Читать книгу Vier Bergromane Sammelband: Hochmut kommt vor dem Fall und andere Romane - Alfred Bekker - Страница 11
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Dem Toni Krainacher hatte es den ganzen Abend keine Ruhe gelassen, dass ausgerechnet sein Bruder ihm die Bernmayer-Marianne vor der Nase wegschnappen sollte.
Jetzt schlenderte er missmutig um den Hof herum. Eine laue Spätsommernacht war es, und der Wind strich sanft über die Gräser. Aber dem Toni war einfach nicht danach zumute, sich über solche Dinge zu freuen.
Er haderte mit sich und der Welt.
Das darf doch einfach net wahr sein!, fluchte er in seinem Innern und ballte dabei unwillkürlich die Hände zu Fäusten.
Was musste sich auch der Grünrock unbedingt dazwischendrängen!
Ich hätte die Marianne schon soweit gebracht, dass sie eines Tages eingewilligt hätte!, ging es dem Toni bitter durch den Kopf und kalter Grimm erfasste sein Herz.
Nur etwas mehr Zeit wäre dabei von Nöten gewesen, um die Marianne für sich zu erwärmen!
Der Toni hatte da so seine Erfahrungen. Er hatte am Ende noch von jedem Madel bekommen, was er wollte, wenn er nur hartnäckig genug gewesen war.
Viele der Dirndl aus dem Dorf hatten ein Auge auf den Jungbauern geworfen und die Zahl seiner flüchtigen Liebschaften war groß.
Doch diesmal war es ihm Ernst.
Und warum sollte er gerade jetzt nicht schaffen, was sonst doch ein Leichtes für ihn war?
Aber die Zeit lief ihm jetzt davon, denn Max, sein Bruder, wollte im Frühjahr vollendete Tatsachen schaffen.
Und dann war es aus mit dem Traum, einmal Bauer auf dem größten Hof weit und breit zu sein!
Und dabei hatte er sich diesem Traum doch schon so nahe gewähnt!
Ein paar Jahre noch, und der Krainacher-Bauer würde sich zur Ruhe setzen. Und auch der Bernmayer wäre sicher froh gewesen, die Führung des Hofes bald in jüngere Hände legen zu können und selbst nur noch ab und an, wenn Not am Mann herrschte, mit Hand anzulegen.
Aber nun war alles aus.
Oder doch nicht?
Ich werd' zur Marianne gehen und sie zur Rede stellen!, sagte er sich. Und zwar heut' Abend noch! Soll sie mir ins Gesicht sagen, dass sie mich net will, wo ich ihr doch alles bieten kann und mich bereits so um sie bemüht habe!
Als Toni dann später beim Bernmayer-Hof auftauchte, stellte er erleichtert fest, dass offenbar noch jemand wach war. Auf jeden Fall brannte noch Licht, oben in der Kammer der Marianne.
Toni klopfte also an der Tür. Er musste es allerdings mehrmals versuchen, ehe ihm endlich jemand öffnete. Es war die Bernmayerin und sie legte mahnend den Zeigefinger der Rechten an ihre Lippen.
"Net so laut! Du weckst ja alle Welt auf, Toni!", versuchte die Bäuerin zu beruhigen.
Aber Toni war ziemlich aufgebracht und sein Kopf hochrot angelaufen.
"Bernmayerin! Ich muss mit deiner Tochter reden!", forderte er polternd.
Die Bernmayerin seufzte.
"Jetzt?", wunderte sie sich und runzelte dabei die Stirn.
"Mitten in der Nacht?"
"Es hat keinen Aufschub!", behauptete Toni und wollte schon an der Bernmayer-Bäuerin vorbei ins Haus, doch diese hielt ihn am Arm.
"So wart doch einen Moment, Toni! Worum geht es denn?"
Der Toni atmete tief durch und brachte dann heraus: "Darüber muss ich mit deiner Tochter schon selbst sprechen!"
"Geht es um deinen Bruder? Den Max?"
Toni nickte.
"Um den auch!", bestätigte er.
"Er will die Marianne im nächsten Frühjahr heiraten. Sie hat es uns heute Abend gesagt. Bist deshalb so aufgebracht, Toni?"
"Ja, freilich!"
Die Bäuerin hob die Schultern. "Ich hätte mir auch eher gewünscht,dass ihr zwei euch endlich einig geworden wärt! Aber dein Bruder hat dem Dirndl ja völlig den Kopf verdreht! Denk mal, sogar auf ihr Hoferbe will sie notfalls verzichten, die Marianne!"
Der Toni war außer sich.
"Ich muss mit ihr reden! Sie soll es mir selber sagen!", meinte er knurrend.
Der Bernmayrerin hob bedauernd die Hände und versuchte dann den jungen Mann etwas zu beschwichtigen.
"Ich glaub ja eher, dass es nur eine Schwärmerei ist, die auch wieder vorüber gehen kann. Und bis zum Frühjahr ist es noch lang, Toni!"
Aber der Toni konnte da nur heiser lachen.
"So, meinst? Mei, bis zum Frühjahr ist sie ihm doch vollkommen hörig, die Marianne!
"Toni, du übertreibst!"
"Was sagt denn der Bauer dazu?"
Die Bernmayerin machte eine hilflose Geste. "Der lässt ihr mehr oder minder freien Lauf und meint, dass man nix dagegen unternehmen soll, wenn das Herz spricht!"
"Pah! Das Herz!", machte der Toni und raufte sich die Haare.
Nach einer kurzen Pause fragte er dann in etwas gedämpfterem Tonfall: "Was ist? Ist die Marianne noch wach? Ich hab' bei ihr noch Licht gesehen?"
"Warte eben!", sagte die Bernmayerin. "Ich sage ihr, sie soll herunterkommen!"
"Tu das!"
Aber die Marianne hatte Stimmen gehört und kam bereits die Treppe herunter.
"Toni!", rief sie.
"Ist es wahr? Du und der Max..." Toni stockte, während Marianne leicht nickte.
"Ja, es ist wahr", bestätigte sie.
"Vielleicht überlegst es dir ja noch einmal, Madel!", seufzte er dann.
Aber die Marianne schüttelte den Kopf.
"Da gibst's nix mehr zu überlegen, Toni! Schau, du bist ein netter Kerl und ich hab dich auch gern. Aber mit dem Max, das ist halt die richtige Liebe, verstehst?"
Toni schüttelte den Kopf.
"Nein", murmelte er. "Das versteh ich net!"
"Ach, Toni!"
"Was hat mein Bruder denn, was ich net zu bieten hab! Du wärst dereinst Bäuerin auf dem größten Hof weit und breit! Ist das nix, frag ich dich?"
Die Marianne lächelte nachsichtig.
"Das ist schon etwas. Aber net das, worauf es mir ankommt, Toni! So ist es nun mal. Und daran kannst du nix ändern! Bestimmt net!"
Der Toni fuhr sich mit einer fahrigen Geste durch das Haar und strich es nach hinten.
"Das werden wir ja sehen!", knurrte er. "Bis zum Frühjahr ist's noch lang! Und vielleicht kommst bis dahin ja wieder zu Verstand, Madel!"
Er wandte sich zum Gehen. Zuvor nickte er noch kurz der Bernmayerin zu und meinte: "Vielen Dank, dass du mir so spät noch aufgemacht hast, Bernmayerin."
"Nix zu danken, Toni!"
"Grüß deinen Mann schön mir!"
"Das werd' ich!", erwiderte sie und dachte daran, dass der Loisl jetzt schon eine geraume Weile im Bett lag und schnarchte. Der Wein hatte dafür gesorgt, dass er so tief und fest schlief, dass es gar keinen Sinn gehabt hätte, ihn zu wecken.
Und das gerade jetzt!. dachte, die Bernmayerin. Jetzt, wo ich seine Unterstützung doch so nötig gehabt hätt'!
"Wart, ich bring dich noch hinaus, Toni!", kündigte die Bernmayerin an.
Zusammen traten sie hinaus in die Dunkelheit. Die Nachtluft war kühl.
Toni Krainacher zog wortlos von dannen, während die Bernmayerin noch einen Blick über den Hof streifen ließ.
Dort, wo Sepp, der Großknecht wohnte, war noch Licht. Sie sah ihn am geöffneten Fenster stehen. Vielleicht konnte er nicht schlafen oder war durch die polternde Art des Krainacher-Toni geweckt worden.
Jedenfalls stand er da und sah dem Davonziehenden verwundert nach.
Die Marianne war indessen auch herausgetreten.
"Ich wollt' ihn nicht verletzen, den Toni", hörte die Bernmayerin ihre Tochter sagen. "Aber anders ging es doch net! Ich musste ihm doch deutlich sagen, was ich denke, oder net?"
"Sicher, Madel! Aber ich glaub, dass du dich irrst!"
"Du wirst sehen, ich irre mich net!", beharrte Marianne und ihre Mutter wusste, dass es keinen Sinn hatte, darüber zu streiten. Die Marianne würde doch nicht nachgeben, ganz gleich, was man ihr sagte.
"Ist schon gut, Madel!", sagte die Bernmayerin also.
"Trotzdem - ich mach mir Sorgen um meine Tochter. Das ist doch net ungewöhnlich, dass sich eine Mutter Sorgen macht, wenn ihre Tochter net sieht, wo ihr Glück ist!"
"Ach Mutter!"
"Ist schon gut, Marianne! Geh schon ins Haus, ich komm gleich nach!"
Als Marianne ins Haus gegangen war ging die Bernmayerin noch ein Stück in Richtung von Sepps Fenster.
"Schläfst noch net, Sepp?", fragte die Bäuerin. "Morgen wird's sicher wieder ein anstrengender Tag!"
"Mei, den werd' ich auch hinter mich bringen!", gab der Sepp leichthin zurück. "Jedenfalls kann mir der Bauer net nachsagen, dass ich schon je bei der Arbeit eingeschlafen wäre!"
"Sagt ja auch niemand, Sepp!", beschwichtigte die Bernmayerin eilig.
Jetzt beugte sich der Großknecht etwas aus dem Fenster heraus.
"Sag einmal, Bäuerin, war das net der Toni, der da gerade gegangen ist?"
Die Bernmayerin nickte.
"Freilich war es der Toni!", bestätigte sie.
"So spät noch?", fragte da der Großknecht mit gerunzelter Stirn.
Die Bäuerin zuckte mit den Schultern.
"Mei, warum denn net? Es hat ihn halt zur Marianne hingezogen. Auch spät noch!"
Der Sepp schüttelte den Kopf.
"Der Depp scheint's net begreifen zu wollen, dass das Madel ihn net will", murmelte er. "Die Marianne wird ihm sicher wieder einen Korb gegeben haben, was?"
Die Bernmayerin überlegte einen Moment und dann kam ihr plötzlich ein Gedanke.
Vielleicht war die Sache ja doch noch nicht so hoffnungslos, wie sie schon geglaubt hatte!
"Aber, nix da!", verneinte sie. "Das Madel war sehr freundlich zu ihm!", und dachte bei sich: Vielleicht muss ich dem Glück ein bisserl nachhelfen, was den Toni und die Marianne angeht!
"Und ich dachte, das Madel ginge mit dem Max!"
"Ich weiß net", sagte die Bernmayerin dann vieldeutig und sah genau, was im Kopf des Großknechts vor sich ging. Der würde zwei und zwei zusammenzählen und zu seinem alten Schulfreund, dem Krainacher Max, gehen, um ihm brühwarm aufzutischen, was er gehört und gesehen hatte. "Ich weiß ja net, was sich der Max dabei denkt, aber wie ich die Sach sehe, hat sich das Madel noch net entschieden, welchen von den beiden Krainacher-Buben es nehmen soll!"
Der Sepp nickte.
"Mei, wenn man so verliebt ist, dann kann man schonmal den Blick für die Wirklichkeit verlieren, net wahr?"
Die Bernmayerin hob die Hände.
"Ich will nix gesagt haben! Die Marianne muss selbst wissen, was sie tut!"
"Freilich", nickte der Sepp und kratzte sich nachdenklich hinter dem Ohr. "Aber vielleicht sagst deiner Tochter, dass sie das doppelte Spiel net mehr allzulang treiben sollte. Die beiden Krainacher-Brüder sind jetzt schon wie Katz und Hund zueinander - und sicher liegt das zu einem Gutteil daran, dass sie sich für dasselbe Madel interessieren!"
Die Bäuerin nickte und wandte sich dann zum Gehen. "Ich werd tun, was ich kann, Sepp. Aber du weißt doch auch, wie die Marianne so ist, und was für einen Dickkopf sie hat! Glaubst du, sie ließe sich von mir da viel sagen?"