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Niemand konnte im Nachhinein noch so genau sagen, wie lange sie in diesem Zustand der totalen Erschöpfung verharrt hatten, weil kaum einer dies wirklich bewusst noch hatte mitbekommen können. Es dauerte jedenfalls eine ganze Weile, ehe sich im Sitzungssaal des Rathauses inmitten der ehemaligen Siedlung sich wieder etwas regte im Kreis mit den fünfzehn Mutanten.

Claudile war eine der ersten, die sich zumindest wieder aufrichten konnten. Sie fragte sich, was inzwischen geschehen war. War es dort oben, im All, tatsächlich zur Katastrophe gekommen nach unzähligen Durchläufen in den Zeitschleifen oder nicht? Oder waren die Schiffe inzwischen sogar wieder aus den Zeitschleifen aufgetaucht, weil die Supermutanten nach unzähligen Durchläufen endlich eine Möglichkeit dazu gefunden hatten?

Sie war noch außerstande, dies zu überprüfen, aber falls noch eine Gefahr bestanden hätte, wären die Supermutanten längst schon hier gewesen, um die Gunst der Stunde zu nutzen und sie ohne Gegenwehr befürchten zu müssen einzusammeln. Soviel stand fest. Und sie hatte es ihren Mutantenfreunden ja schon erklärt: Selbst wenn die Zeitschleifen Millionen von Durchgängen hatten, würde beim Verlassen derselben objektiv betrachtet praktisch keine Zeit außerhalb vergangen sein. Es würde so erscheinen, als wäre es gar nicht erst gelungen.

Aber eigentlich hätte auch die Katastrophe eintreten müssen, wie alternativ erwartet. Also eigentlich hätte das erste Raumschiff schon in einer alles vernichtenden Detonation sich auflösen müssen, noch bevor es überhaupt gelungen war, das zweite und dann auch noch das dritte Kriegsschiff in einer eigenen Zeitschleife zu fangen.

Es war nicht geschehen. Was vielleicht sogar bedeutete, dass die Zeitschleifen niemals enden würden. Bis in alle Ewigkeit hinein.

Claudile wusste, dass sie das später überprüfen konnte, ja musste. Sie musste ganz sicher sein, dass sie das alles richtig verstanden hatte. Sie war als Zeitreisende ja noch ziemlich am Anfang. Es war nicht auszuschließen, dass sie noch zu Irrtümern neigte. Nur das permanente Lernen würde sie irgendwann auf den Stand bringen, auf dem der Zeitreisende schon eine schiere Ewigkeit lang bereits war.

Claudile wartete, bis sich alle vom Boden aufrappeln konnten.

Phillis verband ihre Sinne mit dem namenlosen Schiff und benutzte dessen Ortungssysteme, um den Weltraum an der Stelle abzusuchen, an der sich die drei Kriegsschiffe befunden hatten.

Es war nichts mehr nachweisbar. Als hätte es die Schiffe niemals gegeben.

Als nächstes rief sie nach dem uralten Wächter. Doch dieser meldete sich nicht mehr. Zum ersten Mal, seit sie hier auf HOFFNUNG weilten und mit ihm Kontakt aufgenommen hatten. Hatte ihn die Aktion mit den drei Kriegsschiffen und den Zeitschleifen etwa vernichtet? Oder hatte er sämtliche Energie verloren und war regelrecht erloschen?

Keine guten Aussichten auf jeden Fall!

Sie hofften alle trotzdem noch, dass dem nicht so war, dass der uralte Wächter sich nur noch länger erholen musste. Genauso wie sie.

Denn eines durften sie nicht vergessen: Das Adakoni-Kartell hatte sich mit dem Erscheinen der drei Kriegsschiffe endgültig auf diesen Planeten eingeschossen. Gewissermaßen. Was nichts anderes hieß, als dass mit diesem Sieg der Krieg gegen das Kartell noch längst nicht gewonnen war. Ganz im Gegenteil: Es war fest damit zu rechnen, dass weitere Kriegsschiffe entsendet wurden. Und wie sollten sie diesen wirksam begegnen können ohne die aktive Hilfe des uralten Wächters?

All ihre diesbezüglichen Sorgen lösten sich allerdings bald schon gewissermaßen in Wohlgefallen aus, als plötzlich die Projektion des freundlichen alten Mannes wieder mitten unter ihnen erschien. Er lächelte ein wenig verkrampft.

„Tut mir leid, dass ihr in Sorge wart meinetwegen, Freunde“, entschuldigte er sich. „Aber ich habe eine Weile benötigt, um meine Energiespeicher wieder aufzuladen. Ihr würdet es als eine Art Bewusstlosigkeit bezeichnen. Jetzt aber bin ich wieder erwacht. Zwar bei weitem noch nicht in der Lage, wirksam HOFFNUNG zu beschützen, leider, aber das wird schon wieder. Hoffentlich tauchen in der Zwischenzeit nicht schon weitere Kriegsschiffe auf. Wir wären diesen mehr oder weniger hilflos ausgeliefert, denn wie ich sehe, auch ihr seid noch längst nicht einsatzfähig.“

„Ich leider auch nicht“, gestand Claudile unumwunden. „Allerdings mit einer Ausnahme.“

Alle sahen sie jetzt an. Auch die Projektion des alten Wächters.

Sie beeilte sich zu erklären:

„Wenn ich jetzt in der Zeit reisen wollte, könnte ich das, denn ich spüre, dass mir so etwas kaum Kraft abverlangt. Wenn es auf mich persönlich beschränkt bleibt wohlgemerkt.“

„Was hast du denn nun schon wieder vor?“, rief Sovie sogleich alarmiert. Sie traute sich inzwischen zu, Claudile gut genug zu kennen, um aus ihren Worten gleich das Schlimmste abzuleiten.

Claudile lächelte entwaffnend. Dann wandte sie sich an den Wächter.

„Du weißt praktisch so gut wie gar nichts mehr über deine Schöpfer? Anscheinend noch nicht einmal mehr, wie lange das schon her ist, dass sie für immer verschwanden? Eine Million Jahre? Mehrere Millionen?“

„Worauf willst du denn überhaupt hinaus?“, erkundigte sich jetzt auch der Wächter besorgt.

„Ich habe zu wenig Übung in Zeitreise, um irgendein Risiko eingehen zu dürfen. Das ist mir sehr wohl bewusst. Aber ich spüre, dass beim richtigen Vorgehen ein mögliches Risiko beinahe null ist.“

„Bei welchem Vorgehen?“, rief jetzt Sovie genervt.

Claudile lächelte sie an.

„Du musst nicht immer meine Mutter spielen wollen, Sovie. Obwohl du faktisch schon über neuntausend Jahre alt bist. Das ist zwar wirklich nett von dir, aber nicht nötig. Ich komme schon viel zu lange ganz gut allein zurecht. Das war schon in meinem alten Leben auf dem Planeten KROOG so und hat sich nicht dadurch geändert, dass ich mich deiner Crew anschloss. Du solltest mir ganz einfach auch mal vertrauen, Liebste. Denn auch diesmal haben wir eigentlich überhaupt keine Wahl.“

Claudile wandte sich wieder an den Wächter.

„Wenn du gestattest, komme ich zu dir in die Anlage. Damit ich einen Ankerpunkt habe, wenn die Reise beginnt.“

„Du willst in die Vergangenheit reisen, zu meinen Schöpfern?“, erkannte der Wächter endlich. „Aber wieso solltest du das tun wollen?“

„Ich muss es deshalb tun, weil ich von ihnen wissen will, wie wir uns hier auf HOFFNUNG auf Dauer gegen das Adakoni-Kartell schützen können. Du wurdest ja von ihnen zu diesem Schutz erschaffen. Bisher hat er sich als wirksam erwiesen. Doch die Schöpfer haben offensichtlich nicht mit der Macht von Supermutanten gerechnet. Sonst hätten wir die gegenwärtigen Probleme nicht bekommen können.“

„Aber das wäre viel zu riskant!“, widersprach jetzt der alte Wächter selbst. „Du könntest etwas in so ferner Vergangenheit ändern. Aber die allergeringste Änderung hätte nach Millionen von Jahren schon wahrhaft katastrophale Auswirkungen. Vielleicht erreichst du damit das genaue Gegenteil von dem, was du erreichen willst und vernichtest damit sogar diesen ganzen Planeten?“

„Nicht, wenn ich vorsichtig genug bin!“, versprach Claudile. „Ich weiß beispielsweise, dass ich nicht von deinen Schöpfern verlangen darf, dich von vornherein schon gegen Supermutanten aufzurüsten. Das würde den zeitlichen Ablauf bis heute erheblich ändern, denn du wärst dann beispielsweise auch immun gewesen gegen die Crew von Xirr, und ihr währt niemals Partner geworden. Ganz im Gegenteil: Du hättest sie möglicherweise schon bei ihrer Ankunft gleich getötet.“

„Das meinte ich unter anderem auch damit!“, gab der Wächter zu.

„Es muss einen anderen Weg geben, und den will ich von ihnen selbst erfahren. Da sie später zu einer Entität wurden, kann man sie heute nicht mehr fragen. Entitäten existieren jenseits von Raum und Zeit und sind sogar für Zeitreisende nicht mehr zugänglich. Deshalb muss ich so weit in die Vergangenheit zurück reisen wie nötig, und seien es eben Millionen von Jahre.“

Ein Blick auf Sovie.

„Und es ist mir durchaus möglich, wenn ich als Ankerpunkt die Anlage des Wächters benutze und mich räumlich nicht von der Stelle bewege, bis ich Kontakt bekommen kann mit den Erbauern, wie ich sie einmal nennen will.“

Sovie nickte. Sie sah sich in der Runde um.

„Ich glaube, ich spreche hier für alle, Claudile, wenn ich feststelle: Selbst wenn wir jetzt strikt dagegen wären, würdest du es wohl trotzdem durchziehen, nicht wahr?“

Claudile deutete lächelnd mit dem Daumen auf den Wächter.

„Es geht sowieso nur mit dessen Einverständnis, wenn ich dabei auf der sicheren Seite bleiben will.“

„Also benötigst du unsere Zustimmung gar nicht!“ Sovie winkte mit beiden Händen ab. „Schon gut, wir haben es begriffen, und in der Tat ist es vielleicht tatsächlich die einzige Möglichkeit, diese Welt mit Namen HOFFNUNG auf Dauer zu schützen. Stärker und besser noch als bisher. Wir können und dürfen uns nicht allein darauf verlassen, jedes Mal mit deiner Hilfe Zeitschleifen zu erzeugen. Was, wenn die gleich im Dutzend hier auftauchen? Was dann? Wir wären in der Tat verloren.“

„Oder wir müssten HOFFNUNG für immer aufgeben und uns ein neues Versteck suchen!“, gab jetzt auch Xirr zu bedenken. „Wäre da Claudiles Ansatz nicht doch die bessere Alternative?“

„Einverstanden!“, verkündete jetzt der Wächter knapp. „Ich weise dir den Weg zu mir, mitten in das Herz meiner Anlage. Du wirst sehen: Ich selbst bin diese Anlage.“

„Wie lange wirst du weg sein?“, rief Sovie noch rasch.

„Völlig gleichgültig wie lange“, antwortete Claudile. „Ich werde meine Rückkehr so bestimmen, dass für euch nur fünf Minuten vergangen sein werden. Ihr müsst also nicht großartig Geduld üben und könnt ganz im Gegenteil vielleicht jetzt schon eine erneute Séance wagen, um inzwischen mit dem Telepathen des Gewählten Hochadmirals Kontakt aufzunehmen. Da sollte ich sowieso nicht mit dabei sein.“

Um daraufhin spurlos zu verschwinden.

Nur für fünf Minuten? Um möglicherweise Millionen von Jahre zu überbrücken, in die fernste Vergangenheit dieser Welt hinein, um sich dort für eine noch unbekannte Zeitspanne aufzuhalten?

Obwohl es für sie selbst nur so eine relativ kurze Zeitspanne des Wartens sein sollte und sie sowieso die Zeit nutzen konnten, um dem Telepathen Bericht zu erstatten, vor allem um den Admiral zu rehabilitieren, würden es für alle hier im kleinen Rathaus vielleicht mit die längsten fünf Minuten ihres Lebens sein. Denn in dieser Zeit bangten alle um Claudile: Dass sie es jemals wieder schaffen würde, überhaupt zu ihnen zurückzukehren nämlich!

Planetenmonster : 9 Science Fiction Abenteuer Sammelband

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