Читать книгу Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма - Страница 7

Erstes und zweites Bändchen
VII.
Parry

Оглавление

Während der Unbekannte mit Theilnahme diese Lichter betrachtete und auf all dieses Geräusch horchte, trat Meister Cropole in sein Zimmer mit zwei Dienern, die den Tisch deckten.

Der Fremde schenkte ihnen nicht die geringste Aufmerksamkeit.

Da näherte sich Cropole seinem Gaste und flüsterte ihm mit tiefer Ehrfurcht zu:

»Mein Herr, der Diamant ist geschätzt worden.«

»Ah!« machte der Reisende. »Nun?«

»Nun, mein Herr, der Juwelier Seiner königlichen Hoheit gibt zweihundert und achtzig Pistolen dafür.«

»Ihr habt sie?«

»Ich glaubte sie nehmen zu müssen, machte jedoch zur Bedingung bei dem Handel, daß, wenn der Herr seinen Diamant, bis wieder Gelder eingehen würden, behalten wollte, dieser Diamant zurückgegeben werden müßte.«

»Keines Wegs. Ich habe Euch gesagt, Ihr sollet ihn verkaufen.«

»Dann habe ich gleichsam gehorcht, da ich, ohne definitiv zu verkaufen, das Geld in Empfang nahm.«

»Macht Euch bezahlt,« sagte der Unbekannte.

»Ich werde es thun, mein Herr, da Ihr es durchaus verlangt.«

Ein trauriges Lächeln schwebte über die Lippen des Edelmanns.

»Legt das Geld auf diese Lade,« sagte er, indem er sich umwandte und zugleich durch eine Geberde das genannte Meuble bezeichnete.

Cropole legte einen ziemlich schweren Sack nieder, aus dem er den Preis des Miethzinses erhob.

»Der Herr wird mir nun nicht den Schmerz bereiten, nicht zu Nacht zu essen,« sprach Cropole . . . »schon ist das Mittagessen ausgeschlagen worden, und das ist beleidigend für das Haus der Medicis. Seht, mein Herr, das Mahl ist aufgetragen, und ich wage sogar beizufügen, daß es gut aussteht.«

Der Unbekannte verlangte ein Glas Wein, brach ein Stück Brod, und verließ das Fenster nicht, um zu essen und zu trinken.

Bald hörte man ein gewaltiges Geräusch von Fanfaren und Trompeten: Ausrufungen erhoben sich in der Ferne, ein verworrenes Gesumme füllte den untern Theil der Stadt, und der erste Lärmen, der deutlich an das Ohr des Fremden drang, war der des Hufschlags vorrückender Pferde.

»D« König! der König!« wiederholte eine geräuschvolle, gedrängte Menge.

»Der König!« wiederholte Cropole, der seinen Gast und seine Zartgefühlsideen im Stiche ließ, um seine Neugierde zu befriedigen.

Mit Cropole stießen und vermengten sich auf der Treppe Madame Cropole, Pittrino, die Gehilfen und die Küchenjungen,

Der Zug rückte langsam vor, beleuchtet von Tausenden von Fackeln, theils von der Straße, theils von den Fenstern aus.

Nach einer Compagnie Musketiere und einem ganz geschlossenen Corps von Edelleuten kam die Sänfte des Herrn Cardinal Mazarin. Sie wurde gezogen wie ein Wagen von vier Rappen.

Die Pagen und die Leute des Cardinals marschirten dahinter.

Dann kam die Carosse der Königin Mutter, ihre Ehrenfräulein an den Schlägen, ihre Edelleute zu Pferd auf beiden Seiten.

Hiernach erschien der König, auf einem schönen Pferde von sächsischer Race, mit langer Mähne, reitend. Der junge Prinz zeigte, indem er gegen einige Fenster grüßte, woher die lebhaftesten Ausrufungen kamen, sein schönes, liebreizendes Antlitz.

Zu den Seiten des Königs, aber zwei Schritte entfernt, ritten der Prinz von Condé, Herr Dangeau und zwanzig andere Höflinge, gefolgt von ihren Leuten und ihrem Gepäcke, den wahrhaft triumphartigen Zug schließend.

Dieses Gepränge war von einer militärischen Ordnung.

Nur einige Höflinge, und zwar unter den Alten, hatten Reisekleider, beinahe Alle trugen das militärische Gewand. Man sah sogar Viele mit dem Ringkragen und dem büffelledernen Koller, wie zur Zeit von Heinrich IV. und Ludwig XIII.

Als der König an ihm vorüber kam, fühlte der Unbekannte, der sich, um besser zu sehen, über den Balcon geneigt und sein Gesicht, indem er es auf seinen Arm stützte, verborgen hatte, sein Herz von bitterer Eifersucht anschwellen und überströmen.

Der Lärm der Trompeten berauschte ihn, der Zuruf des Volks betäubte ihn; er ließ einen Augenblick seine Vernunft in diese Woge von Licht, von Tumult und glänzenden Bildern fallen.

»Er ist König!« murmelte er mit einem Ton der Verzweiflung und des Schmerzes, der bis zum Throne Gottes aufsteigen mußte.

Dann, ehe er von seiner düsteren Träumerei zurückgekehrt war, erloschen all dieses Geräusch, all diese Herrlichkeit. An der Ecke der Straße blieben unter dem Fremden, nur heisere, nicht zusammenklingende Stimmen, die in Zwischenräumen: Es lebe der König! riefen.

Es blieben auch die sechs Lichter, welche die Bewohner des Gasthofes der Medicis hielten, nämlich zwei für Cropole, zwei für Pittrino, eines für jeden Küchenjungen.

Cropole wiederholte unablässig:

»Wie gut ist der König und wie sehr gleicht er seinem höchstseligen Herrn Vater.«

»Im Schönen,« sagte Pittrino.

»Wie stolz ist seine Miene!« fügte Madame Cropole bei, welche schon ihre Bemerkungen mit denen ihrer Nachbarn und Nachbarinnen vermischte.

Cropole nährte diese Reden mit seinen persönlichen Bemerkungen, ohne wahrzunehmen, daß ein Greis zu Fuß, der jedoch ein kleines irisches Pferd am Zügel nachzog, die Gruppe der Frauen und Männer, welche sich vor den Medicis aufgestellt hatte, durchschneiden wollte.

Doch in diesem Augenblick wurde die Stimme des Fremden am Fenster hörbar.

»Herr Wirth, macht doch, daß man bis zu Eurem Hause gelangen kann.«

Cropole wandte sich um, sah jetzt erst den Greis und machte ihm Platz, daß er vorüber konnte.

Das Fenster schloß sich wieder.

Pittrino bezeichnete dem Ankömmling den Weg, und dieser trat ein, ohne ein Wort von sich zu geben.

Der Fremde wartete auf dem Ruheplatz, er streckte die Arme nach dem Greis aus und führte ihn zu einem Stuhl, doch-dieser widerstand.

»Oh! nein, nein, Mylord,« sagte er, »Mich vor Euch setzen, niemals!«

»Parry!« rief der Edelmann, »ich bitte Euch, Euch, der Ihr von England, von so fern her kommt! Ah! man sollte Euer Alter nicht solche Strapazen wie die meines Dienstes aushalten lassen. Ruht aus . . . «

»Ich habe Euch vor Allem meine Antwort zu geben, Mylord.«.

»Parry . . . ich beschwöre Dich, sage mir nichts . . . denn wenn die Neuigkeit gut gewesen wäre, würdest Du Deinen Satz nicht so angefangen haben. Du nimmst einen Umweg, weil die Nachricht schlecht ist.«

»Mylord,« erwiederte der Greis, »laßt Euch nicht zu rasch beunruhigen. Es ist nicht Alles verloren, wie ich hoffe. Es bedarf des Willens, der Beharrlichkeit und besonders der Resignation.«

»Parry,« entgegnete der junge Mann, »ich bin allein durch tausend Hinterhalte, tausend Fallen, tausend Gefahren hierhergekommen: glaubst Du an meinen Willen? Ich habe diese Reise zehn Jahre lang überdacht, trotz aller Rathschläge und aller Hindernisse: glaubst Du an meine Beharrlichkeit? Ich habe diesen Abend den letzten Diamant meines Vaters verkauft, denn ich hatte nichts mehr, um mein Lager zu bezahlen, und der Wirth war im Begriff, mich fortzujagen.«

Parry machte eine Geberde der Entrüstung, welche der junge Mann durch einen Händedruck und ein Lächeln erwiederte.

Der Greis hob seine zitternden Hände zum Himmel empor.

»Sprich,« sagte der Fremde, »verbirg mir nichts: was ist geschehen?«

»Meine Erzählung wird kurz sein, Mylord, doch, um des Himmels willen, zittert nicht so.«

»Das geschieht vor Ungeduld. Parry; laß hören, was hat Dir der General gesagt?«

»Zuerst wollte mich der General gar nicht empfangen.«

»Er hielt Dich für einen Spion?«

»Ja, Mylord; doch ich schrieb ihm einen Brief.«

»Nun?«

»Er hat ihn angenommen, er hat ihn gelesen, Mylord.«

»Dieser Brief erklärte ihm wohl meine Lage und meine Wünsche?«

»Oh! ja,« sagte Parry mit einem traurigen Lächeln, »er schilderte getreulich Eure Ansicht.«

»Sodann, Parry . . . «

»Sodann schickte mir der General durch einen Adjutanten meinen Brief zurück und ließ mir ankündigen, wenn ich mich am andern Tag noch im Umkreise seines Commandos befände, würde er mich verhaften lassen.«

»Verhaften!« murmelte der junge Mann, »Dich, meinen treusten Diener, verhaften!«

»Ja, Mylord.«

»Und Du hattest doch Parry unterzeichnet?«

»Mit allen Buchstaben, Mylord; und der Adjutant kannte mich von Saint-James und von Whitehall,« fügte der Greis mit einem Seufzer bei.

Der junge Mann neigte sich träumerisch und düster.

»Das hat er vor seinen Leuten gethan,« sagte er, indem er sich selbst durch eine Hoffnung zu täuschen suchte . . . »Doch was hat er unter der Hand gethan, unter vier Augen, von ihm zu Dir? Antworte.«

»Ach! Mylord, er hat mir vier Reiter geschickt, die mir das Pferd gaben, auf dem Ihr mich habt ankommen sehen. Diese Reiter führten mich mit der größten Eile bis zu dem kleinen Hafen von Tenby, wo sie mich gleichsam auf ein Fischerboot warfen, das nach der Bretagne segelte, und so bin ich hier.«

»Oh!« seufzte der junge Mann, indem er krampfhaft mit seiner Hand seine nervige Kehle zusammenpreßte, in der ein Schluchzen emporstieg. »Parry, das ist Alles, das ist wirklich Alles?«

»Ja, Mylord, es ist Alles.«

Nach dieser kurzen Antwort von Parry trat ein langer Zwischenraum des Stillschweigens ein, man hörte nur das Geräusch vom Absatz des jungen Mannes, der damit voll Wuth den Boden peinigte.

Der Greis wollte es versuchen, das Gespräch zu verändern, denn es führte zu allzu traurigen Gedanken.

»Mylord,« fragte er, »was bedeutet denn all das Geräusch, das mir voranging? wer sind die Leute, die: Es lebe der König! rufen? Von welchem König ist die Rede, und warum alle diese Lichter?«

»Ah l Parry,« erwiederte ironisch der junge Mann, »Du weißt nicht, daß der König seine gute Stadt Blois besucht; alle diese Trompeten gehören ihm, alle diese mit Gold überzogenen Schabracken gehören ihm, alle diese Edelleute haben Schwerter, welche ihm gehören. Seine Mutter fährt ihm in einem prachtvollen, mit Silber und Gold eingelegten Wagen voran. Glückliche Mutter! Sein Minister häuft ihm Millionen an und führt ihn zu einer reichen Braut. Deshalb ist all dieses Volk so freudig, es liebt seinen König, es schmeichelt ihm durch seinen tausendfachen Zuruf und schreit: Es lebe der König! es lebe der König!«

»Gut, gut, Mylord!« sagte Parry, noch unruhiger über die Wendung des neuen Gesprächs, als über das alte.

»Du weißt,« fuhr der Unbekannte fort, »daß meine Mutter, meine Schwester, während dies Alles zu Ehren König Ludwig XIV. vorgeht, kein Geld und kein Brod mehr haben; Du weißt, daß ich arm, dem Hohne preisgegeben in vierzehn Tagen sein werde, wenn ganz Europa erfährt, was Du mir erzählt hast! Parry . . . gibt es Beispiele, daß sich ein Mann in meinen Verhältnissen . . . «

»Mylord, im Namen des Himmels!«

»Du hast Recht, Parry, ich bin ein Feiger, und wenn ich nichts für mich thue, was wird Gott thun! Nein, nein, ich habe zwei Arme, Parry, ich habe ein Schwert . . . «

Und er schlug heftig mit seiner Hand auf seinen Arm und nahm sein Schwert von der Wand, an der es hing,

»Was wollt Ihr thun, Mylord?«

»Parry, was ich thun will? Was Jedermann in meiner Familie thut; meine Mutter lebt von der öffentlichen Wohlthätigkeit, meine Schwester bettelt für meine Mutter, ich habe irgendwo Brüder, welche ebenfalls für sie betteln. Ich, der Aelteste, will es machen wie sie Alle, ich will Almosen fordern!«

Und nach diesen Worten, die er durch ein nerviges, schreckliches Gelächter kurz abschnitt, gürtete der junge Mann sein Schwert um, nahm seinen Hut vom Schrank, ließ sich einen schwarzen Mantel, den er während der ganzen Reise getragen hatte, auf der Schulter befestigen, drückte dem Greis, der ihn voll Angst anschaute, beide Hände und sprach:

»Mein guter Parry, laß Dir Feuer machen, iß, trinke, schlafe, sei glücklich: laß uns selig sein, mein treuer Freund, mein einziger Freund: wir sind reich wie Könige!«

Er gab dem Sack mit den Pistolen einen Faustschlag, daß er schwer auf die Erde fiel, brach wieder in jenes finstere Gelächter aus, das Parry so sehr erschreckt hatte, und während das ganze Haus schrie, sang und sich zum Empfang und zur Einquartierung der Reisenden, denen ihre Lackeien vorangegangen, bereit hielt, schlüpfte er durch den großen Saal auf die Straße, wo ihn der Greis, der sich an das Fenster gestellt hatte, nach einer Minute aus dem Gesicht verlor.

Der Graf von Bragelonne

Подняться наверх