Читать книгу Thriller Spannung ohne Ende! Zehn Krimis - 2000 Seiten - Alfred Bekker - Страница 98

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Über die Küstenstraße fuhr Travers am nächsten Morgen bis St. Raphael. Dort bog er ab und wählte die kürzere Strecke über Frejus nach Marseille.

Er hatte einen braunen Renault 16 genommen, und er war mit dem Wagen zufrieden. In seiner Brusttasche steckte das entschlüsselte Fernschreiben, das er später verbrennen musste. Es war noch in der Nacht gekommen, und Johnny Parr hatte es ihm am Morgen in einer Snackbar übergeben. Als er auf Marseille zufuhr, dachte er einen Augenblick an Jo Anne, und er fragte sich, was sie jetzt treiben mochte. Er hatte sie nach einem ausgiebigen Dîner und einem anschließenden Besuch in einem Cabaret zu einem Taxi gebracht. Er konnte weder ihren herrlichen geschmeidigen Körper noch ihr hintergründiges Lächeln vergessen, und er war ziemlich sicher, dass sie noch ein paar Überraschungen für ihn auf Lager hatte.

Travers hatte nicht den Eindruck, dass er verfolgt wurde, aber er sagte sich, dass er dessen nicht gewiss sein konnte. Den Wagen hatte er erst am Morgen gemietet und war gleich losgefahren — ein Peilsender unter den Kotflügeln oder ähnliche Tricks schieden demnach aus. Travers zuckte die Achseln. Er musste die Dinge an sich herankommen lassen. Wie immer.

Gegen Mittag rollte der Wagen durch die Vororte von Marseille, und eine Viertelstunde später stellte er ihn im Vieux Port, dem alten Hafen, ab. In einem der unzähligen kleinen Restaurants aß er eine Schüssel Bouillabaisse, und weil er noch Hunger hatte, probierte er Brandade, ein wohlschmeckendes Kabeljaupüree. Von seinem Platz aus konnte er den Wagen im Auge behalten. Niemand interessierte sich für das Fahrzeug.

Dann schlenderte er durch den Hafen, sah über die weite geschwungene Bucht, prägte sich die Anlagen des Marinehafens, des Frachthafens, die Lage der Werften und der Ölraffinerien ein.

Um zwei Uhr betrat er eine Telefonzelle und wählte die Nummer des amerikanischen Konsulats in Marseille. Er fragte nach dem Vorzimmer des Chefs, nannte der Sekretärin ein Codewort, worauf er mit einem Mann verbunden wurde, dessen Name nicht erwähnt wurde.

Travers wiederholte das Codewort und sagte: »Ich brauche einen Hubschrauber.«

»In Ordnung. Wann?«

»Um acht Uhr heute Abend.«

»Rufen Sie in einer Stunde wieder an.« Es klickte.

Travers fuhr in die Innenstadt. Er parkte im Schatten der Kathedrale La Major und ging in ein Kino. Er schlief dort fast zwei Stunden, dann rief er wieder das Konsulat an.

Sein Partner murmelte etwas Unverständliches, wahrscheinlich beklagte er sich darüber, dass Travers eine Stunde später als gewünscht anrief und er deshalb um seinen pünktlichen Feierabend kam.

»Fahren Sie nach Cassis, das sind zweiunddreißig Kilometer die Küstenstraße entlang. Es gibt dort einen Privatflugplatz. Melden Sie sich im Büro und nennen Sie den Namen Jim Arnold. Die Maschine müssen Sie selbst bezahlen.«

Travers bedankte sich und legte auf. Er fuhr sofort los und erreichte die kleine Stadt um halb acht. Der Weg zum Flugplatz war beschildert, und er fand ihn sofort.

Er meldete sich bei der Verwaltung und wurde zu einem flachen Hangar am Südostende des Platzes geschickt.

In dem Hangar standen vier Helikopter verschiedener Bauart. Aus einem Verschlag kam ein schlanker Mann in einem sauberen orangefarbenen Overall.

»Sie sind Mr. Arnold?«

Travers nickte. »Ein Nachtflug auf die See hinaus«, sagte er. »Irgendwelche Probleme?«

»Nein, Monsieur. Ich bin Jaques Villedary und stehe Ihnen zur Verfügung.«

Travers deutete auf einen Bell-Hubschrauber, der eindeutig aus Armeebeständen stammte. »Wie ist es mit dem?«

»Alle Maschinen sind startbereit. Der Bell kostet allerdings vierhundert Francs die Stunde.«

»Okay.« Travers zog ein Bündel Geldscheine aus der Tasche und blätterte eintausendzweihundert Francs ab, die er dem Franzosen gab. »Wenn wir früher zurückkommen, gehört der Rest Ihnen.«

Der Franzose machte ein erfreutes Gesicht, als er das Geld in seinem Overall verstaute. »Wollen wir gleich los?« Travers nickte nur.

Er half dem Piloten die Rolltore zur Seite schieben, dann kletterte er in den Helikopter und schnallte sich fest. Die Maschine rollte aus dem Hangar, die Triebwerke pfiffen schrill, als Villedary sie Warmlaufen ließ, und vier Minuten später hoben sie ab.

Der Boden glitt unter Travers' Füßen weg, die Lichter zogen sich zusammen, und dann schwenkte die Maschine auf die See hinaus.

Travers trug jetzt den Helm mit eingebauten Kopfhörern und dem Mikrofon. Das Heulen der Triebwerke spürte er nur über die Vibrationen in seinem Schädel.

»Irgendeinen besonderen Wunsch?«, drang die Stimme des Piloten klar verständlich an Travers' Ohren.

»Ich suche ein Schiff«, bekannte Travers. »Es soll an diesem Abend in Marseille einlaufen. Ich muss es identifiziert haben, bevor es die Dreimeilenzone erreicht.«

»Das wird nicht so einfach sein ... es wird dunkel.«

»Das ist mein Problem. Fliegen Sie raus und schalten Sie die Positionslichter aus.«

Villedary warf Travers einen schnellen Blick zu, zuckte die Achseln und betätigte zwei Schalter. Travers trug einen dünnen weiten Mantel aus dunklem Stoff. Aus einer der großen Innentaschen holte er das starke Nachtglas heraus, das zu seiner Ausrüstung gehörte. Er hob es an seine Augen und richtete die Objektive durch die gläserne Kanzel nach unten.

Schimmernd und scheinbar unbewegt lag die Wasserfläche in der weiten Bucht. Travers verfolgte die Leuchtzeichen, die die Hafeneinfahrt markierten und weit ins offene Meer hinausreichten. An den phosphoreszierenden Streifen hinter den ein- und auslaufenden Schiffen konnte er deren Kurse über Meilen hinweg verfolgen.

Er setzte das Glas ab und betrachtete den Piloten von der Seite. Der Mann wirkte sehr ruhig und keine Spur neugierig. Vermutlich wurde er hin und wieder mit Aufträgen ähnlicher Art bedacht und hatte sich das Fragen und Wundern abgewöhnt. Travers war mit der Wahl seines Kontaktmannes durchaus zufrieden.

Im Kopf rekapitulierte er die Beschreibung der Halmyros, die so genau war, dass er sie selbst bei Dunkelheit einwandfrei aus der Luft würde identifizieren können.

Das Fernschreiben hatte genauere Angaben enthalten. Beobachter der Sechsten US-Flotte hatten den Kurs des Frachters verfolgt. Um vier Uhr Ortszeit an diesem Morgen hatte er sich zweihundertsechzig Meilen vor Marseille befunden. Die Marinebeobachter hatten Kurs und Geschwindigkeit berechnet und die Ankunft der Halmyros im Hafen von Marseille für zweiundzwanzig Uhr dreißig vorausgesagt. Sie behielten das Schiff unter Kontrolle und würden Alarm schlagen, falls es beidrehen, anhalten, den Kurs oder die Geschwindigkeit änderte.

Acht Meilen draußen vor der Küste, die Lichter der großen Stadt und des Hafens waren nur noch als dünne Punkte unter der glimmenden Lichtkuppel über Marseille auszumachen, kreisten sie in einem langgestreckten Oval. Travers ließ das Glas nicht mehr von den Augen. Sorgfältig betrachtete er jedes Schiff, das nur in etwa die Größe der Halmyros aufwies.

Um einundzwanzig Uhr vierzehn war es soweit. Travers deutete nach links unten. »Gehen Sie höher«, sagte er in das Helm-Mikrofon.

Der Pilot zog die Maschine steil hoch und drehte die Kabine so, dass das Schiff voll in Travers' Blickfeld lag.

An dem Seil zwischen den Ladepfosten brannten sechs farbige Lichter, das Wahrzeichen der griechischen Reederei. Auch die Schornsteinmarke stimmte.

Langsam bestrich Travers die Umgebung des Frachters. Er hielt nach einem anderen Schiff Ausschau, nach einer schnellen Jacht, einem schnittigen Schnellboot, das die heiße Fracht übernehmen musste.

Doch in einem Umkreis von vier Meilen war kein Fahrzeug zu erkennen, das für eine solche Aktion geeignet erschien. Travers' Spannung nahm sprunghaft zu. Er durfte hier die Spur nicht verlieren. Wenn das Rohheroin erst in einem der zahlreichen Laboratorien verschwand, wo es in handelsfähiges Pulver verwandelt wurde, würde er Schwierigkeiten haben, seine Spur wiederzufinden.

Beinahe hätte er den dunklen Schatten übersehen, der plötzlich durch den Ausschnitt seines Sehfeldes glitt wie ein großer schwarzer Nachtvogel. Für einen Augenblick hatte er ihn gesehen, als der Flugkörper über die Lichterreihe des Frachters geflogen war. Jetzt, gegen die ölig schimmernde See, konnte er die unbeleuchtete Maschine nicht mehr erkennen. Sie war eins mit der Nacht.

Ein Helikopter. Scheint dasselbe wie wir zu suchen, dachte Travers. Unbeleuchtet, ein verstohlener Schatten über der ruhigen See. Travers warf einen Blick zum Himmel hinauf. Auf schwarzem Samt funkelten die Sterne, doch der Mond war noch nicht aufgegangen. Niemand dort unten war in der Lage, den Bell-Hubschrauber auszumachen, und das Geräusch der Rotoren dürfte dort auch nicht zu vernehmen sein, nicht auf einem Frachter, der mit voller Kraft einen Hafen ansteuerte.

Travers presste die Lider zusammen, öffnete sie wieder und hob das Glas an die Augen.

Auf dem Manöverdeck achtern flammten Lichter auf. Travers erkannte mehrere Gestalten, die sich an die Reling pressten und die Mützen festhielten.

Da war der Schatten wieder, deutlicher jetzt. Der Hubschrauber schwebte von steuerbord herab, geriet über die Landelichter und setzte dann auf. Sofort wurden die Lampen gelöscht, aber Travers erkannte, dass jetzt ein schwaches Licht in der Kanzel brannte.

Mehrere Männer schleppten kleinere Säcke herbei, die sie dem Piloten hinaufreichten. Die Verladeaktion dauerte kaum fünf Minuten, dann hob der Helikopter wieder ab.

Jaques Villedary ließ den Bell sinken. Travers verfolgte den Flug der anderen Maschine, er verlor sie zweimal gegen den dunklen Untergrund, bis Villedary seine Maschine auf gleiche Höhe gebracht hatte, etwa dreihundert Fuß über der Wasseroberfläche. Der fremde Hubschrauber hielt auf den schimmernden Lichtdom über der Stadt zu.

Der Flug führte in nordöstlicher Richtung über Marseille hinweg.

»Das ist sumpfiges Land«, erklärte der Pilot. »Es gibt hier nur ein paar einsam gelegene Bauernhöfe, aber kaum befahrbare Straßen, jedenfalls nicht für Personenwagen.« Er schwenkte ein paar hundert Yard nach Westen ab, damit die Insassen der verfolgten Maschine den Bell nicht gegen den helleren Hintergrund der Stadt erkennen konnten.

Sie überflogen die Autobahn Marseille-Avignon in niedriger Höhe und ließen sie dann schnell hinter sich. Weit rechts war das unbeleuchtete Band der Straße nach La Pomme und Trets immer dann auszumachen, wenn die Scheinwerfer eines Wagens die Dunkelheit durchschnitten.

Das Sumpfgelände unter ihnen war schwarz, und Travers hatte große Schwierigkeiten, den ebenfalls schwarzen Umriss der Maschine vor ihm nicht aus den Augen zu verlieren.

»Langsamer«, sagte er plötzlich. »Noch langsamer ...« Der Schatten voraus wurde jetzt rasch größer, der fremde Helikopter stand mit schwirrenden Rotorblättern in der Luft. Am Boden blitzte ein Signal, und die verfolgte Maschine sank.

»Runter jetzt! Schnell!«, zischte Travers. Villedary reagierte sofort. Travers' Magen stieg ihm in den Hals, und er hielt sich irgendwo fest. Mühsam sagte er: »Ich springe raus, und Sie ziehen ab, bevor der andere die Rotoren abstellt und Sie vielleicht hört.«

Der Franzose nickte. »Soll ich Sie abholen?«

»Nein«, sagte Travers. »Vergessen Sie mich.«

Der Boden wuchs ihm entgegen, und er löste den Sicherheitsgurt. Villedary riskierte viel für seine Maschine, indem er auf unbekanntem, unsicherem Gelände blind aufsetzte. Es gab einen harten Ruck, als die Kufen den Boden berührten. Travers zog den Helm ab, stieß die Kabinentür auf und ließ sich hinausfallen.

Der Winddruck der Rotoren presste ihn in feuchtes, hartes Gras, und er legte die Arme über seinen Kopf, weil Schlammbrocken auf ihn niederprasselten. Der Bell zog mit schräg hängender Kabine in die Höhe.

Travers stand auf. Seine Kleidung war durchnässt, seine Füße versanken im nachgiebigen, weichen Untergrund. Vorsichtig setzte er Fuß vor Fuß, die Augen auf die Stelle gerichtet, wo der fremde Helikopter niedergegangen war. Das Landesignal war schon wieder erloschen, Travers konnte jedenfalls nichts erkennen. Ein leichter Wind rauschte durch Büsche und Gras. Sonst war Stille.

Im Schutz eines niedrigen, verdorrten und verkrüppelten Baumes blieb er stehen und hob das Glas an die Augen. Aufmerksam schwenkte er den lichtstarken Feldstecher.

Als ein flaches, massiges, tiefschwarzes Gebäude in sein Blickfeld geriet, wie ein geduckt lauerndes Ungeheuer, verharrte Travers regungslos. Er wartete geduldig, doch nichts rührte sich, und kein Lichtschimmer war zu erkennen.

Travers schob das Glas in die Innentasche seines Mantels und holte die schwere langläufige Match-Pistole heraus, die er in einem Spezialholster an der linken Hüfte trug. Er setzte den Leichtmetallkolben an, schraubte ein Zielfernrohr und den Schalldämpfer auf und bewegte sich dann langsam und behutsam auf das Anwesen zu.

Alle seine Sinne waren geschärft. Er hatte sich an die natürlichen Geräusche seiner Umgebung gewöhnt, an das Rauschen des Windes, an das Schmatzen, wenn sein Fuß in einem Wasserloch versunken war und er ihn wieder herauszog, und an den weichen Flügelschlag der Nachtvögel, die auf Beuteflug waren.

Jetzt konnte er das Gebäude auch ohne Glas erkennen, obwohl am Himmel Wolken aufgezogen waren und den aufsteigenden Mond verdeckten. Travers war sicher, dass der Hubschrauber auf der anderen Seite stand und gerade entladen wurde. Er, Travers, hatte eins der illegalen Labors entdeckt, in denen Rohheroin aufgearbeitet wurde, bevor es in die Vereinigten Staaten geschmuggelt wurde. Zu gegebener Zeit würden die amerikanischen Behörden der französischen Polizei einen Tipp geben.

Thriller Spannung ohne Ende! Zehn Krimis - 2000 Seiten

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