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Kapitel 7: Das Laufbaum-Alien

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Rhon traf im hinteren Teil des Maschinentrakts auf Erric. Der vordere Bereich war den Triebwerken vorbehalten, die Xorr inzwischen wieder vollständig repariert hatte. Im hinteren Teil des Maschinentrakts war die Energieversorgung für die Waffensysteme und der Schildgenerator, der einen Energieschirm um die AVALON projizieren konnte, mit dessen Hilfe sich ein Beschuss abwehren ließ.

Zumindest wenn die Treffer nicht zu energiereich waren.

„Ich dachte erst, dass ich es über den Bordcomputer hinbekomme und irgendwie die Codes knacke. Aber jetzt habe ich es auf andere Weise geschafft! Dazu musste ich ein paar Verbindungen ändern und außerdem...“ Erric redete in einem fort vor sich hin.

Rhon überlegte dabei, wie er ihn unterbrechen konnte.

„Erric!“, sagte er schließlich. „Ich wollte dir sagen, was mit Davis City passiert ist!“

„Davis City?“ Erric hielt inne und runzelte die Stirn.

Rhon nickte. „Nach allem, was wir wissen, gibt es die Stadt nicht mehr. Die Robos haben wohl den Kommunikations- und Transmitterknotenpunkt zerstören wollen.“

Errics Gesicht veränderte sich. Es zeigte Verzweiflung, Wut, Trauer und alle nur denkbaren Mischungen zwischen diesen Gefühlen. Er schlug die Faust gegen das Gehäuse des Steuermoduls für die Energieversorgung, das genauso abgestürzt war, wie alle anderen Rechnersysteme an Bord. „Verdammt...“, murmelte er.

„Annn versucht alles darüber herauszubekommen. Aber das Datennetz ist zusammengebrochen und wir sind auf sehr spärliche Informationen aus dem Funkverkehr der Robos angewiesen.“

Erric schwieg einige Augenblicke. Er ging zwei Schritte auf und ab. Die Arme verschränkte er dabei vor der Brust. Sein Blick war starr. Er schien intensiv darüber nachzudenken, was er jetzt tun konnte.

Dann blieb er plötzlich stehen und schnipste mit den Fingern. „Ich muss nach Davis-3 fliegen, um zu sehen, was dort los ist!“

„Und was willst du dann tun? Dich von den Robos abschießen lassen?“, gab Rhon zurück. „Ich verstehe dich – und ich verstehe auch Annn, die dasselbe vorhat. Aber es ist leicht, kopflos in einen Jäger zu steigen und dann vielleicht nicht wiederzukehren.“

„Aber die Jäger haben doch auch Schutzschirme und wenn wir jetzt schonmal das System für die AVALON geknackt haben, dann kriegen wir den Rest auch noch hin!“

„Du bist ein Optimist, Erric. Aber denk dran: Das warst du auch, als du versucht hast, mich in der Höhle von Mantop zu überholen.“

Es dauerte zwanzig Minuten, bis die Bordsysteme wieder hochgefahren werden konnten. Die Ortung funktionierte wieder. Tabeja meldete dem Captain, dass sich drei Robo-Schiffe von Davis-3 aus in Richtung auf die aktuelle Position der AVALON bewegten. Aber das musste nichts damit zu tun haben, dass man einen der beiden Raumkreuzer – die AVALON oder die CAMELOT – eventuell entdeckt hatte und nun vielleicht zu einer groß angelegten Jagd durch das All geblasen wurde.

Allerdings wurde die Lage weiterhin aufmerksam beobachtet.

Bevor die AVALON eventuell eingekreist und angegriffen wurde, musste man genug beschleunigen, um erneut in den Zwischenraum entfliehen zu können. Genug Energie hatte die AVALON dafür ja noch.

Und dasselbe galt wohl auch für die CAMELOT.

Ein Jäger flog zur AVALON hinüber. Dort wurde das Außenschott eines Hangars geöffnet, nachdem die Bordcomputer wieder funktionierten, und der Jäger flog ein.

Sanft landete die Maschine auf der dafür vorgesehenen Fläche.

Der Pilot war ganz sicher sehr begabt.

Unter anderen Umständen hätte ich mich gefreut, ihn in einem Rennteam einer Weltraumstaffel zu haben!, dachte Rhon, während er auf einem Bildschirm im Maschinentrakt mitverfolgte, was geschah.

Der Pilot, der dann den Jäger CAMELOT-21 verließ und von Rhon und Erric an der Luftschleuse abgeholt wurde, überraschte die beiden dann doch ziemlich. Zunächst einmal trug er keinen Raumanzug, was wohl einfach daran lag, dass es für seinesgleichen einfach im Zeitalter der Raumfahrt keine Anzüge gegeben hatte und es wohl sehr fraglich war, ob es überhaupt möglich war, für ihn einen Anzug zu produzieren.

Der Pilot glich nämlich einem wandelnden Bonsai-Bäumchen.

Er – oder vielleicht war es auch eine Sie, ein Es oder noch etwas ganz anderes - krabbelte auf seinen Wurzelbeinen über den Boden.

An den Enden seiner sich verästelnden Zweige befanden sich jeweils kleinere oder größere Greiforgane, die wie geschaffen dafür zu sein schienen, Konsolen und Touchsscreens zu bedienen.

Dort wo sich der Stamm zum ersten Mal in zwei Hauptäste teilte, waren ein paar Augen. Mit einem Riemen war ein Übersetzungsgerät am linken Hauptast befestigt, dass Gedanken des Baumwesens direkt in menschliche Sprache übertragen konnte. Schließlich besaß der Baum keinen Mund oder irgendeine andere Körperöffnung, mit der er hätte sprechen können.

Nahrung nahm er auf, indem er seine Wurzelfüße in Nährerde steckte und der einzige Laut, die seine Art von sich gab, war Blätterrascheln.

Ein Laufbaum, dachte Rhon. Er hatte schon von dieser Spezies gehört. Man wusste nicht mehr genau, von welcher Welt die Laufbäume ursprünglich stammten, den schon in der Zeit der Raumfahrer hatten sie sich auf vielen Welten verbreitet. Die menschlichen Raumfahrer schätzten schon damals ihre Gesellschaft. Sie waren pflegeleichter als irdische Zimmerpflanzen, weil sie sich selbst versorgten und außerdem noch Aufgaben erfüllen konnten – sahen aber Ziergewächsen sehr ähnlich. Erst nachdem man bereits jahrhundertelang die Laufbäume als Zimmerpflanzenersatz an Bord von Raumschiffen gehalten hatte, waren Biologen darauf gekommen, dass diese Wesen hoch intelligent waren. Mindestens so intelligent wie Menschen. Vor allem erwies sich, dass sie ein ausgeprägtes Talent hatten, technische Systeme zu bedienen.

„Ich bin Cheftechniker der CAMELOT“, sagte der Laufbaum. „Man nennt mich dort Lancelot.“

Wie passend, dachte Rhon. Lancelot war schließlich ein Ritter aus der Tafelrunde von König Artus auf Camelot gewesen. Und irgendeinen Namen hatte ihm Captain Barton und seine Spacer-Mannschaft schließlich geben müssen. „Es steht dir allerdings frei mir einen anderen Namen zu geben, wenn dir das lieber ist.“

„Nein, Lancelot ist schon in Ordnung“, sagte Rhon.

„Menschen brauchen für andere Wesen einen Namen, um sie besser unterscheiden zu können. Unter uns Laufbäumen ist das nicht der Fall...“

„Ja, davon habe ich gehört“, nickte Rhon.

„Ich schlage vor, wir verlieren keine Zeit und ihr bringt mich zum Rechnerzugang des Maschinentraktes. Es gibt da eine primitive Verschlüsselung, die offenbar dafür geschaffen wurde, Menschen daran zu hindern, die Waffensysteme stillgelegter Kriegsschiffe zu benutzen und damit kriminelle Zwecke zu verfolgen...“

Erric und Rhon wechselten einen kurzen Blick.

„Primitive Verschlüsselung?“, fragte Rhon etwas ungläubig. Schließlich hatten sich inzwischen einige von ihnen daran trotz Unterstützung durch die Rechnersysteme mehr oder weniger die geistigen Zähne ausgebissen.

„Die Denkstruktur eines Laufbaums unterscheidet sich grundlegend von der eines Menschen“, erklärte Lancelot. „Dinge, die euch kompliziert erscheinen, sind für mich sehr einfach, während ich umgekehrt immer wieder feststellen muss, dass es andere Dinge gibt, die ich auch nach viele Jahren, die ich fast ausschließlich unter Menschen gelebt habe, nicht begreife...“

„Aber wenn es so einfach war, die Waffen der CAMELOT wieder in Betrieb zu nehmen, weshalb habt ihr dann offenbar eines der Geschütze reaktiviert?“, mischte sich nun Erric ein.

„Weil wir ein Problem mit der Energieversorgung hatten, nachdem ein schwerer gegnerischer Treffer einen Haupttransformator zum Durchbrennen brachte. Um den Schaden zu beheben brauchten wir ein paar seltene Mineralien, die man unter anderem auf dem Grüne-Murmel-Mond findet. Sobald unsere Raumjäger zurück sind, werden wir den Schaden behoben haben.“

„Was ist mit den Geschützen der Jäger?“, hakte Erric sofort nach. „Kann man die nicht auch wieder in Gang bekommen?“

Sie gingen den Flur entlang zum Antigravschacht. Der Laufbaum verlangsamte etwas das Tempo und blieb schließlich stehen. Vielleicht dachte er über Errics Frage nach. Oder er hatte sie nicht richtig verstanden. Doch dann kam doch eine Antwort. „Ich nehme an, dass es auch da möglich ist, den Zugangscode wieder freizuschalten, sodass man die Jägerwaffen wieder mit Energie laden kann. Wir sind noch nicht dazu gekommen, das auszuprobieren, da man uns andauernd verfolgt hat!“

––––––––


SPÄTER, ALS DER LAUFBAUM vor einem der Touchscreens im Maschinentrakt platzgenommen hatte und mindestens ein Dutzend seiner zahlreichen feinen Greiforgane gleichzeitig benutzte, um Einstellungen vorzunehmen, konnten Erric und Rhon nur staunend zusehen.

Xorr gesellte sich auch dazu.

Tatsächlich hatte Lancelot bereits nach einer halben Stunde sämtliche Verschlüsselungen geknackt, die verhinderten, dass die Geschütze mit Energie geladen werden konnten. Und nun wurden die Waffe mit Hilfe der Bordenergie aufgeladen.

„Ihr habt das Glück, dass auf Eurem Schiff die Energieversorgung nicht so stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, wie auf unserem“, erläuterte der Laufbaum. „Schon in Kürze werden sämtliche Waffe und Schutzschilde daher einsatzfähig sein.“

„Das ist eine gute Nachricht“, meinte Erric. „Dann können wir es den Robos mal so richtig zeigen, wenn sie das nächste Mal auftauchen...“

„Ich würde auf jeden Fall zu größtmöglicher Vorsicht raten“, erklärte Lancelot. Dazu raschelte er heftig mit den Blättern, was wohl seine Aussage noch unterstreichen sollte. Außerdem verströmte er einen deutlich wahrnehmbaren Geruch, der an Harz erinnerte, nur sehr viel durchdringender war. Die Bedeutung dieser Duftnote war allerdings wohl nur anderen Laufbäumen vermittelbar. Jedenfalls konnte der Übersetzer sie nicht in menschliche Sprache übertragen. „Der Einsatz dieser Waffen ist nicht ungefährlich...“

„Ach, das dazugehörige Menue im Steuerungscomputer ist nicht so schwierig“, meinte Erric leicht hin. „Das habe ich mir schon mal angesehen... Nur – ohne Energie war natürlich nichts zu machen!“

„Ich wollte nicht an deiner Lernfähigkeit zweifeln“, gab der Laufbaum zurück. Seine gestelzte, umständliche aber immer höflich wirkende Art zu sprechen schien ziemlich gut zu einem Ritter der Tafelrunde zu passen, auch wenn der eine ganz und gar unritterliche Körperform besaß. „Es geht mir um etwas anderes...“

„Und das wäre?“, mischte sich jetzt Rhon ein.

„Die Energieentladungen sind auf große Entfernungen messbar. Das gilt insbesondere auch für die Schutzschirme, die noch mehr Energie benötigen als die Geschütze. Wenn ihr also in Zukunft wieder an diesen Systemen herumschaltet und für eine oder zwei Minuten einen viel zu stark dosierten Schutzschirm aufbaut, der dann zusammenbricht und alle Systeme zum Absturz bringt, dann müsst ihr damit rechnen, dass die Ortung der Invasoren das aufzeichnet und auf euch aufmerksam wird!“

„Wir werden versuchen, es in Zukunft besser zu machen“, meinte Rhon.

„Uns fehlen noch die Geschütze der Jäger“, erinnerte Erric.

Aber Lancelot hatte eine anderer Reihenfolge im Sinn. „Zuerst werde ich euch zeigen, wie man die Schutzschirme hochfährt, ohne sich selbst zu beschädigen. Allerdings nur mit einer Simulation, denn sonst wäre das wie ein Blitz am Sternenhimmel für unsere Feinde...“

Die Waffen und Schutzschild-Systeme der Jäger wieder einsetzbar zu machen erwies sich für Lancelot also genauso wenig kompliziert, wie es bei den Energiewaffen des Mutterschiffs der Fall gewesen war. Mit der Zeit schien der Laufbaum sogar noch zusätzlich Routine darin zu gewinnen, die Verschlüsselungen zu knacken.

Schließlich flog Lancelot mit seinem eigenen Jäger zurück zur CAMELOT und die Mannschaft der AVALON versammelte sich in der Zentrale.

Auf dem Hauptschirm war währenddessen zu sehen, wie zwei Jäger der CAMELOT vom grüne-Murmel-Mond zurück zu ihrem Mutterschiff flogen. Dem Funkverkehr war zu entnehmen, dass sie offenbar die Mineralien gefunden hatten, die Captain Bartons Schiff fehlten, um die Energieversorgung wieder vollkommen instand zu setzen.

„Ich will nach Davis-3 fliegen, um mich dort umzusehen“, kündigte Erric an.

„Und ich ebenfalls!“, schloss sich Annn diesem Wunsch an.

„Und wie stellt ihr euch das vor?“, fragte Rhon. „Überall wimmelt es nur so von Raumschiffen der Robos. Ihr würdet euer Ziel nicht mal erreichen, geschweige denn, wieder lebend zurückkehren!“

„Erstens haben wir jetzt Waffen und Schutzschilde!“, meinte Erric.

„In deren Gebrauch ihr nicht geübt seid!“, unterbrach ihn Rhon. „Und zweitens bricht auch der stärkste Energieschirm irgendwann zusammen, wenn er zu viele Treffer einstecken muss.“

„Und zweitens habe ich mir etwas überlegt, wie wir den Planeten erreichen“, erklärte Erric.

„Da bin ich aber mal gespannt.“

„Das Geheimnis heißt Schleichflug. Ich habe schon mit Annn darüber gesprochen und sie traut sich so etwas ebenfalls zu. Eine gute Pilotin ist sie ja.“

Annn nahm eine Schaltung an ihrer Konsole vor. Daraufhin aktivierte sich eine maßstabsgetreue Drei-D-Übersicht des gesamten Davis-Systems. Die Robos-Schiffe waren markiert, ebenfalls sämtliche Planeten, Monde und andere Himmelskörper des Systems, sofern sie mit mindestens 100 Kilometer Durchmesser hatten, wie eine Einblendung verriet.

„Es ist ganz einfach“, meinte Annn. „Wir benutzen ja nur winzige Jäger, keine großen Raumkreuzer. Und deswegen habe wir gute Chance, dass man uns einfach übersieht...“

„...vorausgesetzt, wir benutzen unsere Triebwerke nur dann, wenn wir im Ortungsschatten irgend eines Himmelskörpers sind“, vollendete Erric.

Annn hatte all jene Himmelskörper in der Darstellung markiert, die dafür in Frage kamen, dass die Jäger sich dahinter verstecken konnten. „Von einem Jäger kann man auf diese Entfernungen hin nur die Energieabstrahlungen orten. Wenn es die nicht gibt, sind wir auch nicht auf den Ortungsschirmen unserer Feinde. Immer, wenn wir einen Planeten oder einen Mond, Asteroiden oder sonst was haben, wohinter wir uns verstecken können, beschleunigen wir. Danach schalten wir alle Systeme ab und lassen uns mit dem vorhandenen Schwung durch das All treiben. Natürlich müssen wir ab und zu mal eine Steuerdüse einschalten, um auf Kurs zu bleiben, aber der Schwung dürfte jeweils ausreichen, um den nächsten Ortungsschatten zu erreichen.“

„Bei manchen dieser Monde und Planeten lässt sich sogar die Schwerkraft wie eine Schleuder ausnutzen“, fügte Annn noch hinzu.

„Das ist keine schnelle Art der Reise“, stellte Rhon fest.

„Wir fliegen ja auch kein Rennen“, sagte Annn.

„Bitte versteh uns, Rhon! Annn und ich stammen beide von Davis-3 und wir müssen einfach beide wissen, was dort los ist.“

„In Ordnung“, nickte Rhon schließlich. „Aber das Risiko bleibt trotzdem hoch!“

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