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“Was hältst du von dem Kerl?”, fragte mich Rudi, als wir die Wache verlassen hatten.

“Dem Jürgen?”

“Dem Jürgen und seiner Regina. Ich nehme an, dass er sie auch beim Vornamen nennt.”

Ich zuckte mit den Schultern. Wir waren auf dem Weg zu unserem Wagen. Ein gutes Dutzend Schritte hatten wir noch vor uns. “Die haben was zu verbergen.”

“Na, dazu muss man nicht studiert haben, um das zu merken, Harry!”, meinte Rudi.

“Ja, aber falsch wird es dadurch doch auch nicht, oder?”

“Mann, du lässt aber auch manchmal ein paar Klöpse raus, Harry!”

“Ich frage mich die ganze Zeit schon, was wir partout nicht wissen sollen.”

“Es muss nichts mit Schmittens Tod und unserem Fall zu tun haben, Harry.”

“Ach, nein?”

“Die sind vielleicht einfach nur nicht gut auf Leute wie uns zu sprechen.”

“Das glaubst du doch nicht wirklich.” Rudi hob die Augenbrauen.

“Nein.”

“Eben!”

“Aber wir sollten diese Möglichkeit trotzdem nicht ganz außer Acht lassen. Wenn bei uns in der Abteilung jemand von außen käme und jeden Stein dreimal umdreht, wären wir auch sicher nicht begeistert.”

“Das ist was anderes!”

“Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.”

Wir stiegen in den Wagen.

Ein paar Sekunden herrschte Schweigen.

Ich tickte nervös mit den Fingerkuppen auf dem Lenkrad herum.

Rudi mag das nicht. Aber es war zu spät. Ich hatte nicht dran gedacht. Und mir hilft diese Tickerei manchmal, meine Gedanken besser zu sortieren.

Rudi verdrehte also genervt die Augen.

“Schon gut, sag nichts!”

“Nützt sowieso nichts, oder?”

Ich atmete tief durch. “Fahren wir als Nächstes dorthin, wo auch Schmitten hinwollte.”

“Okay.”

“Unter anderen Umständen hätte ich Dahlheim nach dem Weg gefragt.”

“Oder ihn sogar mitgenommen!”, ergänzte Rudi.

Ich nickte.

“Schließlich kennt er die Leute hier. Und unter normalen Umständen ist das auch ein Vorteil.”

“Aber nur unter normalen Umständen ... Macht nichts, wir haben ja ein Navi.”

Aber noch ehe einer von uns dazu gekommen wäre, die Adresse ins Navi einzutippen, die wir jetzt als Nächstes ansteuern würden, klingelte mein Handy.

Ich stellte das Gerät auf laut, denn schon an der Anzeige im Display sah ich, dass es sich um niemand anderen als Kriminaldirektor Bock handelte.

Ein flüchtiger Blick zur Uhr sagte mir, dass die Bürostunden unseres Chefs eigentlich gerade seit einer halben Stunde vorbei waren.

Eigentlich.

Aber Kriminaldirektor Bock kannte so etwas wie einen geregelten Feierabend gar nicht. Nein, ich muss mich korrigieren: Er kannte den Begriff Feierabend nicht. Er schien ständig an seinem Schreibtisch zu sitzen. Morgens, wenn unsereins dort auftauchte, dann war er schon längst da und vermittelte jedem Kollegen den Eindruck, schon seit Stunden auf dem Posten zu sein. Und spät abends oder mitten in der Nacht, dann konnte man ihn oft noch immer in seinem Büro antreffen. Eine Liege oder ein Feldbett habe ich dort nie gesehen. Es schien so, als wäre Kriminaldirektor Bock einfach ein Mensch, dessen Schlafbedürfnis in Relation zu anderen Menschen extrem reduziert war.

Aber es gab natürlich auch noch einen anderen, tragischeren Grund dafür, dass unser Vorgesetzter offenbar schwer Schlaf zu finden vermochte.

Man kann das in diesem Fall wirklich einmal wörtlich nehmen.

Vor Jahren hatte ein Straftäter seine Familie umgebracht. Seitdem widmete sich Bock mit ganzer Kraft und vor allem nahezu rund um die Uhr der Bekämpfung des organisierten Verbrechens. Jeder hat seine Triebfeder, um zu tun, was er tut. Bei unserem Chef war es ein furchtbarer Verlust.

Weder mein Kollege Rudi Meier noch ich hatten etwas erlebt, was auch nur annähernd damit vergleichbar war.

“Es geht um den Flüchtling, dessen Aufenthaltsort der Kollege Schmitten überprüfen solle”, sagte Kriminaldirektor Bock.

“Was gibt es Neues über ihn?”

“Dass er mit dem Tod unseres Kollegen nichts zu tun haben kann”, erklärte Kriminaldirektor Bock. “Er ist nämlich bereits vor zwei Monaten in Paris erschossen worden.”

“In Paris?”, echote ich.

“Er hat sich mit einem Kontaktmann einer radikalen Organisation getroffen, die in Europa für die Anwerbung von Kämpfern für den Djihad wirbt und mit Drogengeldern Waffen besorgt. Bei einer Routine-Razzia der Polizei eröffnete der Kerl sofort das Feuer und unser Mann bekam eine ganze Handvoll potenziell tödlicher Treffer dabei ab.”

“Wieso wissen wir das erst jetzt?”, fragte ich.

“Tja”, sagte Bock. Es war ein ganz besonderes ‘Tja’, in dem noch viel mehr mitschwang. Dinge, die der Kriminaldirektor eben entweder nicht so einfach sagen konnte oder wollte. “Tja”, wiederholte er sich dann noch einmal. “Sowas nennt man europäischen Informationsaustausch. Aber vielleicht kann man den Kollegen diesmal auch gar keinen besonders großen Vorwurf machen.”

Nanu, dachte ich. War Kriminaldirektor Bock von einer Art vorzeitigen Altersmilde erfasst worden?

Ansonsten kannte ich ihn, was seine Beurteilungen anging, als jemanden, der durchaus streng und hart argumentierte und dem es zuwider war, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Und zwar ganz gleich, um wen es ging. Wenn es Kollegen betraf, war er sogar besonders streng, hatte ich manchmal den Eindruck. Diesmal aber wohl offenbar nicht.

Bock fuhr fort: “Unser Mann lag zunächst als unidentifizierte Leiche in einem Gefrierfach in Paris. Sein Gesicht war durch die Schießerei in einem Zustand, der eine Identifikation schwierig machte und darüber hinaus unterscheidet sich die französische Transkription desselben arabischen Namens manchmal erheblich von der deutschen Schreibweise.”

“Wenn ich das richtig verstanden habe, dann war unser Mann schon länger nicht in diesem idyllischen Örtchen in Sachsen, wo er eigentlich hingehört hätte”, meldete sich Rudi zu Wort.

“Sie sagen es”, meinte Bock. “Genau dieser Punkt bereitet auch mir Kopfzerbrechen. Denn in dem idyllischen Ort, wie Sie dieses Nest in Sachsen nennen, hätte das eigentlich jemandem auffallen müssen, wenn sich jemand wie Abdulla Abu Khalil einfach davonmacht.”

“Scheint, als hätten es da ein paar Verwaltungsbeamte am nötigen Ehrgeiz fehlen lassen”, sagte ich.

“Wie auch immer. Das ändert nichts an der Tatsache, dass ein BKA-Kollege in diesem idyllischen sächsischen Ort ums Leben gebracht worden ist und Sie herausfinden sollen, was passiert ist.”

“Das kriegen wir raus”, sagte ich, obwohl ich zugeben muss, dass da im Moment wohl eher der Wunsch Vater des Gedankens war, denn ich hatte diesmal wirklich keine Ahnung, in welche Richtung es fahndungstechnisch gehen sollte. Wirklich nicht die geringste.

“Ich vertraue Ihnen”, sagte Kriminaldirektor Bock.

“Wenigstens einer”, meinte Rudi, nachdem das Gespräch beendet war.

Killer-Zimmer: Krimi Koffer mit 1300 Seiten

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