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Kapitel 9

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Sonnenlicht schien auf die noch regennassen Straßen. In den Pfützen spiegelten sich der strahlend blaue Himmel und verstreute weiße Wolken. Die Hitzewelle war gebrochen. Der Smog war über Nacht weggeweht und die Stadt roch frisch und sauber.

Ein schwarzer Ford Crown Victoria mit schlichten Reifen und Regierungskennzeichen hielt neben Nick, der vor seinem Wohnhaus wartete. Auf dem Fahrersitz saß ein Mann in knallrotem Hawaiihemd, das mit weißen Blumen bedruckt war. Eine weite, cremefarbene Jacke wölbte sich über der Glock in seinem Holster. Er trug eine Panoramasonnenbrille und einen Porkpie Hut. Er sah aus, als käme er grade vom Set von CSI Miami.

Ronnie Peete war ein Vollblut-Navajo, in einem Reservat geboren. Seine Hautfarbe war ein helles, rötliches Braun. Er hatte breite Schultern, schmale Hüften und verschlafene braune Augen, die einen Falken oder einen Scharfschützen auf tausend Meter orten konnten. Ronnie war ein Gunnery Sergeant in Nicks Aufklärungseinheit gewesen. Nick hielt ihn für den besten Marine, den er je gekannt hatte. Außerdem war er ein Freund.

»Wie geht es dem Ohr?«, fragte Ronnie durch das geöffnete Fenster.

»Juckt wie Hölle.«

Nick kletterte auf den Rücksitz. Sie fuhren los. Ronnie drehte sich um.

»Es gab ein paar großartige Bilder in den Nachrichten gestern Nacht. Leichen und Wracks auf dem Highway, du mit Blut bedeckt. Wie kommt es, dass du den ganzen Spaß hast?«

»Glück, vermutlich. Hat Harker schon was rausgefunden?«

»Nein. Nicht einer mit einem Ausweis. Die Angreifer waren vermutlich chinesisch. Geht vielleicht um das Buch? Wäre sonst ein zu großer Zufall.«

»Genau, was ich dachte.«

»Sie hat mich gebeten, mit zum Flughafen zu fahren. Für alle Fälle.«

Sie erreichten das Mayflower. Selena wartete draußen mit ihrem Bodyguard. Sie trug Jeans und Nikes und eine leichte Jacke über einer grauen Seidenbluse. Sie setzte sich zu Nick auf den Rücksitz. Sie sah müde und angespannt aus.

»Morgen«, sagte er. »Gut geschlafen?«

»Guten Morgen. Nicht besonders. Ich musste die ganze Zeit an gestern denken.«

»Das ist Ronnie. Sie werden ihn jetzt häufiger zu sehen bekommen.«

»Guten Morgen.«

Der Fahrer schlängelte sich durch den Verkehr. Selena war still, in Gedanken verloren. Sie erreichten den Flughafen ohne Zwischenfälle.

Ronnie verließ sie am Schalter. Nick schaute auf sein Ticket. Für die erste Klasse gebucht.

»Wie kommen wir denn zu diesem Glück? Sonst lande ich immer neben dem Gepäck.«

»Ich habe angerufen und für ein Upgrade gesorgt. Ich sah keinen Sinn darin, sich in die Economy-Klasse zu quetschen, es ist ein langer Flug.«

»Vielleicht haben sie ja zur Abwechslung richtiges Essen.«

»Da würde ich mich nicht drauf verlassen. Ich bringe mir immer etwas mit. Das Hotel hat mir ein Lunchpaket zusammengestellt. Mögen Sie Roastbeef?«

»Gibt es Meerrettich dazu?«

»Ich habe nicht nachgesehen, aber sie scheinen an alles zu denken.«

Nick geleitete Selena durch die private Security. Es gab eine Diskussion bezüglich seiner Pistole. Ein Blick auf seinen Ausweis mit dem Siegel des Präsidenten, und er durfte sie behalten. Sie machten es sich in der ersten Klasse bequem.

Die Flugbegleitung brachte Mimosas.

Selena sagte: »Ich habe über Unsterblichkeit nachgedacht. Wenn man unsterblich ist, was geschieht dann mit Freunden und Geliebten? Sind sie auch unsterblich? Glauben Sie, dass jemand für, sagen wir mal, tausend Jahre verheiratet bleiben könnte?«

»Niemand könnte so lange verheiratet bleiben.«

»Waren Sie schon mal verheiratet?«

Sein ganzer Körper spannte sich an.

»Nein. Ich war mal verlobt.«

Er erinnerte sich.

Megan lachte, ihr feines braunes Haar wehte im Wind, der vom Pazifik kam. Sie waren übers Wochenende die Küste hoch nach Trinidad gereist und hatten ein viktorianisches Bed and Breakfast gefunden, auf den Klippen, mit Ausblick aufs Wasser.

Von der Veranda aus hatten sie Robben beobachtet, wie sie sich auf den schwarzen Felsen im Ozean sonnten.

Sie bereiteten sich auf die Abreise vor. Megan sah wunderschön aus an dem Tag. Ihre grünen Augen funkelten in der Morgensonne. Sie war aufgeregt wegen ihres neuen Jobs in San Diego. Nick hielt sie eng umschlungen.

»Ich liebe dich«, sagte er. »Ich werde dich immer lieben.«

»Nick. Du musst zu mir zurückkommen. Komm sicher wieder.«

»Wir werden heiraten, wenn ich wieder da bin. Mein Dienst ist in sechs Monaten vorbei. Ich bin dann Zivilist und wir können ein richtiges Leben zusammen haben.«

»Und ein sehr, sehr schönes Haus?« Sie lächelte und boxte ihn mit beiden Händen leicht auf die Brust, während er sie umarmte.

»Und zwei Katzen auf dem Hof, genau wie in dem Song.« Er küsste sie.

»Warum haben Sie nicht geheiratet?«, fragte Selena.

Er atmete tief ein. »Sie ist gestorben.«

»Das tut mir leid.«

»Schon okay. Wie auch immer, seitdem war ich mit niemandem zusammen.«

Das Flugzeug stieg in die Luft.

Sie waren frühzeitig am Flughafen. Megan flog nach San Diego, Nick zurück zur Ostküste.

Sie schlugen die Zeit in einem der Flughafencafés tot, bis sie losmusste. Nick schaute zu, wie sie die Gangway betrat, um in ihr Flugzeug zu gelangen. Sie drehte sich um und lächelte, winkte und verschwand im Strom der Passagiere.

Er stand an einem der großen Fenster mit Blick auf die Startbahn und wartete darauf, dass ihr Flugzeug abhob.

Ein paar Minuten später sah er es. Das Flugzeug beschleunigte auf der Startbahn, hob sich in die Luft, die Räder wurden eingefahren. Er war gerade im Begriff, sich abzuwenden, als das Flugzeug eine eigenartige Bewegung machte. Die Tragflächen kippten erst nach rechts, dann nach links und die Spitze zog nach unten.

Finger aus Eis umklammerten seine Brust.

Dann zog der rechte Flügel gerade nach unten. Das Flugzeug ging zu Boden und explodierte in einem wogenden Feuerball. Die Druckwelle prallte gegen das Fenster und erschütterte das Terminal. Am Ende der Startbahn kochte eine dichte Säule aus orangefarbenen Flammen und schwarzem Rauch in den gleichgültigen Himmel.

Megan.

Er drängte die Erinnerungen wieder zurück in ihre dunkle Ecke.

»Waren Sie je verheiratet?«, fragte er.

»Nein. Ich war einmal kurz davor. Ich dachte, es wäre Liebe. Wir hatten gegessen und einige Drinks zu uns genommen und dann sind wir in einen riesigen Streit geraten. Ich habe vergessen, worum es ging, irgendetwas Blödes. Er schlug mich. Das machte mich wütend. Ich habe seine Nase gebrochen, ihn dahin getreten, wo es wehtut, und bin gegangen.«

»Sie haben ihm die Nase gebrochen?«

»Er hatte es so gewollt. Ich bin ganz gut im Kampfsport.«

Sie zuckte mit den Schultern, als wollte sie sagen, was hätte sie denn sonst tun sollen?

»Seitdem habe ich niemanden getroffen, den ich näher kennenlernen wollte. Männer sind von meinem Aussehen angezogen. Wenn sie herausfinden, wer ich bin, und wenn sie nicht bekommen, was sie wollen, dann ziehen sie sich zurück. Ich schätze, ich mache ihnen Angst.«

»Zu viel Konkurrenz für das männliche Ego?«

»Sollte das so sein, dann ist es nicht mein Problem.« Sie wechselte das Thema. »Wie konnten die Männer gestern wissen, wo ich war?«

»Das ist nicht schwer. Sie sind bekannt.«

»Glauben Sie, dass sie es noch mal versuchen werden?«

»Kann sein. Bis das alles geklärt ist, sollten Sie immer Menschen um sich haben. Im Augenblick haben Sie nur mich.«

»Das war gestern gut genug.«

Sie schaute aus dem Fenster, zog eine Box unter dem Sitz hervor.

»Hungrig?«

Nach dem Essen und den Mimosas wurde er ruhiger. Er schlief ein. Eine Sache, die er bei der Truppe gelernt hatte, war, überall einschlafen zu können. Im Schlaf erinnerte er sich an nichts, es sei denn, er träumte.

WEISSER JADE (Project 1)

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