und mit der Hand an den Kopf schlug, »ich erinnere mich nun.«

Athos schaute ihn erstaunt an.

»Ja, so ist es!« sagte der Cardinal, beständig den Grafen anschauend; »ja, so ist es . . . ich erkenne Euch, mein Herr; ah! diavolo! ich wundere mich nicht mehr.«

»In der That, ich wunderte mich, daß mich Eure Eminenz mit ihrem vortrefflichen Gedächtniß nicht erkannte,« erwiederte Athos lächelnd.

»Immer widerhakig, immer mürrisch, mein Herr; wie nannte man Euch doch? wartet . . . ein Flußname . . . Potamos . . . nein . . . der Name einer Insel… Naxos . . . nein, per Jove! der Name eines Berges . . . Athos! ich habe es! Entzückt, Euch wiederzusehen und nicht mehr in Nueil zu sein, wo Ihr mich mit Euren verdammten Genossen Lösegeld bezahlen ließet . . . Fronde! stets Fronde! verfluchte Fronde! Oh! welch ein Sauerteig! Ah! mein Herr, warum haben Eure Antipathien die meinigen überlebt? Wenn Jemand sich zu beklagen hatte, so waret Ihr es nicht, der Ihr aus dieser Sache nicht nur ganz unversehrt, sondern auch mit dem Orden des heiligen Geistes am Hals hervorgegangen seid.«

»Herr Cardinal,« entgegnete Athos, »erlaubt mir, nicht in Betrachtungen dieser Art einzugehen. Ich habe eine Sendung zu vollbringen, . . werdet Ihr mich in den Mitteln, diese Sendung zum Ziele zu führen, erleichtern?«

»Ich wundere mich,« sprach Mazarin, ganz freudig, das Gedächtniß wieder gefunden zu haben, und ganz mit boshaften Stacheln besetzt, »ich wundere mich, Herr Athos . . . daß ein Frondeur, wie Ihr, eine Sendung zum Mazarin, wie man in der guten Zeit sagte, angenommen hat.«

Hierbei brach Mazarin in ein Gelächter aus, obschon ein schmerzlicher Husten seine Sätze durchschnitt und gleichsam in ein Schluchzen verwandelte.

»Ich habe nur eine Sendung an den König von Frankreich angenommen, Herr Cardinal,« entgegnete der Graf, jedoch mit weniger Schärfe, denn er glaubte genug Vortheile zu haben, um sich gemäßigt zeigen zu können.

»Immerhin, mein Herr Frondeur,« sagte Mazarin heiter, »immerhin wird vom König die Angelegenheit, mit der Ihr Euch beauftragt habt . . . «

»Mit der man mich beauftragt hat, Monseigneur; ich laufe den Aufträgen nicht nach.«

»Es mag sein; immerhin, sage ich, wird die Unterhandlung ein wenig durch meine Hände gehen . . . Verlieren wir also nicht eine kostbare Zeit . . . sagt mir die Bedingungen.«

»Ich habe die Ehre gehabt. Eure Eminenz zu versichern, nur der Brief von Seiner Majestät dem König Karl II. enthalte die Eröffnung seines Wunsches.«

»Hört! Ihr seid lächerlich mit Eurer Starrheit, Herr Athos . . . man sieht, daß Ihr Euch dort mit den Puritanern umhergetrieben . . . Euer Geheimnis weiß ich besser als Ihr, und Ihr habt vielleicht Unrecht gehabt, nicht einigermaßen einen sehr alten und sehr leidenden Mann zu berücksichtigen, der viel in seinem Leben gearbeitet und muthig das Feld für seine Ideen behauptet hat, wie Ihr für die Eurigen . . . Ihr wollt nichts sagen? gut; Ihr wollt mir Euren Brief nicht mittheilen? . . . vortrefflich; kommt mit mir in mein Zimmer, Ihr sollt mit dem König . . . und vor dem König sprechen . . . Nun noch ein letztes Wort: wer hat Euch das goldene Vließ gegeben? Ich erinnere mich, daß man sagte, Ihr habet das Hosenband, doch was das goldene Vließ betrifft, davon wußte ich nichts.«

»Kürzlich, Monseigneur, hat Spanien bei Gelegenheit der Verheirathung Seiner Majestät des Königs Ludwig XIV. König Karl II. ein Patent vom goldenen Vließ mit weißem Raum für den Namen überschickt; Karl II. übertrug den Orden mir und füllte das Weiße mit meinem Namen aus.«

Mazarin stand auf und kehrte, sich auf den Arm von Bernouin stützend, in seinen Bettgang im Augenblick zurück, wo man im Zimmer: der Herr Prinz! meldete. Der Prinz von Condé, der erste Prinz von Geblüt, der Sieger von Rocroy, Lens und Nördlingen, trat in der That bei Monsignor Mazarin, gefolgt von seinen Cavalieren, ein, und schon begrüßte er den König, als der erste Minister seinen Vorhang aufhob.

Athos hatte Zeit, Raoul zu erblicken, der dem Grafen von Guiche die Hand drückte und ein Lächeln gegen seinen ehrfurchtsvollen Gruß austauschte.

Er hatte auch Zeit, das strahlende Gesicht des Cardinals wahrzunehmen, als dieser vor sich auf dem Tisch eine ungeheure Masse Goldes sah, die der Graf von Guiche durch eine glückliche Hand, seitdem ihm Seine Eminenz die Karten anvertraut, gewonnen hatte. Botschafter, Botschaft und Prinzen vergessend, dachte er zuerst auch nur an das Gold.

»Wie!« rief der Greis; »dies Alles ist Gewinn?«

»Ungefähr fünfzigtausend Thaler, ja, Monseigneur,« erwiederte der Graf von Guiche aufstehend. »Soll ich nun Eurer Eminenz den Platz zurückgeben oder fortfahren?«

»Zurückgeben, zurückgeben! Ihr seid ein Narr, Ihr würdet Alles wieder verlieren, was Ihr gewonnen habt.«

»Monseigneur,« sagte der Prinz sich verbeugend.

»Guten Abend, Herr Prinz,« sprach der Minister mit leichtem Ton; »es ist sehr liebenswürdig von Euch, daß Ihr einen kranken Freund besucht.«

»Ein Freund!« murmelte der Graf de la Fère, ganz erstaunt, als er diese ungeheuerliche Verbindung in dem Wort: Freund! wahrnahm, da es sich um Mazarin und Condé handelte.

Mazarin errieth den Gedanken des Frondeur, denn er lächelte ihm triumphirend zu und sagte sogleich zum König:

»Sire, ich habe die Ehre, Eurer Majestät den Herrn Grafen de la Fère, Botschafter Seiner britischen Majestät, vorzustellen . . . Staatsangelegenheit, meine Herren!« fügte er bei, indem er mit der Hand alle diejenigen verabschiedete, welche im Zimmer versammelt waren, und diese Leute verschwanden auch wirklich, den Prinzen von Condé an ihrer Spitze, einzig und allein auf die Geberde von Mazarin.

Raoul folgte Herrn von Condé, nachdem er dem Grafen de lagere einen letzten Blick zugeworfen hatte.

Philipp von Anjou und die Königinnen schienen sich zu berathen, ob sie weggehen sollten.

»Familienangelegenheit!« sagte rasch Mazarin, Beide auf ihren Sitzen zurückhaltend. »Dieser Herr hier überbringt dem König einen Brief, durch welchen Karl II., völlig wieder in sein Reich eingesetzt, eine Verbindung zwischen Monsieur, dem Bruder des Königs, und Mademoiselle Henriette, der Enkelin von Heinrich IV., vorschlägt . . . Wollt dem König Euer Beglaubigungsschreiben übergeben, Herr Graf?«

Athos war einen Augenblick verblüfft. Wie konnte der Minister den Inhalt eines Briefes wissen, der nicht eine Minute von ihm gekommen war? Jedoch stets Herr über sich, reichte er die Depeche dem jungen König Ludwig XIV., der sie erröthend aus seinen Händen nahm. Ein feierliches Stillschweigen herrschte im Gemache des Cardinals. Es wurde nur gestört durch das matte Geräusch des Goldes, das Mazarin, während der König las, mit seiner gelben, vertrockneten Hand in ein Kistchen aufhäufte.

Der Graf von Bragelonne

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