Читать книгу Das Monster Krimi Paket Februar 2019 - 1300 Seiten Spannung - Alfred Bekker - Страница 62
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ОглавлениеMäxi sah sie zuerst.
Stocksteif kam sie in die Bar. Sie trug wie üblich ihren goldenen Anzug. Darin sah sie besonders schön aus. Sie hatte sich auch perfekt zurechtgemacht. Nichts fehlte, sie war mal wieder vollkommen.
»Hallo, Karla!«
Sie blickte ihn an, als wäre er aus Glas.
Mäxi schauderte unwillkürlich zusammen. Hingebungsvoll putzte er die Glaser.
Karla schob sich auf einen Barhocker. Die Bar hatte noch nicht geöffnet. Das würde in einer Viertelstunde der Fall sein, und deswegen wunderte sich Mäxi, dass sie schon zugegen war.
Er schielte zu ihr herüber.
»Bring mir einen Whisky!«
»Mit Eis oder ohne?«
»Egal, als ob das wichtig wäre.«
»Das ist keine Antwort.«
»Beeil dich!«
Ihre Antwort war eiskalt.
Mäxi schob ihr das Glas rüber. Mit einem Ruck setzte sie es an die Lippen und goss den Inhalt in sich hinein.
»Noch einen!«
Es geschah dreimal hintereinander, und der Mann wurde unruhig. Sonst trank sie ja kaum Alkohol. Wenn sie mit den Kunden trinken musste, täuschte sie es vor.
»Karla, du wirst gleich vom Hocker fallen.«
»Habe ich dich um deine Meinung gebeten?«
Mäxi starrte sie dümmlich an. Ihm kam es vor, als säße eine ganz fremde Karla vor ihm.
Die Bar machte auf, und die übrigen Mädchen fanden sich ein. Mit ihnen kamen auch die Musiker. Ein ganz normaler Abend nahm seinen Anfang.
Der Boss hatte sich noch nicht gezeigt.
Karla blieb an der Bar und ließ sich volllaufen. Für sie hatte das Leben keinen Sinn mehr. Sie musste ihre Gedanken und Gefühle abtöten, sonst fing sie wieder an zu schreien. Man würde sie für eine Verrückte halten.
Mäxi machte sich große Sorgen. Besonders, als ein reicher Stammgast zu ihr kam und sie ihn rüde abwies.
»Geh hin, wo der Pfeffer wächst, alter Bock, ich kann dich nicht mehr sehen.«
Er war schockiert und entsetzt zugleich.
»Das wirst du mir büßen, Mädchen. So darf man mich nicht nennen.«
Mäxi mischte sich ein.
»Entschuldigen Sie, mein Herr, sie hat zu viel getrunken. Es geht ihr heute gar nicht gut.«
Jetzt bemerkte er selbst den glasigen Blick, die harten Züge.
»Was ist mit ihr?«
»Ich weiß es nicht.«
»Noch einen«, lallte Karla dazwischen.
Mäxi weigerte sich jetzt.
Karla wurde ernsthaft böse, und damit es kein Aufsehen gab, schob er ihr schnell das Glas zu und ging dann zum Boss.
»Kannst du mal kommen?«
»Gibt es Ärger?«
»Mit Karla. Da staunst du, was?«
»Das soll wohl ein Witz sein.«
»Ich muss nach vorn, bevor sie noch mehr Aufsehen macht.«
»Was ist denn los mit ihr?«
»Sie sitzt an der Bar und lässt sich volllaufen. Sie ist nicht ansprechbar. Etwas muss passiert sein.«
»Ich komme sofort.«
Karla lachte den Boss nur schallend aus. Sie war betrunken, aber noch klar genug, um alles mitzukriegen. Als sie merkten, dass sie keine Vernunft annehmen wollte, packte man sie und brachte sie ins Büro. Der Boss war stinksauer. Gerade heute, wo so viele Kunden von Karla anwesend waren, musste das passieren.
»Kannst du mir mal sagen, was das zu bedeuten hat?«
Sie starrte ihn an und lachte.
»Karla, was hast du denn bloß?«
Mäxi hatte plötzlich eine Ahnung. »Vielleicht schnallt sie das nicht mehr.«
»Was willst du damit andeuten?«
»Es ist wieder eine Tülle umgebracht worden.«
Kaum hatte Mäxi den Satz ausgesprochen, da sprang Karla hoch und würgte ihn so sehr, dass der Boss sie von Mäxi losreißen musste, sonst hätte sie ihn womöglich noch umgebracht.
»Sie ist keine Hure gewesen«, schrie sie Mäxi an.
Dieser hielt sich den schmerzenden Hals.
»Bist du wahnsinnig geworden?«
»Sie war keine Hure.«
Sie heulte los.
Der Boss sagte: »Wieso weißt du das so genau? Er bringt nur Nutten um.«
»Sie war keine Hure, sie war keine Tülle, versteht ihr das denn nicht?«
»Wer war sie dann?«
»Meine beste Freundin. Sie war keine Hure, sie war meine beste Freundin und hatte ein kleines Mädchen, o mein Gott!« Sie legte den Kopf auf ihren Arm und weinte bitterlich.
»Verdammt«, murmelte Mäxi. »Das muss einem ja gesagt werden, oder?«
Der Boss starrte sie groß an.
»Sie war deine Freundin und keine Dirne?«
»Ich schwöre es.«
»So wird er jetzt wahllos töten«, murmelte er.
»Mensch«, sagte Mäxi, »das ist ja ein starkes Stück. Sag mal, war das die Frau mit der Kleinen?«
Karla sah ihn groß an.
»Was weißt du?« Ihre Stimme klang gefährlich ruhig.
»Ich habe euch mal zusammen gesehen.«
Ganz langsam wandte sie den Kopf zu Mäxi herum.
»In einem Kaufhaus?«
»Wieso meinst du, dass ich euch in einem Kaufhaus gesehen haben soll?«
»Ich will es wissen«, schrie sie ihn an. »Auf der Stelle wirst du es mir sagen.«
»Reg dich doch nicht so auf. Nein, es war in keinem Kaufhaus. Draußen, irgendwo in einem Schwimmbad.«
»Schwör es mir«, sagte Karla mit tonloser Stimme.
»Das kann ich beschwören.«
»Und ich dachte, jetzt wüsste ich, wer uns beobachtet hat.«
»Du sprichst in Rätseln, Karla.«
»Das ist nicht schlimm.«
»Kannst du jetzt wieder arbeiten?«
Sie blickte ihn aus toten Augen an.
»Wenn mir heute ein Kerl zu nahe kommt, dann töte ich ihn.«
»Karla, du bist verrückt.«
Sie erzählte man von der Freundin, und wie viel sie ihr bedeutet hatte. Sie sprach auch über das kleine Mädchen und von der Sache, wie man es einfach fortgebracht hatte, und dass sie jetzt keinen Frieden mehr finden könne.
»Ich höre immer noch ihre Schreie. Ich kann nicht anders. Es ist so furchtbar. Vera wird keine Ruhe finden, ich weiß es. Sie muss doch wünschen, dass ich mich um Claudia kümmere, aber diese Bastarde lassen es nicht zu. Bloß weil ich eine Hure bin! Huren haben nämlich kein Herz, müsst ihr wissen. Sie sind nur ein Dreck, böse und kalt. Denen kann man ruhig das Herz rausreißen, und sie lachen noch.«
Die beiden Männer sahen sich ernst an.
»Es hat keinen Zweck«, sagte der Boss. »Sie muss sich erst wieder fangen. Geh nach vorn und beruhige die Gäste, Mäxi.«
»Wird gemacht.«
Mit Karla sprach er wesentlich freundlicher: »Hör zu, Karla, das hättest du mir gleich alles sagen sollen. Pass auf, du gehst jetzt auf deine Bude und legst dich hin. So kannst du dich auf keinen Fall auf der Straße sehen lassen. Und fahren kannst du schon gar nicht. Später reden wir dann weiter, ja?«
Sie lächelte müde.
»Danke«, sagte sie leise.
»So ist es schon besser. Jetzt bist du wieder meine alte Karla. Wir werden das Kind schon schaukeln.«
»Ich hasse sie alle.«
»Ja, du hast recht. Bullen sind ein Kapitel für sich.«
Sie schwankte aus dem Büro.
Mäxi blickte den Boss an.
»Ob sie wieder in Ordnung kommt?«
»Morgen muss sie arbeiten wie bisher.«
»Ich weiß nicht, das hat sie zu sehr mitgenommen. Sie wird noch eine Weile daran zu knabbern haben.«
»Geh jetzt, ich habe zu tun.«
Mäxi hatte in dieser Nacht seine Mühe mit Karlas Kunden. Sie wollten nicht begreifen, dass auch mal eine Dirne ausfiel, weil sie nicht arbeitsfähig war. Kristin, Rose und Franziska waren sauer, denn sie glaubten, Karla würde eine Extrawurst bekommen. Sie wussten ja noch nicht die Wahrheit, aber über den Mord sprachen alle.