Читать книгу Das große Buch der Berlin-Krimis 2017 - Romane und Erzählungen auf 1000 Seiten - Alfred Bekker - Страница 14

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Nachdem Rudi und ich unsere Arbeit am Tatort erledigt hatten, waren wir in unseren Ermittlungen noch kein Stück weiter. Zusammen mit den Kollegen hatten wir Dutzende von Anwohnern aus der Nachbarschaft befragt, ob sie etwas Verdächtiges gesehen hatten. Die Toten waren inzwischen in der Gerichtsmedizin und die Erkennungsdienstler versuchten herauszufinden, welche Art von Sprengstoff verwendet worden war.

Uns blieb jetzt nur eins – die so genannten Freundinnen von Dima Modesta abzuklappern. Wir kannten etwa Hälfte von ihnen.

Jennifer Petersen blieb jedenfalls bei ihrer Aussage, nicht zu wissen, wo Modesta die letzte Nacht verbracht hatte.

Während wir am Tatort gewesen waren, hatten unsere Kollegen Carnavaro und Medina das Apartment untersucht, das Dima Modestas offizieller Wohnsitz war, ohne, dass er sich dort in letzter Zeit länger aufgehalten hatte.

Dieses Apartment hatte schon Tagelang unter Beobachtung gestanden und Dima Modesta musste das wohl geahnt haben.

Jedenfalls meldete sich Jürgen Carnavaro per Handy bei uns und berichtete, dass im Apartment buchstäblich nichts zu finden gewesen sei.

„Das war so glatt geleckt wie ein Hotelzimmer“, berichtete er. „Keine persönlichen Sachen. Vielleicht gibt es noch nicht mal Fingerabdrücke des Besitzers darin. Der Telefonanschluss ist definitiv seit seiner Freischaltung erst einmal benutzt worden.“

„Wahrscheinlich der Begrüßungsanruf des Telefonanbieters“, meinte ich eine Spur zu gallig. Es wurmte mich einfach, dass unsere Karten, in diesem Fall ein Stück weiter zu kommen, einfach so schlecht standen.

Wir wussten, dass es einen kriminellen Zusammenhang zwischen Dima Modesta und Vladi Gruschenko gab. Aber das war auch schon so ziemlich alles. Kündigte sich da ein Gangsterkrieg an? Wollte jemand Gruschenkos Organisation zerstören oder ihn unter Druck setzen, wobei Modesta dann nicht mehr als ein Bauernopfer war, das dem Betreffenden deutlich machen sollte, dass der Unbekannte es ernst meinte?

Fragen über Fragen gingen mir im Kopf herum, aber im Augenblick schien es auf all diese ungeklärten Fragen nicht den Hauch einer wirklich befriedigenden Lösung zu geben.

Wir statteten Kendra Dörnemeyer in ihrer Wohnung einen Besuch ab.

„Wer ist da?“, fragte uns eine barsche Frauenstimme über die Sprechanlage an ihrer Wohnungstür. Ein Kameraauge verfolgte jede unserer Bewegungen.

„BKA! Machen Sie bitte die Tür auf!“, forderte ich und hielt meinen Dienstausweis in die Kamera.

Kendra öffnete.

Sie sah Jennifer Petersen erschreckend ähnlich. Sie waren beide blond und kurvenreich. Dima Modesta schien einen ganz bestimmten Frauentyp zu bevorzugen.

Kendra Dörnemeyer trug Jeans und T-Shirt und war barfuß. Die Fußnägel sahen aus wie frisch lackiert und im Augenblick waren gerade ihre Hände offenbar mit der Nagelpflege dran.

„BKA, Kriminalhauptkommissar Harry Kubinke“, stellte ich mich vor. „Mein Kollege Rudi Meier und ich haben ein paar Fragen an Sie.“

„Hier geschieht nichts Ungesetzliches!“, versicherte sie. „Zumindest werden Sie das wohl kaum nachweisen können.“

„Es geht nicht um Sie, sondern um Dima Modesta“, sagte ich.

„Ich kann Ihnen zu Dima auch nicht viel mehr sagen, als Sie ohnehin schon wissen“, erwiderte sie. „Und im Übrigen sind wir auch nur flüchtig bekannt.“

„Ja, sicher... Vielleicht können wir hereinkommen und die Sache in Ruhe besprechen. Herr Modesta ist einem Sprengstoff-Attentat zum Opfer gefallen und wir dachten, dass Sie uns vielleicht ein paar Angaben machen können, die uns weiterbringen.“

Kendra Dörnemeyer wurde bleich.

Ihr Kinnladen fiel herunter und ihre Augen wurden groß, als sie erst mich und dann Rudi anstarrte. Sie schluckte.

Entweder war sie eine sehr gute Schauspielerin oder es hatte ihr wirklich etwas an Modesta gelegen.

„Kommen Sie herein“, sagte sie.

Wir folgten ihrer Einladung.

„Wann haben Sie Herr Modesta zuletzt gesehen?“, fragte Rudi.

„Gestern Abend.“

„Aber er hat nicht hier übernachtet.“

„Sie lassen mich beobachten?“

„Frau Dörnemeyer, Dima Modesta stand kurz vor einer Verhaftung wegen Geldwäsche. Natürlich haben wir versucht, alle bekannten Anlaufstellen zu überwachen. Leider ist das bei ihm nicht so einfach.“

„Hören Sie...“

„Nein, hören Sie mir erst zu. Modestas Geschäfte haben keine Bedeutung mehr. Sie können ihn nicht hereinreißen und was Ihren Broterwerb angeht, das interessiert uns auch nicht und wir werden auch nicht überprüfen, ob Modesta vielleicht die Miete für diese Wohnung gezahlt hat... Aber Sie müssen uns helfen.“

„Ich muss gar nichts“, murmelte sie.

Ich hörte der Unterhaltung zwischen Rudi und Kendra Dörnemeyer zu und sah mich ein bisschen im Raum um. Ich suchte nach irgendetwas, das von Modesta stammen oder einen Hinweis auf ihn geben konnte. Einen Durchsuchungsbefehl hatten wir nicht und den würden wir auch nicht bekommen. Die Durchsuchung der Wohnung eines Mordopfers war Routine, aber genau da war der Haken. Modesta hatte in seiner eigenen Wohnung so gut wie nie gelebt.

Aber ich fand nichts. Durch die halb offene Tür des Bades konnte ich auf die Ablage des Waschbeckens sehen. Kein Rasierwasser, nichts, was darauf hätte hinweisen können, dass Modesta mal hier gewesen war.

„Ich würde Ihnen ja gerne helfen“, behauptete Kendra.

„Dann nennen Sie uns alle Adressen von Modestas Schlupflöchern“, forderte Rudi.

„Kennen Sie die nicht alle längst?“

„Machen Sie keine Mätzchen. Ich dachte, Sie wollen auch, dass der oder die Mörder gefasst werden...“

Jetzt mischte ich mich ein. „Sie hätten auch mit drauf gehen können“, erklärte ich. „Und bis zur Stunde ist die genaue Zahl der Opfer noch nicht einmal bekannt, weil wir nicht genau wissen, wie viele und welche Personen sich zum Zeitpunkt der Explosion im „Bordsteinschwalbennest“ aufgehalten haben“, sagte ich.

„Ich? Wieso ich?“

Ich schilderte ihr die Szene kurz vor der Detonation und wie wir versucht hatten, Modesta festzunehmen. „Er ging mit Jennifer Petersen im Schlepptau auf den Eingang zu. Es war purer Zufall, dass sie nicht auch in den Club gegangen ist. Und an einem anderen Tag hätten Sie das sein können. Das ist doch richtig, oder?“

„Wir haben über Geschäftliches nie geredet“, sagte sie.

„Und Sie haben auch nie etwas mitbekommen?“, hakte ich nach.

„Nur, dass Dima in letzter Zeit ziemlich nervös und angespannt war. Ja, ich gebe ja zu, dass er selbst für seine Verhältnisse in letzter Zeit schon richtig übertrieben paranoid war. Er ging einmal am Tag zum „Bordsteinschwalbennest“, um da den Betrieb zu kontrollieren, aber ansonsten hatte er sich total zurückgezogen.“

„Wie konnten Sie ihn erreichen?“

„Über ein Prepaid-Handy.“

„Die Nummer bitte.“

Sie nannte sie uns und Rudi schrieb sie auf. Ich ging indessen ein paar Schritte vor und erreichte die Tür zum Schlafzimmer. Sie stand einen Spalt weit offen.

Durch einen kleinen Stoß sorgte ich dafür, dass sie sich weiter öffnete und der Blick auf ein Wasserbett frei wurde. Daneben lag eine Sporttasche auf dem Boden.

„Ist das Ihre Tasche, Frau Dörnemeyer ?“, fragte ich.

„Ja, sie gehört mir. Was soll das außerdem?“

„Dann sind Ihre Initialen neuerdings DM? Seltsam...“

Sie drängelte sich an mir vorbei und stellte sich mir in den Weg. „Sie haben kein Recht, hier eine Durchsuchung durchzuführen.“

„Ich habe nicht vor, Ihre Sachen zu durchsuchen – aber den Inhalt einer Tasche, die offensichtlich Dima Modesta gehört, darf ich mir sehr wohl ansehen...“ Ich schob Kendra Dörnemeyer zur Seite und hob die Tasche auf.

Sie war ziemlich schwer. Ich legte sie auf das Wasserbett, das daraufhin heftig schaukelte. Die Tasche war ein edles Stück, das Dima Modesta sich mit seinen aufgestickten Initialen hatte verzieren lassen. Sie waren im Stil eines Graffiti-Takes gestaltet. Eigentlich hätte Modesta ahnen können, dass so eine Tasche direkt auf ihn deuten würde. Er war vielleicht in großer Eile gewesen, als er sie hier, in der Wohnung von Kendra Dörnemeyer zurückgelassen hatte.

Ich zog den Reißverschluss auf und spreizte die Tasche auseinander.

Zum Vorschein kamen mehrere Waffen. Eine Automatik, eine Beretta, ein 38er Smith & Wesson-Revolver, eine zierliche 22er und eine handliche Maschinenpistole vom Typ Uzi.

Ich fasste natürlich keine der Waffen an.

Um die würde sich unser Labor kümmern. Stattdessen wandte ich mich an Kendra Dörnemeyer . „Wie wär's, wenn Sie uns das hier mal etwas näher erklären, Frau Dörnemeyer ? Ich wette, es gibt für keine dieser Waffen einen Waffenschein.“

„Dima hat mich gebeten, die Tasche hier aufzubewahren! Ich hatte keine Ahnung, was sich darin befand!“, behauptete sie.

Ein Waffen-Depot in Kendra Dörnemeyers Wohnung - das machte durchaus Sinn. Mir kam der Gedanke, dass Dima Modesta vielleicht auch noch andere Dinge schön gleichmäßig auf seine Schlupflöcher verteilt hatte, um das Gesamtrisiko zu minimieren. Belastende Geschäftsunterlagen zum Beispiel.

In diesem Augenblick klingelte es an der Tür.

„Erwarteten Sie Besuch?“, fragte Rudi.

Aber Kendra Dörnemeyer schien ehrlich überrascht zu sein. Sie schüttelte den Kopf.

„Nein, eigentlich nicht.“

„Öffnen Sie ruhig“, sagte ich.

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