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Der Mann mit dem Goldkreuz auf der Brust nahm sein Glas und machte zwei Schritte nach vorn. Er fixierte mit seinem Blick die Frau Mitte zwanzig, deren rot gelockte Mähne bis weit auf den Rücken hinabreichte. Sie rührte lustlos mit dem Trinkhalm in ihrem Drink herum. Giftgrün war der Drink, eine Spezialität von Anselm dem Barkeeper. Es gab sicher nicht wenige, die Anselms Drinks wegen in Mäckis Bar kamen. Aber die Rothaarige machte den Eindruck, als wüsste sie die Qualität ihres Drinks heute nicht zu schätzen.

Der Mann mit dem Kreuz auf der Brust setzte sich auf den Hocker neben ihr und stellte sein eigenes Glas auf den Tresen.

„Darf ich mich zu Ihnen setzen?“, fragte der Mann mit dem Kreuz. Sie ignorierte ihn zunächst.

Aber das ließ der Mann mit dem Kreuz nicht gelten. Er wiederholte seine Frage einfach – diesmal etwas lauter, sodass sich einige der anderen Gäste schon umdrehten.

Die Rothaarige drehte sich nun zu ihm herum und blickte auf. „Das haben Sie doch schon getan“, sagte sie. Sie musterte ihn. Ihr Urteil stand nach ein paar Sekundenbruchteilen fest. Das war niemand, mit dem sie sich länger beschäftigen wollte. Aber er ließ sich nicht so schnell einschüchtern.

„Mein Name ist Benny“, sagte er.

„Ach!“

„Und wenn Sie nicht schon einen Drink hätten, würde ich Ihnen einen ausgeben.“

„Danke, aber das möchte ich nun wirklich nicht.“

„Wieso? Was ist schon dabei? Nur ein Drink.“

Ihre Stimme bekam jetzt einen ziemlich genervten Tonfall. „Hören Sie, Herr, ich...“

„Sie heißen Rabea, nicht wahr?“, unterbrach er sie. Er lächelte dabei auf eine Weise, die ihr nicht gefiel. Es war ein Lächeln, das mehr vom Triumph eines Raubtiers hatte, als dass es als Zeichen einfacher Freundlichkeit hätte durchgehen können. Sein Blick fixierte sie. Er schien ihre Verwirrung zu genießen.

Die Rothaarige sah ihn erstaunt an. „Woher wissen Sie das?“, fragte sie kühl.

„Ich bin öfter hier. Und Sie auch. Das erklärt doch einiges.“

„Das erklärt gar nichts.“

„Offenbar haben Sie mich noch nie bemerkt, aber ich konnte nicht umhin einige der Gespräche mit anzuhören, die Sie an dieser Bar geführt haben.“

„Sie belauschen also gerne andere Leute. Na großartig!“

„Rabea Frerich. Das stimmt doch oder? So heißen Sie doch!“

Sie schluckte. Eine tiefe Furche bildete sich auf ihrer ansonsten vollkommen glatten Stirn. Sie strich sich eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. Die Situation drohte ihr zu entgleiten und sie wollte im Moment eigentlich nur noch eins: In Ruhe gelassen werden.

„Hören Sie, Herr...“

Seine makellosen Zähne blitzten auf, als er den Mund breit zog. „Nennen Sie mich Benny. Das klingt nicht so unpersönlich.“

„Nein!“, sagte sie entschieden.

„Bitte!“

Er nahm einen Schluck. Dann noch einen. Schließlich stellte er das leere Glas auf den Tresen und bestellte bei Anselm noch einen Drink, der sich Schwarzer Friesenteufel nannte und zu Rabeas Erstaunen tatsächlich vollkommen schwarz war, nachdem der Barkeeper ein halbes Dutzend verschiedener Zutaten zusammengemixt hatte.

„Benny, ich hatte einen anstrengenden Tag und mir steht nun wirklich nicht der Sinn nach Unterhaltung. Also betrachten Sie es nicht als unhöflich, wenn ich Ihnen sage, dass ich am liebsten einfach meinen Drink nehmen und in Ruhe gelassen werden würde.“

„Ihre Arbeit bei der Norddeutschen Total-Versicherung ist mit Sicherheit nicht einfach“, sagt Benny. „Und das Betriebsklima soll ja ziemlich schlecht sein, seit Ihre Abteilung von Frauke Closkey geleitet wird.“

Rabea sah Benny völlig entgeistert an. Sie wurde blass. „Woher wissen Sie das alles?“

„Spielt das eine Rolle?“

„Natürlich!“

Benny lachte. Ein stiller Triumph stand in seinem Gesicht, dessen Ausdruck für sie jetzt fast unerträglich wurde. Er nippte an seinem Drink. Dann verzog er das Gesicht. „Stimmt etwas nicht? Oh, ich vergaß: Natürlich werde ich niemandem etwas davon erzählen, dass die Norddeutsche Total-Versicherung demnächst wahrscheinlich hundertfünfzig Mitarbeiter entlassen wird. Das soll ja noch unter der Decke gehalten werden, damit die Belegschaft ruhig bleibt. Aber bei Ihnen in den Bürogängen brodelt doch längst die Gerüchteküche und viele fragen sich, ob es nicht viel mehr sein werden, die man später auf die Straße setzt.“

„Jetzt reicht es“, sagte Rabea, langte nach ihrer Handtasche und legte etwas Geld auf den Tresen. Als Anselm zu ihr hinüberblickte, sagte sie: „Der Rest ist für Sie, Anselm.“

„Danke“, nickte er ihr zu und ließ sich dadurch aber nicht aus der Ruhe bringen. Mit geübten, fast automatisch wirkenden Bewegungen vollendete er zunächst den Drink, den er gerade zusammenmixte.

Die Besonderheit waren die schwimmenden Früchte an der Oberfläche.

Rabea drehte sich in Richtung Tür um.

Benny spielte mit dem Kreuz an seinem Hals herum. „Es ist ja auch unter diesen Bedingungen nicht so einfach, ein gutes Betriebsklima aufrecht zu erhalten“, sagte er dann so laut, dass mehrere der anderen Gäste zu ihm hinüberschauten. Rabea blieb stehen. Sie atmete tief durch. Ihr Gesicht war dunkelrot angelaufen.

Schließlich drehte sie sich wieder um und fragte: „Was wollen Sie eigentlich von mir und wer schickt Sie? Habe ich Sie schon mal bei der Norddeutschen Total-Versicherung gesehen? Arbeiten Sie auch dort? Fängt die Geschäftsleitung inzwischen schon damit an, Mitarbeiter auszuspionieren und nach Schwachstellen im Privatbereich zu suchen, damit man jemanden mit besserem Gewissen entlassen kann?“

„Nein, nein, Sie haben mich völlig missverstanden, Rabea. Wirklich! Ich wollte mich nur mit Ihnen unterhalten. Und was ich über Sie weiß, das habe ich tatsächlich nur aus Unterhaltungen, die Sie in den letzten drei Wochen in dieser Bar geführt haben. Es tut mir leid, aber da ich fand, dass Sie eine interessante Frau sind, konnte ich einfach nicht anders, als Ihnen zuzuhören und an Ihren Lippen zu hängen.“ Er lächelte matt und wirkte etwas verlegen. „Kommen Sie, nehmen Sie einen Drink mit mir, dann werden sich alle Missverständnisse sicherlich klären lassen.“

Die Zornesfalte auf ihrer Stirn trat etwas weniger deutlich hervor.

Benny sah seine Chance. Er trat einen Schritt auf sie zu und griff sich an das Kreuz, das ihm an einem Goldkettchen um den Hals hing. Er legte offenbar viel Wert darauf, dass man es auch sah, denn die obersten drei Hemdknöpfe trug er offen. „Sehen Sie das hier, Rabea? Die meisten fragen mich früher oder später, was das zu bedeuten hat. Es ist ein Kreuz, aber wenn Sie genau hinsehen, dann können Sie erkennen, dass das obere Ende länger ist. Ein umgedrehtes Kreuz also – das Symbol dafür, dass es keineswegs so ist, dass Jesus die Welt erlöst hat. Ganz im Gegenteil! Satan herrscht und das Böse breitet sich überall aus. Es ist einfach eine Tatsache... Satan hat sein Gespinst über die gesamte Welt gelegt und Sie sind genauso ein Teil davon wie ich oder die Menschen, denen Sie bei der Norddeutschen Total-Versicherung begegnen...“

Rabea wandte sich in Anselms Richtung.

„Wenn ich gewusst hätte, dass Sie hier solche Spinner dulden, hätte ich Ihre Bar niemals betreten, Anselm!“, stieß sie hervor.

Sie drehte sich um und ging.

Die Tür fiel ins Schloss.

Benny wollte hinter ihr her, aber Anselms Stimme hielt ihn ab.

„Sie haben Ihren Drink noch nicht bezahlt“, stellte der Barkeeper fest. Benny kramte umständlich und sichtlich genervt sein Portemonnaie hervor und legte schließlich das Geld auf den Tisch.

„Ich weiß nicht, ob es wirklich eine gute Idee ist, wenn Sie der Dame folgen wollen“, meinte Anselm.

„Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Mist.“

„Und ich meine es ganz ernst. Lassen Sie sie am besten in Ruhe. Sie hat Ihnen doch deutlich gezeigt, dass sie nichts mit Ihnen anfangen kann.“

Benny deutete auf den noch nicht einmal zu einem Drittel leer getrunkenen Schwarzen Friesenteufel. „Ihre Drinks sind lausig, Anselm. Vielleicht hat Ihnen das noch niemand gesagt, aber es ist so!“

Killerland: Krimi Koffer 10 Krimis auf 1300 Seiten

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