Читать книгу Das große Buch der Berlin-Krimis 2017 - Romane und Erzählungen auf 1000 Seiten - Alfred Bekker - Страница 41

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Jürgen Carnavaro und Olli betraten Friedhelms Snack Bar an der Pratnowitzer Straße.

Tom Abu-Khalil saß in sich zusammengesunken in der hintersten Ecke.

Jürgen blickte sich zunächst eingehend im Raum. Es waren kaum Gäste da.

Während Olli im Eingangsbereich Platz nahm, ging Jürgen an Abu-Khalils Tisch und setzte sich zu ihm.

„Was gibt es, Herr Abu-Khalil?“

„Sie sollten den veganen Hot Dog hier probieren. Ist sogar hallal, also auch für Muslime! Nirgends gibt es besseren“, sagte Abu-Khalil. „Ich selber bin leider magenkrank und muss solche Sachen meiden...“

“Das tut mir leid”, sagte Jürgen.

“Außerdem muss man von diesen Sachen furchtbar pupsen. Aber wenn Sie heute sowieso keine Verabredung mehr haben sollten...”

Abu-Khalil grinste.

Jürgen runzelte die Stirn. „Wissen Sie, wie spät es ist?“, fragte er. „Eine Viertelstunde und wir haben Mitternacht. Wenn Sie mich schon aus dem Bett klingeln, weil Sie angeblich eine Top-Information haben, dann hoffe ich für Sie, dass das nicht nur heiße Luft ist, weil ich dann nämlich ziemlich sauer werde.“

Tom Abu-Khalils Lächeln wirkte schwach. Unterhalb seines linken Auges zuckte es. Seine knorrigen Finger umfassten einen Becher mit Mineralwasser.

„Immer mit der Ruhe, Herr Carnavaro.“

„Ich höre!“

„Es geht um den Delgado-Fall. Ich habe da ein paar Neuigkeiten für Sie, die Sie brennend interessieren dürften...“

„Bitte!“

„Jemand aus dem engsten Umkreis von Vladi Gruschenko hat mich angesprochen.“

„Zufällig Artur Titow?“

„Ich kann nicht darüber reden, wer das war. Noch nicht. Und für das, was er gesagt hat, gibt es auch keinerlei gerichtsverwertbare Beweise. Aber andererseits stufe ich diese Quelle als absolut vertrauenswürdig ein und würde darauf wetten, dass deren Aussagen der Wahrheit entsprechen.“

„Dann schießen Sie mal los.“

„Roswitha Delgado hat ihre Finger dick in den Geschäften ihres Bruders gehabt. Die Immobilienfirma ihres Mannes war in Wahrheit nichts weiter als eine geschickt getarnte Geldwaschanlage.“

„Herr Abu-Khalil, da Sie ja selbst gesagt haben, dass Sie für diese Anschuldigungen keinerlei Beweise haben.“

„Gerald Witz hieß ihr Mann, nicht wahr?“

„Und wenn schon...“

„Er starb angeblich bei einem Autounfall. Aber ich kenne jetzt die tatsächliche Version der Geschichte.“

„Und die wäre?“

„Roswitha hatte sich geschäftlich und privat mit ihm auseinander gelebt.“

„So was soll vorkommen.“

„Ja, aber die altbekannte Story hat in diesem Fall noch eine andere Dimension. Gerald Wirtz war die Geldwäsche-Nummer wohl inzwischen zu heiß geworden. Er wollte sich daraus zurückziehen. Da ist Roswitha zu ihrem Bruder gegangen und der hat jemanden besorgt, der das Problem lösen sollte. Einen Profi-Killer. Der Kontakt ging über Rainer Gabaldi.“

„Das heißt, dieser Unfall war kein Unfall...“

„...sondern ein Mord. Ich habe gehört, dass Sie Roswitha im Moment an einem geheimen Ort versteckt halten. Kommt sie ins Zeugenschutzprogramm? Hat sie vielleicht Immunität gefordert?“ Tom Abu-Khalil zuckte mit den Schultern. „Man kennt so etwas ja...“

„Ich müsste mehr über Ihren Informanten wissen“, beharrte Jürgen. „Sonst kann ich nicht abschätzen, ob der vielleicht eigene Interessen verfolgt...“

„Tut mir leid“, sagte Tom Abu-Khalil. „Ich wäre morgen tot, wenn ich dessen Namen preisgeben würde und was Sie von mir gehört haben, würde ich auch nirgendwo wiederholen. Aber sagen Sie Ihren Innendienstlern, sie sollten sich den Unfall von Gerald Wirtz noch mal vornehmen und die genauen Umstände mal unter das Vergrößerungsglas nehmen.“

„Gut, kann ich machen...“

Tom Abu-Khalil verzog das Gesicht und meinte dann schief lächelnd: „Sie wollen schnell wissen, ob was an der Sache dran ist, oder?“

„Überrascht Sie das?“

Tom Abu-Khalil lachte. „Nein. Sehen Sie, dasselbe habe ich auch zu meinem Informanten gesagt. Ich habe gesagt, mein BKA-Kontakt wird mir die Geschichte nicht einfach so abnehmen und bevor die ihren Innendienst damit arbeitstechnisch lahm legen, dass die sich irgendeinen alten und scheinbar abgeschlossenen Fall nochmal genau vornehmen, wollen die einen Anhaltspunkt haben, dass etwas an der Sache dran sein könnte.“

„Sie denken auch an alles, Herr Abu-Khalil.“

Er lehnte sich zurück und nahm einen Schluck von seinem Mineralwasser.

Eins muss man ihm lassen, dachte Jürgen. Er weiß, wie man sich wichtig macht und die News-Ware wirkungsvoll präsentiert, die er anzubieten hat.

Tom Abu-Khalils Handy klingelte. Er griff in die Innentasche seines Jacketts und holte den Apparat hervor. Er sah kurz auf das Display und drückte das Gespräch weg. „Nerven Sie die Dinger auch so wie mich?“, fragte er.

„Kommen Sie zum Punkt, Miste Abu-Khalil.“

„Wie gesagt, ich habe meinem Informanten diese Schwierigkeit gesagt. Er ist aber aus persönlichen Gründen sehr daran interessiert, dass der Mord an Gerald Wirtz noch gesühnt wird. Er schlug vor, dass Sie Roswitha einfach eine simple Frage stellen und ihre Reaktion abwarten. Fragen Sie, ob sie sich noch an den 13. August vor genau fünf Jahren erinnert. An ein Treffen in Edes Bar.“

„Was geschah dort?“

„Sie hat sich mit Rainer Gabaldi getroffen. Aber es war noch jemand dabei.“

„Ihr Informant?“

„Dazu sage ich jetzt nichts. Jedenfalls wurde der Mord an jenem Abend in Auftrag gegeben. Sagen Sie ihr, dass es einen Zeugen für das damalige Gespräch gibt und dass Sie beweisen können, dass sie dort war... Sie sind ein erfahrener Cop, Carnavaro. An ihrer Reaktion werden Sie erkennen, ob es sich lohnt weiter nach zu bohren. Aber Sie sollten das schnell tun. Bevor darüber entschieden wird, ob sie Immunität bekommt...“

Tom Abu-Khalil blickte auf die Uhr und stand auf. Er trank sein Mineralwasser aus.

„Sie haben es auf einmal eilig?“, fragte Jürgen.

„Wie Sie schon sagten, es ist spät und ich brauche meinen Schlaf mindestens so dringend wie Sie.“ Er setzte den Becher ab. „Meine Rechnung übernimmt doch sicher die Spesenkasse des BKA, nicht wahr?“

Damit stand er auf und verließ den Tisch.

Er ging geradewegs zur Tür und trat ins Freie.

Das große Buch der Berlin-Krimis 2017 - Romane und Erzählungen auf 1000 Seiten

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