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Der großzügige Bürgermeister

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Es war einmal eine kleine Insel mit zehn Familien, die hatte ihren eigenen Bürgermeister, der Multimillionär war. Er hatte im Internet eine gutgehende Plattform aufgebaut, die von Facebook für viele Millionen aufgekauft worden war. Nun lebte er in Ruhe auf der Insel, hatte keinerlei Verpflichtungen, aber engagierte sich für Umweltschutz und andere gemeinnützige Dinge, weswegen er schließlich von den Mitbürgern zum Bürgermeister auserkoren worden war.

Als die Corona-Krise ausbrach, wurde die Insel wie viele andere auch isoliert. Der Bürgermeister fühlte sich verantwortlich für seine Leute, die plötzlich teilweise ohne Einkommen dastanden, und beschloss, mit seinem vielen Geld den Familien unter die Arme zu greifen.

Er besuchte seinen besten Freund, einen Musiker, und gewährte ihm monatlich 6000 Euro, damit er seine Familie erhalten konnte, aber auch weiterhin seine Musik an die Hörer bringen konnte, wozu er sich aufs Streamen verlegen und erst einmal die dazugehörigen Geräte anschaffen musste.

Dann besuchte er die Lehrerin der winzigen Inselschule und sagte ihr monatlich 3000 € zu. Dann besuchte er den Küster der kleinen Inselkirche, der auch gleichzeitig das Kirchenbüro besetzte und derart Mann für alles war, dass er bei stürmischen Sonntagen, wenn der Pastor vom Festland nicht herüberkommen konnte, sogar die Predigten hielt. Der Küster war überrascht und begeistert über das Engagement, bot Kaffee an und sie klönten bis in die Nacht hinein.

Am nächsten Tag besuchte der Bürgermeister auch die sechs Bauernhöfe. Da Bauern wenigstens zu essen haben und daher die Not nicht so groß ist, gewährte er ihnen, je nach Bauchgefühl, zwischen 400 und 2000 € pro Familie. Alle waren freudig überrascht über diese beispiellose private Initiative.

Nur die Lehrerin war total verärgert. Sie hatte gehört, dass der Musiker 6000 € bekam, sie aber gerade einmal die Hälfte, obwohl sie auch zwei Kinder hatte und als Lehrerin ebenfalls Geräte brauchte, um ihren Unterricht fortan online anbieten zu können. Sie ging daher zu den anderen Familien und hetzte gegen den reichen Mann. Der habe sie gegenüber dem Musiker benachteiligt, weil er persönliche Freundschaften über Gerechtigkeit stelle, also himmelschreiende Vetternwirtschaft betreibe. Auch gehe es nicht an, dass sie als Frau weniger bekäme als ein Mann.

Sie schrieb Briefe an Behörden und an die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises, aber als selbst die antwortete, dass sie nichts machen könne, wenn es sich um die freiwillige Verteilung von Geschenken handele, war die Lehrerin so über die Reaktionen ihrer Mitmenschen und die ungerechte Behandlung ihrer Person verbittert, dass sie sich das Leben nahm.

Ihre Beerdigung musste der Küster halten, da der Pastor wegen der Isolation der Inseln nicht auf die Insel durfte. Als er bei der Vorbereitung der Predigt so über das Leben der Frau und die Gründe ihres Selbstmordes nachdachte, fiel ihm plötzlich auf: Die Einzigen auf der Insel, die ihr Gehalt in voller Höhe behalten hatten, waren er und die Lehrerin gewesen. Eigentlich hätten sie beide gar keine Hilfe von dem Bürgermeister zu kriegen brauchen. Den Bauern ging es viel schlechter, sie standen tatsächlich auf einmal ohne Geld da, da sie nichts auf dem Festland verkaufen konnten. Warum nur hatte ausgerechnet die Lehrerin sich ungerecht behandelt gefühlt?

Natürlich sagte er nichts davon in seiner Predigt, obwohl es sicherlich eine gute Lehre für die anderen gewesen sein könnte, aber er wollte nicht für pietätlos gehalten werden und erzählte nur von den guten Seiten der Verstorbenen.

Wer ein selbstbestimmtes Leben führt, sollte unabhängig von äußeren Einflüssen sein. Er kauft sich nur das, was er wirklich braucht und nicht das, was er im Fernsehen, Internet oder Zeitschriften und Prospekten sieht. In diesen Medien wird der Kaufreiz mit psychologischen Tricks angeregt. Geschickt wird der Mensch von Werbefachleuten so manipuliert, dass er den Gegenstand haben möchte, obwohl er zuvor nie diesen Wunsch gehabt hat. So trinken zum Beispiel junge, attraktive und glückliche Menschen in der Werbung Coca-Cola. Jeder Mensch möchte auch jung, attraktiv und glücklich sein, er möchte wie diese Menschen in der Werbung sein und daher kauft er Coca-Cola.

Oder es wird ein Kleidungsstück von einer hübschen Person getragen gezeigt, und daher findet man das Kleidungsstück auch hübsch und möchte es haben, um so wie die Person auf dem Bild zu sein.

Der Wunsch, ein teureres Handy, ein tolles Auto oder Markenklamotten zu besitzen, ist nichts Natürliches, sondern wird durch die Werbung andere Medien in den Menschen erzeugt.

Das Gegengewicht dazu bilden Organisationen wie die Kirche, die den Menschen feste und bleibende Werte anbieten. Die Kirchen lehren, dass das Trachten nach Luxus und äußerem Protz falsch sei. In der religiösen Sprache ausgedrückt ist es Sünde. Man muss sich frei machen von solchen Süchten nach teuren Dingen und soll sich stattdessen um edle Werte bemühen, anderen Menschen helfen und ethisch korrekt leben. Es hat auch viele christliche Unternehmer gegeben, die es zu großem Reichtum gebracht haben, aber nie mit Luxus geprotzt haben.

Auch Menschen wie der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt könnte man dazu als Beispiele nehmen. Er war zwar kein eifriger Kirchengänger, aber ganz von christlicher Ethik geprägt und durchaus in der Lage, eine Bibelstunde zu leiten oder eine Predigt zu halten.

Eine Rolex oder andere Luxusuhr an seinem Handgelenk wäre völlig absurd, denn eine einfache Uhr zeigt genauso die Zeit an, und ein durch christliche Ethik geprägter Mensch würde niemals eine Uhr für 30.000 Euro kaufen, wenn eine Uhr für 20 oder 100 Euro die Zeit genauso zuverlässig anzeigt.

Als in Deutschland das Christentum noch stark war, hätte ein Lehrer oder anderer Mann keine Rolex oder andere Luxusuhr getragen, selbst wenn er sie geerbt hätte, da dann ja andere Menschen, die nicht wissen, dass er sie nicht gekauft, sondern geerbt hat, denken würden, er sei ein Protzer.

In den Medien, besonders in den Musikvideos, die für heutige Kinder und Jugendliche produziert werden, sieht man nicht nur die Verherrlichung von Gewalt, sondern vor allem Protz. In der Kirche würden die Kinder und Jugendlichen hingegen Geschichten hören, in denen gegenteilige Werte vermittelt werden, so dass sie Gefühle wie Neid abbauen, bis sie so etwas nicht mehr spüren können und Protz und Luxus keine Anziehungskraft mehr auf sie haben. Dadurch sind sie freier und glücklicher.

Natürlich ist ein gewöhnlicher Jugendlicher glücklich, wenn er ein Luxushandy bekommt, sei es geschenkt, selbst gekauft oder geklaut. Aber dieses Glücklichsein hält nicht lange an.

Christliche Menschen sind hingegen sehr glücklich nach einem schönen Konzert oder Gottesdienst, einem Bibelkreis oder anderen Ereignissen, oder wenn sie in der Natur oder ihrem Garten sind, wenn sie ein gutes Buch lesen oder einfach mit Freunden zusammen sind. Darüber hinaus sind sie von einem dauerhaften Glücksgefühl erfüllt, weil Gott ihnen gnädig ist, weil Jesus für sie gestorben ist, weil sie anderen helfen können usw.

Dadurch, dass die meisten Deutschen beschlossen haben, nicht mehr in die Kirche zu gehen, ohne darüber nachzudenken, womit sie die fehlende ethische Erziehung ersetzen können, sind sie den Einflüssen der Medien schutzlos ausgeliefert. Wer als Kind zur Kirche gegangen ist und es als Erwachsener nicht mehr tut, ist dagegen noch gefeit, denn die inneren Werte sind in ihm noch verankert. Seine Kinder hingegen wachsen ohne diese Werte auf und werden später von Neid und Sucht nach materiellen Dingen geplagt und manchmal regelrecht zerfressen, so dass sie unglücklich sind, wenn sie mangels Reichtums diese Wünsche nicht befriedigen können.

Als kleines Kind habe ich natürlich auch materielle Wünsche in mir verspürt. So fand ich einmal einen Prospekt von Fiat. Den größten und sportlichsten Wagen fand ich toll, wollte so einen Wagen haben und nervte meine Eltern damit, dass sie sich so einen kaufen sollten.

Heute bin ich völlig frei von materiellen Wünschen. Wenn ein Millionär mir sagte „Ich bin von Ihrer Musik begeistert und möchte Ihnen daher etwas schenken, sagen Sie, was sie haben möchten!“, wüsste ich keine Antwort. Ich würde mir höchstens etwas für Andere wünschen, beispielweise eine Wohnung für eine Bekannte, Hilfe für Flüchtlinge im Libanon oder ein neues Dach für eine kaputte Dorfkirche.

Die erfundene Armut

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