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Jürgen und Olli ließen sich über den Rechner in ihrem Dienstwagen die Adresse von Sanders' Firma anzeigen. Sie bekamen auch gleich ein umfangreiches Daten-Dossier dazu. Die Im- und Exportfirma hatte zahlreiche Verfahren wegen Zollvergehen über sich ergehen lassen müssen. Außerdem stand da der Verdacht der Steuerhinterziehung und der Geldwäsche im Raum. Einmal hatte es einen anonymen Hinweis auf verbotenen Waffenhandel gegeben, aber die anschließende Razzia hatte nichts ergeben. Vielleicht war Sanders gewarnt worden.

Auffällig war allerdings, welche Anwaltskanzlei jeweils dafür gesorgt hatte, dass es meist noch nicht einmal zur Eröffnung eines Hauptverfahrens gekommen war.

„Gümüs, Töppwall & Associates“, murmelte Olli.

„Das festigt den Verdacht, dass Sanders zu Gruschenkos Organisation gehört.“

„Aber wir haben bislang nichts Handfestes“, gab Olli zu bedenken. „Alles, was dieser Informant uns geliefert hat, waren vage Andeutungen.“

„Beweise können wir von jemandem wie ihm nicht erwarten“, gab Jürgen zu bedenken. „Und wenn uns seine Andeutungen in die richtige Richtung führen, bin ich damit vollauf zufrieden...“

Sanders' Firma befand sich in der Nähe eines alten Kanalhafens. Ein paar schmuddelig wirkende Lagerhallen, ein Containerkran, Anlegestellen für Frachter und mehrere Container-Trucks – das war das Bild, das sich unseren Kollegen bot.

Offenbar hatte Sanders Ltd. gut zu tun.

Eine Limited nach britischem Recht. Das war preiswerter, als eine GmbH und man brauchte nur eine vergleichsweise geringe Einlage. Und so lange Großbritannien noch nicht endgültig aus der EU ausgeschieden war, konnte man auch in Deutschland eine Ltd. betreiben.

Jürgen parkte den Dienstwagen – einen unscheinbaren Ford - auf einem der knappen Parkplätze. Unsere Kollegen stiegen aus.

Ollis Blick glitt die Reihe der Fahrzeuge entlang. Ein Porsche, ein BMW und ein Jaguar waren unter den Fahrzeugen. Und auch bei den etwas gewöhnlicheren japanischen Fabrikaten handelte es sich durchweg um ziemlich neue Modelle.

„Sandes und seinen Leuten scheint es ja recht gut zu gehen“, lautete Ollis Kommentar.

Jürgen nickte. „Ich möchte nicht wissen, was in diesen Containern drin ist...“

„Wenn wir Glück haben will Sanders auch nicht, dass wir das erfahren und ist entsprechend kooperationsbereit.“

Jürgen und Olli fragten sich bis zum Chef durch. Sanders war ein hochgewachsener, schlaksiger Mann mit kurzgeschorenen grauen Haaren, die wie ein etwas ausgedünnter englischer Rasen geschnitten waren.

Seine Augen waren falkengrau und die Stimme, mit der er seine Angestellten herumkommandierte, war so durchdringend, dass jeder Drill Sergeant der Marines dagegen richtig nett klang.

„Was wollen Sie hier?“, fauchte er Jürgen und Olli an. „Das ist kein öffentliches Gelände und ich habe wirklich keine Ahnung, was Sie hier zu suchen haben...“

Jürgen stoppte seinen Redefluss, indem er ihm den Dienstausweis des BKA unter die Nase hielt. „Ich bin Kommissar Carnavaro und dies ist mein Kollege Kommissar Medina. Wir haben ein paar Fragen an Sie.“

„Ich schlage vor, Sie setzen sich gleich mit meinen Anwälten in Verbindung. Dann sparen wir beide eine Menge Zeit.“

„Es geht nicht um Schwierigkeiten mit der Steuerbehörde, Herr Sanders.“

„Ach, nein? Man versucht mir doch schon seit Jahren einen Strick zu drehen, aber weil Sie und Ihresgleichen nichts in der Hand haben, versuchen Sie es eben auf die linke Tour und ärgern mich mit einer Betriebsprüfung nach der anderen. Dabei tue ich nur nur das, was die deutschen Gesetze mir gestatten! Ich suche mein Glück als Unternehmer und mache ganz legale Geschäfte!“

„Wir können uns hier unterhalten oder ich nehme Sie mit ins Präsidium und lasse die Befragung von unseren Verhörspezialisten durchführen“, sagte Jürgen. „Das liegt ganz bei Ihnen.“

Sanders atmete tief durch. Er verschränkte die Arme vor der Brust und ging mit uns ein paar Schritte.

Er wollte wohl nicht, dass irgendjemand mitbekam, wie weit seine Kooperationsbereitschaft tatsächlich ging. Dafür hatte Jürgen sogar ein gewisses Verständnis. Er zeigte ihm den Screenshot.

„Nie gesehen. Was soll das sein? Eine Szene aus einem dieser hässlichen Gewaltspiele oder Reklame für einen C-Film, der nur auf DVD erschien?“

„Hören Sie auf mit den Spielchen. Es geht um den Rothaarigen. Sie sind mit ihm gesehen worden und wenn Sie nicht in Schwierigkeiten kommen wollen, dann hören Sie jetzt besser mit Ihrem Versteckspiel auf.“

Olli mischte sich ein und deutete auf einen der Container, der gerade vom Kran durch die Luft gehievt wurde.

„Ich weiß nicht, ob Ihre Handelspartner es schätzen, wenn es zu Lieferverzögerungen durch umfangreiche Durchsuchungen kommen sollte!“

„Sie haben gegenwärtig keine Handhabe gegen mich.“

„Aber wir wissen seit kurzem, dass Sie Kontakt zu einem Rainer Gabaldi unterhalten – und falls Sie nicht wollen, dass dessen Schwierigkeiten auch auf Sie abfärben...“

„Okay, okay!“, fauchte Sanders. „Ich habe Rainer Gabaldi zum letzten Mal vor mindestens einem Jahr gesehen! Und im Augenblick mache ich auch keine Geschäfte mit ihm. Weiß der Teufel, wo der steckt und was er treibt! Außerdem sollten Sie beide mal über Folgendes nachdenken: Im Moment betrachtet die Justiz quasi jeden Schritt, den ich tue, unter dem Mikroskop. Ich stehe doch stärker unter Beobachtung, als wenn ich irgendeine Bewährungsauflage zu erfüllen hätte! Ihr Aasgeier wartet doch nur darauf, mir was am Zeug flicken zu können. Glauben Sie wirklich, dass ich so dumm bin, mir in dieser Situation eine juristische Blöße zu geben?“

„Kommen Sie zur Sache, Sanders!“, forderte Jürgen.

„Den Rothaarigen kenne ich nicht. Ehrenwort.“

Jürgen verdrehte die Augen. „Wer soll Ihnen das glauben? Sie sitzen mit ihm beim Frühstück in einem Coffee Shop und wissen nicht, wer das ist?“

Sanders atmete tief durch. „Okay, ich habe vor einer ganzen Weile mit Gabaldi gefrühstückt – und den Rothaarigen hat Gabaldi mitgebracht. Ich weiß nicht, wer das war. Er ist auch früher gegangen.“

„Und Sie haben sich nicht mal nach dem Namen erkundigt?“

„Ist das auch schon ein Verbrechen? Ich weiß nur noch eins: Als der Rothaarige gegangen war, hat Gabaldi gesagt, das sei der Ire. Wenn ich mal ein Problem hätte, würde er es aus der Welt schaffen.“

„Ein Killer.“

„Ich habe nicht nachgefragt, denn ich hatte kein Problem, das zu lösen war.“

Das große Buch der Berlin-Krimis 2017 - Romane und Erzählungen auf 1000 Seiten

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