Читать книгу Atemlose Spannung für den Urlaub: Vier Krimis: Krimi Quartett - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 25
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ОглавлениеDiese Nacht war selbst für mich extrem kurz gewesen. Rudi und ich waren schon in unserer Hamburger Zeit daran gewöhnt gewesen, dass sich das organisierte Verbrechen nicht nach den Bürozeiten des BKA richtet und man sich eben so manche Nacht um die Ohren hauen muss.
Es war der Klang meines Handytons, der mich aus dem Schlaf riss. Ich war kaum wach genug, um auf dem Display erkennen zu können, wer mich da erreichen wollte.
“Guten Morgen, Harry”, vernahm ich dann im nächsten Moment die Stimme von Förnheim. “Ich habe mir erlaubt, Ihr Handy zu orten und dabei festgestellt, dass Sie noch nicht nach Berlin zurückgekehrt sind.”
“Was ist los?”
“Ich schlage vor, Sie kommen eben noch einmal in die Werner Bretzler Halle. Wir haben jetzt etwas gefunden, das dem Fall durchaus eine neue Wende geben könnte.”
“Können Sie nicht in knappen Worten umreißen, worum es geht?”
“Wenn ich die Spannung bei Ihnen etwas aufrecht erhalte, dann habe ich vermutlich die Gewähr, dass Sie sich beeilen. Ihren Kollegen Rudi habe ich vergeblich anzurufen versucht. Ich weiß nicht, in welchem der Hotels hier in Wismar Sie in der vergangenen Nacht gefeiert haben, aber…”
“Wir sind gleich bei Ihnen”, versprach ich.
Vielleicht war es wirklich besser, wenn ich mir die Sache selbst ansah. Das Frühstück nahmen Rudi und ich wenig später im Schnellgang zu uns. Die wichtigste Komponente war dabei ein sehr starker Kaffee. Rudi war mindestens genauso müde wie ich. Aber er ließ sich das erstaunlich wenig anmerken.
“Förnheim, der große Geheimniskrämer”, meinte Rudi. “Er hat mich übrigens deswegen nicht erreichen können, weil ich gerade unter der Dusche war, als er angerufen hat.”
“Ich fürchte, Förnheim ist jetzt für alle Zeiten tief enttäuscht von deinem Dienstverständnis, Rudi.”
“Damit werde ich dann wohl leben müssen. Ich habe übrigens bereits mit Kriminaldirektor Hoch gesprochen - und mit Kommissar Reinhold Crome, einem Vernehmungsspezialisten vom BKA-Büro Berlin.”
“Sag bloß, Norbert Merendan hat doch noch geredet?”
“Es war nichts aus ihm herauszubekommen. Sein Anwalt hat ihm geraten zu schweigen und das hat er dann auch getan. Und wenn nicht schleunigst ein paar stichhaltige Indizien gefunden werden, die nahelegen, dass er wirklich in die Sache verwickelt ist, dann wird man ihn wieder auf freie Fuß setzen müssen.”
“Er hat auf einen BKA-Kriminalinspektor gefeuert. Das dürfte schon ins Gewicht fallen.”
“Das ermöglicht es auf jeden Fall, ihn länger festzuhalten. Aber wenn die Anklage letztlich auf Widerstand gegen die Staatsgewalt hinausläuft, dann ist das ja wohl absolut nicht das, was wir wollen, oder?”
Rudi hatte natürlich Recht. Wir hatten bislang nichts gegen Merendan in der Hand. Und auch den Angriff auf mich würde eine Jury ganz anders bewerten, wenn sich herausstellen sollte, dass Merendan vielleicht vollkommen unschuldig war, und einfach nur Angst davor gehabt hatte, dass ihn irgendjemand mit seiner alten Zeit als drogensüchtiger Krimineller in Verbindung zu bringen.
“Sobald wir in Berlin sind, werden wir mal unser Glück versuchen”, kündigte ich an. “Vielleicht kommt dabei ja mehr heraus.”
“Ein paar Fragen, auf die wir Antworten haben wollen”, sagte Rudi. “Das war alles, was wir wollten. Ich frage mich, wieso der Kerl so ein Drama veranstaltet hat.”
“Das wäre unter anderem eine der Fragen, die ich von Merendan gerne beantwortet hätte”, gab ich zurück. Ich trank meinen Kaffee leer. Wirklich wach fühlte ich mich nicht. Aber immerhin erschien mir die Gefahr, am Steuer des Dienst-Porsche einzuschlafen auf ein vertretbares Maß reduziert worden zu sein.
Die kurze Strecke vom Hotel zur Werner Bretzler Halle gingen wir zu Fuß. Es wehte ein ziemlich frischer Wind. Aber im Moment war das genau das Richtige für uns, um etwas wacher zu werden.
Einer der uniformierten Kollegen begrüßte uns in der Werner Bretzler Halle und und brachte uns in einen Nebenraum. Dort waren mehrere Flachbildschirme und einiges an Computer-Equipment aufgestellt. Außer Förnheim waren auch noch zwei Kommissare des BKA anwesend. Beides Spurensicherer und Forensiker wie Förnheim.
“Ich will sehr hoffen, dass Ihre Aufmerksamkeit jetzt auf einem Niveau ist, das es auch erlaubt, komplexere Sachverhalte zu durchdringen”, begrüßte uns Förnheim.
“Wir werden uns bemühen”, versprach ich.
Auf einem der Bildschirme war eine schematische Darstellung zu sehen. “Kurz vor Beginn der Veranstaltung kam es zu einem Stromausfall, der die Organisatoren der Veranstaltung einigermaßen in Panik versetzt hat, wie Sie sich denken können. Wir haben inzwischen ermitteln können, was die Ursache war und uns die Sache etwas genauer angesehen.” Auf dem Schirm blinkte eine Markierung auf. “Hier in dieser Stelle wurde ein Kabel unterbrochen. Leicht zu reparieren, aber der Effekt war geeignet, bei den Veranstaltern Herzrasen zu verursachen. Vor allem hat es sie wohl dazu bewogen, anschließend die Sicherheitsmaßnahmen erheblich schleifen zu lassen.”
“Wie meinen Sie das genau?”, fragte Rudi.
“Das erkläre ich Ihnen jetzt. Es wurde ein Elektro-Notdienst gerufen. Sehen Sie hier auf einem Überwachungsvideo im Eingangsbereich.”
Es war in einer Videosequenz zu sehen, dass zwei Männer den Eingangsbereich passierten. Sie trugen blaue Jacken mit einem Firmen-Logo und Werkzeugtaschen. Der diensthabende Wachmann winkte sie durch.
“Augenblick mal!”, sagte ich. “Mal ein Standbild von dem Wachmann, sodass sein Gesicht zumindest seitlich zu sehen ist.”
“Kein Problem”, sagte Förnheim.
“Und zoomen Sie es etwas heran.”
“Sollte uns der Zufall gewogen sein, und Sie eine Entdeckung machen lassen?”, fragte Förnheim auf seine gedrechselte Art.
“Nein”, sagte ich. “Zufall ist das ganz sicher nicht.” Ich wandte mich an Rudi. “Den Kerl kennen wir doch!”
“Unser verhinderter Gesprächspartner der letzten Nacht: Norbert Merendan, zeitweilig auch bekannt als Idris Muhammad”, stellte Rudi fest.
“Das Beste kommt noch”, sagte Förnheim. “Wenig später passiert das hier!” Der Forensiker zeigte uns eine weitere Video-Sequenz aus den Aufzeichnungen der Kameras.
“Da kommt ein dritter Elektriker”, stellte ich fest. “Und unser Freund Merendan winkt ihn einfach durch.”
“Falsch”, sagte Förnheim. “Es sieht auf den ersten Blick so aus, als wäre das der dritte Elektriker. Aber wenn Sie genau hinsehen, dann stellen Sie fest, dass er zwar eine blaue Jacke trägt, die den Jacken der beiden anderen Männer ähnelt, aber dass das Firmenemblem fehlt. Außerdem trägt er eine Mütze, deren Schirm dafür sorgt, dass man vom Gesicht kaum etwas sehen kann. Und die Tasche ist eine Sporttasche, kein Werkzeugkoffer.”
“Vielleicht war da sein Werkzeug drin”, meinte Rudi.
“Ausgeschlossen. Das sieht eher so aus, als wäre da gar nichts drin oder etwas sehr Leichtes. Soll ich Ihnen nochmal vorführen, wie sich die anderen beiden Männer abgeschleppt haben? Der hier tänzelnd völlig unbeschwert über das Parkett.”
“Zu dumm, dass das Gesicht im Schatten liegt”, meinte ich.
“Beachten Sie bitte, dass Merendan und dieser Mann sich zu kennen scheinen. Sie reden kurz miteinander. Sehen Sie… hier!”
Förnheim führte uns die entsprechende Stelle vor.
“Das sieht tatsächlich sehr vertraut aus”, stellte Rudi fest.
“Wir haben bei der Elektro-Firma angerufen”, mischte sich nun einer der anwesenden Kommissare ein. “Die sind sich ganz sicher, nur zwei Leute geschickt zu haben - nicht drei.”
“Der falsche Elektriker könnte der Attentäter sein”, meinte ich.
“Sein Gesicht ist nicht zu sehen und ich fürchte, wir werden da auch nicht viel machen können”, erklärte Förnheim. “Dafür gibt es ein anderes Merkmal, das deutlich zu erkennen ist und nicht so häufig sein dürfte.”
Förnheim zoomte die Hand des falsche Elektrikers heran und vergrößerte sie so extrem, dass das Bild sehr grobkörnig wurde.
“Der kleine Finger wirkt irgendwie…”
“...zu kurz”, vollendete Förnheim meinen Satz. “Sie haben völlig recht, Harry, da fehlt ein Stück.”
“Abgehackte Fingerteile würde ich jetzt allerdings eher bei Mitgliedern der Yakuza oder der Triaden erwarten, als bei islamistischen Terror-Gruppen”, meinte Rudi.
“Es gibt viele Gründe für einen verkürzten oder verkrüppelten kleinen Finger”, dozierte Förnheim. “Das kann das Ergebnis eines Unfalls, die Folge einer Erkrankung oder eine Missbildung von Geburt an sein. Und selbst unser bayerischer Rinder-Doc könnte anhand dieses grobkörnigen Bildes wohl kaum eine Ferndiagnose wagen. Also werde ich es gar nicht erst versuchen.”
“Okay”, sagte ich.
“Tatsache ist, an dem Finger fehlt was. Da seine Körpergröße durch ein entsprechendes Telemetrie-Programm einwandfrei festgestellt werden kann, haben wir schon zwei unveränderbare Merkmale von ihm.”
“Das wäre also eine Aufgabe für Lin-Tai”, stellte ich fest.
“Ich habe schon mit ihr gesprochen”, sagte Förnheim. “Sollte der Kerl irgendwann mal straffällig geworden oder auch nur erkennungsdienstlich behandelt worden sein, würde uns das die Identifikation erheblich erleichtern.”
“Vorausgesetzt natürlich, er hatte den verkürzten Finger schon, als diese erkennungsdienstliche Behandlung stattgefunden hat”, gab ich zu bedenken. “Ich meine, Sie haben gerade gesagt, dass dieses Merkmal ja auch das Ergebnis eines Unfalls gewesen sein könnte und wenn der jetzt erst später stattgefunden hat…”
“Sie sollen länger schlafen, Harry”, sagte Förnheim.
“Wieso?”
“Dann würden Sie optimistischer denken.”
Rudi grinste. “Wo er Recht hat, hat er Recht, Harry”, meinte er. Dann wandte er sich an Förnheim. “Wo ist übrigens Wildenbacher?”
“Glücklicherweise geht er mir hier nicht mehr auf die Nerven und steht mir im Weg herum. Er ist zurück nach Quardenburg gefahren und dürfte…” Förnheim blickte auf die Uhr an seinem Handgelenk. “...in schätzungsweise einer Stunde dort auch eintreffen.” Dann sah er auf und blickte zunächst Rudi und anschließend mich an. “Tun Sie beide mir einen Gefallen.”
“Und der wäre?”, fragte ich.
“Lassen Sie ihn aus dem Fall raus. Der braucht jetzt erstmal etwas Ruhe und ich möchte eigentlich vermeiden, dass er einen Knacks davonträgt.”
“Glauben Sie wirklich, dass man sich in dieser Hinsicht um Gerold Sorgen machen muss?”, fragte ich zweifelnd.
“Eigentlich kennen wir ihn doch eher als eine gelinde gesagt robuste Natur”, ergänzte Rudi.
“Mein Schwerpunktgebiet sind zwar die klassischen Naturwissenschaften, aber als Forensiker verfüge ich natürlich auch über grundlegende Kenntnisse in anderen Gebieten, die für unsere Sache wichtig sind. Dazu gehört auch die Psychologie und insbesondere die Traumapsychologie.”
“Sie glauben doch nicht etwa, Gerold könnte traumatisiert sein?”, meinte ich.
“Wenn unmittelbar neben Ihnen jemand erschossen wird? Wieso nicht? Das wäre nichts Ungewöhnliches. Die psychischen Folgen können schlimmer sein, als wenn Sie selbst etwas abbekommen. Und gerade Leute wie Gerold sind in der Gefahr, nicht auf erste Anzeichen zu achten, weil sie denken, dass sie immun gegen so etwas seien. Das sind sie aber nicht, Harry. Das ist niemand. Also sollte er sich am besten ein paar freie Tage nehmen und zur Ruhe kommen.”
“Wenn Sie meinen…”
“Ich habe schon mit unserem Vorgesetzten gesprochen. Ein paar freie Tage sind überhaupt kein Problem. Gegen das Angebot eines psychologisch-fundierten Gesprächs, wird er sich natürlich wehren wie ein bayerischer Bulle beim Alm-Abtrieb.”