Читать книгу Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма - Страница 41
Siebentes bis Zehntes Bändchen
I.
Die Erzählung
ОглавлениеDie Bosheit des Cardinals ließ dem Botschafter nicht viele Dinge zu sagen übrig; doch das Wort: wiedereingesetzt, war dem König aufgefallen, und sich an den Grafen wendend, auf den er seine Augen seit seinem Eintritt geheftet hielt, sprach Ludwig XIV.:
»Mein Herr, wollt uns etwas Genaueres über die Lage der Dinge in England mittheilen. Ihr kommt von diesem Land, Ihr seid Franzose, und die Orden, die ich auf Eurer Brust glänzen sehe, verkündigen mir einen Mann von Verdienst, und zugleich einen Mann von Rang.«
»Dieser Herr,« sagte der Cardinal, sich an die Königin Mutter wendend, »dieser Herr ist ein ehemaliger Diener Eurer Majestät, der Herr Graf de la Fère.«
Anna von Oesterreich war vergeßlich wie eine Königin, deren Leben von Stürmen und schönen Tagen gemischt. Sie schaute Mazarin an, dessen schlimmes Lächeln ihr irgend eine kleine Tücke verhieß. Dann forderte sie von Athos durch einen andern Blick eine Erklärung.
Der Cardinal fuhr fort:
»Der Herr war ein Musketier von Treville, im Dienst des seligen Königs . . . Der Herr kennt vollkommen England, wohin er mehrere Reisen zu verschiedenen Zeiten gemacht hat: er ist ein Unterthan von dem höchsten Verdienst.«
Diese Worte waren eine Anspielung auf alle die Erinnerungen, welche Anna von Oesterreich hervorzurufen stets zitterte. England war ihr Haß gegen Richelieu, ihre Liebe für Buckingham; ein Musketier von Treville war die ganze Odyssee der Triumphe, welche das Herz der jungen Frau schlagen gemacht, und der Gefahren, die den Thron der jungen Königin halb entwurzelt hatten.
Diese Worte übten eine große Gewalt aus, denn sie machten stumm und aufmerksam alle die königlichen Personen, die mit sehr verschiedenartigen Gefühlen die geheimnißvollen Jahre, welche die Jungen nicht erschaut, welche die Alten für immer verwischt geglaubt hatten, wieder auftauchen sahen.
»Sprecht, mein Herr,« sagte Ludwig XIV., der sich zuerst von der Unruhe, vom Argwohn und den Erinnerungen erholte.
»Ja, sprecht,« fügte Mazarin bei, dem die kleine Bosheit, welche er an Anna von Oesterreich verübt, seine Energie und seine Heiterkeit wieder verliehen.
»Sire,« sprach der Graf, »eine Art von Wunder hat das ganze Schicksal von König Karl II. geändert. Was die Menschen bis dahin nicht hatten thun können, beschloß Gott, zu vollführen.«
Mazarin hustete und bewegte sich unruhig in seinem Bett.
»Der König Karl,« fuhr Athos fort, »hat das Haag nicht mehr als Flüchtling, sondern als unumschränkter König verlassen, der nach einer Reise, fern von seinem Reich, unter allgemeinen Segnungen dahin zurückkehrt.«
»In der That, ein großes Wunder,« sagte Mazarin, »denn wenn die Nachrichten wahr gewesen sind, so hatte König Karl II., der unter Segnungen zurückgekehrt ist, sein Land unter Musketenschüssen verlassen.«
Der König blieb unempfindlich.
Jünger und leichtfertiger, vermochte sich Philipp eines Lächelns nicht zu erwehren, das Mazarin wie ein seinem Scherze gespendeter Beifall schmeichelte.
»In der That,« sprach der König, »es hat ein Wunder obgewaltet; doch Gott, der so viel für die Könige thut, Herr Graf, wendet die Hand der Menschen an, um seinen Plänen den Sieg zu verleihen. Welchen Menschen hat Karl II. hauptsächlich seine Wiedereinsetzung zu verdanken.
»Ah!« unterbrach der Cardinal ohne die geringste Rücksicht auf die Eitelkeit des Königs, »weiß Eure Majestät nicht, daß er sie Herrn Monk zu verdanken hat?«
»Ich muß es wissen,« erwiederte entschlossen Ludwig XIV.; »doch ich frage den Herrn Botschafter nach der Ursache der Veränderung dieses Herrn Monk.«
»Eure Majestät berührt hierdurch gerade die Hauptsache,« erwiederte Athos, »denn ohne das Wunder, von dem ich zu sprechen die Ehre gehabt, wäre Herr Monk ohne Zweifel der unbesiegbare Feind von König Karl II. geblieben. Gott wollte, daß eine seltsame, kühne, sinnreiche Idee in den Geist eines gewissen Mannes fiel, während eine ergebene, muthige Idee in den Geist eines gewissen Andern fiel. Das Zusammenwirken dieser zwei Ideen führte eine solche Veränderung in der Lage von Monk herbei, daß er von einem erbitterten Feind ein Freund für den entfernten König wurde.«
»Das ist gerade der Umstand, den ich wissen wollte, sagte der König . . . Wer sind die zwei Männer, von denen Ihr sprecht?«
»Zwei Franzosen, Sire.«
»In der That, das macht mich glücklich.«
»Und die zwei Ideen?« rief Mazarin; »ich bin begieriger auf die Ideen, als auf die Menschen.«
»Ja,« murmelte der König.
»Die zweite, die ergebene, die vernünftige Idee, die minder wichtige Idee, Sire, war, eine Million in Gold, welche König Karl l. in Newcastle vergraben hatte, dort zu holen und mit diesem Gold die Mitwirkung von Monk zu erkaufen.«
»Oho!« machte Mazarin, wiederbelebt bei dem Wort Million, »aber Newcastle war gerade von diesem Monk besetzt.«
»3a, Herr Cardinal, deshalb wagte ich es, die Idee zugleich muthig und ergeben zu nennen. Es war also die Aufgabe, wenn Monk die Anerbietungen des Unterhändlers ausschlug, König Karl II. das Eigenthum dieser Million wieder zu verschaffen, die man der Loyalität von General Monk entreißen mußte . . . Dies geschah trotz einiger Schwierigkeiten, der General war loyal und ließ die Million fortnehmen.«
»Mir scheint,« sagte der König träumerisch und schüchtern, »mir scheint, Karl II. hatte während seines Aufenthalts in Paris keine Kenntniß von dieser Million.«
»Mir scheint,« fügte der Cardinal höhnisch bei, »Seine Majestät der König von Großbritannien war vollkommen vom Vorhandensein dieser Million unterrichtet, doch Seine Majestät zog zwei Millionen einer einzigen vor.«
»Sire,« erwiederte Athos mit Festigkeit, »Seine Majestät König Karl II, war in Frankreich so arm, daß er kein Geld mehr hatte, um die Post zu nehmen, so aller Hoffnungen baar, daß er wiederholt nur an das Sterben dachte. Das Vorhandensein der Million in Newcastle war ihm so unbekannt, daß ohne einen Edelmann, einen Unterthanen Eurer Majestät, bei dem diese Million moralisch niedergelegt war, und der das Geheimniß Karl II. offenbarte, dieser Prinz noch in einer grausamen Vergessenheit vegetiren würde.«
»Gehen wir zu der sinnreichen, seltsamen, kühnen Idee über,« sagte Mazarin, dessen Scharfsinn einen Schlag ahnte. »Was für eine Idee war dies?«
»Hört . . . Da Herr Monk allein der Wiedereinsetzung des entthronten Königs sich entgegenstellte, so kam ein Franzose auf den Gedanken, dieses Hinderniß zu beseitigen.«
»Oho! dieser Franzose ist ein Ruchloser,« sprach Mazarin, »und die Idee ist nicht so sinnreich, daß der Urheber nicht durch einen Spruch des Parlaments auf der Grève aufgeknüpft oder gerädert werden sollte.«
»Eure Eminenz täuscht sich,« erwiederte Athos mit trockenem Tone, »ich sagte nicht, der fragliche Franzose habe beschlossen, Herrn Monk zu ermorden, sondern nur, ihn zu beseitigen. Die Worte der französischen Sprache haben einen Werth, eine Bedeutung, welche die französischen Edelleute vollkommen kennen. Ueberdies ist das eine Kriegssache, und wenn man den Königen gegen ihre Feinde dient, so hat man das Parlament nicht zu Richtern: man hat Gott zum Richter. Dieser französische Edelmann hatte also den Gedanken, sich der Person von Monk zu bemächtigen, und er führte seinen Plan aus.«
Der König belebte sich bei der Erzählung der kühnen Thaten.
Der jüngere Bruder Seiner Majestät schlug mit der Faust auf den Tisch und rief: »Ah! das ist schön!«
»Er entführte Monk?« sagte der König; »aber Monk war doch in seinem Lager?«
»Und der Edelmann war allein, Sire.«
»Das ist wunderbar!« rief Philipp.
»In der That wunderbar!« rief der König.
»Gut! nun sind die zwei kleinen Löwen entfesselt,« murmelte der Cardinal, Und mit einer ärgerlichen Miene, die er nicht zu verbergen suchte, sagte er:
»Diese Umstände sind mir unbekannt; verbürgt Ihr Euch für die Aechtheit, mein Herr?«
»Um so eher, Herr Cardinal, als ich die Ereignisse gesehen habe.«
»Ihr?«
»Ja, Monseigneur.«
Der König näherte sich unwillkührlich dem Grafen auf einer Seite, während ihn Philipp auf der andern bedrängte.
»Weiter, mein Herr, weiter,« riefen Beide gleichzeitig.
»Sire, als Monk von dem Franzosen festgenommen war, wurde er zu König Karl II. in’s Haag geführt . . . Der König schenkte Herrn Monk die Freiheit und der General gab dankbar dafür Karl II. den Thron von Großbritannien, für welchen so viele tapfere Leute ohne Erfolg gekämpft hatten.«
Philipp klatschte voll Begeisterung in die Hände. Bedachtsamer wandte sich Ludwig XIV. an den Grasen de la Fère und fragte:
»Ist dies in allen seinen Einzelheiten wahr?«
»Durchaus wahr, Sire.«
»Einer meiner Edelleute kannte das Geheimniß und hatte es bewahrt?«
»Ja, Sire.«
»Der Name dieses Edelmanns?«
»Es ist Euer Diener,« sprach Athos ganz einfach.
Ein Gemurmel der Bewunderung schwoll das Herz von Athos an. Selbst Mazarin hob die Arme zu seinem Betthimmel auf.
»Mein Herr,« sagte der König, »ich werde bemüht sein, ein Mittel zu finden. Euch zu belohnen.«
Athos machte eine Bewegung.
»Oh! nicht Euch für Eure Redlichkeit zu belohnen; Euch hierfür bezahlen wollen hieße Euch beleidigen! doch ich bin Euch eine Belohnung dafür schuldig, daß Ihr Antheil an der Wiedererhebung meines Bruders Karl II. gehabt habt.«
»Gewiß,« sagte Mazarin.
»Es ist dies der Triumph einer guten Sache, der das ganze Haus Frankreich mit Freude erfüllt,« fügte Anna von Oesterreich bei.
»Ich fahre fort,« sagte Ludwig XIV. »Ist es auch wahr, daß ein einziger Mann bis zu Monk in sein Lager gedrungen ist und ihn entführt hat?«
»Dieser Mann hatte zehn Gehilfen,« die er aus niedrigerem Range ausgewählt.«
»Nicht mehr?«
»Nicht mehr.«
»Und er heißt?«
»Herr d’Artagnan, früher Lieutenant der Musketiere Eurer Majestät,«
Anna von Oesterreich erröthete, Mazarin wurde gelb vor Scham, Ludwig XIV. verdüsterte sich und ein Schweißtropfen fiel von seiner bleichen Stirne.
»Was für Männer!« murmelte er.
Und unwillkührlich schleuderte er dem Minister einen Blick zu, der ihn erschreckt haben würde, hätte Mazarin nicht in diesem Augenblick seinen Kopf unter seinem Kissen verborgen.
»Mein Herr,« rief der junge Herzog von Anjou, indem er seine weiße, frauenartig zarte Hand auf den Arm von Athos legte, »ich bitte Euch, sagt diesem braven Mann, Monsieur, der Bruder des Königs, werde morgen vor hundert der besten Edelleute Frankreichs auf seine Gesundheit trinken.«
Und als der junge Mann diese Worte gesprochen, bemerkte er, daß die Begeisterung eine von seinen Manchetten verschoben hatte, und war nun nur bemüht, sie mit der größten Sorgfalt wieder in Ordnung zubringen.
»Sprechen wir von den Angelegenheiten, Sire,« sagte Mazarin, der sich weder begeisterte, noch Manchetten hatte.
»Ja, mein Herr,« erwiederte Ludwig XIV. »Beginnt Eure Mittheilung, Herr Graf,« fügte er sich an Athos wendend bei.
Athos begann wirklich und trug feierlich die Hand von Lady Henriette Stuart dem jungen Prinzen, dem Bruder des Königs, an.
Die Conferenz dauerte eine Stunde, wonach die Thüren des Gemaches den Höflingen geöffnet wurden, welche ihre Plätze wieder einnahmen, als ob sie bei keiner Vorkommenheit des Abends ausgeschlossen gewesen wären.
Athos fand sich mit Raoul zusammen, und der Vater und der Sohn konnten sich nun die Hand drücken.