Читать книгу Vier Bergromane Sammelband: Hochmut kommt vor dem Fall und andere Romane - Alfred Bekker - Страница 17
Оглавление11
Als der Max Krainacher zum heimatlichen Hof zurückkehrte, war der Vater gerade mit der täglichen Arbeit fertig und begrüßte seinen Sohn.
"Max!", rief der Krainacher-Bauer. "Ich hab dich aus der Richtung vom Dorf kommen sehen. Gehst gar net mehr in den Wald?"
"Ich war zwar im Dorf", bestätigte der junge Jäger. "Aber net zum Vergnügen. Und Wilderer kann man auch dort jagen! Wo ist der Toni?"
"Der Toni?", fragte der Vater stirnrunzelnd zurück. "Willst dich vielleicht wieder mit ihm aussöhnen? Das ist gut. Aber dein Bruder ist leider net hier. Er wollte heute etwas früher Schluss machen und ich hab's ihm net abgeschlagen. Schließlich hat er in der letzten Zeit hart ran müssen. Es war viel zu tun auf dem Hof!"
"Wo ist er hin?", drängte Max.
"Ich weiß es net, Max. Und ich hab ihn auch net gefragt. Er ist auch kein kleiner Bub, auf den man ständig aufpassen müsst', oder?"
"Wer weiß...", murmelte der junge Jäger kaum hörbar.
Der Vater runzelte die Stirn und musterte seinen jüngeren Sohn dann kopfschüttelnd.
"Zwei Heißsporne seid's! Euer Hader ist noch net vorbei, habe ich recht?" Der Krainacher-Bauer wartete eine Antwort gar nicht erst ab, sondern sprach sofort weiter. "Aber schämen solltet ihr euch für das Theater, das ihr da aufführt! Und vor allem du, Max!"
Jetzt war aber da Maß voll, fand der Max, der sich doch für den bei weitem Unschuldigeren der beiden Krainacher-Buben hielt.
"Ich?", rief er empört.
"Ja, du!", bestätigte der Vater.
Max schüttelte den Kopf.
"Ich glaub', ich versteh' die Welt net mehr!", gab er völlig fassungslos zurück.
Der Vater kam etwas näher heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter, um ihn ein wenig zu beschwichtigen.
"Ist das denn net zu begreifen, Bub? Schau, der Toni bemüht sich zwar um die Marianne, aber ihr Herz gehört doch nur dir.
Da könntest doch vielleicht etwas nachsichtiger mit deinem Bruder sein. Irgendwann wird ihm ein anderes Dirndl über den Weg laufen, das ihn die Marianne vergessen lässt." Er hob die Schultern und setzte dann noch hinzu: "Mei, es wär zwar net schlecht, die beiden Höfe zusammenzulegen, aber was net sein soll, soll net sein..."
Max seufzte.
"Ach, Vater..."
"Was machst denn für ein saures Gesicht, Bub?", fragte er erstaunt. "Die Marianne war übrigens heut' hier auf dem Hof..."
"Was?", entfuhr es dem Jäger sehr erstaunt. Was konnte sie noch von ihm gewollt haben?
Mich vielleicht wieder einwickeln?, dachte Max. Aber daraus wird nix werden!
"Ja, sie wollt' unbedingt mir dir reden, Bub. Über etwas Wichtiges, sagte sie. Und etwas, das sie auch von niemandem ausrichten lassen könnte!"
"Ich kann mir schon denken, worum es geht!", erwiderte Max und setzte dann bitter hinzu: "Aber sie kann mir gestohlen bleiben mit ihren Ausflüchten!"
"Was?", fragte der Vater. "Wovon redest du?"
Und dann schüttete der Jäger sein Herz aus.
"Sie hat nur mit mir gespielt, die Marianne. Sie hat es lange hinausgezögert, ihren Eltern von unseren gemeinsamen Plänen zu erzählen. Darüber hab' ich mich schon gewundert. Und dann hat mir mein Freund, Sepp so einiges erzählt... Ich wollt's ja erst net so recht glauben, bis ich die zwei droben bei unserem Heustadel erwischt hab, den Toni und die Marianne."
Der Bauer machte ein ungläubiges Gesicht. "Ist das dein Ernst?", fragte er.
"Wenn ich's doch sag!", bestätigte Max. "Hand in Hand hab' ich sie gesehen! Und gute Augen hab ich, das weißt du nur zu gut!"
Der Bauer versuchte, seinen Jüngsten wieder etwas zu beruhigen und meinte: "Vielleicht gibt's ja eine Erklärung, die ganz harmlos ist, Bub!"
"Nix als Ausflüchte hatte die Marianne vorbringen können!", ereiferte sich der junge Jäger. Und dabei fühlte er einen Stich im Herzen. Ja, er hatte schon sehr an dem Madel gehangen und tat es wahrscheinlich immer noch - viel mehr, als er sich jetzt eingestehen wollte. Aber was zuviel war, war zuviel, fand er.
"Und was sagt dein Bruder dazu?", erkundigte sich der Vater nach kurzer Pause.
"Der hat wenigstens gar net erst versucht, irgendetwas abzustreiten." Max schüttelte den Kopf. "Nein, mit der Marianne, das ist wohl aus! Aber mit dem Toni hab ich dennoch ein Hühnchen zu rupfen, wenn er heimkommt!"
Da hörte Max hinter sich Schritte.
Und im nächsten Moment hörte der Jäger die Stimme seines Bruders.
"Dann fang schon mal an zu rupfen, Max!", rief der Toni herausfordernd. "Hier bin ich!"
Max wirbelte herum, während der Toni die Arme vor der breiten Brust verschränkte.
"Ich will keinen Streit hier auf dem Hof!", rief der Vater, aber die beiden Streithähne hörten gar nicht richtig hin.
Max holte das Taschenmesser aus der grünen Jacken heraus und hielt es seinem Bruder hin.
"Dieser Streit wird sich net vermeiden lassen, Vater", murmelte er dabei. Und dann, an den Toni gewandt: "Du kannst net abstreiten, dass es dein Messer ist, net wahr? Die Anne vom Laden des alten Surbachers hat bestätigt, es dir verkauft zu haben!"
"Freilich", nickte der Toni. "Das ist mein Messer. Wo hast du es her?"
"Gefunden. Und zwar droben Hochwald auf einer Lichtung, auf der ich kurz zuvor einen Wildschütz bei seinem Geschäft hab' beobachten können!"
Max trat einen Schritt näher. Sein Bruder runzelte die Stirn und zuckte verwirrt mit den Schultern. "Ja, und?", meinte er dann.
"Du gibst es also zu!"
"Ich weiß net, was du meinst!"
"Das Wildern natürlich!"
Der Toni war fassungslos. "Ich denk, du hast ihn gesehen, den Wildschütz!"
"Freilich", nickte Max.
"Wie kannst du mich dann verdächtigen!"
"Ich habe einen Mann gesehen, der deine Statur gehabt haben könnt' und einen rötlichen Hut auf dem Kopf gehabt hat! Vom Gesicht konnt ich natürlich nix erkennen! Er hat ja auch net zu mir hingesehen!"
"Du verdächtigst mich also - ohne Beweis!"
Max warf das Messer zu Boden.
"Du hast recht! Ein Beweis ist das net! Aber es ist Grund genug, eine deutliche Warnung an dich auszusprechen! Wenn ich dich da droben erwischen sollt', dann wird's keine Nachsicht geben! Dann werd' ich dich so behandeln, wie jeden anderen Wildschütz auch, hast gehört?"
Der Toni ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten.
"Ja," versetzte er ärgerlich, "ich hab dir sehr genau zugehört, Bruder!"
"Bleib' also weg aus dem Revier! Es ist besser für dich!"
Und damit ging der Jäger an Toni vorbei zum Haus hin.
Die Mutter kam gerade aus dem Haus, aber Max grüßte sie nur sehr knapp und war dann wenig später durch die Tür verschwunden.
"Ich glaub, der Max ist jetzt völlig durchgedreht!", meinte Toni und wollte sich ebenfalls zum Gehen wenden. Aber der Vater hielt ihn am Arm.
"Warte, Toni!", forderte der Krainacher-Bauer.
Der Toni sah seinen Vater an.
"Was ist?", fragte er. "Glaubst du vielleicht den Anschuldigungen, die der Grünrock vorgebracht hat? Ich bin kein Wildschütz, auch wenn ich früher gern mit der Flinte vom Großvater geschossen hab!"
Aber das war dem Vater noch nicht genug.
"Was hat es mit dem Messer auf sich, Bub?", fragte er. "Sag' mir die Wahrheit! Schau, ich bin dein Vater. Mit mir kannst du offen sein, meinst net?"
Der Toni atmete tief durch, dann fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht und meinte dann: "Es ist mein Messer, das ist schon wahr..."
"Ich habe es nie bei dir gesehen, Bub!", stellte der Vater indessen fest.
"Kein Wunder! Noch am selben Tag, an dem ich es beim Annerl gekauft hab, hab ich es auch verloren."
"Droben beim Hochwald?", fragte der Vater.
Aber Toni schüttelte energisch den Kopf. "Ich weiß net wo. Aber da droben bin ich schon lange net mehr gewesen. Da kann es gar net sein!"
"Du hättest das deinem Bruder sagen können."
"Hätte er mir geglaubt? Eine Ausrede hätte er's genannt!"
Toni machte eine wegwerfende Geste. "Es ist wie verhext zwischen uns!"
"Das glaub' ich auch schon fast", nickte der Krainacher-Bauer. "Aber ich will, dass das aufhört. Auf meinem Hof ist kein Platz für euren unseligen Händel!"
Der Toni sagte nichts dazu.
Und der Krainacher-Bauer wusste nur zu gut, dass man Frieden zwar predigen aber nicht befehlen kann.