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Als Max Krainacher später noch ins Dorf ging und beim Laden des alten Surbacher vorbeischaute, wollte der gerade schon für heute zumachen.

"Grüß dich, Max! Ist lang her, dass du mal bei mir was zu besorgen gehabt hättest!", meinte der Surbacher und lächelte dabei. Er war schon weit in den Siebzigern, machte aber noch immer einen unverwüstlichen Eindruck, auch wenn sein Bart inzwischen schlohweiß geworden war.

Ein anderer hätte sicher daran gedacht, sich aufs Altenteil zurückzuziehen.

Nicht so der Surbacher.

Der kleine Laden war sein Lebensinhalt - und seitdem seine Frau vor zwei Jahren gestorben war mehr denn je. Er führte das Geschäft jetzt zusammen mit seiner Großnichte Anne, die der Surbacher als halbwüchsiges Madel bei sich aufgenommen hatte, nachdem ihre Eltern bei einem Erdrutsch ums Leben gekommen waren.

Inzwischen war aus dem Madel eine hübsche, gutaussehende junge Frau geworden, die aber ein sehr zurückhaltendes Wesen auszeichnete.

Max hörte von drinnen ihre Stimme. Sie summte leise vor sich hin.

Der Jäger blickte durch das Fenster hinein und sah das Dirndl, wie es drinnen mit dem Besen über den glatten Holzboden ging.

"Ja, ohne das Madel wüsst' ich gar net, wie ich das Geschäft noch weiterführen sollte", sagte der Surbacher und zuckte die Schultern. "Man wird ja auch net jünger mit den Jahren!"

Der Max hörte nur halb hin.

So vieles ging ihm durch den Kopf. Die Marianne wollte ihm einfach nicht aus dem Sinn gehen.

Als Anne zu dem Jäger hinsah, grüßte er sie freundlich, aber kurz. Dann wandte er sich an den Alten und kam auch gleich zur Sache.

"Ich bin net hier, um etwas zu kaufen oder ein wenig mit dir zu plaudern, Surbacher!", sagte er ernst.

Der Surbacher hob leicht die buschigen Augenbrauen und strich sich den Bart glatt.

"Net?", fragte er. "Das ist aber schad'!"

Max holte das Messer hervor, dass er droben auf der Lichtung im Hochwald gefunden hatte.

"Kommt das aus deinem Laden, Surbacher? Sag' schon! Es ist sehr wichtig für mich!"

"Ja, ja, net so eilig!", erwiderte der andere.

Der Alte nahm das Messer, hob es etwas ins Licht und betrachtete es genau.

Dann nickte er entschieden. "Ja, das kann gut sein. Ich habe noch einige von der Sorte, allerdings net mit dem gleichen Bildmotiv..."

"Wem hast du dieses Messer verkauft, Surbacher?", forderte Max ungeduldig.

Aber Surbacher hob nur etwas hilflos die Hände.

"Mei, wie soll ich mich daran noch so genau erinnern?

Sieben von diesen Messern hab ich im Laden gehabt, fünf sind verkauft. Jedes dieser Messer ist ein Unikat, aber wer nun welches gekriegt hat?" Er schüttelte bedauernd den Kopf.

"Also, dem Franz vom Riedler-Hof hab' ich eins verkauft, aber das hatte keinen Hirschen auf dem Griff!" Er wandte sich herum. "Anne!", rief er seine Nichte.

Das Madel war gerade mit dem Fegen fertig und kam nun herbei.

"Was gibt's Onkel?", fragte sie zurückhaltend.

Der Surbacher zeigte dem Madel das Messer. "Hier", sagte er. "Das hat der Krainacher-Max irgendwo gefunden. Weißt du, wem wir das verkauft haben!"

Ein stilles Lächeln ging über das feingeschnittene, von nussbraunem Haar umrahmte Gesicht.

"Freilich weiß ich das!" Sie wandte sich an den Jäger und fuhr dann fort: "An deinen Bruder hab ich's verkauft!"

"Das weißt du bestimmt?"

"Ja, wenn ich's doch sag'! Frag' ihn doch selbst, er wird sich ja wohl erinnern, wie sein Messer aussieht! Aber ich bin mir ganz sicher. Er hat mich noch gefragt, welches Motiv er nehmen soll und ich hab ihm zu dem Hirschen geraten..." Sie gab dem Max das Messer zurück und meinte: "Der Toni wird sich sicher freuen, dass du sein Messer gefunden hast!" Dann wich die Anne unwillkürlich einen Schritt zurück. "Mei, Max, was machst für ein Gesicht?"

Und der Surbacher fragte: "Vielleicht sagst uns mal, was es denn mit diesem Messer eigentlich auf sich hat!"

Max deutete mit dem Arm in Richtung der Berge.

"Droben, auf einer Lichtung im Hochwald hab ich es gefunden", berichtete er düster. "An einem Ort, an dem sich kurz zuvor der Wilddieb befunden hat, hinter dem ich schon so lang her bin!"

"Was!", entfuhr es der Anne fassungslos. Sie war sonst so ein stilles Wesen, aber das, was sie jetzt gehört hatte ließ sie einfach nicht mehr an sich halten. "Der Toni ein Wilddieb! Denkst du das von deinem eigenen Bruder!"

Max sah sie erstaunt an.

Dieses sonst so zurückhaltende und unauffällige Madel hatte er noch nie so heftig erlebt.

"Es scheint aber eine Tatsache zu sein", murmelte Max.

Anne schien die Angelegenheit sehr zu Herzen zu gehen.

"Du hast noch keinen Beweis!", rief sie. "Dem Toni kann das Messer auch abhanden gekommen sein, und danach hat es vielleicht jemand genommen..."

"Ein Beweis ist es noch net", nickte Max. "Aber ein Anhaltspunkt schon! Jedenfalls dank ich euch schön für die Auskunft!"

"Gern geschehen!", meinte der Surbacher.

Aber Anne stemmte die schlanken Arme in die schmale Taille und sagte: "Wenn ich gewusst hätt', dass ich mit meiner Auskunft nur neue Zwietracht zwischen euch Krainacher-Brüder säe, so hätte ich sie dir net gegeben, Max!" Sie schüttelte traurig den Kopf und stieß schließlich hervor: "Besser ich hätt' nix gesagt!"

"Es wird sich sicher alles aufklären!", gab sich der Surbacher zuversichtlich.

In seinem Alter hatte er die nötige Gelassenheit, um zu wissen, dass Stürme kommen und gehen und das selten so heiß gegessen wird, wie zuvor gekocht wurde.

"Ja", nickte Max. "Dafür werde ich sorgen!"

Und damit ging der Jäger dann davon.

Als er schon ein Stück weg war, wandte sich der alte Surbacher mit deutlicher Verwunderung an die Anne. Ihm war das Engagement des Dirndls für den Toni Krainacher nicht entgangen.

Und so nahm er das Madel dann lächelnd in den Arm und meinte: "Hast dich ja ganz schön ins Zeug gelegt für den Toni!"

"Mei, wenn er doch unschuldig beschuldigt wird!", erwiderte sie - und die Erregung war ihrer Stimme noch immer ein wenig anzuhören.

"Schon recht", versuchte der Surbacher sie zu beruhigen.

"Aber weißt du denn bestimmt, dass der Toni das auch wert ist?"

"Wie kannst das nur bezweifeln?", gab Anne zurück. "Nie und nimmer ist er ein Wilddieb. Das glaub ich einfach net!" Sie seufzte. "Ein rechtschaffener Bauer ist er! Und gut sieht er aus, wenn er so daherkommt... Leider hat er ja nur Augen für Tochter vom Bernmayer und net für mich!"

Ja, die Anne hatte schon lange insgeheim für den Toni Krainacher geschwärmt, sich aber nie getraut, das auch erkennen zu lassen. Und ihre zurückhaltende, vorsichtige Art hatte sie daran gehindert, die Aufmerksamkeit des jungen Bauern gezielt auf sich zu lenken.

So hatte er sie kaum wahrgenommen, wenn er mal ins Geschäft kam, um etwas zu besorgen.

"Ja, die Liebe kann man net erzwingen, Madel", sagte der Surbacher.

"Ich weiß, Onkel", seufzte Anne.

Vier Bergromane Sammelband: Hochmut kommt vor dem Fall und andere Romane

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