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Siebentes bis Zehntes Bändchen
III.
Guénaud

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Der Befehl des Cardinals war dringend: Guénaud ließ nicht auf sich warten.

Er fand seinen Kranken im Bett zurückgeworfen, die Beine aufgeschwollen, den Magen zusammengepreßt. Mazarin war von einem heftigen Gichtanfall heimgesucht worden. Er litt grausam und mit der Ungeduld eines Mannes, der nicht an den Widerstand gewöhnt ist. Bei der Erscheinung von Guénaud rief er:

»Ah! nun bin ich gerettet.«

Guénaud war ein sehr gelehrter und sehr umsichtiger Mann, der nicht der Kritik von Boileau bedurfte, um Ruf zu erlangen. Stand er einer Krankheit gegenüber, und betraf diese auch die Person des Königs, so ging er schonungslos zu Werk. Er antwortete also Mazarin nicht, wie es der Minister erwartet: Hier ist der Arzt, fahre hin Krankheit!

Er untersuchte im Gegentheil die an dem Kranken wahrnehmbaren Symptome sehr sorgfältig und mit ernster Miene, und gab dann nur ein: »Hoho!« von sich.

»Nun, Guénaud? . . . Was für eine Miene nehmt Ihr an?«

»Ich nehme die Miene an, die man haben muß, wenn man Euer Uebel sieht, Monseigneur, ein sehr gefährliches Uebel.«

»Die Gicht . . . Oh! ja, die Gicht.«

»Mit einer Zuthat von andern Uebeln, Monseigneur.«

Mazarin erhob sich auf einen Ellenbogen und fragte gleichsam mit dem Blick und der Geberde:

»Was sagt Ihr mir da? Bin ich kranker, als ich glaubte?«

»Monseigneur,« sprach Guénaud, während er sich an das Bett des Cardinals setzte, »Eure Eminenz hat viel in ihrem Leben gearbeitet; Eure Eminenz hat viel gelitten.«

»Aber ich bin nicht alt, wie mir scheint . . . Der selige Herr von Richelieu zählte nur siebzehn Monate weniger, als ich, als er starb und zwar an einer tödtlichen Krankheit starb. Ich bin jung, Guénaud, bedenkt das wohl, ich bin kaum zweiundfünfzig Jahre alt.«

»Ah! Monseigneur, Ihr seid viel älter . . . Wie lange hat die Fronde gedauert?«

»Zu welchem Ende fragt Ihr mich das?«

»Zu einer medicinischen Berechnung, Monseigneur.«

»So etwa zehn Jahre …«

»Sehr gut; wollt jedes Jahr der Fronde zu drei Jahren rechnen, das macht dreißig; zwanzig und zwei und fünfzig aber machen zwei und siebzig Jahre, und das ist ein hohes Alter.«

Während er dies sagte, fühlte er dem Kranken den Puls. Dieser Puls war so voll von unerfreulichen Prognostiken, daß der Arzt sogleich, trotz der Unterbrechungen des Kranken fortfuhr:

»Setzen wir die Jahre der Fronde eines zu vier, so habt Ihr zwei und achtzig Jahre gelebt.«

Mazarin wurde sehr bleich und sagte mit erloschener Stimme:

»Sprecht Ihr im Ernst, Guénaud?«

»Ach! ja, Monseigneur.«

»Ihr nehmt also einen Umweg, um mir anzukündigen, daß ich sehr krank bin?«

»Meiner Treue, ja, Monseigneur . . . bei einem Mann von dem Geist, von dem Muth Eurer Eminenz müßte man allerdings keinen Umweg nehmen.«

Der Cardinal athmete so schwer, daß der unbarmherzige Arzt Mitleid bekam.

»Es ist ein Unterschied zwischen den Krankheiten,« sagte Mazarin, »und gewissen Krankheiten entkommt man.«

»Ganz richtig, Monseigneur.«

»Nicht wahr!« rief Mazarin ganz freudig; »denn wozu würden am Ende die Kraft, die Macht des Willens nützen? . . . Wozu würde das Genie nützen, Euer Genie, Guénaud? Wozu nützen endlich die Wissenschaft und die Kunst, wenn der Kranke, der über dies Alles verfügt, sich nicht aus der Gefahr zu retten vermag?«

Guénaud wollte den Mund öffnen, doch Mazarin fuhr fort:

»Bedenkt, daß ich der Vertrauensvollste von Euren Kunden bin; bedenkt, daß ich Euch blindlings gehorche, und daß folglich . . . «

»Ich weiß dies Alles,« sagte Guénaud.

»Ich werde also genesen?«

»Monseigneur, weder Willenskraft, noch Genie, noch Wissenschaft vermögen dem Uebel zu widerstehen, das Gott sendet oder auf die Erde schleudert mit der Vollmacht, den Menschen zu zerstören und zu tödten. Ist das Uebel tödtlich, so tödtet es, und nichts vermag dagegen . . . «

»Mein Uebel … ist . . . tödtlich?« fragte Mazarin.

»Ja, Monseigneur.«

Die Eminenz sank einen Augenblick zusammen, wie der Unglückliche, den der Sturz einer Säule niederschmettert . . . Aber Herr von Mazarin besaß eine sehr kräftig gestählte Seele oder vielmehr einen sehr starken Geist.

»Guénaud,« sagte er, sich erhebend, »Ihr werdet mir wohl erlauben, von Eurem Urtheil zu appelliren. Ich will die gelehrtesten Männer Europas versammeln, ich will sie um Rath fragen, ich will endlich durch die Wirkung irgend eines Mittels leben.«

»Monseigneur glaubt wohl nicht, ich sei so anmaßend gewesen, ganz allein ein Urtheil über ein so kostbares Dasein, wie das Eurige, zu fällen; ich habe schon alle guten Aerzte Frankreichs und Europas versammelt … es waren ihrer zwölf.«

»Und sie sagten?«

»Sie sagten. Eure Eminenz sei von einer unheilbaren Krankheit befallen; ich habe die Consultation unterzeichnet in meiner Brieftasche bei mir. Will Eure Eminenz Kenntniß davon nehmen, so wird sie den Namen von allen den unheilbaren Uebeln sehen, die wir entdeckt haben. Es findet sich vor Allem . . . «

»Nein! nein!« rief Mazarin, das Papier zurückstoßend. »Nein, Guénaud, ich ergebe mich! ich ergebe mich!«

Hierauf trat ein tiefes Stillschweigen ein, der Cardinal sammelte seine Geister und Kräfte wieder und sagte dann:

»Es gibt noch etwas Anderes; es gibt die Empyriker, die Charlatans. In meiner Heimath werfen sich diejenigen, welche die Aerzte verlassen, in die Arme der Quacksalber, von denen sie zehnmal getödtet, aber hundertmal gerettet werden.«

»Bemerkt Eure Eminenz nicht, daß ich seit einem Monat zehnmal die Arzneimittel verändert habe?«

»Ja . . . Nun?«

»Nun, ich habe fünfzigtausend Livres ausgegeben, um allen diesen Burschen ihre Geheimnisse abzukaufen: die Liste ist erschöpft, meine Börse auch. Ihr seid nicht geheilt, und ohne meine Kunst wäret Ihr todt.«

»Es ist vorbei,« murmelte der Cardinal, »es ist vorbei.«

Er schaute mit einem düsteren Blick auf seinen Reichthümern umher.

»Ich werde dies Alles verlassen müssen!« seufzte er. »Ich bin todt, Guénaud, ich bin todt!«

»Oh! noch nicht, Monseigneur,« sagte der Arzt.

Mazarin ergriff seine Hand und fragte, indem er zwei große, starre Augen auf das unempfindliche Gesicht des Arztes heftete:

»In wie viel Zeit?«

»Monseigneur, man sagt das nie.«

»Es mag sein, gewöhnlichen Menschen, doch mir . . . mir, bei dem jede Minute einen Schatz werth ist; sage es mir, Guénaud, sage es mir!«

»Nein, nein, Monseigneur.«

»Ich will es haben, ich will es haben. Oh! gib mir einen Monat, und für jeden von diesen dreißig Tagen bezahle ich Dir hunderttausend Livres,«

»Monseigneur.« entgegnete Guénaud mit fester Stimme, »Gott schenkt Euch die Gnadentage und nicht ich. Gott schenkt Euch nur vierzehn Tage!«

Der Cardinal stieß einen schmerzlichen Seufzer aus, fiel auf sein Kopfkissen zurück und flüsterte:

»Ich danke Euch, Guénaud.«

Der Arzt wollte sich entfernen; doch der Sterbende erhob sich noch einmal und sprach mit flammenden Augen:

»Still geschwiegen, Guénaud, still geschwiegen!«

»Monseigneur, seit zwei Tagen weiß ich das Geheimniß; Ihr seht, daß ich es wohl bewahrt habe.«

»Geht, Guénaud, ich werde für Euer Glück Sorge tragen. Geht und heißt Brienne mir einen Commis schicken, den man Herrn Colbert nennt.«

Der Graf von Bragelonne

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