Читать книгу Vier Bergromane Sammelband: Hochmut kommt vor dem Fall und andere Romane - Alfred Bekker - Страница 12
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Es war am folgenden Abend, als Max Krainacher ins Wirtshaus unten im Dorf ging. Die Stimmung war schon recht ausgelassen, als er eintraf.
Sein Blick ging kurz die Reihe der anwesenden Männer entlang. Einige von grüßte er. Dann bestellte er sich beim Wirt ein Glas Rotwein.
"Na, was führt dich denn nach so langer Zeit mal wieder in die gute Stube?", fragte der Wirt, nachdem er den Jäger bedient hatte. "Hast dich ja wochenlang net mehr hier blicken lassen!"
"Ist halt immer viel zu tun", entschuldigte sich der Krainacher-Max. "Jedenfalls steht eins fest: An deinem Wein hat's bestimmt net gelegen! Der ist nämlich ganz vorzüglich!"
"So wie immer, hoffe ich", gab der Wirt zurück.
Max lächelte.
"Mei, da hast du recht, Wirt." Dann beugte sich der Grünrock etwas vor und raunte: "Um ganz ehrlich zu sein, ich bin net nur zum reinen Vergnügen gekommen!"
Der Wirt lachte.
"Das ist mir wirklich neu, dass einer net um des Vergnügens willen kommt, Max! Und ein Kompliment für mein Wirtshaus ist es auch net gerad'!"
"Ich mein's ganz ernst", erwiderte der Jäger und legte dann das Taschenmesser mit dem Perlmuttgriff auf den Tresen.
Der Wirt runzelte die Stirn und meinte dann: "Ein schönes Stück. Woher hast du das?"
"Oben im Hochwald auf einer Lichtung gefunden. Und denk mal an, wenige Augenblicke zuvor hatte sich dort noch der Wildschütz befunden, hinter dem ich jetzt schon so lange her bin!"
"Und nun willst du von mir wissen, ob ich net jemanden kenne, der so ein Messer vermisst, net wahr?", erriet der Wirt die Absicht des Jägers.
Max nickte.
"So ist es", bestätigte er, während der Wirt das Messer nahm und genau betrachtete. Schließlich murmelte er: "Ich habe so ein Messer schon einmal gesehen. Ist noch gar net lang her!"
"Bei wem!", forderte der Jäger. "Ich muss es wissen!"
"Net so schnell, Max!", versuchte der Wirt ihn zu beruhigen, während er ihm das Messer wieder zuschob. "Das Messer, dass ich gesehen hab, lag beim alten Surbacher im Laden. Und es zeigte auf dem Griff auch keinen Hirsch sondern eine Berglandschaft. Aber von derselben Art war's. Vielleicht schaust mal bei ihm vorbei und fragst ihn, ob er noch mehr Messer von der Sorte hatte!"
Max nickte.
"Das tu ich!", meinte er. "Und ansonsten - falls einer so ein Messer vermisst, sagst mir Bescheid, net wahr?"
"Ehrenwort, Grünrock! Kannst dich auf mich verlassen!"
Indessen wurde der Wirt von ein paar anderen Gästen herbeigerufen. Die Tür ging auf und als Max sich umdrehte, sah er, dass sein Freund, der Sepp eingetreten war.
Der Sepp winkte dem Jäger gleich zu und gesellte sich einen Augenblick später zu ihm.
"Grüß dich, Max!"
"Grüß dich! Komm, ich lad dich zu einem Glasl ein!", meinte der Jäger freundlich.
Aber der Großknecht vom Bernmayer-Hof blieb ernst.
"Max, ich halte es für meine Pflicht, dir etwas mitzuteilen."
Max runzelte die Stirn.
"Mei, warum so feierlich?", fragte er und schüttelte verständnislos den Kopf. "Was gibt's denn so besonderes?"
Sepp druckste ein bisschen herum.
Er schien irgendwie nicht so recht zu wissen, wie er anfangen sollte.
"Es geht um die Marianne", brachte der Großknecht schließlich heraus.
Max' Gesicht veränderte sich ein wenig.
"Um mein Madel?", fragte er ahnungslos. "Was soll mit der Marianne denn sein, Sepp?"
"Ich will mich net in deine Sachen mischen, Max, aber bist du dir auch sicher, dass es sich net längst entschieden hat, das Dirndl?"
"Natürlich hat das Madel sich entschieden! Für mich! Im Frühjahr gehts vor den Altar!"
"Und dein Bruder?"
Max machte eine wegwerfende Handbewegung.
"Der Toni ist aus dem Spiel!", erklärte der Jäger dann vollmundig. Dann musterte er den Freund misstrauisch. "Nun komm schon, heraus mit der Sprache! Willst mir net endlich sagen, was los ist?"
"Wenn der Toni wirklich aus dem Spiel ist, dann frage ich mich doch, was er dann mitten in der Nacht bei der Marianne will?"
"Hinausgeworfen haben wird sie ihn!", meinte der Max, der noch keinerlei Grund sah, der Marianne irgendwie zu misstrauen.
Doch der Sepp schüttelte den Kopf.
"Nix da!", erklärte er. "Sie war sehr freundlich zu ihm und die Bernmayerin machte einen zufriedenen Eindruck!" Der Großknecht zuckte die Achseln und fuhr dann fort: "Glaubst net, die Marianne könnt sich die Sach' vielleicht doch überlegt haben?"
"Das ist net wahr!", erwiderte der Jäger.
Der Sepp legte seinem Freund indessen eine Hand auf die Schulter und sagte: "Ich habe ihn doch schließlich selbst gesehen, den Toni!"
"Narrisch bist, Sepp!"
"Meine Augen sind so gut wie deine, Max! Das wirst doch wohl kaum abstreiten, oder?"
"Das net..."
"Na, also! Du musst dich wohl oder übel mit der Realität abfinden, Max! Die Marianne mag dich vielleicht für den besseren Mann halten, aber sie scheint sich noch ein Hintertürchen offenhalten zu wollen..."
Der Krainacher-Max runzelte die Stirn. "Ein Hintertürchen?
Wozu?"
"Mei, begreifst du es wirklich net? Um vielleicht doch noch Bäuerin auf dem größten Hof in der Gegend werden zu können, das meine ich!"
Max trank sein Glas aus und schüttelte energisch den Kopf.
"Ich will so etwas net glauben", sagte er. Aber der Zweifel nagte bereits in seinem Herzen.
"Ich tät dem Madel ein bisserl mehr auf die Finger sehen", meinte der Sepp.
"Ich werd' mit ihr reden müssen!", kündigte der Jäger indessen an.
Sepp nickte.
"Tu das nur. Aber allzu blind solltest du ihr net trauen, hörst du?"
Max nickte.
Bevor er sich dann zum Gehen wandte, meinte er noch: "Bist ein echter Freund, Sepp!"
"Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich's dir sagen soll", erklärte der Großknecht. "Schließlich liegt es net in meiner Absicht, zwischen der Marianne und dir Zwietracht zu säen."
"Ist schon, recht, Sepp!"
Und damit ging der Krainacher-Max hinaus in die Dunkelheit.
Er atmete tief durch und sog die kühle Nachtluft in sich auf. Ein leichter Wind wehte von den Berggipfeln her, die sich wie drohende Schatten gegen den Nachthimmel abhoben.
Und dann sah er sah er seinen Bruder daherkommen.
Toni hatte die Hände in den Hosentaschen und hielt den Blick gesenkt, während er ein Lied pfiff.
Max war ihm heute noch nicht begegnet. Als der Jäger am Morgen losgegangen war, war sein Bruder schon mit dem Vater bei den Tieren gewesen und als der Jäger zum Krainacher-Hof am Abend zurückgekehrt war, da hatte er seinen Bruder ebenfalls nicht angetroffen.
Jetzt wollte der Toni offenbar nach einem anstrengenden Tag noch auf ein Glas ins Wirtshaus gehen.
Toni blickte blickte plötzlich auf und war wie erstarrt, als er seinen Bruder sah.
Er nickte dem Max nur leicht zu. Aber sein Gesicht wirkte finster.
"Du kannst es net lassen, was?", zischte Max und schüttelte dabei fassungslos den Kopf.
"Ich weiß net, wovon du sprichst, Max!", erwiderte Toni schulterzuckend.
Max fühlte, wie das Blut in seinen Adern pochte.
"Ich glaub, du weißt ganz genau, worum es geht! Oder willst vielleicht bestreiten, dich letzte Nacht auf den Bernmayer-Hof geschlichen zu haben?"
Der Toni sah seinen Bruder giftig an. "Ich bestreite gar nix!", schimpfte er. "Und von schleichen kann gar keine Rede sein, hörst?"
"Jedenfalls gratuliere ich dir. Scheinst ja jetzt endlich am Ziel zu sein, was die Marianne angeht!"
"Wovon redest du, Max!"
"Tu net so! Du weißt es und ich weiß es!"
Toni stemmte die Hände in die Hüften.
"Das Madel wird schon noch zur Vernunft kommen und erkennen, das es mit mir die weitaus bessere Partie macht!", meinte er dann. "Kann sein, dass du dich kurzfristig vor ihr wichtigtun kannst! Aber glaub' mir, Max, das wird keinen Bestand haben!"
"Was weißt du schon!"
So gab ein Wort das andere und einen Augenblick später wälzten sie sich schon raufend auf der Straße. Der Sepp und ein paar andere Männer kamen aus dem Wirtshaus heraus, weil sie den Krach gehört hatten. Sie packten die beiden Brüder und zerrten sie schließlich nach einigem Hin und Her auseinander.
"Mei, schämen sollt's euch!", meinte einer. "Gehen zwei Brüder so miteinander um?"
Indessen riss sich der Max aus der Umklammerung, in der er gehalten wurde und zog sich den grünen Rock wieder glatt.
"Fragt doch den Toni, wie es dazu gekommen ist!", murrte er und atmete tief durch.
"Pah!", machte der Toni, riss sich ebenfalls los und ging dann stampfend zur Wirtshaustür hinein.
Die spontane Versammlung löste sich danach ziemlich rasch wieder auf und Max hörte noch, wie einer zum anderen sagte: "Jesus, hat man so etwas schon gesehen? Und dabei haben sie sich doch früher immer so gut verstanden, die Söhne vom Krainacher-Bauern!"
Insgeheim wusste Max, dass er - genau wie sein Bruder - im Unrecht war.
So hätte ich mich net ihm gegenüber verhalten dürfen!, gestand er sich ein.
Aber er war halt so aufgebracht gewesen, durch das, was ihm der Sepp erzählt hatte, dass es einfach mit ihm durchgegangen war. Und dem Toni war es offenbar ähnlich gegangen.
Am nächsten Tag war der Krainacher Bauer sehr aufgebracht, als er von dem Vorfall hörte.
"Nun habt ihr's schon weit gebracht, ihr zwei!", schimpfte er. "Dorfgespräch seid ihr geworden mit eurem Händel!"
Aber von seinen Söhnen sagte dazu keiner ein Wort. Sie saßen da und schwiegen.
"Ich möcht', dass ihr euch hier und jetzt wieder versöhnt, sonst will ich ich keinen von euch mehr unter meinem Dach sehen!"
Die beiden sahen sich an, und schließlich gaben sie sich widerwillig die Hand.
"Na also!", meinte die Krainacherin erleichtert. "Es geht doch!"
"Das will ich meinen!", sagte der Bauer.
Aber in den Gesichtern seiner Söhne stand etwas anderes.
Bis zu einer wirklichen Versöhnung würde es wohl noch einige Zeit brauchen. Mindesten so lange, bis sich die Sache mit der Bernmayer-Marianne geklärt hatte.