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Am nächsten Morgen hatten wir erste Ergebnisse der Spurensicherung auf dem Tisch. Roger Mackendorffs Haus war gründlich untersucht worden. Unter anderem gab es Fingerabdrücke von einer Person, die uns durchaus bekannt – Rainer Gabaldi.

Seine Abdrücke waren auf mehreren Gläsern, die seit Tagen in der Spüle gestanden hatten. Dass Gabaldi irgendetwas mit Mackendorffs Verschwinden zu tun hatte, dafür ergaben sich keine Hinweise.

Etwa gegen Mittag bekamen wir dann die Meldung herein, dass ein Mann, auf den die Beschreibung von Rainer Gabaldi passte, auf einem Parkplatz in Brandenburg tot aufgefunden worden war.

Rudi und ich fuhren zum Tatort. Unsere BKA-eigenen Erkennungsdienstler Pascal Horster und Erich Folder folgten uns mit einem unscheinbaren Chrysler aus den Beständen der Fahrbereitschaft unseres Präsidium.

Die polizeilichen Einsatzkräfte waren schon vor Ort.

Der Gerichtsmediziner war bereits unterwegs, aber bei einer Baustelle vorerst aufgehalten worden.

Erich und Pascal machten sich an die Arbeit. Es gab ein paar Reifenspuren mit deutlichem Profil, die möglicherweise mit dem Mord im Zusammenhang standen.

„Wir können den Wagentyp mit ziemlich großer Sicherheit feststellen“, sagte Erich Folder. „Aber das Problem ist die zeitliche Zuordnung. Es gibt schließlich auch andere Spuren hier. Mindestens ein Motorrad hat vor kurzem auf diesem Parkplatz einen Kavalierstart mit durchdrehendem Hinterrad hingelegt und das da hinten war wohl ein Lastwagen, dessen Reifen so abgefahren waren, dass er eigentlich gar nicht mehr auf die Straße sollte...“

Mir war schon klar, worauf Erich hinaus wollte. Selbst wenn wir die Wagenspuren eindeutig einem Halter hätten zuordnen können, wäre das kaum mehr als ein Indiz gewesen.

Aber vielleicht eines, das uns auf die richtige Fährte gesetzt hätte.

Am Nachmittag war ein Meeting im Büro von Kriminaldirektor Bock angesetzt. Rudi und ich nahmen daran ebenso teil wie Max Herter und unser Wirtschaftsfachmann Nick Nörtemöller.

Wir hatten Besuch von Anton Bischoff, einem Anwalt, der als Mittelsmann des Justizministeriums mit Jochen Delgado in Kontakt getreten war.

„Ich bin mehrfach durch Europa geflogen, um mich mit Delgado zu treffen. Einmal in Madrid, zweimal in Wien“, berichtete Bischoff. „Ich will Sie nicht mit Einzelheiten langweilen, aber es lief im Grunde darauf hinaus, dass Delgado einen Schlussstrich ziehen wollte. Er hatte jahrelang Schweigegeld im erheblichen Umfang von seinen ehemaligen Auftraggebern erhalten. Aber die haben ihm offenbar nicht mehr getraut und ich könnte mir auch vorstellen, dass er schlicht etwas zu unverschämt geworden ist. Jedenfalls fühlte sich Delgado verfolgt und hatte Angst, umgebracht zu werden.“

„So viel wissen wir auch schon von Delgados Schwester Roswitha“, sagte ich.

Bischoff wandte sich mir zu und hob die Augenbrauen. „Ehrlich gesagt wundert es mich, dass Jochen Delgado mit ihr darüber gesprochen hat.“

„Wieso? Die beiden haben jahrelang Kontakt gehalten und ich hatte bisher immer angenommen, dass sie dabei geholfen hätte, den Kontakt zur Justiz wieder herzustellen, damit ihr Bruder ins Zeugenschutzprogramm kommt.“

„Was für ihn sicher nicht das Schlechteste gewesen wäre!“, mischte sich Nick Nörtemöller ein. „Schließlich dürfte es für jemanden wie ihn keine Schwierigkeit gewesen sein, die angehäuften Schweigegelder zu tarnen, dass er sie trotz seines Friedens mit der Justiz doch noch größtenteils hätte genießen können. Ein Leben als reicher Mann, unter neuer Identität, geschützt von der Justiz. So einen Deal bekommt nicht jeder!“

Bischoff schlug die Beine übereinander und kratzte sich am Kinn. „Hat Roswitha Delgado Ihnen tatsächlich gesagt, dass sie den Kontakt hergestellt oder zumindest dabei geholfen hätte?“ Bischoff schüttelte energisch den Kopf. „Das hätte sie vielleicht tun sollen – aber der Kontakt kam definitiv nicht auf diesem Weg zustande.“

„Sondern?“, hakte Kriminaldirektor Bock nach, der sofort die Brisanz dieser Aussage begriff.

Es bedeutete nämlich, dass Roswitha Delgado uns offenbar nicht die Wahrheit gesagt hatte.

„Jochen Delgado hat den Kontakt direkt hergestellt über einen gemeinsamen Bekannten, den ich hier nicht erwähnen möchte. In den Gesprächen, die ich später mit Delgado geführt habe, stellte sich das Ganze für mich so dar, dass Roswitha zwar eigentlich den Auftrag hatte, die Justiz zu kontaktieren, das aber nicht getan hat.“

„Seit wann?“, fragte Kriminaldirektor Bock.

„Jochen Delgado hätte eigentlich vor anderthalb Jahren 'reinen Tisch' machen wollen“, eröffnete Bischoff nun zu unser aller Überraschung. „Jedenfalls hat er mir das so gesagt.“

„Wir hat er reagiert, als er erfuhr, dass seine Schwester offenbar völlig untätig war?“, fragte ich.

„Sehr irritiert. Er konnte das kaum glauben. Ich habe ihm daraufhin geraten, dass er seine Schwester nicht mehr in seine Pläne einweiht und den Kontakt zu ihr meidet.“

„Weshalb?“

„Weil ich den Verdacht hatte, dass sie eigene Interessen verfolgt.“

„Was für Interessen?“

„Ich nehme an, dass Roswitha durch ihren Bruder finanziell unterstützt wurde. Aber dafür kann ich keine Belege bringen. Ich reime mir das eher selbst zusammen. Warum sollte Roswitha Delgado ansonsten die Bemühungen ihres Bruders hintertreiben wollen, ein neues Leben anzufangen?“

„Die Schweigegeldzahlungen wären dann jedenfalls verebbt“, stellte Nick fest. „Und sollte Roswitha davon etwas abbekommen haben, wäre das ein Motiv, um den Kontakt zwischen ihrem Bruder und der Justiz zu hintertreiben.“

„Sie hätte ihn immer wieder hingehalten, hat Delgado mir gesagt“, erklärte Bischoff. „Es wurden Treffen mit Personen vereinbart, deren Namen im Justizministerium niemand kennt und die dann natürlich geplatzt sind, sodass Jochen Delgado zwischenzeitlich schon den Eindruck hatte, dass die andere Seite gar nicht ernsthaft interessiert sei.“

„Vielleicht wollte Roswitha das, damit der Geldstrom nicht versiegt!“, sagte Rudi.

„Delgado war schon fast so weit, die ganze Sache abzubrechen, weil er glaubte, dass man ihm in Wahrheit nur eine Falle stellen wollte, um ihn doch noch ins Gefängnis zu bringen“, fuhr Bischoff fort. „Und als ich mit im sprach, war er immer noch sehr misstrauisch und vorsichtig. Nicht nur, weil er natürlich überall damit rechnete, dass die Killer seiner ehemaligen Auftraggeber ihn zu erledigen versuchten, sondern auch aus Angst davor, irgendwie gelinkt zu werden. Ich musste da einiges an Überzeugungsarbeit leisten.“

„Hat Delgado den Namen Vladi Gruschenko erwähnt?“, fragte Kriminaldirektor Bock schließlich.

Bischoff schüttelte den Kopf. „Wer soll das sein? Einer seiner ehemaligen Geschäftspartner vielleicht? Er wäre dumm gewesen, die Karten auf den Tisch zu legen, bevor der Deal mit der Justiz nicht perfekt gewesen wäre.“

Das große Buch der Berlin-Krimis 2017 - Romane und Erzählungen auf 1000 Seiten

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