Читать книгу Sammelband 5 SF-Abenteuer: Raumkriege und Wurmloch-Passagen - Alfred Bekker - Страница 20
Kapitel 8: Expedition in die Hölle
ОглавлениеCaptain Barton von der CAMELOT meldete sich nochmal auf der AVALON. „Unsere Systeme sind jetzt wieder hergestellt“, erklärte er. „Wir werden in Kürze von hier verschwinden.“
„Und was wird aus der Idee, dass sich alle Spacer gegen die Robo-Invasoren wehren?“, fragte Rhon etwas irritiert.
„Wir übermitteln euch die Koordinaten eines Systems im Delta-Sektor. Das soll unser Treffpunkt sein. Wann immer ihr andere Spacer trefft, gebt ihnen diese Koordinaten weiter. Und wir sollten alle hoffen, dass sich irgendwann genügend Schiffe versammelt haben, um den Kampf aufzunehmen. Aber zunächst brauchen wir irgendwo eine Rückzugsbasis...“
Rhon nickte knapp.
Vom Delta-Sektor hatte er gehört. Das war eines jener Gebiete in der Galaxis, die nicht zur Netzrepublik gehörte, weil man die dortigen Systeme nicht für besiedlungswürdig gehalten hatte. Es gab dort keine Transmitter-Stationen und so war es ohne Raumschiff auch unmöglich dort hin zu gelangen.
„Koordinaten wurden übermittelt“, stellte Tabeja fest.
„Wann werdet ihr nachkommen?“, fragte Barton.
„Wir haben hier noch etwas zu erledigen“, erwiderte Rhon.
Von dem Plan, den Annn und Erric hatten, verriet er Barton jedoch nichts. Der rothaarige Alt-Spacer hätte vermutlich ohnehin nur versucht, ihnen dieses Vorhaben auszureden.
Und vielleicht sogar mit gutem Grund, ging es Rhon durch den Kopf.
Zwei Stunden später beschleunigte die CAMELOT und flog in den Ortungsschatten des gewaltigen Gasriesen Davis-10. Jenseits des Riesenplaneten konnte das Schiff nahezu unbemerkt bis auf dreißig Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen, was nötig war, um in den Zwischenraum überwechseln zu können.
Aus der Sicht der AVALON-Besatzung war die CAMELOT allerdings bereits verschwunden, nachdem sie den blauen Horizont von Davis-10 überschritten hatte.
Als Annn und Erric bereits in ihren Raumanzügen steckten und das Schott zum Hangar passieren wollten, wartete Sirak dort auf sie. Klonxx klebte über ihm an der Decke.
„Klonxx meint: Bleibt stehen, bevor ihr euch sinnlos ins Unglück stürzt!“
Erric blickte auf und grinste. „Du kannst uns ja begleiten! Auf dem Notsitz wäre sicher Platz für dich!“
„Klonxx meint: Kein Bedarf. Außerdem rät er euch von eurem Vorhaben ab.“
„Hört mal, ich bin hier, weil ich euch etwas geben möchte“, mischte sich nun Sirak ein. Er hielt in zwei seiner vier Hände jeweils einen pistolenähnlichen Gegenstand. „Das sind Laserstrahler. Ich benutze sie zum Zuschneiden der Platten, wenn ich einen Hüllenbruch schließe... Aber man könnte diese Werkzeuge auch als Waffe gegen die Robos einsetzen. Schließlich wollt ihr doch auf Davis-3 landen, wenn sich die Gelegenheit ergibt und es könnte ja sein, dass ihr dann ein paar unangenehme Begegnungen habt...“
Erric nickte, nahm die beiden Strahler an sich und gab einen davon an Annn weiter.
„Danke, Sirak!“, sagte Erric.
Wenig später starteten Erric und Annn jeweils mit einem Raumjäger. Solange sie den Grüne-Murmel-Mond als Ortungsschatten benutzen konnten, beschleunigten sie. Dann schalteten sie die Maschinen ihrer Raumjäger ab, ließen sich von der Schwerkraft des Waldmondes einfangen und weiterschleudern, bis sie in den Einflussbereich eines weiteren Mondes von Davis-10 gerieten und erneut Fahrt aufnehmen konnten.
Im Davis-System gab es außer den Planeten und ihren Monden viele Zwergplaneten und Asteroiden – und das nicht nur in der Davis-Wolke am Rande des Systems, wo die Spacer in der Vergangenheit oft ihre Rennen abgehalten hatten.
Das machte Errics Plan etwas leichter durchführbar, denn es gab auf ihrem Weg nach Davis-3 immer wieder Möglichkeiten, im Schutz eines Himmelskörpers zu beschleunigen oder den Kurs zu korrigieren.
Außerdem standen die Planeten des Systems recht günstig – sie bildeten beinahe eine Reihe. Von den Planeten befand sich derzeit nur Davis-4 auf der gegenüberliegenden Seite seiner Sonne.
In den Flugphasen, in denen Erric und Annn sich im Schleichflug ihrem Ziel näherten, vermieden sie auch jeglichen Funkkontakt. Schließlich konnte auch ihr Funkverkehr bemerkt werden und möglicherweise zu Entdeckung führen.
––––––––
DAVIS-3 HATTE EINEN rötlich schimmernden Mond, dessen Oberflächenstruktur große Ähnlichkeit mit dem Mars des irdischen Sonnensystems hatte. Die ersten Siedler aus dem legendären Raumfahrer-Zeitalter, die es bis hier her geschafft hatten, gaben ihm einst den Namen Red Sand. Abgesehen von ein paar Bergwerken hatte es dort jedoch nie Siedlungen gegeben. Und seid Transmitter eine Massenware geworden waren, über die jeder Haushalt verfügte, hatten die wenigen Bergbauingenieure, die die vollautomatische Mineralienförderung auf Red Sand überwachten, nicht einmal mehr dort gewohnt. Stattdessen waren sie in ihren bequemen Wohnungen in den Städten von Davis-3 in ihre Raumanzüge gestiegen und hatten sich mit dem eigenen Haus-Transmitter nach Red Sand gebeamt. Wenn ihre Schicht dann zu Ende war, kehrten sie auf demselben Weg zurück und konnten sogar den Druckanzug wechseln, wenn damit etwas nicht stimmte.
Erric wusste genau darüber Bescheid, denn sein Vater hatte lange als Bergbauingenieur gearbeitet. Jeden Tag ein paar mal Davis City – Red Sand und zurück – aber gebeamt war das ein Klacks.
Allerdings hatte Errics Vater schon seit Jahren nicht mehr auf Red Sand die Maschinen überwacht. Er war aufgestiegen und hatte junge Bergbauingenieure ausgebildet. Insgeheim hatte er wohl immer gehofft, dass Erric in diesem Beruf vielleicht auch eines Tages seine Zukunft sah.
Aber das war für Erric nie in Frage gekommen.
„Du hoffst ja nur, dass du mal in einem dieser halblegalen Spacer-Rennturniere ein großes Preisgeld gewinnst! Aber darauf kann man doch seine Zukunft nicht aufbauen!“, hatte Erric seine Worte noch im Ohr.
Wie sehr war sein Dad ihm damit auf die Nerven gegangen!
Und von seiner Mom hatte er in dieser Hinsicht auch keine Unterstützung erwarten können, denn sie war als Computerspezialistin für denselben Bergbaukonzern tätig gewesen.
Aber im Augenblick wünschte sich Erric nichts so sehr, als dass er diese nervigen Predigten nochmal hätte hören können...
Der Mond Red Sand umkreiste Davis-3 in einer sehr weiten, elliptischen Bahn. Der von rotem Sand und unzähligen Kratern übersäte Himmelskörper war der letzte Ortungsschatten, bevor die beide Jäger Davis-3 erreichen würden.
Es war auch eine letzte Gelegenheit, gefahrlos Funkkontakt aufzunehmen.
„Ist dir aufgefallen, dass ein Großteil der Robo-Schiffe von hier verschwindet?“, meldete sich Annn.
„Die scheinen anderswo gebraucht zu werden.“
„Das kann nur bedeuten, dass es auf Davis-3 wohl auch keinen Widerstand mehr gibt.“
„Wo ist dein Zuhause, Annn?“
„Prana-Halbinsel.“
„Dann fliegen wir dort zuerst hin.“
„Im Moment sind noch zwölf Robo-Schiffe im Orbit von Davis-3!“, stellte Annn fest.
„Wir warten, bis sie hinter dem Horizont sind. Dann könnte es sein, dass wir mit etwas Glück zunächst gar nicht bemerkt werden.“
„Maximale Beschleunigung?“, fragte Annn.
„Maximale Beschleunigung“, bestätigte Erric. „Und die Funksperre gilt ab jetzt nicht mehr.“
„Dann los....“
Sobald die letzte Einheit der Robo-Flotte hinter dem Horizont von Davis-3 verschwunden war, starteten die beiden Jäger durch. Sämtliche Antriebsdüsen zündeten und sie schossen zunächst dicht an der Oberfläche von Red Sand vorbei. Die aus Sauerstoff und Kohlendioxid bestehende Atmosphäre des Mondes hatte nur ein Fünftausendstel des auf erdähnliche Planeten üblichen Drucks. Das konnte schon fast als Vakuum gelten. Aber um eine Feuerspur über den Himmel des roten Mondes zu ziehen, reichte es.
Aber darauf kam es jetzt nicht an.
„Noch schätzungsweise fünf Minuten, dann taucht das erste Robo-Schiff hinter dem östlichen Horizont wieder auf“, hörte Erric Annns Stimme über Funk. „Wäre also nicht schlecht, wenn wir ein bisschen Tempo zulegen!“
„Mehr geben die Kisten nicht her“, erwiderte Erric fast entschuldigend. „Muss mit den Waffensystemen zusammenhängen, die jetzt wieder aktiv sind. Die Energie, die wir dafür vorhalten müssen, geht halt irgendwo anders verloren. Aber sobald wir zurück sind, wird mir für dieses Problem schon eine technische Lösung einfallen!“
„Wenn...“, murmelte Annn.
Eigentlich war dieses Wort gar nicht mehr für Erric bestimmt gewesen. Aber sie hatte in diesem Augenblick nicht daran gedacht, dass die Funkverbindung permanent eingeschaltet war, weil beide Maschinen ein miteinander synchronisiertes Flugmanöver flogen.
„Was?“, fragte Erric.
„Nichts, Erric.“
Unmittelbar bevor die beiden Raumjäger in die bläulich-grüne Sauerstoff/Stickstoffatmosphäre von Davis-3 eintauchten, kam das erste Robo-Schiff wieder hinter dem Planeten hervor.
„Beten wir dafür, dass von diesen Blechmännern gerade mal keiner auf den Ortungsschirm gesehen hat!“, meinte Erric.
„Ich nehme an, dass die ihre Daten direkt in den Zentralspeicher in ihrem Kopf gefunkt bekommen!“, befürchtete Annn.
„Du könntest irgendwie etwas mehr Optimismus verbreiten, Annn.“
„Ich fürchte, dazu gibt es leider nicht den geringsten Anlass, Erric!“
Die beiden Jäger sanken tiefer. Einzelheiten der Oberfläche wurden sichtbar. Küstenlinien, ein Ozean, Inseln. Und dann hatten sie die Position erreicht, wo sich die Prana-Halbinsel auf zweihundert Kilometern ins Meer hinein erstreckte. Kleinere Siedlungen, eine große Transmitter-Station für Frachtbedarf, von der aus es eine Direktverbindung zu allen wichtigen Hauptplaneten gab, darunter auch zur Erde – das war die Prana-Halbinsel gewesen. Eine Mischung aus Park und Wohnlandschaft. Aber das alle schien nicht mehr zu existieren.
„Hey, die Küste entspricht gar nicht mehr dem Verlauf, wie er im Kartenmaterial meines Navigationsgerätes gespeichert ist“, stellte Erric fest.
„Die Prana-Halbinsel gibt es nicht mehr...“ murmelte Annn völlig fassungslos. „Das...“ Sie stockte und ihre Stimme klang belegt und sie musste ein Schluchzen unterdrücken. „Das kann doch nicht wahr sein! Nein!“
Sie schrie es fast. Und dann steckte ihr plötzlich ein Kloß im Hals. Sie war nicht mehr in der Lage, auch nur einen einzigen Ton hervorzubringen.
Erric suchte nach ein paar tröstenden Worten. Aber es schien nichts zu geben, was er in dieser Situation sagen konnte und auch nur ansatzweise sinnvoll geklungen hätte. Außerdem musste Erric daran denken, wie es wohl in Davis City aussehen mochte, wo seine Familie lebte.
„Es tut mir leid, Annn“, sagte er schließlich.
„Erric, warum?“
„Im Infrarotbild sieht man einen großen Krater auf dem Meeresgrund. Könnte von einem Energiebeschuss stammen. Die Halbinsel wurde völlig ausradiert und der dabei entstehende Tsunami hat die gesamte Küstenlinie verändert.“
„Warum?“, flüsterte Annn noch einmal.
Aber sie erwartete von Erric keine Antwort darauf. Diese Antwort kannte sie nämlich längst selbst. Es war die Transmitter-Frachtstation. Die hatten die Robos offenbar als wichtig genug angesehen, um sie so nachhaltig zu vernichten.
Hier konnten sie nichts mehr tun.
Es gab niemanden mehr, den man hätte retten können.
„Achtung, eine Robo-Drohne von achtern!“, meldete Erric, als er das Objekt auf dem Ortungsschirm auftauchen sah. Die Drohne war nur halb so lang wie die Raumjäger der Spacer, hatte aber die zylindrische Form der Robo-Schiffe.
Dass es sich um die gleiche Technologie handelte, konnte man deutlich durch den Scan erkennen.
Die Drohne schnellte heran und feuerte dabei gleich ihren ersten Strahlenschuss ab. Um ein Haar hätte sie Errics Maschine getroffen, doch der hatte zuvor bereits reagiert. Schon als Erric bemerkt hatte, dass die Ortung der Drohne ihn erfasste, schaltete er für kurze Zeit einfach den Antrieb ab und ließ seinen Raumjäger mehrere hundert Meter in die Tiefe sinken. Wie ein Stein fiel der Raumjäger der Wasseroberfläche entgegen und der Peilstrahl der Drohne ging ins Leere.
Der anschließende Energieschuss brannte über Errics Jäger hinweg.
„Ich schalte das rückwärtige Geschütz auf Zielerfassung!“, meldete Annn über Funk. „Und Feuer!“ Ein Energiestrahl schoss aus dem Heck von Annns Jäger heraus und erfasste die Drohne. Nur einen Sekundenbruchteil später explodierte sie. Für Augenblicke entstand ein Glutball, heller als das Licht der Sonne Davis.
Ein paar glühende Trümmerteile fielen schließlich ins Meer.
„Lancelot hatte recht“, sagte Annn. „Die Bedienung der Zielerfassung ist nicht weiter schwer...“
„Wir müssen damit rechnen, dass diese Explosion registriert wurde“, gab Erric zu bedenken.
Annns Antwort wirkte ziemlich niedergeschlagen. „Ehrlich gesagt ist mir das im Augenblick ziemlich gleichgültig“, murmelte sie vor dich hin.
Angesichts der Tatsache, dass vermutlich niemand von ihren Angehörigen auf der Prana-Halbinsel überlebt hatte, war ihre Reaktion nur zu verständlich, fand Erric.