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4. Kapitel

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Inzwischen war es sechs Uhr zwanzig geworden. Twist hatte eigentlich den Wunsch, sich sofort niederzulegen, wusste aber gleichzeitig, dass er doch keine Ruhe finden werde. Plötzlich überkam ihn das zwingende Gefühl, sich um Susan kümmern zu müssen. Er blieb sekundenlang unschlüssig stehen, ehe er anklopfte und sofort eintrat.

Susan saß im Sessel neben dem Bett und starrte trübsinnig ins Leere. Von Zeit zu Zeit nahm sie einen nervösen Zug aus ihrer Zigarette.

Sie sah auf und lächelte den Eintretenden verzerrt an. „Ah — Sie sind es, Seldwyn! Bitte, setzen Sie sich zu mir.“

„Sind wir noch die alten Freunde von früher, Susan, oder steht etwas zwischen uns?“, fragte er spontan.

„Selbstverständlich sind wir die alten Freunde, Seldwyn. Habe ich Ihnen seit gestern Nachmittag nicht schon viele Male versichert, wie sehr froh ich über Ihre Anwesenheit bin?“

„Sie haben es mir zwar versichert, aber Sie sind mir den Beweis schuldig geblieben.“

„Das verstehe ich nicht“, murmelte sie, wich aber wieder seinem Blick aus.

„Ich dränge mich nicht aus Neugier in Ihre kleinen und großen Geheimnisse“, konterte Twist ärgerlich, „sondern lediglich aus dem Bestreben heraus, Ihnen wirkungsvoll helfen zu können. Was ist zwischen Ihnen und diesem Tropf Boole?“

Susan richtete sich auf und wandte sich halb zu ihm um. Sie schluchzte trocken auf. „Vermutlich bin ich das dümmste Schaf auf Gottes Erdboden“, murmelte sie, „ich war ein Jahr lang mit diesem Lumpen verheiratet.“

Sie schlug jäh die Hände vors Gesicht, ließ den Oberkörper auf den Schoß sinken und weinte jämmerlich, während ihr ganzer Körper zuckte.

Wie so viele Männer war Twist weinenden Frauen gegenüber hilflos. Er saß steif und unbehaglich in seinem Sessel und wusste nicht, was er unternehmen sollte.

„Well“, sagte sie plötzlich ganz ruhig, aber mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme, „ich will Ihnen alles sagen: Vermutlich wird mich meine Beichte Ihre Freundschaft kosten — aber welche Rolle spielt das noch? Ich lernte Martin knapp vor meinem einundzwanzigsten Geburtstag kennen. Ich verliebte mich in ihn — mit Haut und Haaren, jawohl, das ist der richtige Ausdruck — und Martin nahm seine Chance wahr. Mein Vater hat wohl sofort Martins wahren Charakter erkannt und tat alles, um mich von ihm abzubringen. Ich fürchte, der arme Pa hat es so ungeschickt wie möglich angestellt ...“ — sie lächelte zärtlich in wehmütiger Erinnerung an ihren Vater — „und mich gerade durch sein Verhalten in einen gewissen Trotz hineingetrieben, in dem ich — längst jeder kühlen Überlegung beraubt — nur noch den einen Wunsch hatte, Pa zu beweisen, dass mich kein Mensch und auch kein Gott daran hindern könne, meinen Kopf durchzusetzen. Zwei Tage nach meinem zweiundzwanzigsten Geburtstag verließ ich für immer mein Elternhaus. Gleichzeitig beanspruchte ich Tante Hetties Hinterlassenschaft — 15000 Pfund — und folgte Martin. Wenig später heirateten wir. Der Rest ist schnell erzählt: Die 15000 Pfund hielten genau fünf Monate vor. Als mein Vermögen vergeudet war, war es auch mit Martins Liebe zu mir zu Ende. Leider merkte ich das zu spät.“

Nach einer Pause fuhr Susan fort: „Mein Mann war inzwischen Schmuggler geworden! Ich sagte kein Wort, trennte mich aber sofort von Martin und reichte die Scheidung ein. Inzwischen hatte Martin längst an jedem Finger beider Hände zehn Mädchen; er widersetzte sich der Scheidung nicht. Lassen Sie mich über die Zeit schweigen, die nun folgte. Aber ich setzte mich durch! Nach einem Jahr hatte ich mir eine ordentliche Existenz aufgebaut, deren ich mich nicht zu schämen brauche. Von Martin hörte ich nichts mehr, bis ich am 20. Dezember vergangenen Jahres plötzlich einen Brief erhielt. Er bestellte mich für den 27. Dezember hierher und drohte mir für den Fall meiner Widersetzlichkeit an, eine Artikelserie unter dem Titel 'Colonel Austons Tochter — die Schmugglerbraut' in die Presse zu lancieren. Das durfte ich meinem Vater nicht antun. Ich gehorchte — und wurde meine inzwischen gemachten Ersparnisse — 120 Pfund, die ich mir buchstäblich abgehungert hatte — an Martin los. Und jetzt will er mehr, immer mehr!“

„Da soll doch der Teufel dreinfahren! Dem Burschen werde ich das Handwerk legen! Aber sofort!“

„Nichts dergleichen werden Sie tun!“, bat sie flehentlich. „Martin würde seine Drohung wahrmachen — und Pa würde die Schande umbringen. — Er bat mich zwar verstoßen, aber er ist mein Vater, und ich liebe ihn!“ Susan lächelte bitter. Twist hätte sie am liebsten in seine Arme genommen. — „So, alter Seldwyn, und jetzt gehen Sie besser! Zwischen der gestolperten Susan Boole und dem Major a. D. Seldwyn Twist gibt es keine Verbindung mehr!“

„Im Gegenteil“, versicherte Twist mit mühsam bewahrter Ruhe, „meine Gefühle für Sie sind die gleichen wie vor neun Jahren und alle Tage danach!“

Susan nahm dieses Bekenntnis ganz einfach nicht zur Kenntnis.

„Ich möchte jetzt schlafen!“, jammerte sie. „Bitte, lassen Sie mich jetzt allein!“

Taktvoll und feinfühlig spürte Twist, dass er sie jetzt wirklich am besten allein ließ. Er streichelte noch einmal sekundenlang ihren Kopf, ehe er das Zimmer verließ.

*


Nachdem Twist sein eigenes Zimmer betreten hatte, bot sich ihm ein erstaunlicher Anblick: Mrs. Louella Bendix, die unsympathische Amerikanerin, saß auf seinem Bett — in Hose und Jacke — und rauchte gelassen ihre Zigarette.

Bei seinem Erscheinen erhob sie sich rasch.

„Mr. Twist“, lispelte Louella, „liebster Mr. Twist, ich habe mich des Hausfriedensbruches schuldig gemacht. Ich weiß, aber vielleicht werden Sie mir vergeben. Ich bin so völlig durcheinander; ich fürchte mich. Das alles hier ...“

„Sie sehen mich erstaunt, Mrs. Bendix“, versetzte Twist höflich, „denn ich weiß nicht recht, was ich für Sie tun könnte.“

„Oh, Sie tun ja schon so unendlich viel!“, versicherte Louella und kam gewandt näher. „Allein Ihre Gegenwart, die eines Gentleman, eines echten Kavaliers beruhigt meine aufgepeitschten Nerven ...“

Sie hatte plötzlich Tränen in den Augen. „Lachen Sie mich ruhig aus, Twist, aber ich bin nun einmal so — romantisch. Und ich habe hier keinen Menschen ...“

„Wirklich nicht?“, fragte Twist augenzwinkernd. „Übrigens schätze ich es gar nicht, verehrte Mrs. Bendix, wenn sich fremde Leute einfach in mein Zimmer einschleichen! Holen Sie sich Trost, Rat und Hilfe, wo Sie wollen — meinetwegen dort, wo Sie in der vergangenen Nacht Whisky getrunken haben ...“

Die Amerikanerin blickte Twist verblüfft und ein klein wenig ängstlich an. Und dann wurde sie geradezu menschlich. Sie lachte verhalten. „Oh, Mr. Twist, Sie sind mir über — und ich, ich bin ein guter Verlierer.“

Dann fuhr sie schamlos fort: „Der Tod des alten Steppenschleichers hat — hm! — gewisse Geschäfte, mit denen mich ganz am Rande Interessen verknüpfen, aus dem rechten Lot gebracht. Sie, Twist, haben Bagdasarians Sympathie in so hohem Maße erweckt, dass er Ihnen spontan ein lukratives Angebot machte. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie erzählen mir, worum es ging, und ich bin bereit, den Nutzen, der mir aus Ihren Eröffnungen erwächst, mit Ihnen brüderlich zu teilen.“

Twist musterte sie verblüfft. Zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass Louella Bendix eine wandlungsfähige, eiskalte Rechnerin war. Eine kluge Geschäftsfrau, die skrupellos ihren Vorteil wahrnahm und sich dabei auch noch den Schein einer ehrlichen Person von entwaffnender Offenheit zu geben wusste.

„Meine liebe Mrs. Bendix, es stimmt, dass der bedauernswerte Bagdasarian gestern spät abends zwanzig Minuten bei mir war, dagegen stimmt es leider nicht, dass er mir Andeutungen über eine Sache gemacht hat, die Ihnen am Herzen liegt. Er machte mir lediglich ein reelles Angebot und gab mir bis heute Morgen Bedenkzeit. Über die Art seiner Geschäfte wollte er mir indessen erst nach Erhalt meiner Zusage reinen Wein einschenken. Ich weiß aus dem Gästebuch lediglich, dass er seinen Beruf mit Großkaufmann angegeben hat; in welcher Branche er arbeitete, ist mir unbekannt.“

„Und das soll ich Ihnen glauben?“, fragte Mrs. Bendix höflich.

„Das überlasse ich ganz Ihnen, Mrs. Bendix.“

„Ich ziehe es vor, Ihnen nicht zu glauben und darf Sie doch wohl darauf aufmerksam machen, dass Ihr Benehmen unklug ist und Sie in eine große Gefahr bringen könnte!“

„Soll das eine Drohung sein?“, fragte Twist.

„Nur eine gut gemeinte, freundschaftliche Warnung.“

„... für die ich mich ganz ergebenst bedanke!“

„Mehr haben Sie dazu nicht zu sagen?“, fragte Louella eisig.

„Nein!“

„Nun, wer nicht hören will, muss fühlen! — Gehaben Sie sich wohl, Mister Neunmalklug, es hat mich gefreut!“

Mrs. Bendix würdigte ihn keines Wortes oder Blickes mehr und rauschte hinaus.

Twist lächelte spöttisch hinter ihr her. Wenig später verging ihm das Lachen, als er nämlich feststellte, dass jemand sein ganzes Gepäck erschöpfend durchsucht hatte. Wer das gewesen war, brauchte er nicht lange zu fragen ...

Twist legte sich halb ausgekleidet aufs Bett, worauf er recht bald einschlief. Als ihn ein Klopfen an der Tür weckte, war es zwanzig vor zwölf. Twist richtete sich schlaftrunken im Bett auf und fragte, wer draußen stünde.

May, das Hausmädchen, wurde ihm erwidert. Constable McIvor wünsche die Gäste Punkt zwölf in der Halle zu sprechen.

Twist machte zwar gemächlich Toilette, war aber dann in der Halle einer der Ersten. Susan gesellte sich zu ihm und drückte ihm heimlich seine Hand.

„Bitte, seien Sie jetzt völlig ehrlich“, bat sie verzagt. „Wenn Sie mich in Zukunft nicht mehr kennen wollten — ich würde es Ihnen bestimmt nicht verdenken!“

„Susan“, erwiderte Twist betont und machte eine unmissverständliche Handbewegung, „man sollte Ihnen ganz einfach den ... Ach, du meine Güte, was haben wir denn da ...?“

Auch Susan öffnete erstaunt Mund und Augen. Arm in Arm, schäkernd, völlig miteinander einig, kamen Martin Boole und Anneclaire Racklin die Treppe heruntergelaufen und hielten sich, unten angekommen, von allen anderen geradezu herausfordernd fern.

„Zu dieser Eroberung sollte man Miss Racklin dunkelrote Rosen schicken!“, meinte Susan verblüfft.

Als Constable McIvor in Begleitung des Hotelierehepaares eintrat, verstummte jedes Gespräch.

Der Constable machte es kurz und schmerzlos:

„Meine Damen und Herren, ich bitte Sie wegen der Belästigungen und Beschränkungen, denen ich Sie pflichtgemäß aussetzen musste, sehr um Entschuldigung. Dr. McDonald hat inzwischen mit absoluter Sicherheit festgestellt, dass Mr. Bagdasarian an seiner Herzkrankheit, als eines natürlichen Todes, gestorben ist, und der Coroner hat daraufhin auf die offizielle Eröffnung eines Verfahrens verzichtet. Sie können ab sofort wieder über Ihre unumschränkte Freiheit verfügen.

*


Nach dem Essen rauchte Twist bei Susan Auston eine Zigarette.

„Wann reisen wir ab, Susan?“, fragte er unvermittelt.

„Das haben schließlich Sie zu bestimmen, Seldwyn“, murmelte Susan leise und niedergeschlagen. „Das heißt — nachdem für mich die Gefahr bereits beseitigt ist, brauche ich Ihre Güte eigentlich gar nicht mehr in Anspruch zu nehmen.“

„Das heißt, dass Sie mich zum Teufel wünschen ...“

„Nein, oh nein!“ Susan sprang erschrocken auf und legte ihre Hand aufs Herz. „So dürfen Sie meine Worte nicht auslegen.“

„Wann geht Ihr Urlaub zu Ende?“

„Zwar erst am 15. Januar, aber ich muss trotzdem dringend nach London zurück, denn etwas anderes, mein Geld nämlich, geht zu Ende — dank meines geschiedenen Mannes.“

„Selbstverständlich nehme ich Sie mit, Susan. Ich muss zwar einen Umweg über Liverpool machen, aber das wird Sie sicher nicht stören.“

„Sie wollen mich also wirklich mitnehmen?“

„Ich wünsche es so!“, sagte Twist entschieden.

Susan hielt lächelnd den Kopf schief. „Dagegen gibt es kein Wehren?“

„Es gibt keinen Vernunftgrund, der dagegen spräche!“

*


Twist ging auf sein Zimmer — aber zwei andere waren schon vor ihm auf diese Idee gekommen. Zurlini saß im Sessel und rauchte genießerisch eine Zigarette, der o-beinige Pferdekenner hatte innen neben der Tür Wache gehalten und schob sich nach Twists Eintritt zwischen diesen und den Ausgang.

Twist blieb stirnrunzelnd stehen. „Das habe ich aber gar nicht gern“, sagte er streng, „wenn jemand ohne anzuklopfen bei mir eindringt!“

„Ich habe angeklopft, Mr. Twist, aber da niemand im Raum war, konnte auch niemand 'Herein' sagen“, konterte Zurlini.

„Ich fordere Sie auf, mein Zimmer zu verlassen!“

„Und wenn wir aber nicht wollen?“ Zurlini grinste frech.

„Dann werde ich von meinem Hausrecht Gebrauch machen.“

„Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun, Mr. Twist“, mischte sich Sarketh ein, der immer noch an der Tür stand. „Es könnte beispielsweise sein, dass ich bewaffnet wäre; es könnte weiter sein, dass ich gerade eine entsicherte Pistole in den Fingern hielte; es könnte drittens sein, dass diese ganz von alleine losginge, wenn wir nicht zu einer Übereinkunft kommen ...“

„So also steht die Sache“, murmelte Twist mitleidigen Tones. „Sie strapazieren sich vergebens, meine Herren. Was der charmanten Mrs. Bendix nicht gelungen ist, wird auch Ihnen nicht gelingen.“

Diese Bemerkung schien Zurlini maßlos aufzubringen.

„Mrs. Bendix hatte also die gleiche Idee? Das wird ja immer schöner! Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich ein wenig in Ihrem Gepäck umsehe?“

„Ich habe sogar viel dagegen, aber das wird Sie kaum stören, wie ich Sie beurteile.“

„Richtig geraten!“ Zurlini lächelte schmutzig. „He, Joey, halt ihn in Schach, damit er keine Dummheiten macht!“

Sarketh hielt sich hartnäckig in seinem Rücken, der andere begann mit empörender Selbstverständlichkeit mit der Gepäckdurchsuchung. Er wühlte Twists Koffer und die Reisemappe durch und ging dabei so geschickt zu Werke, dass Twist sofort erkannte, wie alltäglich dergleichen für den Ex-Italiener war.

Am Ende räumte Zurlini alles wieder in die Koffer zurück und drehte sich unmutig um. „Maledetto, das hätten Sie doch gleich sagen können!“

„Was?“

„Dass ich nichts finden würde.“

„Das tut mir leid.“ Twist zuckte die Achseln.

„Twist! Wovon war gestern Abend zwischen Bagdasarian und Ihnen die Rede?“

„Von einem großen Geschäft“, versetzte Twist prompt und bemühte sich, ein verschmitztes Gesicht zu machen, „an dem Sie, Zurlini, sehr interessiert sind, das Bagdasarian aber viel lieber mit Shapiro und der Bendix gemacht hätte.“

„So ein Lump!“, tobte Sarketh los. „Uns schmiert er Honig um den Bart — und zehn Minuten später sagt er Twist das Gegenteil ...!“

Zurlini trat dicht an Twist heran und fuhr ihn wütend an: „Haben Sie jetzt auch wirklich die Wahrheit gesagt? Das mit Shapiro glaube ich einfach nicht! Shapiro hat doch gar keinen Abnehmer ...“

„Darüber bin ich nicht im Bilde“, sagte Twist phlegmatisch, „aber ich könnte mir vorstellen, dass Louella Bendix einen hat. Zumindest machte Bagdasarian eine dahingehende Andeutung.“

„Ja, das befürchte ich eben auch ...“ — Zurlini trat zurück und massierte erregt sein Kinn — „... weil die Bendix gar so siegessicher war. Wenn man nur wüsste, wem sie die Sachen vermitteln will!“

Twist sagte kalt: „Aber das wissen Sie doch — im Gegensatz zu mir!“

Zurlini kläffte den Major an, er möge gefälligst keinen Unsinn reden.

„Moment mal — jetzt ist der Groschen gefallen! Sie, Mr. Zurlini ...“ Twist grinste amüsiert — „haben Geheimnisse vor Mr. Sarketh, Sie möchten ihn aufs Kreuz legen ...“

Zurlini hatte gute Lust, Twist ins Gesicht zu springen. Er brüllte: „Halten Sie gefälligst Ihr dreckiges ...!“, wurde aber von Sarketh nicht weniger lautstark unterbrochen: „Halt du die Klappe, Otello! Mr. Twists Mitteilung ist für mich sehr interessant!“

Jetzt hetz' ich euch gegeneinander!, dachte Twist schadenfroh und fuhr gelassen fort:

„Mister Edgeland hat gestern Abend Louella Bendix, die offenbar nicht wusste, dass er zu Ihrer Gruppe gehört, in sein Zimmer gelockt und sie so schnell nicht wieder entlassen. Ich nehme doch stark an, dass er Louella bei dieser Gelegenheit die Würmer aus der Nase gezogen hat, denn wenn eine Frau vom Schlage Louella Bendix' einmal schwach wird, dann wird sie schwach.“

„Unsinn!“, schäumte Zurlini. „Ich habe Willie lediglich deshalb auf Louella angesetzt, um am Abend völlig ungestört mit Bagdasarian verhandeln zu können. Genützt hat es ja nicht viel. Wir wurden nicht einig, was nicht zuletzt an Bagdasarians Unwohlsein lag, und vertagten uns auf heute. Mit welchem Erfolg, wissen Sie so gut wie ich. Und was Willie betrifft: Er hat kein Wort aus Louella herausgebracht.“

„Oho!“, fuhr Sarketh hitzig auf. Da bin ich mir — nach Mr. Twists Mitteilungen — noch gar nicht so sicher!“

„Hast du denn plötzlich gar kein Vertrauen mehr zu mir?“, fragte Zurlini zürnend, wurde aber höhnisch abgefertigt: „Vertrauen ...? Zu dir ...?“

Die beiden begannen erbittert miteinander zu streiten. Das hatte Twist nur gewollt. Er trat zur Seite und riss blitzschnell seine Pistole aus der Jacketttasche. „Jetzt gebe ich den Ton an, meine Herren! Zwingen Sie mich nicht, in Notwehr zu schießen!“

Das wirkte auf die beiden Kampfhähne augenblicklich ernüchternd. Sie verstummten und standen wie begossene Pudel mit hängenden Armen vor Twist.

Sarketh stierte Twist sprachlos an. Zurlini legte sein ausdrucksvolles Komödiantengesicht in scheinheilige Falten und schlug mit frommem Augenaufschlag vor:

„Treffen wir doch ein Gentleman's Agreement: Sie sagen uns, was Sie wissen, und wir beteiligen Sie mit — sagen wir — zehn Prozent am Gewinn!“ Er musterte den Major lauernd. Würde Twist den Köder schlucken?

Twist ging scheinbar auf dieses Angebot ein und sagte: „Sehr angenehm, wirklich, sehr angenehm! Leider weiß ich nicht allzu viel, weil mich Bagdasarian erst dann einweihen wollte, wenn ich ihm meine unwiderrufliche Zusage, für ihn zu arbeiten, gegeben hätte. Die Entscheidung darüber wäre heute Morgen gefallen; leider hat sein Tod alles verändert. Aber fragen Sie immerhin.“

„Wie heißt das Schiff, und wo liegt es?“, fragte Zurlini prompt.

„Wie es heißt, ist mir völlig unbekannt“, erklärte Twist. „Auch den Hafenort hat mir der Georgier nicht genannt, aber aus seinen Andeutungen konnte ich entnehmen, dass nur ein Hafen im Großraum des Moray Firth infrage kommt.“

Zurlini griff den Hinweis begierig auf. „Moray Firth?“ Er versank in grübelndes Nachdenken und meinte dann stockend:

„Kenne mich dort in der Gegend ganz gut aus — es kann sich also nur um die Plätze Inverness, Beauty, Dingwall oder Fraserburgh handeln.“

„Das können Sie vermutlich besser beurteilen als ich“, erklärte Twist. „So, jetzt habe ich Ihnen alles gesagt, was ich weiß, und ich hoffe, dass Sie Ihrerseits Ihr Versprechen halten werden.“

„Aber erlauben Sie mal, Mr. Twist, ich bin doch kein Betrüger! Sie stehen doch wohl im Londoner Telefonbuch?“, heuchelte Zurlini.

„Das allerdings.“

„Dann werde ich Sie zu finden wissen, sobald es so weit ist. Ich versichere Ihnen — Ihnen werden noch die Augen übergehen! Und jetzt hält mich nichts mehr im „Little Soul's Joy“. Die Arbeit ruft.“

Er verabschiedete sich schleimig liebenswürdig und ebenso Sarketh; die beiden taten ganz so, als hätten sie nicht Minuten zuvor noch den Major mit der Pistole bedroht ...

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