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Erstes und zweites Bändchen
III.
Das Wiedersehen

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Raoul machte einen Schritt gegen das Mädchen, das ihm zurief.

»Aber mein Pferd, Madame,« sagte er.

»Ihr scheint sehr verlegen zu sein! geht; es ist ein Schoppen im ersten Hof, bindet Euer Pferd dort an und kommt rasch.«


»Ich gehorche, Madame.«

Raoul brauchte nicht vier Minuten, um zu thun, was man ihm empfohlen hatte; er kam zu der kleinen Pforte, wo er in der Dunkelheit seine geheimnißvolle Führerin wiedersah, die ihn auf den Stufen einer Wendeltreppe erwartete.

»Seid Ihr muthig genug, um mir zu folgen, mein Herr Ritter?« fragte das Mädchen, lachend über das kurze Zögern, das Raoul einen Augenblick kundgegeben.

Dieser antwortete dadurch, daß er ihr auf der düsteren Treppe nacheilte. So erstiegen sie drei Stockwerke, er hinter ihr und mit seinen Händen, wenn er das Geländer suchte, ein seidenes Kleid berührend, das an den beiden Wänden der Treppe hinstreifte. Bei jedem falschen Tritt von Raoul rief ihm seine Führerin ein strenges: Stille! zu, und reichte ihm eine sanfte, duftende Hand.

»Man würde so bis oben in den Thurm des Schlosses hinaufsteigen, ohne eine Müdigkeit zu bemerken,« sagte Raoul.

»Dies beweist, daß Ihr sehr neugierig und sehr unruhig seid, mein Herr; doch beruhigt Euch: wir sind an Ort und Stelle.«

Das Mädchen stieß eine Thüre auf, welche auf der Stelle, ohne irgend einen Uebergang, mit einer Lichtwoge den Ruheplatz der Treppe füllte, auf dem Raoul, das Geländer haltend, erschien.

Seine Führerin ging immer weiter; er folgte ihr; sie trat in ein Zimmer; Raoul trat wie sie ein.

Sobald er in der Falle war, hörte er einen Schrei, wandte sich um und sah zwei Schritte von sich, die Hände gefaltet, die Augen geschlossen, das schöne blonde Mädchen mit den blauen Augen und den weißen Schultern, das ihn, als es ihn erkannte, Raoul genannt hatte.

Er sah das Mädchen und errieth so viel Liebe, so viel Glück in dem Ausdruck seiner Augen, daß er mitten im Zimmer auf die Kniee sank und seinerseits den Namen Louise flüsterte.

»Ah! Montalais! Montalais!« seufzte diese, »es ist eine große Sünde, so zu täuschen.«

»Ich! ich habe Euch getäuscht?«

»Ja, Ihr sagt mir, Ihr gehet hinab, um Erkundigung einzuziehen, und nun laßt Ihr diesen Herrn heraufkommen!«

»Dies mußte wohl sein. Wie hätte er sonst den Brief bekommen, den Ihr ihm schriebet?«

Und sie deutete mit dem Finger auf diesen Brief, der noch auf dem Tisch lag; rascher, obgleich sie mit einem merkwürdigen körperlichen Zögern sich bewegte, streckte Louise die Hand aus, um ihn festzuhalten. Raoul begegnete dieser ganz warmen, ganz zitternden Hand; er nahm sie in seine Hände und zog sie so ehrfurchtsvoll an seine Lippen, daß er mehr einen Hauch, als einen Kuß darauf niederlegte.

Mittlerweile hatte Fräulein von Montalais den Brief genommen, sorgfältig, wie es die Frauen thun, dreieckig zusammengelegt und in ihre Brust gesteckt.

»Seid unbesorgt, Louise,« sagte sie, »dieser Herr wird den Brief ebenso wenig hier nehmen, als der selige Ludwig XIII. die Billets aus dem Schnürleibe von Fräulein von Hautefort nahm.«

Raoul erröthete, als er das Lächeln der beiden Mädchen wahrnahm, und bemerkte nicht, daß die Hand von Louise in der seinigen geblieben war.

»Nun!« sagte Montalais, »Ihr verzeiht mir, Louise, daß ich Euch den Herrn gebracht habe, und Ihr, mein Herr, Ihr grollt mir nicht, daß Ihr mir gefolgt seid, um das Fräulein zu sehen. Und da der Friede geschlossen ist, stellt mich Herrn von Bragelonne vor, Louise.«

»Herr Vicomte,« sprach Louise mit ihrer ernsten Anmuth und ihrem unschuldsvollen Lächeln, »ich habe die Ehre, Euch Fräulein Aure von Montalais, Ehrendame Ihrer königlichen Hoheit Madame und zugleich meine Freundin, meine vortreffliche Freundin, vorzustellen.«

Raoul grüßte auf eine ceremoniöse Weise.

»Und mich, Louise,« sagte er, »stellt Ihr mich nicht auch dem Fräulein vor?«

»Oh! sie kennt Euch! sie kennt Euch ganz und gar!«

Dieses naive Wort machte Montalais lachen und Raoul vor Glück seufzen, denn er deutete es: sie kennt unsere ganze Liebe.

»Die Höflichkeiten sind abgemacht, Herr Vicomte,« sagte Montalais; »hier ist ein Stuhl, setzt Euch und sagt uns geschwinde die Neuigkeit, die Ihr so in aller Eile überbringt.«

»Mein Fräulein, das ist kein Geheimniß mehr. Der König hält auf seiner Reise nach Poitiers in Blois an, um Seine königliche Hoheit zu besuchen.«

»Der König! hier!« rief Montalais, ihre Hände an einander schlagend; »wir sollen den Hof sehen! Faßt Ihr das, Louise? Den wahren Hof von Paris? Oh! mein Gott! aber wann dies, mein Herr?«

»Vielleicht diesen Abend, mein Fräulein; sicherlich morgen.«

Montalais machte eine Geberde des Aergers,

»Da hat man nicht einmal Zeit, sich vorzubereiten, ein Kleid zurechtzurichten! Wir sind hier zurück wie die Polinnen! wir werden Portraits aus der Zeit von Heinrich IV. gleichen! . . . Ah! mein Herr, was für eine abscheuliche Neuigkeit bringt Ihr uns da!«

»Meine Fräulein, Ihr werdet immer schön sein.«

»Das ist abgeschmackt! . . . Wir werden immer schön sein, ja, weil die Natur uns leidlich gemacht hat, aber wir werden lächerlich sein, weil uns die Mode vergessen hat . . . Ach! lächerlich! man wird mich lächerlich sehen, mich!«

»Wer dies?« fragte Louise naiv.

»Wer dies? Ihr seid seltsam, meine Liebe! . . . Ist dies eine Frage, die man an mich richten kann? Man will sagen alle Welt; man will sagen die Höflinge, die vornehmen Herren; man will sagen der König.«

»Verzeiht, meine Freundin, aber da Jedermann hier gewohnt ist, uns so zu sehen, wie wir sind . . . «

»Einverstanden, doch das ändert sich, und wir werden sogar für Blois lächerlich sein; denn neben uns wird man die Moden von Paris sehen und begreifen, daß wir nach der Mode von Blois gekleidet sind! . . . Das ist zum Verzweifeln!«

»Tröstet Euch, mein Fräulein.«

»Ah! basta! im Ganzen ist das nur schlimm für diejenigen, welche mich nicht nach ihrem Geschmack finden werden!« sagte Montalais philosophisch.

»Diese wären sehr schwierig,« versetzte Raoul, getreu seinem System regelmäßiger Galanterie.

»Ich danke, Herr Vicomte. Wir sagten also, der König komme nach Blois?«

»Mit dem ganzen Hof.«

»Die Fräulein Mancini werden dabei sein?«

»Nein, gerade sie nicht.«

»Doch da der König, wie man hört, nicht ohne Fräulein Marie sein kann?«

»Mein Fräulein, er wird wohl ohne sie sein müssen. Der Herr Cardinal will es; er verbannt seine Nichten nach Brouage.«

»Er! der Heuchler!«

»Stille!« sagte Louise, indem sie ihren Finger auf ihre rosigen Lippen drückte.

»Bah! Niemand kann mich hören. Ich sage, der alte Mazarino Mazarini ist ein Heuchler und brennt vor Begierde, seine Nichte zur Königin von Frankreich zu machen.«

»Nein, mein Fräulein, der Herr Cardinal läßt im Gegentheil Seine Majestät die Infantin Maria Theresia heirathen.«

Montalais schaute Raoul ins Gesicht und rief:

»Ihr glaubt an diese Mährchen, Ihr Pariser? Ah! wir in Blois sind stärker als Ihr.«

»Mein Fräulein, da der König Poitiers hinter sich läßt und nach Spanien reist, da die Artikel des Heirathsvertrages zwischen Don Luis de Haro und Seiner Eminenz festgestellt sind, so seht Ihr wohl ein, daß es sich nicht mehr um Kinderspiele handelt.«

»Ah! ich denke, der König ist der König.«

»Allerdings, mein Fräulein, doch der Cardinal ist der Cardinal.«

»Er ist also kein Mensch, der König? Er liebt also Marie Mancini nicht?«

»Er betet sie an.«

»Nun wohl, so wird er sie heirathen; wir bekommen Krieg mit Spanien; Herr von Mazarin gibt einige von den Millionen aus, die er bei Seite gelegt hat, unsere Edelleute verrichten Heldenthaten, wenn sie mit den stolzen Castilianern zusammentreffen, und viele von ihnen kehren mit Lorbeeren bekränzt zu uns zurück, und wir bekränzen sie dann mit Myrthen. So verstehe ich die Politik.«

»Montalais, Ihr seid toll,« sagte Louise, »jede Uebertreibung zieht Euch an, wie das Feuer die Schmetterlinge anzieht.«

»Louise, Ihr seid so vernünftig, daß Ihr nie lieben werdet.«

»Oh!« machte Louise mit einem zärtlichen Vorwurf, »begreift doch, Montalais! Die Königin Mutter wünscht ihren Sohn mit der Infantin zu verheirathen; soll der König seiner Mutter ungehorsam sein? Ist es die Sache eines königlichen Herzens wie das seine, ein schlimmes Beispiel zu geben? Wenn die Eltern die Liebe verbieten, verjagen wir die Liebe!«

Und Louise seufzte.

Raoul schlug mit einer gezwungenen Miene die Augen nieder; Montalais brach in ein Gelächter aus,

»Ich habe keine Eltern,« sagte sie.

»Ihr habt ohne Zweifel Nachrichten von der Gesundheit des Herrn Grafen de la Fère?« sagte Louise mit einem Seufzer, der in seinem beredten Ausdruck viel Schmerz enthüllte.

»Nein, mein Fräulein,« erwiederte Raoul, »ich habe meinem Vater noch keinen Besuch gemacht, doch ich war im Begriff, mich nach seinem Hause zu begeben, als Fräulein von Montalais die Güte hatte, mich zurückzuhalten; ich hoffe, der Herr Graf befindet sich wohl. Nicht wahr, Ihr habt nichts Unangenehmes sagen hören?«

»Nichts, Herr Raoul, nichts, Gott sei Dank!«

Hier trat ein Stillschweigen ein, während dessen sich zwei Seelen, welche denselben Gedanken verfolgten, vollkommen verstanden, selbst ohne den Beistand eines einzigen Blickes.

»Ah! mein Gott!« rief plötzlich Montalais, »man kommt herauf.«

»Wer kann das sein?« sagte Louise, unruhig aufstehend.

»Meine Fräulein, ich belästige Euch vielleicht, ich bin ohne Zweifel unbescheiden gewesen,« stammelte Raoul, der sich sehr unbehaglich fühlte.

»Es ist ein schwerer Tritt,« sagte Louise.

»Ah! wenn es nicht Herr Malicorne ist, so wollen wir uns nicht dadurch stören lassen,« versetzte Montalais.

Louise und Raoul schauten sich an, um sich zu fragen, wer dieser Herr Malicorne wäre.

»Seid unbesorgt,« fuhr Montalais fort, »er ist nicht eifersüchtig.«

»Aber, mein Fräulein,« sagte Raoul.

»Ich verstehe . . . Nun, er ist so verschwiegen, als ich bin.«

»Mein Gott!« rief Louise, welche ihr Ohr an die Thüre gehalten hatte, »ich erkenne den Gang meiner Mutter.«

»Frau von Saint-Remy! wo mich verbergen?« sagte Raoul, indem er bittend Montalais anschaute, welche ein wenig den Kopf verloren zu haben schien.

»Ja,« sagte diese, »ich erkenne auch die klappernden Stelzschuhe. Es ist unsere vortreffliche Mutter! Herr Vicomte, es ist sehr Schade, daß das Fenster auf ein Pflaster geht und fünfzig Fuß über der Erde liegt.«

Raoul schaute mit verwirrtem Wesen nach dem Bakum, Louise faßte ihn am Arm und hielt ihn zurück.

»Ah! bin ich denn toll!« sagte Montalais, »habe ich denn nicht den Schrank für die Ceremonienkleider! er sieht wahrhaftig aus, als wäre er dazu gemacht.«

Es war die höchste Zeit, Frau von Saint-Remy stieg rascher als gewöhnlich herauf; sie kam auf den Ruheplatz in dem Augenblick, wo Montalais wie in den Ueberraschungsscenen den Schrank schloß, indem sie ihren Leib an die Thüre drückte.

»Ah!« rief Frau von Saint-Remy, »Ihr seid hier, Louise?«

»Ja, Madame,« erwiederte sie, bleicher, als wenn sie eines Verbrechens überwiesen worden wäre. »Gut! gut!«

»Setzt Euch, Madame,« sagte Montalais und bot Frau von Saint-Remy einen Stuhl an, den sie so stellte, daß sie dem Schrank den Rücken zuwandte.

»Ich danke, Fräulein Aure, ich danke; kommt geschwinde, meine Tochter, wir wollen gehen.«

»Wohin soll ich denn gehen, Madame?«

»Nach Hause; müßt Ihr nicht Eure Toilette vorbereiten?«

»Wie beliebt?« fragte Montalais, die schleunigst die Erstaunte spielte, so sehr befürchtete sie, Louise könnte eine Unvorsichtigkeit begehen.

»Ihr wißt also die Neuigkeit nicht?« fragte Frau von Saint-Remy.

»Welche Neuigkeit sollen zwei Mädchen in diesem Taubenschlag erfahren, Madame?«

»Wie! . . . Ihr habt Niemand gesehen?«

»Madame, Ihr sprecht in Räthseln, und Ihr laßt uns am kleinen Feuer sterben!« rief Montalais, die, als sie Louise immer bleicher sah, nicht mehr wußte, welchem Heiligen sie sich weihen sollte.

Endlich gewahrte sie bei ihrer Freundin einen sprechenden Blick, einen von jenen Blicken, welche eine Mauer verstehen würde. Louise bezeichnete ihrer Freundin den Hut, den unglücklichen Hut von Raoul, der sich auf dem Tisch breit machte.

Montalais warf sich davor, ergriff ihn mit ihrer linken Hand, schob ihn hinter sich und verbarg ihn gänzlich, während sie sprach.

»Nun,« sagte Frau von Saint-Remy, »es ist ein Courier eingetroffen, der die nahe bevorstehende Ankunft des Königs meldet. Da, meine Fräulein, handelt es sich darum, schön zu sein!«

»Geschwinde, geschwinde!« rief Montalais, »folgt, Eurer Frau Mutter, Louise, und laßt mich mein Ceremonienkleid zurecht richten.«

Louise stand auf; ihre Mutter nahm sie bei der Hand und führte sie auf den Ruheplatz.?

»Kommt,« sagte sie.

Und ganz leise:

»Wenn ich Euch verbiete, zu Montalais zu gehen, warum geht Ihr doch zu ihr?«

»Madame, es ist meine Freundin. Uebrigens kam ich so eben.«

»Hat man Niemand in Eurer Gegenwart sich verbergen lassen?« »Madame!«

»Ich habe einen Männerhut gesehen, den von dem Burschen, von dem Taugenichts!« »Madame!« rief Louise.

»Von dem nichtsthuerischen Malicorne! Ein Ehrenfräulein so besuchen . . . pfui!«

Und die Stimmen verloren sich in den Tiefen der kleinen Treppe.

Montalais hatte nicht das Geringste von diesen . Worten verloren, die ihr das Echo wie durch einen Trichter zusandte.

Sie zuckte die Achseln und sagte, als sie Raoul sah, der, aus seinem Versteck hervortretend, ebenfalls gehört hatte: ’’

»Arme Montalais! Opfer der Freundschaft! . . . Armer Malicorne! . . . Opfer der Liebe!«

Sie schwieg, als sie die tragikomische Miene von Raoul gewahrte, der ärgerlich über sich selbst war, daß er an einem Tage so viele Geheimnisse erlauert hatte.

»Oh l mein Fräulein,« sagte er, »wie soll ich Euch für Eure Güte erkenntlich sein?«

»Wir werden unsere Rechnung eines Tags ordnen,« erwiederte sie; »für den Augenblick macht Euch aus dem Staub, Herr von Bragelonne, denn Frau von Saint-Remy ist durchaus nicht nachsichtig, und irgend eine Indiscretion von ihrer Seite könnte hier eine für uns Alle sehr ärgerliche Haussuchung herbeiführen. Gott befohlen!«

»Aber Louise . . . wie erfahren? . . .

»Geht! geht! König Ludwig XI, wußte sehr wohl, was er that, als er die Post erfand.«

»Ach!« seufzte Raoul.

»Und bin ich nicht da, ich, die ich so viel werth bin, als alle Posten des Königreichs? Geschwinde! zu Pferde! Wenn Frau von Saint-Remy wieder heraufkommt, um mir Moral zu lesen, so soll sie Euch nicht mehr hier finden.«

»Sie würde es meinem Vater sagen, nicht wahr?« murmelte Raoul.

»Und Ihr würdet gezankt werden! Ah! Vicomte, man sieht wohl, daß Ihr vom Hofe kommt: Ihr seid furchtsam wie der König. Bei Gott! wir in Blois wissen uns besser der Erlaubniß von Papa zu überheben! Fragt Malicorne.«

Nach diesen Worten schob das Mädchen Raoul an den Schultern vor die Thüre; er schlüpfte am Thorweg hin, fand sein Pferd, schwang sich darauf und sprengte fort, als ob er die acht Leibwachen von Monsieur auf den Fersen hätte.

Der Graf von Bragelonne

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