Читать книгу Thriller Spannung ohne Ende! Zehn Krimis - 2000 Seiten - Alfred Bekker - Страница 106

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Als Travers aus der Kabine sprang, spürte er noch die glosende Hitze, die von dem heißen Metall abstrahlte.

Langsam ging er näher heran. Der Sitz des Piloten war schwer beschädigt worden, offenbar durch den Absturz, und das Gestänge war grotesk verzerrt. Travers erkannte die verkohlten Überreste eines menschlichen Körpers — Villedary. Langsam ging Travers um die Maschine herum. In ihm wollte sich eine sinnlose Freude einstellen, als er keine weiteren menschlichen Überreste entdecken konnte.

Chuck war auch ausgestiegen. Er stocherte mit einem Knüppel im Boden herum.

Plötzlich rief er. »Mac! Kommen Sie mal hierher!«

Travers ging auf Chuck zu. Der CIA-Mann deutete auf einen Felsbrocken. Travers kniff die Lider zusammen. Hinter diesem Felsen lag die Leiche von Johnny Parr.

Der Sunnyboy aus Nizza.

Er musste es geschafft haben, sich bis hierher zu schleppen, mit brennenden Kleidern und Haaren. Seine Haut war an zahlreichen Stellen aufgeplatzt. Travers kniete sich nieder. Das Feuer hatte gründliche Arbeit geleistet. Travers wusste jedoch, dass dies Johnny Parr war, denn trotz der verheerenden Flammen war noch etwas von dem Karomuster der Jacke zu erkennen.

Travers stand auf. Mit festen Schritten ging er zum Hubschrauber. Der Pilot hatte sich nicht gerührt.

»Ist Jaques dabei?«, fragte er mit belegter Stimme. Travers nickte. »Wie konnte das passieren?«

Er hob die Schultern. Chuck schwang sich neben ihn in die Kabine und Travers gab das Zeichen zum Abflug.

»Sie wissen, wer das war?«, fragte Chuck.

Travers nickte, und grimmig sagte er: »Er wird dafür büßen, Chuck.«

*


ZUSAMMEN MIT JO ANNE würgte er ein einfaches Frühstück in Jo Annes Apartment hinunter. In den schwarzen Kaffee goss er einen gehörigen Schluck Bourbon, weil der bittere Geschmack anders nicht von seiner Zunge weichen wollte.

»Was ist mit dir los?«, fragte Jo Anne, die ihn aufmerksam beobachtete.

Travers schüttelte nur den Kopf, wartete, bis sie mit dem Frühstück fertig war, und sagte es ihr dann.

Sie wurde blass. Sie war doch nicht so hart, wie er gedacht hatte. Wenn ein Mensch umkam, den sie gekannt hatte, wurde sie weich. So waren fast alle Frauen, bis auf die ganz kaltschnäuzigen, gefühllosen, geldgierigen. Jo Anne gehörte zu keinem Typ dieser Kategorie.

Trotzdem berichtete er noch von den Einzelheiten, um ihr klarzumachen, mit welchen Gegnern sie es zu tun hatte. Denn er musste sie jetzt bald allein lassen.

Jo Anne bediente sich jetzt auch von Travers' Bourbon, und ihr Gesicht hatte wieder Farbe bekommen, als der Kontaktmann aus dem Konsulat anrief. Smiths Fernschreiben war angekommen, es war verschlüsselt, Travers musste es selbst entziffern.

Travers vereinbarte, dass ihm das Fernschreiben von einem Boten zum Hafen gebracht wurde. Er fuhr hin, traf den Mann und kehrte zu Jo Anne zurück. Er brauchte eine halbe Stunde, um es zu entschlüsseln. Er prägte sich alles ein, verbrannte das Telex und die Blätter, auf die er den Klartext notiert hatte. Die Asche spülte er in der Toilette herunter.

Dann packte er seinen Koffer. Die Ausrüstung sollte Jo Anne bei der Botschaft abliefern, weil er sie nicht im Flugzeug nach Belgien transportieren konnte. Er rief seinen Kontaktmann noch einmal an und bestellte eine komplette neue Ausstattung nach Brüssel.

Jo Anne hatte alle seine Vorbereitungen stumm verfolgt. Travers stellte seinen leichten Koffer an der Tür ab und ging zu ihr. Er beugte sich zu ihr hinab, hob ihr Gesicht und küsste sie.

»Ich komme wieder, Baby. Dann machen wir einen drauf. Einverstanden?«

Jo Anne nickte. »Mach's gut, Großer. Und schreib mal 'ne Karte. Und grüß Gorjanow von mir.«

»Tu ich«, versprach Travers. »Ganz bestimmt ... Und wenn ich dafür extra zurückkommen muss.« Er wandte sich der Tür zu.

Als das Telefon summte, blieb er stehen. Jo Anne nahm den Hörer ab und winkte Travers.

Chuck war am Apparat. »Es wird Sie interessieren, Mac«, sagte er, »dass unser Freund G. vor einer halben Stunde nach Paris abgeflogen ist.«

»Danke.«

»Okay, Mac. Ich habe übrigens alles veranlasst. Die Leichen werden morgen geborgen. Den Hubschrauber habe ich bezahlt. Laguiole hält die Schnauze, wenn die Sache als normaler Unfall hingestellt wird.«

Travers legte auf. Er nickte Jo Anne noch einmal zu und verließ das Hotel.

Er gab den Renault am Flughafen zurück, wo der Verleiher ein Büro unterhielt. Er kaufte ein Ticket nach Zürich. Von Zürich aus gab es einen direkten Anschluss nach Brüssel.

Bis zum Abflug hatte Travers noch eine gute Stunde Zeit. Er vertrieb sich einen Teil der Zeit mit dem Studium verschiedener Flugpläne, und er stellte fest, dass die Maschine, mit der Gorjanow nach Paris geflogen war, anschließend nach Brüssel weiterflog.

Travers suchte die Dusch- und Umkleideräume auf, nahm eine Kabine und begann, sein Aussehen zu verändern. Er überpuderte sein kurzes blondes Haar mit einem grauen Spray, schob sich Gummipolster unter die Wangen und weiche Plastikröllchen in die Nasenlöcher. Wenn Gorjanow die Brüssel-Spur kannte und aufnahm, würde er ein Auge auf jeden werfen lassen, der dort außer ihm ankam.

Travers war mit seiner Erscheinung zufrieden. In Verbindung mit einer entsprechenden Haltung — gebeugter, schleppender Gang, hochgezogene rechte Schulter — wirkte er fünfzehn Jahre älter. Selbst wenn Gorjanows Späher am Flughafen in Brüssel ein Foto von Travers haben sollte, würde er ihn nicht sofort erkennen.

Travers schlurfte zum Flugsteig und wartete auf seinen Aufruf.

*


DIE MASCHINE DER SABENA landete planmäßig um einundzwanzig Uhr dreißig in Brüssel. Travers ließ sich in die City fahren, wechselte zweimal das Taxi und betrat schließlich die Halle des Hotel Beaumont in einer ruhigen Nebenstraße unweit vom Hauptbahnhof.

Nachdem er ein Zimmer genommen hatte, prüfte er die Möglichkeiten, die er von hier aus hatte, und fand sie nicht optimal. Er musste jedes Telefongespräch über die Hotelzentrale anmelden, deshalb verließ er das Zimmer gleich wieder und ging zum Bahnhof. Von dort aus rief er die Botschaft an.

In Brüssel hatte Smith bisher noch keinen eigenen Mann unterbringen können, deshalb war Travers gezwungen, sich an den örtlichen Leiter der CIA zu wenden.

Der Mann, eine namenlose Stimme am Telefon, wusste bereits über Travers' Wünsche hinsichtlich der Ausrüstung Bescheid.

»Mal sehen, was wir für Sie tun können, Mac«, sagte er. »Rufen Sie morgen Vormittag noch mal an. So gehen zehn.«

»Hören Sie jetzt genau zu, Sie Bastard! Ich wünsche den ganzen Plunder morgen früh um acht Uhr in einem Schließfach im Hauptbahnhof vorzufinden ...«

»Mann, Mac, seien Sie doch vernünftig ...«

»Sie halten Ihr verdammtes Maul, wenn ich rede, verstanden? Acht Uhr. Den Schlüssel kleben Sie mit Kaugummi unter den Telefontisch in der dritten Telefonkabine westlich des großen Blumenstandes, vom Blumenstand aus gezählt. Verstanden?«

»Ja, aber ...«

»Kein aber. Und dann schicken Sie mir einen cleveren Mann in die Kneipe, die im Fußgängertunnel neben der Rolltreppe zur Auffahrt City liegt. Ich warte eine halbe Stunde. Ich werde an der Theke sitzen und eine Schachtel Marlboro aufrecht vor mir stehen haben.«

»Mann, Mac, haben Sie auf die Uhr gesehen?«

»Ich kann Ihr Gemaule nicht mehr mit anhören! Scheuchen Sie einen Ihrer Mini-Stars auf. Er soll seinen fetten Hintern aus dem Bett der Hure rollen, bei der er gerade liegt, und in dreißig Minuten dort sein. Verstanden?«

»Ich kenne ja Ihren Ruf, aber so ... Mann, Mac, ich kann nichts versprechen ...«

»Dreißig Minuten. Oder ich hole mir einen Burschen von der hiesigen Polizeischule.« Travers grinste böse und knallte den Hörer an den Haken.

Langsam schlenderte er aus der Halle und ließ sich mit der Rolltreppe unter den Bahnhofsplatz fahren. Er betrat die verräucherte Kneipe, die von Reisenden und Pennern bevölkert war. Er setzte sich an einen runden Tisch in der Nähe des Ausgangs und wartete.

Zwei Minuten vor Ablauf der Frist wirbelte ein schlanker Bursche in die Kneipe, ein Kerl mit braunem Haar, vollen Backen und auffallend großen Händen. Er schob sich an die Theke, drängte andere Gäste zur Seite und starrte auf die Platte. Dann blies er die Backen auf, spitzte die Lippen und ließ die Luft ab. Er setzte sich auf einen Hocker und bestellte ein Bier.

Travers nahm sein noch volles Glas und stellte sich neben den Burschen. Er setzte das Glas ab, zündete eine Zigarette an und baute die Schachtel vor sich auf. Der CIA-Mann war so damit beschäftigt, die anderen Gäste mit seinen Blicken zu durchbohren, dass er volle zwei Minuten brauchte, bis er Travers' Schachtel entdeckte.

Er hatte sich gut in der Gewalt. Langsam drehte er sich um, lächelte Travers an, wobei er sein Erstaunen über einen so >alten< Mann beinahe perfekt verbarg.

Travers sprach ihn auf Französisch an, redete Belangloses, wartete, bis der andere seine Code-Identifizierung nannte. Travers trank sein Glas aus, bezahlte und verließ die Kneipe.

Der CIA-Mann folgte ihm. Nebeneinander fuhren sie auf der Rolltreppe zum Bahnhofsvorplatz hinauf. Mitten auf dem Platz blieb Travers stehen.

»Ein Mann namens Jovo Bogadcon wohnt im Hotel Napoleon. Er besitzt einen amerikanischen Pass auf den Namen William Tabor, unter diesem Namen ist er dort auch abgestiegen. Sie besorgen sich ein paar Männer und überwachen diesen Vogel. Lückenlos, Freund, und wenn ich lückenlos sage, dann meine ich das auch so. Der Mann darf natürlich nichts davon merken, dass er observiert wird. Und Sie müssen damit rechnen, dass er noch von anderen beobachtet wird.«

Travers hatte den Burschen genau beobachtet. Er hatte mit keiner Wimper gezuckt, keine Ausflüchte versucht. Travers nickte zufrieden. Nach der Pflaume in der Botschaft hatte er schon mit dem Schlimmsten gerechnet.

Er gab eine exakte Beschreibung von Oleg Gorjanow und schärfte dem CIA-Mann ein, ihn sofort zu benachrichtigen, wenn er den Russen entdecken sollte. Travers glaubte nicht, dass die Gegenseite, in diesem Fall Gorjanow, die Spur des Albaners bereits entdeckt hatte. Travers hätte seinen Kopf darauf verwettet, dass Gorjanow noch suchte. Vermutlich hatte er eine Ahnung, dass das Zeug der Chinesen quer durch Mitteleuropa kommen sollte, mehr war aber auch nicht drin. Smith vertrat dieselbe Ansicht. Keine Hinweise darauf, dass die Russen die Spur hatten. Sonst hätten sie das Heroin besser und einfacher in der DDR abfangen können.

Travers gab dem Mann die Nummer seines Hotels und den Namen, unter dem er dort abgestiegen war. »Tag und Nacht, Freund, okay?«

»Okay«, bestätigte der andere.

»Und wie heißen Sie?«

»Greg.« Er gab Travers seine private Telefonnummer, dann drehte er sich um und verschwand in Richtung auf den Grand Place.

Am Morgen erfuhr Travers, dass ein neues Fernschreiben von Smith eingetroffen war. Travers ließ es sich von Greg in ein kleines Café in der Rue des Petits Bouchers bringen, wo er sein Frühstück einnahm.

»Was ist mit Bogadcon?«, fragte Travers dann.

»Abgereist.«

Greg lächelte. »Ich habe ihm einen Schatten verpasst«, berichtete er. » Bogadcon rollt zur Zeit über die Autobahn nach Osten.«

Deutschland, dachte Travers. Das Heroin war in dieser Nacht in einem ungarischen Lastwagen über die deutsch-deutsche Grenze bei Helmstedt geschmuggelt worden. Verborgen unter einer Ladung Rohtabak, die für eine Zigarrenfabrik in Holland bestimmt war. Smith hatte einen Mann in der Nähe dieses Lasters.

»Mein Kollege hat ein Funksprechgerät im Wagen. Ich rufe ihn jede Stunde an, wenn es sein muss auch öfter.«

»Wie lange fährt man von hier bis zur deutschen Grenze?«, fragte Travers.

»Eineinhalb Stunden.«

»Seit wann ist unser Freund unterwegs?«

»Seit einer Stunde.«

»Dann sollten Sie Ihren Mann einmal anrufen«, meinte Travers.

Greg nickte, stand auf und ging zu der geschlossenen Telefonkabine im düsteren Hintergrund des Lokals. Nach fünf Minuten kam er zurück.

»Er hat die Richtung geändert«, sagte Greg. »Er fährt jetzt über die belgisch-holländische Autobahn in Richtung Maastricht.«

Travers runzelte die Stirn, obwohl die Richtungsänderung nicht überraschend kam. Das chinesische Heroin befand sich unter einer Fracht, die für Holland bestimmt war.

Travers sah auf die Uhr. Es war kurz vor halb neun. »Ich brauche einen Wagen«, sagte er. »Was fährt man hier?«

»Renault, Simca, Ford.«

Travers bezahlte seine Rechnung, und zusammen mit Greg verließ er das Lokal. Greg brachte Travers zu einem Hertz-Büro. Travers entschied sich für einen neuen 2-Liter-Taunus, mit dem er sofort zum Bahnhof fuhr. Dort holte er zuerst den Schließfachschlüssel aus dem Versteck in der Telefonzelle und dann seine Ausrüstung aus dem Schließfach. Er verstaute alles in dem Ford, fuhr zu seinem Hotel, bezahlte die Rechnung und fuhr in die City zurück. Von der Hauptpost aus rief er Jo Anne in Marseille an.

»Gorjanow ist noch in Paris«, berichtete sie. Travers war überrascht, aber er unterbrach Jo Anne nicht. »Er scheint zu schwimmen. Er wartet auf Informationen, er telefoniert stundenlang und hält sich vorwiegend in der Nähe des Flughafens auf. Chucks Verbindungsmann glaubt, dass Gorjanow ein gechartertes Flugzeug zur Verfügung hat.«

»Er glaubt?«, fragte Travers bissig.

»Gorjanow gibt sich keine Blöße. Er ist sehr vorsichtig. Er rechnet offenbar damit, beschattet zu werden. Wie kann ich dich erreichen?«

Er gab ihr Gregs Telefonnummer, drückte die Gabel nieder und wählte anschließend Gregs Nummer. Greg war nicht zu Hause. Travers rief die Botschaft an, und der Telefonist legte das Gespräch auf die Welle von Gregs Autotelefon.

»Das Objekt«, sagte Greg, »ist in Maastricht angekommen. Der Mann sitzt in einem Café am Marktplatz und tut nichts, außer Brötchen essen und Kaffee trinken. Sollen wir dranbleiben?«

»Unbedingt. Schicken Sie notfalls noch zwei Leute hin. Er darf uns nicht durch die Lappen gehen.«

»Wird erledigt. Ende.«

Travers blieb noch im Postamt. Er sah auf die Uhr. Es war zehn Uhr durch. Er wartete bis kurz vor halb elf, dann rief er Smith an.

Smiths Keuchen klang höchst zufrieden. »Sie haben mein Telex bekommen«, begann er. »Der Laster befindet sich zur Zeit zwischen Köln und Aachen. Wissen Sie, wo das ist?«

»Ja«, bestätigte Travers.

»Wir kennen sein Ziel noch nicht...«

»Maastricht«, sagte Travers.

»Maastricht? Wo ist das?«

»Holland, nicht weit von Aachen. Der Albaner ist schon dort und wartet.«

»Und wo treibt sich unser sowjetischer Freund herum?«

»Paris. Er scheint auf Informationen zu warten. Von unserem Laster weiß er offenbar nichts.«

»Das ist gut. Ich nehme an, Sie können jetzt bald aktiv werden.«

»Ja, Sir«, bestätigte Travers trocken.

Er legte auf.

Zu Fuß ging er zum Grand Place zurück. Unterwegs achtete er sorgfältig darauf, ob er verfolgt wurde, konnte jedoch keinen Schatten ausmachen. Er schlug eine Stunde tot und rief dann von einer Zelle aus wieder die Botschaft an. Es lag eine Nachricht für ihn vor. Er sollte Jo Anne anrufen. Zuvor ließ er sich noch einmal mit Greg verbinden.

»Sie sind ungeduldig, Mac«, sagte Greg leicht tadelnd. »Aber es gibt Neues. Das Objekt ist zum Hafen gefahren und ist an Bord eines Lastkahns gegangen. Ein holländisches Schiff mit dem Namen >Geldermalsen<. Er hat einen Koffer mitgenommen. Es sieht so aus, als ob er eine Reise über die Maas oder die Kanäle antreten will;«

»Wissen Sie, welches Ziel der Kahn hat?«

»Noch nicht. Rufen Sie in einer halben Stunde noch einmal an. Mein Mann ist voll im Einsatz, aber er kann schließlich nicht den Schiffsführer fragen ...«

»Okay, okay«, murmelte Travers einlenkend. »Sagen Sie Ihrem Mann, er soll auf einen Laster aus Ungarn achten oder darauf, ob nachträglich Ware auf den Kahn geladen wird. Ende.«

Travers wählte die Nummer von Jo Annes Hotel in Marseille. Sie war in ihrem Apartment, zusammen mit Chuck, dem sie sofort den Hörer gab. Travers verspürte einen leichten Stich.

»Hi, Mac«, vernahm er Chucks Stimme. »Unser Freund G. fliegt zur Zeit über Frankreich. Ziel: Marseille. Können Sie damit etwas anfangen?«

»Details?«

»Unsere Leute konnten eins seiner Gespräche über Richtmikrofon abhören. Demnach soll er irgendetwas sausen lassen und etwas anderes absichern. Mehr haben wir nicht mitbekommen. Tut mir leid.«

»Es genügt. Lassen Sie ihn nicht aus den Augen ...«

»Klar, Mac. Wollen Sie Ihre Freundin noch sprechen?«

»Nein«, sagte Travers und legte auf.

Dann versuchte er noch einmal, mit Greg zu sprechen, aber die Funkzentrale der Botschaft meldete, dass Greg im Augenblick nicht erreichbar sei, er spreche gerade über sein Autotelefon. Travers wartete zehn Minuten und versuchte es dann noch einmal.

Diesmal meldete sich Greg. »Das Schiff hat schwere Maschinenteile für Antwerpen geladen«, berichtete er. »Es soll um fünfzehn Uhr auslaufen.«

»Antwerpen?«, fragte Travers. Er versuchte, sich die Landkarte vorzustellen. »Wie soll es dorthin kommen?«

»Über den Albert-Kanal.«

Travers holte seinen Wagen, setzte sich hinein und breitete die Karte von Belgien und Holland neben sich aus. Er studierte den Verlauf des Kanals, der über eine Strecke von etwa fünfundfünfzig Kilometer parallel zur Autobahn Lüttich—Antwerpen verlief, in einer Entfernung von nur sechs Kilometern.

Travers entschied, über die Autobahn Brüssel—Antwerpen nach Antwerpen zu fahren. Das waren nur einundfünfzig Kilometer. Von Antwerpen aus konnte er der >Geldermalsen< dann entgegenfahren und in Ruhe einen geeigneten Platz aussuchen.

Travers startete und suchte den Weg zur Autobahn.

Am frühen Nachmittag verließ Travers die Autobahn bei Broechem und fuhr über eine sehr schmale Landstraße nach Grobbendonk. Auf halbem Weg überquerte er den Kanal. Der erste Eindruck dieser Wasserstraße war enttäuschend, und er konnte sich kaum vorstellen, dass hier, auf einem so schmalen Gewässer, größere Schiffe verkehren konnten.

Travers fuhr weiter. Grobbendonk war ein malerischer Flecken mit einem spätgotischen Rathaus und putzigen schmalbrüstigen Häusern. Travers kaufte etwas kaltes Fleisch und frisches Brot und suchte eine Telefonzelle.

Greg berichtete, dass die >Geldermalsen< pünktlich ausgelaufen war. Zuvor hatte sie tatsächlich einige schwere Säcke von einem ungarischen Laster übernommen. Jetzt tuckerte sie bereits über den Kanal nach Westen. Gregs Mann blieb in der Nähe. Travers wies Greg an, seinem Mann einzuschärfen, dass er das Schiff nur beobachten und unter keinen Umständen, was auch immer geschehen möge, eingreifen solle.

Er fuhr zur Autobahn zurück und verließ sie wieder bei Tessenderlo. Die Straße, die zum Kanal führte, durchschnitt einen Wald. Das Laub war schon gelb, aber es hing noch an den Ästen, und das Unterholz war dicht.

Travers fuhr den Taunus in einen Holzfällerweg und versteckte ihn dann unter dichtem Buschwerk. Er stieg aus und überzeugte sich, dass der Wagen von der Straße aus nicht gesehen werden konnte. Er schloss den Kofferraum auf und holte die Teile seiner Ausrüstung heraus, die er zu brauchen glaubte. Das Kernstück war ein zusammenlegbares Savage-Gewehr für 30er Munition mit Schalldämpfer und extra großem Magazin für vierzig Geschosse.

Zusätzlich wählte er dann noch vier Handgranaten, eine kleine Rakete auf einem schlanken Stahlrohr, ähnlich einer Bazooka, nur viel kleiner. Mit diesem Ding konnte er den Kahn notfalls versenken, indem er ein Loch in den Schiffsrumpf brannte.

Travers verschloss alles, was er nicht brauchte, im Kofferraum, verstaute das noch auseinandergenommene Gewehr in dafür vorgesehenen Schlaufen unter dem Parka und machte sich auf den Weg.

Der Wald reichte bis an die Kanalböschung heran. Auf der anderen Seite erstreckte sich weites Ackerland mit abgeernteten Feldern. Das nächste Haus, erkennbar an dem flachen, wie geduckt daliegenden roten Dach, lag mehr als eine halbe Meile entfernt.

Er fand seinen Platz nach eineinhalb Meilen. Das umgebende Gelände stieg weit genug an, um von dort Einblick auf die Oberfläche des Wassers zu gewähren. Es wurde jetzt rasch dunkler, als Travers ein Stück in das dichte Unterholz eindrang. Er wählte den Stamm einer abgestorbenen Kiefer als provisorischen Schießstand.

Er setzte das Savage zusammen, schraubte das Zielfernrohr auf und den kurzen bulligen Schalldämpfer. Dann legte er den Lauf an den Stamm, presste den Schaft an die Wange und blickte durch das Glas.

Travers stellte das Gewehr ab und klemmte den Lauf zwischen den Knien ein. Auf die Mündung des Schalldämpfers steckte er einen Zylinder aus schimmerndem Aluminium, der oben mit einer roten Kappe verschlossen war.

Travers legte die Stirn in Falten. Es ging darum, für kurze Zeit an die Heroinladung heranzukommen. Was er hier vorhatte, war die Vorbereitung dazu.

Hinter der hohlen Hand zündete er eine Zigarette an und wartete.

Unhörbar, wie von Geisterhand geschoben, rauschte die >Geldermalsen< durch das Wasser. Travers hatte den Bug genau im Blickfeld. Und er erkannte die weiße Schrift auf schwarzem Grund. >Geldermalsen<.

Travers konzentrierte sich auf den Führerstand. Jetzt konnte er ein Gesicht erkennen, ein breites, behäbiges Gesicht mit einer dicken Nase. Im geschlitzten Mund steckte eine Pfeife. Das war der Schiffer.

Und hinter ihm stand ein zweiter Mann. Travers hielt das Gewehr ruhiger, bei der starken Vergrößerung genügte der Pulsschlag in seiner Hand, um das Bild zittern zu lassen.

Er erkannte den Albaner an seiner gebeugten Haltung und den eingefallenen Wangen, und selbst auf diese Entfernung glaubte er, den verschlagenen Ausdruck in den tiefliegenden Augen erkennen zu können.

Die >Geldermalsen< war noch eine halbe Meile entfernt. Travers brauchte die Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. Er tastete nach den Handgranaten unter dem Parka und nach der Bazooka, die vor ihm am Baumstamm lehnte. Er setzte das Gewehr einen Augenblick ab, um seine Augen nicht allzu sehr anzustrengen. Die Positionslaternen, rot an Backbord, grün an Steuerbord, funkelten wie Edelsteine. Travers sah nach Westen. Kein anderes Schiff befand sich in Sichtweite.

Travers blickte noch einmal durch das Zielfernrohr. Travers musste sich etwas einfallen lassen.

Er schloss eine Hand um das kühle Metall der Bazooka, stellte schließlich das Savage griffbereit an den Baum und hob die Raketenwaffe. Er klappte das Visier in die Höhe und stellte es auf achtzig Yard. Dann hob er die Waffe an seine Schulter, presste die Schulter gegen den Stamm und stemmte seine Füße fest in den weichen Boden. Ruhig wartete er auf den Moment, in dem die >Geldermalsen< den Rahmen der Visiereinrichtung durchschnitt.

Langsam und weich löste er die Zündung des Raketengeschosses aus.

Der dosenähnliche Kopf fauchte davon. Die Treibladung hinterließ einen dünnen, weißen Nebel in der kühlen Luft. Travers ließ das jetzt nutzlose Rohr fallen und riss das Savage an seine Schulter. Er blickte durch das Zielfernrohr.

In diesem Augenblick traf das Geschoss den hölzernen Aufbau an der rechten Ecke in halber Höhe. Die Detonation war nicht laut, aber die Hütte zerbarst förmlich mit einem trockenen Knall. Latten fetzten heraus, wirbelten hoch durch die Luft; die linke Seitenwand und die Rückwand krachten zusammen. Es staubte ein wenig, doch die Lichtstärke des Zielfernrohrs reichte aus, um den leichten Schleier zu durchdringen.

Travers sah das ausgemergelte Gesicht des Albaners, seine in stummem Entsetzen weit aufgerissenen, glühenden Augen. Travers zielte auf eine Stelle neben Bogadcons Beinen und zog den Abzug durch.

Die Magnesiumpatrone zerplatzte mit einem dumpfen Knall an der stehengebliebenen Steuerbordwand des Ruderhauses und übergoss den Albaner mit einem rot sprühenden Funkenregen.

Travers hörte seine Schreie. Auch der Schiffer hatte offenbar etwas mitbekommen, als die Bazooka die halbe Kabine um ihn herum in Trümmer legte. Die brennende Magnesiumpatrone ließ ihn wie eine Gestalt aus Dantes Inferno erscheinen. Ein Mann im Höllenfeuer. Es war ein aufregendes Schauspiel. Der Schiffer hing unter dem mächtigen Steuerrad, eine Hand in die Speichen verkrallt.

Er sah dem Schiff nach. Der Schiffer bewegte sich, er zog sich am Steuerruder in die Höhe, schaffte es noch nicht. Das Rad wirbelte herum, und der Bug des Kahns schwang nach backbord. Travers zog den Reißverschluss des Parka hoch. Er blieb stehen, bis sich der Bug der >Geldermalsen< laut knirschend in das schwarze Basaltgestein der Uferböschung bohrte und das Heck herumschwang. Die Schraube quirlte das dunkle Wasser zu weißem Schaum auf, bis es hässlich krachte und der Kahn quer im Kanal festsaß.

Ungesehen erreichte Travers seinen Wagen, stieg ein und fuhr davon.

In Hasselt nahm Travers ein Zimmer im besten Hotel. Er schaltete sofort das Radio ein, bestellte sich etwas zu essen aufs Zimmer, duschte und rasierte sich.

Der erste Bericht, der sich mit dem seltsamen Anschlag auf ein Binnenschiff befasste, kam erst in den Mitternachtsnachrichten. Travers merkte auf, als der Sprecher das Krankenhaus erwähnte, in das man den leicht verletzten Schiffer und den schwer verletzten Mitfahrer — Mitfahrer! — gebracht hatte. Travers konnte sich die Aufregung des Albaners vorstellen, der einerseits um sein Leben fürchtete, andererseits jedoch die millionenschwere Ladung nicht allein lassen durfte. Bogadcon würde bestimmt eine schlaflose Nacht verbringen.

Eine Viertelstunde nach Mitternacht klopfte es an seine Tür. Travers öffnete und ließ Greg ins Zimmer.

»Ich hätte mir ja gleich denken können, dass Sie dahinterstecken«, sagte er vorwurfsvoll. Er ließ sich ein Glas Bourbon einschenken und warf sich in einen der beiden Plüschsessel. »Wie geht es jetzt weiter? Was soll ich hier?«

»Wird das Schiff noch bewacht?«

Greg schüttelte den Kopf. »Die Provinzialpolizei hat alles abgesucht und das Schiff freigegeben. Man vertritt die Ansicht, dass irgendwelche jungen Burschen eine Panzerfaust aus dem letzten Krieg gefunden und das Ding ausprobiert haben. Ein Schleppkahn hat die >Geldermalsen< aus der Fahrrinne gezogen und in die nächste Ausweichbucht geschleppt. Dort liegt sie jetzt.«

»Ist jemand an Bord?«

Greg schüttelte den Kopf.

»Prima. Besorgen Sie siebenhundert Pfund Puderzucker und tauschen Sie das Zeug gegen das Heroin aus. Das Heroin schicken Sie nach Washington. Als Diplomatensendung.« Travers kritzelte eine von Smiths Deckadressen auf einen Zettel.

Gregs volle Wangen erschlafften. »Mensch, wo soll ich mitten in der Nacht siebenhundert Pfund Puderzucker herbekommen?«

»Klauen Sie's notfalls. Mir ist es egal. Rufen Sie Ihren Boss an. Ihm wird schon etwas einfallen.« Travers dachte an die Pflaume, mit der er gestern Abend nach seiner Ankunft in Brüssel gesprochen hatte, und war davon überzeugt, dass Greg das Zeug lieber selbst besorgen würde.

»Vorher aber«, sagte er, »lotsen Sie mich nach Diest. Ich habe keine Lust, mir selbst den Weg zu suchen.«

Greg kniff die Lider zusammen. »Da liegen die beiden Verletzten?«

Travers grinste. »Genau. Ich muss jemandem nämlich noch etwas Dampf unterm Hintern machen.«

»Das haben Sie doch schon gründlich besorgt«, sagte Greg.

»Schon, aber der Hundesohn soll wissen, wem er das Ding zu verdanken hat.«

»Einem Burschen von einer Sonderabteilung der amerikanischen Spionageabwehr? Mac, jetzt verstehe ich gar nichts mehr!«

»Das ist auch besser so. Hören Sie aber gut zu, mein Lieber. Wenn ich den Bastard besuche, bin ich kein Ami. Sondern einer von den verdammten Kommis, verstehen Sie?«

Greg pfiff zwischen gespitzten Lippen. »Dann wollten Sie diesen Burschen gar nicht töten? Ich dachte schon ...«

Thriller Spannung ohne Ende! Zehn Krimis - 2000 Seiten

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