Читать книгу Das Monster Krimi Paket Februar 2019 - 1300 Seiten Spannung - Alfred Bekker - Страница 53
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ОглавлениеDie Abende waren, wie immer, gut ausgefüllt, und oft hatte sie auch viel Spaß. So wie heute. Sie hatte wieder vier Stammkunden, aber diese sollten erst später aufkreuzen. Sie verdiente fast jede Nacht ihre tausend Eier. So brauchte sie nicht jeden Kunden zu nehmen. Sie wählte sorgfältig aus, und das verstärkte ihren Ruf. Die Männer sahen es als große Ehre an, bei Karla anzukommen. Es geschah öfter, dass ein Kunde mit seinem Freund darüber sprach. Er wurde neugierig und wollte dieses Wundergeschöpf gern kennenlernen, also gingen sie eines Abends zusammen in die Bar.
Wie glücklich war dann der Stammgast, wenn er hörte, dass Karla gar nicht daran dachte, seinen Begleiter zu »bedienen«. Dieser war dann natürlich recht sauer. Doch der Freund lachte ihn aus und meinte: »Ich habe es dir doch gesagt.«
»Liegt es am Preis?«
Karla sah ihn mit ihrem eigenartigen Blick an.
»Nein, mein Freund, daran nicht. Du bist nicht mein Fall. Deine Manieren sind mir nicht gut genug. Ich bin nur Qualität gewöhnt, verstehst du. Komm, wir trinken noch einen. Ich kann dir Rose empfehlen, sie ist ein reizendes Geschöpf. Mit ihr wirst du viel Spaß haben.«
Inzwischen war der Gast aber so gereizt, dass er nur noch Karla wollte. Wenn diese aber einmal Nein sagte, dann blieb sie dabei, auch wenn der Gast eine verteufelt hohe Summe nannte. Dieser Streit wurde oft so laut geführt, dass viele in der Bar das Gespräch mitbekamen und anfingen, Wetten abzuschließen. Ging sie jetzt mit ihm nach hinten oder nicht? Das war ein interessanter Zeitvertreib.
Wenn der Stammgast sie dann fragte: »Warum hast du denn meinen Freund abgewiesen?« war ihre Antwort: »Ganz einfach, er hat mich wie eine billige Nutte taxiert.«
»Wie? Er hat doch nichts getan.«
Sie lächelte herablassend.
»Kaum habe ich mich zu euch gesetzt, rieb er schon sein Knie an meinem. Das finde ich verdammt billig. Ich will wie eine Dame behandelt werden. Ich gehe mit dir ja auch nicht um wie mit einem geilen Bock, oder?«
Er wurde rot.
»Das ist aber verdammt stark, Karla. Alles kannst du dir auch nicht herausnehmen.«
Er war sauer.
»Du kommst, weil du es nötig hast. Gut, ich verstehe das, ich verstehe auch, dass die Männer von Natur aus anders beschaffen sind, sonst wären wir vielleicht schon ausgestorben. Also respektiere ich auch euren Hang, aber ich mache es nicht verächtlich. Deshalb will ich nicht, dass man mich wie eine billige Ware umsonst abtätschelt. Sage es ihm! Frage ihn doch mal, ob er sich jeder Frau so nähert. Wenn ja, dann gehört er hinter Gitter, dann ist er nicht normal.«
Er liebte sie mit Leidenschaft und war anschließend glücklich, dem Freund eins auswischen zu können. Dieses Mädchen war und blieb seine Entdeckung.
Karla konnte sich mit der Zeit viel leisten. Sogar ein Auto hatte sie sich gekauft. Der Neid der drei Dirnen in der Bar war schon beträchtlich, und er stieg noch, als sie merkten, dass selbst Mäxi scharf auf Karla war.
Nur eines bedrückte Karla. Das war ihr Bruder Benedikt. Sie wusste ganz genau, dass er nie erfahren durfte, was sie jetzt tat. Er würde daran zerbrechen. Darum war es gar nicht so einfach für sie, vor ihm ein normales Leben zu führen. Sie musste höllisch aufpassen, dass er nicht mit Hanko zusammenstieß.
Sie hatte ihm gesagt, dass sie sich selbständig machen wollte, und deswegen sei sie ausgezogen. Er hatte ihre Adresse gewollt, aber bis jetzt hatte sie ihm diese mit der Begründung verweigert: »Weißt du, ich lebe im Augenblick bei einer Freundin. Sollte ich eine eigene Wohnung haben, dann lass ich es dich wissen.«
»Können wir denn nicht wieder zusammenziehen, Karla, wie früher? Dein Zimmer steht doch leer.«
Sie hatte geschluckt. Benedikt durfte nicht mit der Wirklichkeit konfrontiert werden. Er war ein guter Mensch und würde nicht begreifen, wie abgrundtief böse Hanko war. Deshalb musste sie ihn noch verschonen und erklären, dass sie auch weiterhin gute Freunde waren.
Karla aber wusste, wenn sie wieder zu Benedikt zog, dass er dann schnell herausfinden würde, was sie tat. Nein, sie konnte es nicht tun. Außerdem wollte sie frei sein.
Im Augenblick wollte sie ihm sowieso nicht ihre Anschrift geben, denn sie hatte keine Ahnung, ob Hanko noch versuchte, sie zu ergreifen. Sie musste erst Gras über die ganze Geschichte wachsen lassen. Dann konnte sie sich mit Benedikt abgeben und ihn einladen.
»Wirst du mich denn besuchen?«
»Warum suchst du dir keine Freunde?«
»Das ist schwierig, und seit du aus der Wohnung ausgezogen bist, ist es einsam bei mir geworden.«
»Du darfst dich nicht so einspinnen. Das ist nicht gut für dich, Benedikt. Bitte denke mal darüber nach. Es gibt viele Möglichkeiten.«
»Aber wir haben doch uns.«
»Ja«, sagte sie ein wenig gequält und verfluchte die Mutter, weil sie den Bruder verwöhnt und zur Unselbständigkeit erzogen hatte. Nun hatte sie ihn auf dem Hals und fühlte sich eigentlich die ganze Zeit schuldig, weil sie ihn nicht besuchte. Schließlich und endlich hatte sie ja einen anstrengenden Job zu verrichten. Die Bar machte erst gegen fünf Uhr morgens dicht, dann fuhr sie mit dem Taxi heim. Sie schlief in den Tag hinein, kochte, räumte auf und ging einkaufen. All das war zu tun, und bald war es schon wieder Zeit für ihren Job.
Heute war wieder ein anstrengender Tag, vielmehr eine anstrengende Nacht durchzustehen. Sie hatte sich hinten länger als gewöhnlich aufgehalten. Ein Stammkunde wartete bereits auf ihr Erscheinen.
Rose hockte am Tresen und sah sie lustlos an.
Karla wollte eigentlich nicht sofort ins Bett steigen. Sie brauchte immer ein wenig Zeit zum Einüben, wie sie sich das zurechtlegte.
»Sollen wir nicht erst etwas trinken?«
Er wollte nicht.
»Es geht auf meine Rechnung.«
»Das hört sich schon anders an.«
Sie blickte in das zerfurchte Gesicht des Mannes und dachte: Z u gern möchte ich wissen, warum du zu mir kommst. Du hast doch eine Familie, ich verstehe das einfach nicht. Warum gehst du nicht zu deiner Frau?
Ein paar ihrer Kunden hatten echte Sexschwierigkeiten, sie half, diese abzubauen. Doch so lange war sie noch nicht in diesem Gewerbe, dass sie schon einen Erfolg haben konnte. Karla war gewissenhaft und unterhielt sich gern mit ihren Kunden. Das gab ihr das Gefühl, nicht eine Nutte zu sein, sondern ein verständnisvoller Mensch, der auf die Nöte des anderen einging. Heute hatte der Kunde nicht viel Lust zum Reden und wollte gleich zur Sache kommen.
Ausgerechnet an diesem Abend hatte sie sich auch noch so aufreizend gekleidet. Kein Wunder, dass er Feuer fing. Als sie merkte, dass nichts mehr half, stand sie auf und ging nach hinten. Er folgte ihr wie ein Hündchen.
Im Koberzimmer angekommen, legte er gleich das Geld auf den Tisch. Sie musste sich wieselflink ausziehen. Bei dem Geld, das sie von jedem verlangte, durften sie schon eine nackte Dirne erwarten.
Es dauerte auch nicht lange, da war alles vorbei. Karla wunderte sich ein wenig darüber, denn sonst musste sie sich immer anstrengen, um ihn in Fahrt zu bringen.
»Was ist denn mit dir los? Ich kenne dich so gar nicht. Hast du Ärger?«
Er fuhr hoch.
»Wieso? Bist du nicht mit mir zufrieden? Ich war doch große Klasse. Oder etwa nicht?«
»Natürlich warst du das. So meine ich es doch gar nicht. Du bist anders als sonst.«
»Also merkst du es auch schon?«
»Ja, vielleicht kann ich dir helfen.«
Er lachte rau auf.
»Du und helfen, nein, ich habe mir nur eben die Bestätigung dafür geholt, dass ich doch kein so großer Versager bin, wie man es mir nachsagen will.«
»Wer tut das denn? Bist du fremd gegangen? Hast du eine von der Straße besucht?«
»Fein, jetzt bist du schon eifersüchtig, das liebe ich an dir.«
Fast war er schon wieder normal, aber dann wurde er ernst und erzählte ihr, dass es im Werk viele Schwierigkeiten im Augenblick zu verzeichnen gab. Man würde ihm das ankreiden, nun ja, die Wirtschaftslage und überhaupt, jeder könne doch mal Fehler machen.
Aber keine gravierenden, dachte Karla und konnte sich das gut vorstellen. Der Kunde war ein ziemlicher Bruder Leichtfuß und hatte in letzter Zeit wohl nicht besonders viel übrig für die Arbeit. Jetzt wurde ihm die Rechnung präsentiert.
Sie blieben nicht mehr lange in ihrem Zimmer. Es hielt ihn nichts bei ihr, obschon er noch bleiben durfte. Wenig später saßen sie wieder in der Bar. Sie lächelte ihn an, schlenderte herum und beobachtete die Kunden.
Die Nummer auf dem Podium lief programmgemäß ab. Ein paar Männer hockten gierig herum und schauten sich die Augen aus. Das waren die Kunden vom Land. Sie kamen einmal im Jahr in die Stadt und tobten sich dann gründlich aus. Für sie waren ja auch die Vorführungen gedacht. Die Stammkunden fanden sie längst langweilig und hielten sich anderswo schadlos.
Karla lehnte an einer Säule und blickte in die Runde, entdeckte dabei Kristin, die verzweifelt einen Kunden aufriss. Karla bemerkte sofort, dass der Mann viel zu betrunken war, um ihr zu folgen.
»Mit dem wirst du nur Schwierigkeiten bekommen«, sagte sie leise.
Kristin fuhr sie an. »Ich brauche deine Ratschläge nicht.«
»Verzeihung, ich wollte dir nur helfen.«
Dann verlor sie die zwei aus dem Auge, als ein Mann in die Bar kam, den alle kannten. Es war Humbert Verden.
Karla löste sich sofort von ihrer Säule und kam langsam näher. Er blickte sie aufreizend an und grinste breit.
»Wie geht’s Geschäft?«
»Wunderbar, oder hast du etwas anderes erwartet?«
Er schenkte ihr ein angedeutetes Lächeln und ging dann weiter zum Tresen. Als Mäxi ihn gewahrte, wurde er sichtlich nervös und sah ihn mit scheelen Augen an.
Karla nahm Platz neben Verden.
»Darf ich Ihnen einen Drink spendieren?«
»Ich bin platt!«
»Wieso das denn?«
»Seit wann ist man hier so freundlich?«
»Sind wir das nicht immer, Herr Kommissar?«
Er lächelte wieder.
»Nun, ich will nicht unhöflich sein. Wenn ich überall so wenig Ärger hätte wie hier, könnte ich mich pensionieren lassen.«
Karla gab Mäxi einen Wink, er stellte kurze Zeit später zwei Gläser auf den Tisch. Und dann tauchte auch schon der Boss im Hintergrund auf.
»Ich will doch nur in Ruhe mein Glas austrinken.«
»Also keine Durchsuchung?«
»Wird das etwa erwartet?«
Der Boss sah ihn durchdringend an. »Sie machen hier doch keinen Privatbesuch?«
»Nein, das gerade nicht.«
Sie sah ihn schweigend an.
»Ich komme von einer Leiche.«
Karla zog die Augenbrauen hoch. »Und was hat es damit auf sich?«
»Eine Dirne wurde erwürgt.«
Plötzlich umstanden auch die anderen Mädchen den Kommissar. Sie waren aufgeregt.
»Ein abartiger Kunde?«
»Schwer zu sagen, wenigstens vorläufig.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich habe das dumpfe Gefühl, es sah mir so nach Rache aus.«
»Wo ist sie denn gefunden worden?«
»Gar nicht weit vom Standplatz. Sie war auf dem Weg zu ihrer Arbeit. Die Mädels dort haben ausgesagt, dass sie sich für diese Nacht noch gar nicht aufgebaut hätte. Demnach ist sie vorher abgefangen worden.«
»Dann hat sie Ärger mit ihrem Luden gehabt.«
»Eben nicht, das habe ich schon alles nachprüfen lassen.«
»Also doch ein Kunde«, sagte Kristin.
»Er muss gewusst haben, dass sie ein käufliches Mädchen ist und hat ihr dann aufgelauert. Sie ist arglos mit ihm zu den Betriebshalden gegangen, da, wo die großen Röhren liegen. Darum hat man sie ja auch so spät gefunden.«
Mäxi putzte gründlich die Gläser.
Karla starrte vor sich hin.
»Und warum sind Sie jetzt hier?«
»Morgen steht es in allen Zeitungen. Ich sehe es als meine Pflicht an, euch zu warnen.«
Franziska regte sich auf und sagte: »Wir sind keine Straßenwanzen, hier kann uns nichts passieren.«
»Man kann nie wissen.«
»Nein, wir gehen immer mit dem Kunden nach vorn. Wenn er allein zurückkommt, dann merkt Mäxi das sofort, hält ihn zurück und lässt nachschauen. Da sind wir ganz sicher«, erklärte Rose.
»Vielleicht habt ihr recht und seid wirklich sicher. Aber ihr wisst jetzt Bescheid. Ich muss weiter.«
»Er läuft also noch frei herum?«
»Bis jetzt ist das leider so.«
»Vielleicht hat sie ihn mal betrogen?«
»Das könnte schon sein.«
Als der Kommissar gegangen war, sprach Karla noch mit Mäxi.
»Was meinst du? Er wollte uns doch noch etwas sagen.«
Er zuckte die Schultern.
»Verdammt, wenn dieser Hund nicht bald gefasst wird, dann kann das für uns böse ausgehen.«
»Wir arbeiten doch hier.«
»Trotzdem, Angst ist kein guter Geschäftspartner.
Karla hatte in dieser Nacht noch drei Kunden. Später vergaß sie den Kommissar vollkommen. Auch die anderen Mädchen dachten nicht mehr an den Mörder.
Karla war müde und sehnte sich nach ihrem Bett. Es war halb sechs, als sie sich endlich hinlegen konnte.