Читать книгу Das Monster Krimi Paket Februar 2019 - 1300 Seiten Spannung - Alfred Bekker - Страница 52
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ОглавлениеKarla Börger saß vor dem Spiegel und betrachtete ihr Gesicht. Das war ihr zur lieben Gewohnheit geworden. Sie war wieder auf der Suche nach einem Fältchen, konnte aber keines entdecken, so sehr sie sich auch anstrengte.
»Na bitte«, murmelte sie zufrieden vor sich hin. »Wer sagt denn, dass Nachtarbeit alt und hässlich macht. Doch nur die Neidhammel und die Spinner, oder wer sonst noch.«
Sie lächelte spöttisch vor sich hin.
Dann prüfte sie ihr Spiegelbild nochmals und war mit sich zufrieden.
Sie hatte die Lippen ein wenig aufgeworfen, ihre Augen glitzerten wie Sterne in der Nacht.
O ja, sie wusste sehr wohl, was die Männer mochten, worauf sie standen, womit man sie verrückt machen konnte. Und waren sie erst einmal in diesen Zustand versetzt, gab es keine Schwierigkeiten an ihre Geldbörse zu gelangen.
Sie öffnete noch ein Knöpfchen an dem goldenen Oberteil und lächelte sich im Spiegel zu. Ich bin mal wieder umwerfend, fand sie.
Mit einer schlangengleichen Bewegung erhob sich Karla vom Hocker und tänzelte durch die kleine Garderobe. Sie strich mit schlanken Fingern über die Hüften.
Das Licht war schwach und ließ ihre Schönheit nur unvollkommen erkennen.
Gleich würden alle sie bewundern.
Im Hintergrund ertönte leise Musik. Karla wusste, dass es gleich losging.
Da wurde die Tür aufgerissen.
»Hab ich es mir doch gedacht. Da steckst du mal wieder, und ich warte schon eine Ewigkeit.«
Franziska stand auf der Schwelle.
»Los, der Schuppen hat seine Tore schon geöffnet. Worauf wartest du denn noch? Ein paar von deinen Kunden haben bereits nach dir gefragt.«
»Franziska, du wirst nie nobel, hörst du. Du bist zu dumm dazu. Man muss sie warten lassen.«
»Wie? Du hast wohl ein Loch im Kopf, was? Dann hauen sie doch ab, und wir können zusehen, wo wir neue Fische angeln. Nee, ich weiß es besser.«
»Warten erhöht den Reiz, meine Liebe. Und vor allen Dingen, man wird dann interessant.«
»Tatsächlich?«
Karla schob das Mädchen in den Gang.
»Keine Sorge, du wirst es nie lernen, also brauchst du dich mit dieser raffinierten Kunst auch nicht abzugeben. Komm jetzt, ich denke, es pressiert so doll!«
Franziska nagte an ihrer Unterlippe. Verdammt, dachte sie bei sich, immer wenn ich in Karlas Nähe bin, dann fühle ich mich als Putzlappen. Wie kommt das eigentlich? Dabei habe ich heute meinen neuesten Fummel an und sie nur einen alten. Den hat sie jetzt auch schon eine Ewigkeit. Ich bin doch kein Aschenputtel, verflucht noch mal. Ich bin auch ein Star. Wieso redet sie eigentlich so blöd mit mir?
Schon wollte sie Karla festhalten und sie zur Rede stellen. Doch da erschien Mäxi und sprach sie gleich an: »Hallo Süße!«
Selbst er klebt an ihr, dachte Franziska wütend. Ich versteh das einfach nicht.
Karla lächelte und hing sich bei Mäxi ein. »Hallo Liebling, wie ist es?«
»Wunderbar, wie immer, wenn du in meiner Nähe bist.«
»Das wollte ich doch nicht wissen. Mich interessiert, wie es in der Bar aussieht.«
»Trist und leer, wenn du nicht da bist.«
Sie gab ihm einen Kuss.
Der Barkeeper fing gleich Feuer.
»Treffen wir uns nachher?«
»Nicht so stürmisch.«
Franziska mischte sich in das Gespräch ein und sagte eifrig wie ein kleines Kind: »Mäxi, ich hab ganz bestimmt Zeit. Magst du?«
Er gab ihr nicht mal Antwort.
Die Tür wurde aufgemacht, und Kristin kam auf sie zu.
»Haltet ihr eine Versammlung ab?«
»Nein, wir rollen jetzt an.«
Rotes, goldenes und grünes Licht überflutete mit seiner ganzen Pracht die Mädchen. Es war schon etwas unwirklich in dieser Bar. Wer erst einmal hier war, konnte sich nur schwer wieder lösen. Überschritt ein Besucher die Türschwelle, fühlte er sich in einer anderen Welt. Es war schön, und er wünschte sich dann nur von Herzen, es möge so bleiben. Die Bar war sündhaft teuer und nur das ganz vornehme Publikum erwünscht. So war sie immer gut besucht. Der Chef des Hauses konnte zufrieden sein.
Wie in allen Bars, so lief auch hier das übliche Programm mit nackten Mädchen und Stripperinnen. Und doch waren sie nicht die Attraktion dieser Bar. Irgendwie hatte es Karla geschafft, dass sich die meisten Männer um sie scharten. Niemand wusste, warum. Dabei war sie vor gut einem Jahr als Neuling in dieses Geschäft gerutscht. Rein zufällig, versteht sich. In Wirklichkeit war es mal wieder das liebe Geld, das sie verlockt hatte. Sie wurde nur zögernd eingestellt, denn sie konnte ja keine Qualitäten aufweisen.
»Lassen Sie es mich doch einmal versuchen. Ich brenne darauf. Ich brauche das Geld, also werde ich auch gut sein. Bitte!«
Der Chef der Bar, ein alter, dicklicher Mann an die siebzig, hatte sie träge gemustert. Sein Herz ließ es leider nicht mehr zu, dass er die Mädchen selbst ausprobierte. Eine Schande war das. Nun ja, er hatte zu ausschweifend gelebt und bekam die Rechnung dafür.
»Gut, aber das Soll muss eingehalten werden. Wir bekommen von jeder Nummer einen gewissen Preis, verstanden?«
Sie hatte ihn durchdringend angesehen.
»Und wie hoch darf ich gehen?«
»Wie bitte?«
»Ich meine, ist das hier vorgeschrieben, wie viel wir von den Herren verlangen dürfen?«
»In der Regel verlangen sie hundert. Ob sie das immer erhalten, weiß ich nicht.«
Karla lächelte ihn an und fragte vorsichtshalber: »Ich darf also nehmen, was mir gefällt?«
»Nun ja, aber wir werden es prüfen.«
»Wieso das denn?«
»Hast du etwa einen Zuhälter?«
Sie dachte an Hanko, und ihr Gesicht wurde abweisend.
»Sagen wir mal, im Augenblick habe ich einen Freund.«
Der Boss hatte verstanden.
»Du möchtest also lieber unter meiner Obhut arbeiten?«
»Sobald es klappt.«
»Er ist also nicht gut, wie?«
»Was soll ich dazu groß sagen?«
»Mädchen, je länger ich mich mit dir unterhalte, desto mehr gefällst du mir. Hör zu, wenn du willst und die Zeit reif ist, dann komm wieder zu mir.«
»Ich kann mich also auf Sie verlassen?«
»Selbstverständlich. Wir sind ein anständiges Haus. Wenn du dich gut hältst, dann kannst du lange hier arbeiten.«
»Das habe ich auch vor. Außerdem will ich das Luxusmädchen werden, verstehen Sie!«
»Wie bitte?«
»Ich gehe nicht mit jedem, ich möchte mir die Kunden aussuchen dürfen, dann erlebe ich keine Überraschungen. Vor allen Dingen macht dann die Sache richtig Spaß.«
Er lachte schallend.
»Du hast dir eine ganze Menge vorgenommen, du unmögliches Mädchen.«
»Ich heiße Karla, und mein Name wird eines Tages Qualität bedeuten.«
»Nun, dann wollen wir eine kleine Wette abschließen, oder bist du dagegen?«
»Sie werden verlieren.«
»Ich setze tausend.«
»Ich auch!«
»Du nimmst den Mund ganz schön voll.«
»Ich weiß, was ich wert bin.«
»Sprechen wir uns nach vier Wochen wieder. Wenn du es bis dahin nicht geschafft hast, wird es nie klappen, mein Mädchen.«
»Karla heiße ich.«
»Natürlich, Karla.«
Wenn sie ehrlich sein wollte, hatte sie nicht damit gerechnet, in dieser Bar angestellt zu werden. Doch sie hatte sich gesagt, wenn ich schon als Dirne mein Leben fristen muss, Hanko will es so, nun denn, dann suche ich mir auch das Beste aus. Später kann ich noch immer absinken, aber ich werde mich bemühen, es lange oben auszuhalten.
Die Anfangszeit – wie gut sie sich noch daran erinnerte.
Manchmal wünschte sie sich von Herzen, dass man ihr einen Mord zugestand. Wenn, dann würde sie auf der Stelle Hanko umbringen.
Hanko war Benedikts bester Freund.
Wie hatte der Bruder von ihm geschwärmt, wie war er glücklich, wenn dieser ihn besuchte. Hanko, dieses Großmaul, das alles hatte und angeblich alles konnte. Der sensible Bruder musste sich jedes Ding erkämpfen, die Schule, den Beruf. Hanko brauchte das nicht. Eigentlich hatten sie sich nie die Mühe gemacht nachzuprüfen, ob es der Wahrheit entsprach, was er ihnen erzählte. Er war wie ein Fels in der Brandung. Wie gut konnte sie sich noch an die erste Zeit erinnern.
Sie war knapp zwanzig, als Hanko sie bewusst aufnahm. Sie und Benedikt hatten zusammen nach dem Tode der Eltern eine kleine Wohnung gemietet. Das war für beide billiger, und Benedikt war dann nicht so einsam. Karla wollte das Leben genießen und sich dann erst binden. So schnell wollte sie sich nicht in das Ehejoch zwängen lassen. Sie war clever. Doch dann wurden die Besuche Hankos immer häufiger. Er war eine imponierende Erscheinung und bezwingend in seiner Art. Er zog sie schnell in seinen Bann.
Hanko warf ihre Bedenken über Bord. Sie hing an seinen Lippen und war bald genauso beliebt wie der Bruder. Sie war auch noch glücklich, als sie spürte, dass sie ihn liebte, und konnte ohne ihn nicht mehr leben.
Hanko zerstörte ihr Leben. Er nahm sie mit, und sie zogen zusammen. Sie war selig und hoffte, bald seine Frau zu werden. Doch Hanko sprach nie von Heirat, und bald musste sie feststellen, dass er ihrer überdrüssig wurde. Er hatte nur Frauen gern, die sich ihm widersetzten. Wenn sie dann endlich schwach wurden, warf er sie zum alten Eisen.
Karla konnte er aber nicht so schnell zum alten Eisen werfen. Vor allem hatte sie viel Energie und war ein ganz anderes Mädchen als jene, die er bisher gekannt hatte.
Alles spielte zusammen. Er war bald am Ende, und an Arbeit dachte er nicht. Karla wusste nicht, wann er die Beziehung mit der Unterwelt angefangen hatte und auf welche Art und Weise.
Eines Tages machte er ihr die Eröffnung.
»Du gehst auf Anschaffe für mich. Wir brauchen Geld.«
Bis zu dem Augenblick war sie nur die einfache Sekretärin gewesen.
Sie hatte sich verzweifelt gewehrt. Hanko bezwang sie mit der Macht und Gewalt seiner Freunde. Eines Tages waren sie gekommen, drei auf einmal. Hanko war so freundlich und schloss sie mit Karla fünf Stunden zusammen in das Zimmer ein.
Anschließend nickte sie nur zu allem, was er ihr sagte. Sie war zerbrochen und schämte sich schrecklich. Immer wieder dachte sie an den Bruder. Doch er war zu schwach, um ihr Hilfe zu bieten, und ihn wollte sie nicht betrügen. Er würde daran zerbrechen. Benedikt durfte nie erfahren, was sie tatsächlich von Beruf war. Sie musste ihm ein glückliches Leben mit Hanko vortäuschen. Das war das Schwerste, was ihr abverlangt wurde. Hatte sie doch durch ihn diesen schrecklichen Menschen kennengelernt. Benedikt hatte sie fast in dessen Arme getrieben und pausenlos von seinem großartigen Freund gesprochen und nicht gemerkt, wie kalt und brutal er im Grunde war. Später erst wusste Karla, dass Hanko die Menschen nur benutzte, auch den schwachen Bruder.
Sie war also zum Barbesitzer gegangen, denn als gewöhnliche Hure wollte sie nicht gehen. Er verlangte viel von ihr, fünfhundert pro Nacht.
»Den Rest kannst du behalten. Es ist mir egal, wie und wo du das Geld verdienst, Schätzchen, aber es wird pünktlich abgeliefert, hast du mich verstanden?«
Sie wusste nicht, wie sich eine Nutte verhielt, musste sich aber als solche ausgeben.
Der Anfang war eine große Qual für sie gewesen. Eingebettet in den Luxus der wundervollen Bar hoffte sie, es würde alles leichter sein.
Dort waren die Mädchen auch nicht so gemein und brutal wie die Straßenhuren. In deren Augen waren die Laternenschicksen, wie sie verächtlich von ihnen sprachen, ein Dreck.
Karla, verklemmt, verstört und böse im Herzen, wurde in dieser Bar angestellt. Die Zahl Fünfhundert tanzte vor ihren Augen und die Grausamkeit des Luden. Hanko war jetzt Zuhälter geworden.
Sie hatte, fast wahnsinnig vor Angst, ihren ersten Abend in der Bar verbracht. Beim Boss hatte sie große Töne gespuckt, aber jetzt vor Ort, da war alles anders gewesen. Franziska, Rose und Kristin kannten sich in ihrem Gewerbe gründlich aus und hatten auch ein paar Stammkunden.
Karla dachte: Ich muss aufpassen, wie sie es anstellen, und es ihnen einfach nachmachen. Ich bin dann genauso gut wie sie.
Doch sie brauchte nur eine Stunde, um zu begreifen, dass es sie anwiderte, wie die Mädchen rangingen. Nein, das würde sie nie und nimmer können.
Während sie auf dem Barhocker klebte und alles im Raum kalt musterte, fühlte sich das Mädchen wie auf einem fernen Stern. Sie würde es nicht können. Es war so vulgär. In diesen Augenblicken ahnte Karla noch nicht, dass sie damit ihren Ruhm begründete.
Während sie die Umgebung beobachtete, wurde sie ihrerseits angestarrt. Schon kam ein Herr auf sie zu und fragte, ob er sich ein wenig mit ihr unterhalten dürfe. Sie neigte hoheitsvoll den Kopf.
Er bekam schnell heraus, dass sie hier angestellt war, also auch ein käufliches Mädchen, aber so ganz anders als ihre Kolleginnen. Sie gab sich wie eine Königin. Er dachte unwillkürlich: V ielleicht ist sie gezwungen, dieses Leben zu führen und hat eine ganz andere Erziehung genossen. Diese Augen können einem Löcher ins Herz brennen. Ich weiß auch nicht warum, obschon sie wie ein Eisblock vor mir sitzt, spüre ich, dass ich verrückt nach ihr bin.
Sie kamen bald ins Gespräch, und nach einer halben Stunde stellte er die unvermeidliche Frage.
Karla zuckte zusammen. Schon wollte sie ihm böse und zornig antworten, aber dann war da wieder die Zahl.
»Fünfhundert, oder ich schlage dich zusammen, dass du dich acht Tage lang nicht wiedererkennst.« So hatte Hanko gedroht.
Sie lächelte mit spröden Lippen und rutschte langsam vom Hocker.
Mäxi blickte sie aus unergründlichen Augen an.
Im hinteren Trakt der Bar waren Zimmer für die Mädchen eingerichtet. Dafür verlangte man pro Nummer zwanzig Mark Abgabegebühr und fuhr nicht schlecht dabei. Für den Boss war das eine gute Nebeneinnahme. Mäxi musste jeweils die Kunden der Mädchen zählen, damit auch alles stimmte.
Fünfhundert, und sie hatte schon so viel Zeit vertan!
Als sich die Tür schloss und sie mit dem Gast allein im Zimmer war, wurde sie fast hysterisch.
»Wie viel muss ich denn zahlen? «
Sie blickte ihn starr an.
»Hundertfünfzig«, sagte sie mit belegter Stimme.
Er lachte unwillkürlich auf.
»Mädchen, du kannst mich nicht bescheißen, ich kenne mich hier aus. Das ist ein Wahnsinnspreis.«
Ihr war kalt vor Angst. Aber klein beigeben, jetzt? Wäre sie dann nicht genauso blöde wie eine Laternenschickse?
»Schließlich bin ich ein Klasse-Mädchen«, entgegnete sie zornig. »So gehen Sie bitte, ich habe nicht gewusst, dass Sie es sich nicht leisten können, Qualität zu bezahlen.«
Er lief rot an.
»Nicht leisten können?« Damit hatte sie seinen wunden Punkt erwischt. Die Neureichen wollten immer für reich gehalten werden und gaben viel Geld aus, damit man es ihnen glaubte. So war es auch jetzt.
»Mein liebes Mädchen, wenn ich wollte, dann könnte ich dich die ganze Nacht mieten«, rief er lachend aus.
Karla blickte ihn mit ihren großen, blauen Augen nüchtern an.
»Das sind wirklich feine Worte, mein Herr.«
Er plusterte sich auf.
»Du glaubst mir also nicht?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Eine Nacht kostet immerhin tausend Mark, und die zu opfern, dazu gehört schon ein hübsches Vermögen, wenn die Familie darunter nicht leiden soll.«
Schweigend legte er das Geld auf den Tisch.
Weil sie richtig pokerte, hatte sie gleich in der ersten Nacht ihren Ruf begründet. Alle waren bald baff, als sie begriffen, dass sie einen Weltmeister gleich in der ersten Nacht erwischt hatte. Und das, obwohl sie stolz und abweisend dagestanden hatte.
Der Barbesitzer war sofort davon überzeugt, ein Juwel entdeckt zu haben. Mit dem Mädchen würde er jetzt das große Geld machen. Wenn er eine gute Dirne im Haus hatte, dann kamen die Kunden in Scharen, tranken viel und waren großzügig.
Am nächsten Abend ließ er Karla zu sich kommen.
Sie lächelte ihn an, denn sie war selbst noch erstaunt über ihren Erfolg und überrascht, weil sie gemerkt hatte, dass es im Grunde genommen leicht war, einen Mann glücklich zu machen. In der Regel wollten sie sich nur ausquatschen. Dann glaubten sie auch, dass sie Neues bei einer Dirne lernten, fühlten sich anschließend herrlich verworfen und prahlten bei ihren Freunden damit.
So konnte sie sich die Gäste gefügig machen. Sie brauchte ihnen nur überzeugend vorzuspielen, dass sie allein in der Lage war, dem Freier wirkliche Liebe zu geben. Wie glücklich war er dann!
Karla hatte noch am Morgen, als sie die Bar verließ, Hanko die fünfhundert gegeben. Er hatte sie angegrinst und gemeint: »Na also, und du hast dich so angestellt.«
Nicht einen Augenblick lang dachte er daran, dass sie vielleicht noch mehr Geld haben könnte. Er glaubte, sich in dem Geschäft auszukennen.
»Mädchen, jetzt geht das große Verdienen an.«
»Ja, jetzt geht das große Verdienen an«, wiederholte sie langsam.
Er bemerkte gar nicht, dass sie sich in einer seltsamen Stimmung befand. Zu Hause angekommen, war sie froh, dass sie gleich schlafen konnte. Hanko wollte schon lange nichts mehr von ihr. Auch das schmerzte nicht. Die Liebe hatte sie endgültig aus ihrem Herzen verbannt. Sie hasste Hanko abgrundtief. Tiefer und leidenschaftlicher konnte sie keinen Menschen verabscheuen wie diesen widerlichen Kerl.
Als sie wach war, betrachtete sie das Geld und presste die Lippen zusammen. Eines stand nun für sie fest, sie wollte sich nicht für den Lumpen krumm schuften. Er hatte sie in dieses Leben gestoßen, also sollte es ihr auch Glück bringen. Sie wusste jetzt, wie sie reich werden konnte. Es gab immer wieder Dirnen, die den Ausstieg aus dem Milieu schafften und dann ganz groß ankamen. Sie würde es tun. Dafür brauchte sie keinen Hanko, aber sie wusste auch um dessen Gefährlichkeit.
Als sie vor ihrem Boss stand, war sein Blick wieder bedauernd.
»Ich kann die Männer verstehen.«
»Bis jetzt war es nur einer«, stellte sie richtig.
»Ich möchte dich fest anstellen, Karla.«
»Gestern haben Sie noch ganz anders gesprochen.«
»Ich kann mich doch auch mal irren, oder?«
»Sicher – warum nicht.«
Sie blickte ihn ruhig an.
»Gestern wurde viel gesprochen.«
»Du willst frei sein?«
Sie nickte nur.
»Wenn Sie das schaffen, dann verspreche ich, solange ich Dirne bin, werde ich bei Ihnen arbeiten. Nichts und niemand kann mich dann abwerben. Ich will meine ganze Kraft in diese Bar reinstecken. Sie werden es nicht zu bereuen haben.«
»Du bist ein seltsames Mädchen, und ich glaube dir. So etwas wie dich, das findet man alle zehn Jahre mal. Ich kenne mich aus. Hanko ist ein Lump und ein Dummkopf dazu.«
»Wie ist es, kann man da was machen?«
Der Boss stand schwerfällig auf und ging zum Fenster.
»Es wird nicht leicht sein.«
»Das weiß ich.«
»Ich kann es tun, aber dann musst du mitspielen, mein Mädchen.«
»Und wie muss ich mich verhalten?«
»Dich vorläufig nicht draußen sehen lassen. Ich sage dir Bescheid, wenn alles vorbei ist.«
»Du willst ihm also die Flügel brechen?«
»So ungefähr habe ich mir das gedacht.«
»Von mir aus kannst du ihm das Rückgrat brechen. Ich würde mich noch darüber freuen.«
»Alles zu seiner Zeit, ganz so einfach ist es nicht.«
Nach der Arbeit bezog sie das Hinterzimmer und wurde von der Bar aus verköstigt. Sie wusste nicht genau, was der Boss tat, um seine Rechte geltend zu machen. Sie arbeitete fleißig, und der Bar bekam das ausgesprochen gut. Kristin hatte schon böse Augen. Doch dann begriffen die drei Dirnen, dass für sie auch eine ganze Menge abfiel, also schwiegen sie.
Einmal erschien Hanko in der Bar. Karla hatte gerade einen Stammkunden bei sich. Sofort fühlte sie einen kalten Schauer über ihren Rücken laufen.
Er musste sich informiert haben, zumindest wusste er, dass sie jetzt eine Klasse-Tülle war.
Seine Augen waren schwarz vor Wut, und er kam auf sie zu.
Karla dachte die ganze Zeit: Mir kann nichts passieren, wir befinden uns hier in einer Bar, und alle werden mir helfen. Ich darf keine Angst zeigen, sonst bin ich verloren.
Sie starrte ihn ebenfalls kalt an.
»Was willst du?«
Hanko wurde ein wenig nervös, denn eine Dirne hatte ihm noch nie so frech die Stirn geboten. In diesem Augenblick begriff er, dass sie ein Goldstück war, er hatte nur nicht rechtzeitig ihren Wert erkannt. Wäre dem so gewesen, hätte er sie natürlich von Anfang an ganz anders behandelt, und sie wäre bei ihm geblieben. Das konnte sich aber schnell ändern.
»Du glaubst dich jetzt in Sicherheit?«, fragte er höhnisch.
»Das will ich meinen.«
»Irre dich nicht«, schnauzte er sie an. »Ich kann warten und mich rächen, du wirst dich noch wundern. Ich werde zuschlagen, wenn du nicht mehr daran denkst.«
Wie hingezaubert stand plötzlich der Boss der Bar hinter Hanko. Mäxi hatte das diskrete Zeichen gegeben, und er war gleich aus den Hinterräumen nach vorn geeilt.
»Du hast Hausverbot, Hanko.«
»Was du nicht sagst!«
Die beiden Männer maßen sich mit kalten Blicken.
Der Boss schnauzte: »Ich an deiner Stelle würde den Mund nicht so voll nehmen. Es könnte dir schlecht bekommen. Außerdem ist es falsch, wenn du Karla drohst und das auch noch in aller Öffentlichkeit.«
»Wie, willst du mir vielleicht den Mund verbieten, alter Fettsack?«
Der Boss reagierte gelassen.
»Das nicht, es ist mir egal, wie du dir das Genick brichst, aber ich möchte dir einen wohlgemeinten Rat geben.«
»Darauf kann ich gut verzichten.«
»So? Nun, dann dürfte es dir auch egal sein, wenn Karla etwas zustoßen sollte.«
Hanko lachte schallend, und Karla zitterte vor Angst.
»Na, dann wünsche ich dir jetzt schon schöne Ferien im Knast«, sagte der Boss der Bar.
Hanko kniff ein Auge zu.
»Was willst du damit andeuten?«
»Lebenslänglich. Nun, wenn dir das Spaß macht …«
»Auf der Stelle will ich wissen, was du damit sagen willst, du Schweinehund.«
»Ach, ich denke, du pfeifst auf meinen Rat?«
»Werde jetzt nicht frech, oder ich könnte mich vergessen. So schnell können deine Bewacher nicht zur Stelle sein.«
»Du irrst, sie sind die ganze Zeit schon zugegen und hören jedes Wort.«
Hanko starrte ihn nur an.
»Machen wir es kurz, Lüdchen!«
Hanko kochte vor Wut. Ihn einen Lüdchen zu nennen, das war wie ein Schlag ins Gesicht. Darin drückte sich alle Verachtung aus, die einer sich nur ausdenken konnte. In diesem Wort steckte die Verniedlichung, und man musste annehmen, dass er kein richtiger Lude war.
»Wenn Karla etwas passiert, dann wirst du dafür büßen müssen. Also sieh zu, dass ihr kein Haar gekrümmt wird, denn ich habe bei der Kripo hinterlegen lassen, dass du einen unbändigen Hass auf das Mädchen hast. Unser gemeinsamer Kommissar hat mir gesagt, dass er schon lange darauf wartet, dich zu kaschen. Du darfst auch sicher sein, dass, wenn Karla etwas passiert, sich genug Zeugen finden lassen werden, die dich oder deine Auftraggeber dabei gesehen haben.«
Hanko atmete ganz flach.
Karla warf dem Boss einen schnellen Blick zu.
Warum hatte er ihr das nicht gemeldet?
»Du Hund«, tobte Hanko. »Du verfluchter Hund!«
»Nur so weiter, das ist Musik in den Ohren meiner Freunde. Um so lieber werden sie gegen dich aussagen, denn jetzt haben sie deine Drohungen vernommen.«
Hanko ballte die Fäuste. Zum ersten Male fühlte er sich ohnmächtig. Ob er jetzt an seine Opfer denkt, dachte Karla, an mich, wie er mich mit diesen widerlichen Kerlen eingeschlossen hat. Weiß er, wie es ist, wenn man hilflos und einsam ist?
Ohne ein Wort zu sagen, stürzte Hanko davon.
Der Boss lächelte überlegen.
»Auch alte Böcke machen große Fehler.«
Karla wandte sich an ihn.
»Kann ich mich jetzt wieder frei bewegen und in die Stadt gehen?«
»Ja, auf diesen Auftritt habe ich nur gewartet.«
Karla starrte ihn bewundernd an.
»Und wenn er nicht gekommen wäre?«
»Ich habe so viel ausstreuen lassen, dass er einfach den Versuch machen musste, dich zu gewinnen«, sagte er lachend.
Karla blickte ihn lange nachdenklich an.
»Sich mit dir zu verfeinden, ist wohl nicht gerade gesundheitsfördernd, wie?«
»Das kann ich bestätigen.«
Sie wusste jetzt, wo ihre Grenzen waren. Sie hatte auch nicht vor, diese Stelle zu verlieren.
Karla arbeitete sehr zielstrebig und gut. Der Boss besorgte ihr eine hübsche Wohnung außerhalb der Bar. Sie richtete das Apartment nach ihren Wünschen ein. Die Wohnung befand sich in einem Hochhaus. Hier kannte niemand das Mädchen. Keiner würde auf den Gedanken kommen, hinter dieser modernen jungen Frau eine Dirne zu vermuten. Sie war zu allen freundlich und hilfsbereit.
Man wunderte sich nur, dass man sie nie mit einem Mann sah. War das nicht ein wenig absonderlich, wo sie doch so hübsch war? Natürlich suchten ein paar Anschluss im Fahrstuhl und in den Gängen, aber sie wusste sich zu wehren.
Eines hatte Karla schnell in ihrem Beruf begriffen: Wer sich selbst nicht helfen kann, ist verloren. Als Dirne musste sie in der Lage sein, sich jeden Mann vom Hals zu schaffen, wenn es nötig war, oder sie musste eines Tages mit dem Leben bezahlen.
Der Boss half ihr mit einem guten Rat.
»Mach einen Karatekurs mit. Wenn du fleißig bist, dann wirst du es schnell lernen und bist gesichert. Dann ist sogar eine Waffe überflüssig. Vergiss nicht, Mädchen, dass gerade bei den betuchten Kunden oft abartige Typen anzutreffen sind.«
»Das habe ich auch schon gemerkt.«
Karla wollte ihr Wissen weitergeben. Sie sprach mit Kristin, Franziska und Rose darüber. Außerdem machte die ganze Sache viel mehr Spaß, wenn sie zu viert loszogen. In der Nähe sollte eine gute Schule sein. Doch die drei waren faul und zu dumm, um den Wert der Sache zu begreifen.
»Ich bin froh, wenn ich in meiner freien Zeit pennen kann, und hin und wieder will man wie ein normaler Mensch leben. Da soll ich in die blöde Schule gehen und mir die Glieder verrenken lassen? Ich bin doch nicht bekloppt!«
»Aber es ist wichtig.«
»Wenn ich eine Laternenschickse wäre, dann sähe ich das ja noch ein. Nee, danke für Obst.«
Karla ging also allein.
Wenn sie etwas machte, dann tat sie es gründlich, und so blieb sie ein halbes Jahr am Ball. Dann beherrschte sie die wichtigsten Griffe und hörte auf. Der Trainer bedauerte das, denn er glaubte, in ihr ein Naturtalent entdeckt zu haben und wollte sie gern im Verein behalten. Sie dankte nur und kam nicht mehr in den Unterricht.