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3. Kapitel


Es war drei Uhr, als Twist plötzlich erwachte. Sein Zimmer war in strahlende Helligkeit getaucht. Deckenbeleuchtung und Nachttischlampe brannten. Twist fuhr verwirrt hoch und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Nanu ...?

Das Rätsel war natürlich gar kein Rätsel: Kurz nach Beginn des Gewitters hatte, wie sich Twist jetzt erinnerte, der Blitz in die Überlandleitung eingeschlagen. Inzwischen hatte man den Schaden beseitigt, und somit hatten die beiden Lichtquellen im Zimmer wieder Strom erhalten, die er während der Dunkelheit auszuschalten vergessen hatte.

Twist wollte eben das Licht wieder ausknipsen, als die Zimmertür unter dem Anprall eines Körpers erdröhnte. Sie sprang auf, in einem gestreiften Pyjama wankte Bagdasarian herein, blieb vor dem Tisch stehen und stützte sich mit der rechten Hand schwer auf die Platte, während er die linke aufs Herz presste.

„Schnell ... einen Arzt ...!“, gurgelte er heiser und keuchend.

Zu Tode erschrocken sprang Twist aus dem Bett, um dem schwer Leidenden beizustehen, aber es war bereits zu spät. Bagdasarian stieß ein letztes Gurgeln und Röcheln aus, knickte in der Hüfte ein und polterte zu Boden, wo er in verkrümmter Haltung auf dem Teppich liegen blieb.

Twist kniete neben ihm nieder. Er sah das Profil des Georgiers und das weit geöffnete linke Auge; er rüttelte den Leblosen erregt an der Schulter, aber der erfahrene Kriegssoldat, dem der Tod in keinerlei Gestalt fremd war, wusste schon in diesem Augenblick mit unumstößlicher Gewissheit, dass jede Hilfe zu spät kam: Bagdasarian hatte das Zeitliche gesegnet.

„Armer Teufel!“, murmelte Twist, ehrlich erschüttert. „Hat dich deine böse Ahnung also doch nicht getrogen ...! Hm — wärst du bloß in deinem eigenen Zimmer gestorben ...!“

Twist schlüpfte in seine Hausschuhe und holte aus dem Schrank den Morgenmantel, um ihn anzuziehen. Er sperrte sein Zimmer von außen sorgsam ab, schob den Schlüssel in die Tasche und ging hinunter in die Hotelhalle.

„Suchen Sie etwas, Sir?“, fragte die unwillige Stimme des Hotelbesitzers hinter seinem Rücken.

Twist federte herum. Lowell hatte, von Twist unbemerkt, ebenfalls die Halle betreten. Er trug einen fleckigen Morgenmantel und ganz abgetretene Pantoffel. Twists Gesichtsausdruck brachte ihn zum Verstummen.

„Ich fürchte, wir müssen die Polizei verständigen, Mr. Lowell!“, sagte Twist streng. „Mr. Bagdasarian ist soeben gestorben ... — ausgerechnet in meinem Zimmer ...“

„Wieso ausgerechnet in Ihrem Zimmer, Sir?“

„Er hat offenbar Hilfe bei mir gesucht“, erklärte Twist ungeduldig, „und da ich nicht abgesperrt hatte, konnte er leicht zu mir hereinkommen. Er konnte gerade noch keuchen: 'Schnell einen Arzt ...!', aber dann war es schon zu spät, er brach zusammen und war tot ...“

„Das hat mir ja gerade noch gefehlt!“, fauchte Lowell wütend. „Machen Sie um Himmels willen leise, Sir. Wir wollen nicht alle Gäste rebellisch machen. Wenn Sie einen Moment hier warten, ich rufe Constable McIvor an.“

Twist folgte ihm schweigend in das Büro.

„McIvor und Dr. McDonald werden in einer knappen halben Stunde hier sein. Ich will rasch etwas Kaffee aufbrühen. Haben ihn, schätze ich, nötig ...“

Gegen drei Uhr dreißig hörten sie Kraftwagengeräusche. Wenige Augenblicke später erstarb der Motor.

„Das werden sie sein“, murmelte Lowell und ging öffnen. Gleich darauf kam er mit einem vierschrötigen grauhaarigen Mann in Uniform wieder, dahinter ein hochgewachsener, knochiger Rotschopf in einem Lodenmantel.

Lowell übernahm die Vorstellung:

„Major Twist, der den Toten gefunden hat, Constable McIvor, Dr. McDonald.“

Der Constable zückte sein Taschenbuch und fragte: „Sie also haben ihn gefunden, Sir ...?“

„Das können Sie oben fragen, Mackie“, knurrte der Doktor ungeduldig. „Zuerst will ich mir den Mann ansehen ...“

Zu viert stiegen sie in die erste Etage hinauf. Twist schob den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür zu seinem Zimmer.

Lowell wollte mit eintreten, wurde aber von dem Constable zurückgedrängt.

Dr. McDonald kniete neben dem Toten nieder und schob seine Hand unter die Pyjamajacke, um nachzusehen, ob der Körper noch warm sei. Dann versuchte er, ein Bein zu beugen.

„Haben Sie ihn so vorgefunden, Mr. Twist?“, fragte der Arzt.

„Er kam zu mir herein“, berichtigte Twist erregt. „Aber vielleicht darf ich Ihnen die Geschichte von Anfang an erzählen.“ Twist gab einen ausführlichen Bericht.

Dann berichtete er auch dem Constable ausführlich von dem Vorfall und den verschiedenen Ereignissen.

„Ich bin kein Kriminalist, Constable, und kann Ihnen nur die Dinge berichten, die mir besonders aufgefallen sind. Schlussfolgerungen müssen Sie selbst ziehen.“

„Eine höchst bedenkliche Geschichte“, murmelte McIvor besorgt und erhob sich. „Kommen Sie, wollen hören, was der Doktor meint.“

„Ich möchte sagen: blinder Alarm“, erwiderte McDonald, ohne zu zögern. „Bagdasarian litt ohne Zweifel an einer schweren Herzmuskelerkrankung, darauf deutet auch seine Medizin — Strophanthin — hin ...“

Jetzt erst bemerkte Twist, dass das Medizinfläschchen geöffnet auf dem Teppich lag und halb ausgelaufen war.

„Die Sache ist vollkommen klar“, kommentierte der Arzt. „Die furchtbare Beklemmung des nahenden Herzanfalls weckte Bagdasarian gegen drei Uhr auf. Er nahm seine griffbereit stehende Medizin, spürte am Ausbleiben der erleichternden Wirkung den Ernst seines Zustandes und schleppte sich voller Todesangst zu Mr. Twist. Ich werde, falls es gewünscht wird, eine Autopsie vornehmen, halte das aber nicht für unbedingt erforderlich.“

„Lassen Sie die Leiche abtransportieren, Doktor“, schlug der Constable vor. „Ich werde hier noch einige Leute verhören, danach das Kommando der Grafschaftspolizei anrufen und eine Entscheidung herbeiführen.“

*


Twist kehrte auf sein Zimmer zurück, kleidete sich an und kämmte achtlos seine Haare zurück, ehe er in die Halle hinunterging. Bei der Anmeldung stand das Ehepaar Lowell in leisem Gespräch. James Lowell warf Twist einen einzigen scharfen Blich zu. Boole stand schweigend und isoliert abseits, und der Major merkte ihm deutlich an, dass er am liebsten die ganze Welt vergiftet hätte. Zurlini und Sarketh saßen in eisigem Schweigen nebeneinander auf einer Bank neben der Treppe; daneben hatte sich Edgeland postiert. An einem runden Tisch saß der elegante Shapiro in temperamentvoll, aber sehr leise geführter Unterhaltung mit Louella Bendix, welche wiederum deutlich zeigte, wie schwer sie ihrer Befangenheit Herr werden konnte. Rocca, der freundliche, biedere Bankbeamte, hatte sich heben Miss Racklin niedergelassen und sprach völlig unbewegt und beruhigend auf sie ein.

Jetzt erschien auch, als Letzte, Susan Auston in Pullover und langer Hose. Sie lief über die Treppe, blieb am Fuße stehen und sah sich schreckensbleich um. Boole sah sie zuerst, ging ein paar Schritte auf sie zu, überlegte es sich aber auf halbem Weg wieder anders und kehrte an seinen vorherigen Platz zurück.

Susan hatte mit einer unbeherrschten Geste den Rücken ihrer Hand auf den Mund gepresst. Sie ließ den Arm wieder sinken, rannte mehr auf Twist zu, als sie ging.

„Seldwyn“, stöhnte sie und versuchte vergebens, ihr Schluchzen zu unterdrücken, „ist das nicht entsetzlich?“

Twist strich ihr tröstend übers Haar. Er erkannte Susan kaum wieder. Sie hatte völlig die Fassung verloren. Er bemühte sich, ihr etwas von der Ruhe einzuflößen, die ihn selbst, zumindest äußerlich, erfüllte.

Constable McIvor kam in die Halle. Während aller Augen sich auf ihn richteten, nahm er den Hotelbesitzer zu einer knappen Unterredung in dessen Büro mit.

Gegen fünf Uhr tauchte Lowell mit hochrotem Kopf aus seinem Büro auf und warf Twist einen bitterbösen, galligen Blick zu. Hinter ihm kam McIvor und nahm diesmal die Herren Zurlini und Sarketh mit.

Als Letzte wurde Anneclaire Racklin zum Verhör gebeten. Sie begleitete den Constable selbstbewusst, mit hocherhobenem Blick, in das Büro und erschien zehn Minuten später wieder in der Halle.

„Verzeihung, meine Herrschaften“, sagte sie laut mit ihrer leicht brüchigen Stimme, „das Auge des Gesetzes hat mich gebeten, Ihnen allen zu eröffnen, dass Sie wieder schlafen gehen können, so Sie es wünschen, dass Sie aber das Motel zunächst nicht verlassen dürfen. Die Aufhebung dieser Quarantänebestimmung sei bis spätestens Mittag zu erwarten, hat er gesagt, der Gute! — Sie, Mr. Twist“, fuhr sie herausfordernd fort, „möchte der Constable noch einmal sprechen.“

Twist klopfte Susan aufmunternd auf die Schulter. „Keine Sorge“, flüsterte er ihr ins Ohr, „ich bin immer für Sie da!“

*


Auf der Schreibtischuhr war es fünf Uhr fünfundvierzig, als Twist gegenüber McIvor Platz nahm. McIvor hob den Kopf und blickte den zu Verhörenden ausdruckslos an.

„Also — hm — Mr. Twist“, begann er umständlich, ich weiß eigentlich gar nichts über Sie, ich kenne Ihren Leumund nicht, und es wäre mir sehr recht, wenn Sie mir irgendeinen Gewährsmann angeben könnten ...“

Oliver Seldwyn Twist erwiderte sachlich nüchtern: „Ich bin der einzige Sohn des 1954 verstorbenen Generals Gordon Twist. Das wird Ihnen wenig sagen, aber vielleicht ist Ihnen der Bruder meiner Mutter, Sir Christopher Tennison in Glasgow, ein Begriff?“

Die Miene des Constable hellte sich rauf. „Das ist selbstverständlich etwas anderes, Sir. Sir Christopher ist wohl für jeden Schotten ein Begriff — möchte ich meinen. Ich habe aufgrund Ihrer Angaben einige Leute verhört, bin aber nicht viel weiter gekommen und habe vor allen Dingen eine gänzlich andere Darstellung zu hören bekommen als vorher von Ihnen.“

„Es ist nicht meine Aufgabe, Constable, Sie beraten oder gar beeinflussen zu wollen, Sie können mir durchaus das Wort verbieten, wenn ich sage, was ich denke: Die Aussagen der Vernommenen mögen wahr sein oder auch nicht — fest steht, dass hier im Motel sonderbare Dinge geschehen sind. Ich bin weiß Gott kein Mensch, der sich schnell aus der Ruhe bringen lässt, ich bin aber auch nicht der Mensch, der sich leicht Sand in die Augen streuen lässt. Ich bin indessen fast völlig sicher, dass Bagdasarian ganz natürlich an seinem Herzleiden gestorben ist. Insofern wäre jede Untersuchung völlig überflüssig. Nur: Seine sonderbare Todesahnung ausgerechnet in dieser Nacht ... Vielleicht wäre es das Beste, wenn Sie das Ergebnis der Autopsie abwarten und erst danach Ihre weiteren Entschlüsse fassen würden.“

„Das ist auch meine Absicht, Mr. Twist.“ McIvor erhob sich. „Ich will Sie nicht länger zurückhalten, muss Sie aber ebenfalls wie alle anderen Gäste bitten, zunächst das Motel nicht zu verlassen. Spätestens heute Mittag werden wir etwas klarer sehen.“

Killer-Zimmer: Krimi Koffer mit 1300 Seiten

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