Читать книгу Atemlose Spannung für den Urlaub: Vier Krimis: Krimi Quartett - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 26
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ОглавлениеRudi und ich fuhren zurück nach Berlin. Von unterwegs aus telefonierten wir mit Kriminaldirektor Hoch, um ihn über den gegenwärtigen Stand der Ermittlungen in Kenntnis zu setzen.
Um in die BKA-Zentrale im Hauptpräsidium zurückzukehren, hatten wir keine Zeit. Stattdessen fuhren wir gleich zum BKA-Büro Berlin weiter, um mit Norbert Merendan zu sprechen.
Angesichts der neuen Fakten musste er eigentlich einsehen, dass es besser war, mit uns zu kooperieren. Zumindest, wenn sein Anwalt etwas taugte und nicht ganz so verbohrt war, wie Merendan selbst.
Wir trafen Merendan in einem Besprechungszimmer. Sein Anwalt war ein korpulenter Mann in den mittleren Jahren, dem der Dreiteiler ziemlich stramm auf dem Leib saß. Ich nahm an, dass sein volles Haar nicht echt war war, dazu war es für sein Alter einfach zu üppig. “Mein Name ist Daniel J. Deggemann von Kemmerich, Deggemann & Partner”, stellte der Anwalt sich vor, woraufhin Rudi und ich ihm unsere ID-Cards zeigten.
“Wir untersuchen das Attentat auf MdB Johannes E. Moldenburg”, sagte ich. “In diesem Zusammenhang sind wir auf Ihren Mandanten gestoßen.”
“Mein Mandant hat sich nichts zu schulden kommen lassen”, sagte Deggemann.
“Den bewaffneten Angriff auf einen BKA-Kriminalinspektor würde ich nicht gerade als Kleinigkeit werten.”
“Sie haben sich Zutritt zu dem Haus verschafft, in dem mein Mandant wohnte und da Herr Merendan wiederholt unter dem durch Vorurteile und Ressentiments motivierten Handeln von Polizisten zu leiden hatte, entschloss er sich, nicht mit Ihnen zu sprechen.”
“Sie haben eine seltsame Weise, das auszudrücken, Herr Deggemann.”
“Zum Zeitpunkt, da es zu dieser unnötigen Eskalation kam, die schließlich zu den Schüssen und der Flucht im Wagen führte, lag da ein Haftbefehl gegen Herr Merendan vor?”
“Nein”, gab ich zu.
“Sie hatten also kein Recht ihn festzuhalten und trotzde-...”
Ich legte Merendan mein Smartphone hin. Auf dem Display war ein Standbild von den Videoaufnahmen zu sehen, die zeigten, wie er den falschen Elektriker durchwinkte.
Merendans Gesicht veränderte sich. Er wusste genau, was dieses Bild bedeutete. Diese erste Reaktion war für mich so gut wie ein Geständnis. Er konnte jetzt keinem von uns mehr etwas vormachen.
“Wir wissen, dass Sie dem Mann Zugang zur Veranstaltung verschafft haben, der mutmaßlich auf MdB Moldenburg geschossen hat. Wir wissen auch, dass Sie Mitglied von ‘German Sharia’ geworden sind und sich seitdem auch Idris Muhammad genannt haben. Und wenn Sie jetzt noch irgendetwas für sich herausholen wollen, dann sollten Sie jetzt mit uns reden, denn es geht hier noch um ganz andere Dinge, als um die Schüsse, die Sie auf mich abgegeben haben.”
Ich sprach einfach in den Redeschwall des Anwalts hinein. Und tatsächlich verstummte Deggemann schließlich, was ich ursprünglich kaum zu hoffen gewagt hatte. Entweder es geschahen doch noch Zeichen und Wunder, oder Deggemann hatte begriffen, dass ich recht hatte und es tatsächlich für seinen Mandanten das Beste war, mit uns zu kooperieren.
“Mann, ich bin in Panik geraten, als es plötzlich hieß, da ist das BKA!”, platzte es aus Merendan heraus. “Scheiße, ich hatte mal Probleme mit Drogen! Und im Knast habe ich einen Typen getroffen, der mich mit ‘German Sharia’ in Verbindung gebracht hat!”
“Reden Sie weiter!”, verlangte ich.
“Ich habe zum Glauben an Allah gefunden und bin von den Drogen weggekommen! Ohne den Glauben und meine Freunde bei ‘German Sharia’ hätte ich das nicht geschafft!”
“Und warum helfen Sie denen, einen MdB umzubringen?”, fragte Rudi.
“Die Maßnahmen, für die sich MdB Moldenburg so stark macht, trifft auch unschuldige Muslime! Zum Beispiel befürwortet er, dass die Amerikaner deutsche Basen für ihren Drohnenkrieg nutzen!”
“Jetzt kommen wir der Sache doch schon etwas näher”, meinte Rudi.
“Nein, vielleicht sollten wir die Unterhaltung hier abbrechen!”, meinte Deggemann.
Merendan ergriff nun wieder das Wort. “Hören Sie, ich bin schon lange nicht mehr Mitglied bei ‘German Sharia’! Ich habe den Glauben behalten, und ich bin den Jungs bis heute dankbar, weil sie mich von den Drogen befreit haben. Und was meinen neuen Namen betrifft, den trage ich auch schon lange nicht mehr. Das war eine Phase für mich, und die ist vorbei.”
“Dann stehen Sie den politischen Ideen von ‘German Sharia’ heute nicht mehr nahe?”
“Das habe ich nie. Ich fand es gut, ohne Drogen und Alkohol auszukommen, das ist alles. Die Kerle, die ich von damals kenne, sind immer noch meine Brüder, aber insgesamt hat sich ‘German Sharia’ in eine Richtung entwickelt, die ich nicht gutheißen kann.”
“Herr Merendan, bevor das Attentat auf den MdB verübt wurde, hat jemand die Stromversorgung in der Werner Bretzler Halle beschädigt. Das hatte nur einen Grund: Es sollte in der allgemeinen Verwirrung jemand eingeschleust werden, der anschließend auf den MdB schießen konnte.”
“Dafür haben Sie keine Beweise!”, unterbrach mich der Anwalt. “Und Sie sollten nichts darauf sagen, Herr Merendan!”
Ich deutete auf das Standbild, das den falschen Elektriker zeigte. “Um diesen Mann geht es! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir ihn identifiziert haben, und dann ist Ihre Aussage nichts mehr wert. Anscheinend kennen Sie ihn. Die Aufzeichnung lässt kaum einen anderen Schluss zu. Und deswegen nehmen wir an, dass Sie für die Störung in der Stromversorgung gesorgt haben.”
“Das sind Unterstellungen”, sagte der Anwalt.
“Ausgerechnet zum in Frage kommenden Zeitraum sind Sie nicht auf Ihrem Posten am Eingang gewesen, tauchen aber rechtzeitig dort wieder auf, um den falschen Elektriker durchzuwinken. Die Stelle, an die die Leitung gekappt wurde, ist identifiziert und Sie können sich darauf verlassen, dass wir jede noch so kleine Spur dort in Speziallabors untersuchen werden. Eine Hautschuppe reicht, um Sie als denjenigen zu identifizieren, der den Strom unterbrochen hat. Es gibt Überwachungskameras in den Gängen, die es vermutlich erlauben, Ihren Weg dorthin zu identifizieren…”
“Jetzt will er Ihnen nur Angst machen, Herr Merendan”, behauptete der Anwalt. “Sagen Sie gar nichts!”
“Jeder, der das vorhandene Beweismaterial sieht, wird Sie für den Komplizen eines terroristischen Anschlags halten”, sagte Rudi. “Davon müssen Sie einfach ausgehen.”
“Also, wenn Sie reden wollen, dann jetzt, sonst braucht niemand mehr Ihre Aussage”, ergänzte ich.
“Die haben nichts in der Hand!”, versicherte hingegen Deggemann. “Hören Sie nicht auf die!”
Aber Merendan schien in diesem Punkt inzwischen anderer Ansicht zu sein. “Diesen Kerl auf dem Bild kenne ich nicht so gut, wie Sie denken”, sagte er. “Und ich bin auch kein Komplize bei einem Mordanschlag!”
“Reden Sie!”, verlangte ich.
“Wenn ich gewusst hätte, dass das damit zusammenhängt…”
“Das was womit zusammenhängt? Sie müssen Ross und Reiter nennen, sonst können wir nicht begreifen, was Sie meinen.”
Norbert Merendan atmete tief durch und beugte sich vor.
“Ich habe Sie gewarnt”, sagte Deggemann. “Schieben Sie es also nicht auf mich, wenn Sie sich in die Scheiße reiten.”
“Dass der Strom kurz vor einer Veranstaltung ausfällt, das passiert andauernd. Nicht jedesmal, das wäre zu auffällig, aber immer wieder. Ein Kollege sorgt dafür, dass ein Kabel bricht, kriegt dafür ein paar Euro von der Elektro-Firma. Und die stellt nachher eine saftige Rechnung für eine angeblich komplizierte Fehlersuche aus, obwohl von Anfang an bekannt war, wo der Fehler steckte.”
“Und diese Masche fliegt nicht auf?”, fragte ich.
“In der Situation sind die Veranstalter und die Betreiber des Hotels oder der Halle so dankbar dafür, dass sie die Veranstaltung nicht absagen müssen, dass das einfach so durchgeht. Außerdem sind das im Verhältnis zu den Gesamtkosten Mini-Beträge. Und dazu kommt noch, dass man das alles auf die maroden Elektro-Installationen schieben kann.”
“Wieso das?”
“Diese ganzen Hotelpaläste an der Ostsee sind in den Neunzigern billig hochgezogen oder aus alten DDR-Beständen renoviert worden. Kein Mensch hat auf Qualität geachtet. Diese Gebäude sollten eigentlich nur Geld verbrennen. Dass sie mal Profit abwerfen, damit hat niemand gerechnet. Die schlechte Qualität ist legendär. Es sind damals wohl massenhaft Leistungen abgerechnet worden, die nicht erbracht worden sind. Jeden Kabelbrand, jede Funktionsstörung und was da sonst noch so alles vorkommen kann, lässt sich mit großer Glaubwürdigkeit darauf schieben.”
“Das heißt jetzt im Klartext, Sie haben tatsächlich für den Stromausfall gesorgt”, stellte Rudi fest.
“Das gebe ich zu. Dieser Typ auf dem Bild hat mich am Tag vorher angesprochen. Ich habe gesagt, dass könnte ich nicht einfach so machen, sondern müsste erstmal den Kollegen fragen, der diese Dinge sonst organisiert.”
“Wer ist das?”
“Er heißt Thore Grantor. Er wird natürlich alles abstreiten.”
“Was hat Grantor gesagt?”
“Ich könnte das ruhig machen. Irgendwann sei sowieso das erste Mal, und ich sei jetzt eben dran.”
“Wie sind Sie danach mit diesem Mann wieder in Verbindung getreten?”
“Gar nicht. Er hat mich nach Dienstschluss nochmal angesprochen. Und dann habe ich es durchgezogen. Dass es etwas mit Terrorismus oder dem Mord an einem MdB zu tun hat, das konnte ich doch nicht ahnen!”
“Wir werden das überprüfen”, sagte ich.
“Heißt das, ich kann gehen?”, fragte Merendan.
“Das heißt es nicht.”
“Es gibt keinerlei Beweise gegen die Einlassungen meines Mandanten”, mischte sich nun wieder Deggemann ein. “Also können Sie auch nicht…”
“Ich persönlich glaube Ihrem Mandanten”, unterbrach ich Deggemann. “Aber selbst wenn sich seine Aussage in jedem Detail bestätigen sollte, was erst überprüft werden muss, dann bleibt immer noch der Umstand, dass er auf einen Polizisten geschossen hat. Ich will das keineswegs überdramatisieren, aber eine Zielscheibe zu sein, ist kein Spaß! Auch für mich nicht.”
“Tut mir echt leid”, meinte Merendan.
“Gut, dass Sie nicht getroffen haben”, gab ich zurück.
“Haben Sie von dem Kerl, der Ihnen den Auftrag für die Sabotage der Stromversorgung gegeben hat noch irgendein Detail in Erinnerung, das uns helfen könnte, ihn zu identifizieren?”, fragte Rudi.
“Seinen Namen hat er nicht gesagt.”
“Das dachten wir uns schon”, fuhr Rudi fort. “Aber vielleicht haben Sie eine Handynummer, oder Sie erinnern sich an den Wagen, den er gefahren hat, das Nummernschild, der Typ, irgendwelche besonderen Kennzeichnen an der Person selbst.”
“Mit seinem kleinen Finger rechts stimmte was nicht. Der war irgendwie… zu kurz. Verkrüppelt oder so.”
“Und sonst?”
Er überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. “Ich sag’ Ihnen Bescheid, wenn ich mich noch an was erinnere.”