Читать книгу Atemlose Spannung für den Urlaub: Vier Krimis: Krimi Quartett - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 39
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ОглавлениеDie herrschaftliche Sandsteinvilla lag am Rand von Börneburg auf einem weitläufigen, hügeligen Grundstück. Frau Elizabeth Savonian residierte inmitten eines Anwesens, das anderen Leuten als Golfplatz genügt hätte. Es gab ein Haupttor, durch das wir eingelassen wurden, nachdem wir über eine Sprechanlage mit einem Bediensteten geredet und unsere Ausweise in die Überwachungskamera gehalten hatten. Wir fuhren bis zum Haupthaus. Daneben gab es noch eine sehr großzügig angelegte Garage und ein weiteres Nebengebäude, das vermutlich der Unterbringung von Personal diente.
“Die Geschäfte der Organisation scheinen nicht schlecht zu laufen, wenn Selim in der Lage ist, Frau Savonian den Unterhalt dieses Anwesens zu bezahlen”, meinte ich, während ich den Dienst-Porsche in einer der durch Blumenkübel voneinander abgegrenzten Besucher-Parkbuchten abstellte.
“Du vergisst, das Frau Savonian durch die Verhaftung ihres Mannes kaum finanzielle Verluste hat hinnehmen müssen”, gab Rudi zu bedenken.
Rudi hatte Recht.
Jörn Savonian war schließlich wegen Mordes verurteilt worden. Einem Mord, der in keinem nachweisbaren Zusammenhang zu seinen geschäftlichen Aktivitäten gestanden hatte. Ganz anders hätte der Fall gelegen, hätte er wegen Geldwäsche oder organisierter Kriminalität vor Gericht gestanden. Dann wäre es möglich gewesen, sein Vermögen oder zumindest große Teile davon einzuziehen.
Aber das blieb wohl einstweilen der Traum eines nach Gerechtigkeit suchenden Ermittlers.
Wir stiegen aus.
Eine riesige Dogge tauchte plötzlich aus dem Schatten auf und stand nun auf der obersten Stufe des Eingangsportals. Der Hund hatte dort offenbar irgendwo in einer Nische gelegen, denn wenn er auf seinen Beinen gestanden hätte, wäre es unmöglich gewesen, ihn übersehen. Das Tier knurrte.
“Scheint, als wären wir nicht so richtig willkommen, Harry”, murmelte Rudi. Wir hatten natürlich unserer Dienstwaffen dabei, aber ein Tier von dieser Größe konnte einem trotzdem gefährlich werden und war selbst durch mehrere Pistolenkugeln schwer zu stoppen.
Eine schlanke Frau mit dunklem, leicht silbern durchwirktem Haar trat durch die Eingangstür hinaus. “Sei ruhig, Satan.”
“Einen interessanten Namen haben Sie Ihrem Hund gegeben”, meinte ich laut genug, dass unsere Gastgeberin uns hören konnte. “Ich nehme an, Sie sind Frau Savonian!”
“Mein Leibwächter hat gesagt, dass Ihre Ausweise in Ordnung sind”, erklärte sie, ohne auf meine Frage direkt zu antworten. “Wenn Sie wollen, können Sie mir folgen. Ich habe allerdings nicht viel Zeit für Sie.”
“Die sollten Sie sich aber nehmen.”
“Meinen Sie?”
“Und der Hund…”
“Satan wird Ihnen nichts tun”, sagte Frau Savonian. “Vorausgesetzt, Sie ärgern ihn nicht. Dann kann er seinem Namen schonmal alle Ehre machen und etwas bissig reagieren.”
Wir gingen die Stufen des Portals hinauf und folgten ihr ins Innere des Hauses. Die riesige Dogge mit dem bösartigen Namen reichte der zierlich gewachsenen Frau Savonian beinahe bis zur Bauchnabelhöhe. Aber der Hund schien hervorragend erzogen zu sein. Jedenfalls folgte Satan ihr auf den Fuß und hielt sich immer dicht neben ihr.
In der Eingangshalle wartete ein Mann im dunklen Anzug. Er trug ein Funkgerät in der Hand. Ich nahm an, dass es sich um den Leibwächter handelte, zumal sich unter seinem Jackett etwas abzeichnete, was verdächtig nach einer Schusswaffe aussah.
Ich achtete unwillkürlich darauf, ob der Kerl vielleicht einen verkürzten kleinen Finger hatte. Aber das war nicht der Fall. Rudi schien denselben Gedanken gehabt zu haben. das konnte ich ihm ansehen. Er grinste verhalten.
Es wäre auch zu schön gewesen, hier und jetzt zufällig auf den Killer zu stoßen, hinter dem wir her waren.
Frau Savonian führte uns in ein weiträumiges Wohnzimmer. Durch die großzügig bemessenen Fensterflächen schien die Sonne herein.
“Ich denke, es ist unnötig. Ihnen etwas anzubieten, denn ich nehme an, dass Sie in Kürze wieder gehen werden”, sagte Frau Savonian. Dann deutete sie auf eine Sitzecke. “Nehmen Sie Platz und dann hoffe ich, bringen wir die Angelegenheit schnell hinter uns.”
Rudi setzte sich. Frau Savonian ebenfalls. Ich hingegen verzichtete darauf, was auch damit zu tun hatte, dass mich die Fotos in den Bann schlugen, die überall an den Wänden schön gerahmt zu sehen waren. Viele davon zeigten Selim Savonian. Ich hatte inzwischen ein Foto gesehen, das man von ihm in unserer Datendossiers finden konnte. Dadurch erkannte ich ihn wieder. Bei dem flüchtigen Rundumblick sah ich Selim als Festredner auf der Abschlussfeier seiner Gesamtschule, Selim mit ein paar Freunden Grimassen schneidend an irgendeinem sonnigen Strand, Selim auf einem großformatigen Portraitbild, das ihn offenbar ein paar Jahre später und ein paar Kilo schwerer zeigte.
“Ihr Neffe Selim scheint Ihnen sehr nahe zu stehen”, stellte ich fest, bevor ich mich dann schließlich doch noch setzte.
“Ich wäre Ihnen durchaus dankbar, wenn Sie zur Sache kommen würden”, sagte Frau Savonian, zu deren Füßen sich die riesige Dogge hingelegt hatte.
“Wo finden wir Ihren Neffen?”, fragte ich.
“Ich nehme an, dass Sie wissen, dass er eine Wohnung in der Stadt hat. Und wenn Sie mit ihm sprechen wollen, dann sollten Sie mit seinem Büro einen Termin ausmachen, wie sich das gehört.” Frau Savonians Tonfall erinnerte an den Klang von klirrendem Eis.
“Frau Savonian, ich nehme an, Ihr Mann hat mit Ihnen darüber gesprochen, dass er gute Chancen hat, aus dem Gefängnis entlassen zu werden”, sagte ich.
Ich beobachtete ihr Gesicht. Es blieb fast völlig unbewegt. Aber sie wich meinem Blick aus. “Jörn hatte einen Anwalt engagiert, der eine Wiederaufnahme des Verfahrens betreiben sollte”, gab sie dann ausweichend zurück. “Sind Sie deswegen hier?”
“Dann ist Ihnen sicher auch bekannt, dass dieser Anwalt inzwischen erschossen wurde.”
“Ja, das ist mir bekannt”, antwortete sie etwas gereizt.
“Auf den Gerichtsmediziner, den dieser Anwalt bat, die Originalbefunde zu überprüfen, ist ein Sprengstoffattentat verübt worden. Haben Sie davon auch gehört?”
“Worauf wollen Sie hinaus?”, fragte sie.
“Wir sind der Ansicht, dass jemand mit allen Mitteln verhindern will, dass der Fall Ihres Mannes nochmal aufgerollt wird. Haben Sie eine Ahnung, wer dahinterstecken könnte?”
Frau Savonian rieb ihre Handflächen gegeneinander und wirkte etwas nervös. “Können Sie sich vorstellen, wie das ist, wenn Sie die Nachricht bekommen, dass Ihr Mann im Bett mit einem toten Call-Girl aufgegriffen wurde?”
“Nun, ich…”
“Ich will ganz offen sein. In der ersten Zeit hatte ich nicht das Gefühl, dass mein Mann zu Unrecht im Gefängnis sitzt.”
“Sie haben ihn aber trotzdem die ganze Zeit über regelmäßig besucht.”
“Es gab eine Menge zu besprechen. Vor allem Geschäftliches.”
“Hat Franz Lutterbeck mit Ihnen gesprochen?”
“Ja, sehr ausführlich. Er hat versucht, mich davon zu überzeugen, dass Jörn die tote Frau, die man bei ihm gefunden hat, nicht umbrachte.” Sie schluckte. “Er wollte mich sogar davon überzeugen, dass er nichtmal Sex mit ihr hatte, sondern ihm ein jemand eine Leiche ins Bett legte, nachdem man ihn mit k.o.-Tropfen außer Gefecht setzte.”
“Haben Sie Herrn Lutterbeck geglaubt?”
“Anfangs nicht. Er sprach dauernd davon, dass es bei einem Wiederaufnahmeverfahren wichtig sei, dass ich hinter der Sache stehen würde und genauso von Jörns Unschuld überzeugt sei wie er.” Sie zuckte mit den Schultern. “Ein typischer Anwalt eben, so habe ich gedacht. Einer, bei dem es nur darum geht, den Prozess zu gewinnen und dem es im Grunde egal ist, was wirklich geschah.”
“Aber Ihre Ansicht hat sich geändert?”, hakte ich nach.
“Das wäre vielleicht zuviel gesagt. Ich würde es lieber so formulieren: Ich halte es nicht mehr für ausgeschlossen, dass es tatsächlich so war, wie Jörn immer behauptet hat. Warum er allerdings überhaupt in diesem Club war und ob er etwas mit dieser Frau hatte, steht auf einem anderen Blatt.”
“Diese Frau war ein Call-Girl”, stellte ich fest. “Und wir wissen, dass die Würgemale der Toten nicht zu den Händen Ihres Mannes passen. Die Sache hätte gute Aussichten gehabt, vor Gericht erfolgreich zu sein. Aber jemand wollte das um jeden Preis verhindern. Wir gehen davon aus, dass ein Killer beauftragt wurde, um das Problem zu lösen. Und unsere Theorie ist, dass der von jemandem beauftragt wurde, der einen Vorteil davon hat, wenn Ihr Mann weiter im Knast sitzt.”
“Wenn Sie mich verdächtigen sollten, dann irren Sie sich gewaltig. Sie können das nicht wissen, aber Jörn und ich haben bei der Hochzeit einen Ehevertrag unterschrieben. Er könnte sich jederzeit von mir scheiden lassen können, ohne dabei ein besonders hohes finanzielles Risiko befürchten zu müssen.”
“Diesen Vertrag würden wir gerne sehen”, verlangte ich. “Und davon abgesehen: Vielleicht würde Ihr Mann ja genau das tun, sobald er draußen ist und und er sieht, wie die Dinge während seiner Abwesenheit gelaufen sind.”
“Dazu hätte er keinen Grund”, behauptete sie.
“Wenn das tatsächlich so sein sollte, dann spricht doch nichts dagegen, dass Sie uns helfen, den Fall aufzuklären.”
“Natürlich nicht. Und ich habe auch nie gesagt, dass ich nicht kooperieren würde.”
“Wenn Sie kein Interesse daran haben, dass Ihr Mann länger als nötig im Gefängnis schmort, dann bleibt unseren bisherigen Erkenntnissen nach eigentlich nur eine andere Person übrig, die dafür in Frage käme.”
“Ich habe keine Ahnung von wem Sie sprechen.”
Ich stand auf, und deutete auf eines der Fotos von Selim Savonian. “Ich glaube, Sie wissen ganz genau, wen ich meine. Und Ihr Mann wusste das auch, als ich ihn danach fragte, wer denn möglicherweise ein Interesse daran haben könnte, dass er im Knast bleibt. Ihr Neffe Selim, der jetzt die Geschäfte kontrolliert, die er sich dadurch unter den Nagel gerissen hat, dass er Ihren Mann in eine Falle lockte.”
“Hören Sie, wenn mein Mann unschuldig ist, wieso sorgen Sie nicht einfach dafür, dass er aus dem Gefängnis entlassen wird?”
“Und wieso schützen Sie und Ihr Mann Ihren Neffen?”
“Sie wissen nicht, was Selim für uns bedeutet.”
“Sie haben in ihm ihren Ersatz-Sohn gesehen, das habe ich inzwischen begriffen.” Ich deutete zu den Fotos. “Und dieser Schrein hier spricht Bände darüber. Aber es geht noch um etwas anderes. Und so ahnungslos können Sie gar nicht sein, dass Sie das nicht wenigstens ahnen!”
“Ich denke, es ist jetzt das Beste, wenn Sie gehen. Kommen Sie wieder, wenn ein Anwalt der Familie anwesend ist. Ich habe keine Lust, mich oder die geschäftlichen Aktivitäten unserer Familie in irgendwelche Schwierigkeiten zu bringen.”
“Womit wir beim Kern der Sache wären! Die Geschäfte, die Ihr Ersatz-Sohn übernommen hat, arbeiten mit Geld aus illegalen Quellen. Und natürlich wollen weder Ihr Mann noch Sie, dass man diese Geschäfte genauer unter die Lupe nimmt, denn dann wäre Jörn Savonian vielleicht am Ende wieder im Knast - allerdings wegen Geldwäsche und den Verbrechen, die er in seiner Eigenschaft als Anführer einer kriminellen Organisation beging.”
Frau Savonian sah mich an. Aus ihren Augen blitzte so viel Wut, dass ich mit meinen Mutmaßungen eigentlich nur richtig liegen konnte. “Wenn Sie Beweise für all diese Dinge hätten, dann wäre mein Mann schon viel, viel früher verhaftet worden! Und Selim ebenso! Aber Sie haben diese dunklen Geschäfte, von denen Sie da faseln, nie nachweisen können! Es gab nicht einmal eine Anklage.”
Ich war in diesem Moment etwas abgelenkt. Eines der Fotos fiel mir auf. Ich nahm es von der Wand. Es zeigte Selim Savonian mit ein paar Freunden auf einer Segelyacht. Selim alberte offenbar mit zwei jungen Frauen herum. Die Stimmung schien sehr ausgelassen. Ein anderer Mann hatte eine Flasche Champagner in der Hand. Mir fiel die Hand auf, deren Finger um den Flaschenhals griffen.
Der kleine Finger war deutlich kürzer und wirkte verkrüppelt.
“Wann und wo wurde dieses Bild aufgenommen?”, fragte ich Frau Savonian.
“Das ist schon etwas her. Das sind Selim und seine Freunde. Mein Mann hat ihnen jedes Jahr unsere Yacht geliehen. “
“Wer ist der Mann mit der Champagnerflasche?”
“Selim ist erwachsen. Denken Sie wirklich, dass ich ihm noch vorschreibe, mit wem er spielen darf?”, fragte sie ärgerlich. “Ich habe wirklich keine Ahnung. Er hat viele Freunde und Bekannte.”
“Sehen Sie den kleinen Finger? Der ist verkrüppelt und hat nicht die Länge, die er haben sollte. Vielleicht sehen Sie sich das Bild nochmal genauer an. Es könnte doch sein, dass dieser Mann Ihnen schonmal aufgefallen ist.”
Frau Savonian starrte nur kurz auf das Foto. “Möglich, dass das jemand ist, den er mal als Leibwächter engagiert hatte. Man ist in diesem Land ja nicht mehr sicher.”
Ich bemerkte, dass die Dogge, die zu Frau Savonians Füßen lag, den Kopf gehoben hatte. Offenbar war der Hund der Ansicht, dass ich seiner Besitzerin zu nahe gekommen war.
“Es wäre nett, wenn Sie das Foto wieder an die Wand hängen und dann so gütig wären, dieses Haus zu verlassen”, sagte Frau Savonian dann mit scharfem Unterton. Wie auf ein geheimes Zeichen hin erhob sich daraufhin die Dogge und spitzte die Ohren.
“Das Bild werde ich beschlagnahmen müssen”, sagte ich. “Aber den anderen Gefallen kann ich Ihnen gerne tun.”
Rudi erhob sich. “Sie hören von uns, Frau Savonian”, kündigte mein Kollege an. “Ganz bestimmt.”