Читать книгу Krimi Koffer September 2021 - 7 Krimis auf 1000 Seiten - Alfred Bekker - Страница 10
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ОглавлениеDen sechs Raumfahrern verschlug es sekundenlang den Atem. Das bekam Orvid Bashkiri nicht gut, denn er hatte gerade sein Glas angesetzt. Ein Hustenanfall war die Folge, und Mitani klopfte ihm auf den Rücken. Luca aber lachte laut auf.
»Das ist ein echter Knüller!«, prustete er. »Tafford B. Caine, Seine Exzellenz, Befehlshaber der GRAT – mein Verstand streikt bei dem Versuch, mir so etwas auch nur annähernd vorzustellen. Soll das wirklich wahr sein?«
»So ist es«, bestätigte Tonkawa Matsumoto lakonisch. »Der Supercomputer scheint eine Schwäche für die PROKYON-Crew zu haben. Das hat er schon bewiesen, als er damals bei dem Prozess Ihre Verteidigung führte, und nun erneut. Was sagen Sie dazu, Taff?«
»Vorerst gar nichts«, murmelte der Commander kopfschüttelnd. »Dieser Gedanke erscheint mir so absurd, dass sich mein Inneres sträubt, ihn irgendwie zu akzeptieren. Dorit, sei so nett und schenke mir nochmal ein. Vielleicht hilft mir der Alkohol dabei.«
»Die Angelegenheit hat bereits ihre Wellen geschlagen«, sagte Alexa van Grooten. »Alle diesbezüglichen Vorschläge TACs werden natürlich publiziert, um der Bevölkerung bei der Meinungsbildung zu helfen. Drei Institute führen laufend Umfragen durch, um die Reaktion zu testen, und sie war gerade in Ihrem Fall ausgesprochen positiv. Im Durchschnitt waren es 63 Prozent der befragten Personen, die im Sinne des Computers votierten!«
Taff setzte sein Glas ab und sah auf.
»Ja, wenn das so ist ...«, meinte er gedehnt. »Unter diesen Umständen erscheinen mir die Dinge natürlich in einem anderen, besseren Licht. Ich hätte bei der Wahl voraussichtlich Milliarden von Menschen auf meiner Seite, und das ist ein verlockender Gedanke. Verehrte Anwesende, Sie sehen mich durchaus nicht mehr abgeneigt, für diesen hohen Posten zu kandidieren!«
Mitani N'Kasaa lachte leise auf.
»Bist du dir auch klar darüber, was das im Endeffekt bedeuten würde, Freund meines Herzens? Heute bist du Oberst, einer von vielen, wenn auch in mancher Hinsicht bevorzugt, und Miss van Grooten ist deine höchste Vorgesetzte. Dann aber wäre es ganz plötzlich umgekehrt: Du wärst der Große Boss, und unsere verehrte Admiralin müsste sich deinen Befehlen beugen! Diesen Aspekt finde ich geradezu umwerfend komisch.«
»TAC scheint, obwohl selbst ein Neutrum, insgeheim ein Gegner der fraulichen Emanzipation zu sein«, überlegte Orvid Bashkiri. »Da gibt es eine einzige, zudem noch ausnehmend kluge und attraktive Frau im gehobenen Flottendienst, und ausgerechnet die will er nun absägen. Kannst du das verantworten, Taff? Überlege es dir gut, noch hast du Zeit dazu.«
Min Jian-Ksu schmunzelte belustigt.
»TAC sieht das wahrscheinlich anders, und nicht ohne die gebührende Weisheit, wie mir scheint. Mit dem Amt kommt auch der Verstand, wie unsere Väter zu sagen pflegten. Oder, anders ausgedrückt: Ein Admiral Taff Caine – ohne eine solche Beförderung ginge es kaum ab – würde viele Dinge in einem ganz anderen Licht sehen. Die Last der Verantwortung würde ihn zwangsläufig dazu bewegen, sich an die Formen zu halten, die ein Mann in seiner Stellung einfach wahren muss. Damit wäre es automatisch mit all jenen Dingen vorbei, die seiner Person bis jetzt wie ein Schatten anhingen. Keine Eigenmächtigkeiten mehr, keine Insubordination, nicht mehr der kleinste Unfug!«
»Gut gesprochen, Meister der schönen Worte«, sagte Taff ironisch. »Zu gut sogar, denn der letzte Satz ließ ein wahres Schreckgespenst vor meinem geistigen Auge erstehen! Ich an einem Schreibtisch, eingezwängt in Dienstvorschriften, von all jenen misstrauisch beobachtet, die den früheren Caine als Outsider kennen. Die nur darauf warten, dass er sich daneben benimmt, um dann triumphierend den Finger zu heben und in den Aufschrei auszubrechen: Na, haben wir es nicht gleich gesagt! Nein, ich verzichte dankend auf solche Ehren. Lieber bleibe ich ein simpler Commander und fliege weiterhin durchs All, begleitet von meiner Crew, mit der ich mich blind verstehe. Behalten Sie Ihren Schreibtisch, Chefin, einschließlich des famosen Major Hackler, der mir ohnehin wie ein lebender Ableger von TAC vorkommt!«
Der Regierungschef schüttelte bekümmert den Kopf.
»Sie sollten es sich wirklich noch einmal überlegen, Taff. Sie werden auch nicht jünger, einmal wird es auch für Sie mit den Abenteuern vorbei sein. Warten Sie nicht darauf, bis Sie notgedrungen abtreten müssen. Wenn Sie sich zur Wahl stellen, ersparen Sie sowohl sich selbst wie auch uns Ungelegenheiten.«
»Nein!«, sagte Caine entschieden. Er griff nach der Flasche, schenkte sich drei Finger hoch Archer’s Tears ein, und trank mit sichtlichem Genuss. Alexa van Grooten lächelte ihm zu.
»Ich freue mich ehrlich, Taff«, sagte sie warm. »Nicht etwa darüber, dass ich nun wohl meinen Posten behalten werde, sondern deshalb, weil Sie Ihren Prinzipien treu bleiben wollen. Es wäre wirklich ein Jammer, wenn gerade die Crew aufgelöst würde, die sich trotz – oder vielleicht gerade wegen – ihrer Eigenheiten so gut bewährt hat.«
Zur Überraschung aller stimmte ihr auch Tonkawa Matsumoto zu.
»Sie haben es noch immer verstanden, trotz Ihrer ›besonderen Note‹ irgendwie ein Optimum an Erfolg für Terra herauszuholen, Taff. Ich bezweifle stark, dass es innerhalb der Galaktischen Raumflotte ein zweites Team gibt, das auch nur annähernd so effektiv wirken könnte.«
»Dank für Ihre gute Meinung«, sagte der Commander. »Allerdings ist unser Wirkungsbereich derzeit gleich Null, Chef der Sicherheit. Eine Crew ohne Schiff gleicht einem Gehirn ohne Körper, der ihm erst die Möglichkeit gibt, seine Gedanken in Bewegungen und Taten umzusetzen. Der Stern der Menschheit ist ein eindrucksvolles Attribut, aber für einen Flug durchs All wohl kaum das geeignete Vehikel.«
»Auch dieses Problem ist bereits gelöst«, erklärte die Admiralin. »Unabhängig vom Erhalt der Entschädigung durch die Nimboiden habe ich veranlasst, dass ein neu gebautes Schiff für Sie bereitgestellt wird. Sie werden die PROKYON X schon an einem der nächsten Tage übernehmen können.«
»Darauf trinken wir noch einen«, rief Luca aus, der offenbar nicht mehr ganz nüchtern war. »Die PROKYON Neun ist futsch – es lebe die PROKYON Zehn! Cheerio!«
*
Die Fronten waren geklärt. Min Jian-Ksu schien frustriert, verbarg diese Tatsache jedoch hinter einer Maske asiatischen Gleichmuts. Die Stimmung lockerte sich, und nun kamen auch andere Dinge zur Sprache.
»Da gibt es noch etwas, das mich verwundert«, stellte Taff fest. »Normalerweise nimmt doch die Nominierung eines Kandidaten für die Wahlen einen ganz anderen Verlauf. Er ist es, der sich selbst bewerben muss und durch TAC auf Herz und Nieren geprüft wird. Erst, wenn der Rechner sein Okay gibt, kann er in die Liste der zu Wählenden aufgenommen werden. Warum mag TAC ausgerechnet in meinem Fall selbst die Initiative ergriffen haben? Das ist mehr als ungewöhnlich.«
Matsumoto lächelte breit. »Sagte ich nicht vorhin schon, dass der Computer eine Schwäche für Sie haben muss? Er hat Sie in sein elektronisches Herz geschlossen, so könnte man es wohl am besten ausdrücken. Leider ist das ansonsten längst nicht bei allen der Fall, die Wert darauf legen.«
»Inwiefern?«, erkundigte sich Mitani N'Kasaa. »Hat er denn Kandidaten abgelehnt, die als erste Wahl für ihre Ämter angesehen wurden?«
»Das nicht gerade«, erklärte Alexa van Grooten. »Er hat aber einen großen Teil der Regierungsmitglieder nur unter Vorbehalt in die Wahllisten aufgenommen. Als Begründung führte er an, dass es zahlreiche andere Bewerber gäbe, deren Qualifikation höher einzustufen sei. Auch ihre Beliebtheit bei der Bevölkerung wird mit in Rechnung gestellt.«
»Auch ich falle in die Kategorie ›zweifelhaft‹«, sagte Kyll Lennard mit säuerlicher Miene. Er hatte bisher kaum gesprochen, sich dafür aber intensiv mit dem Inhalt seines Glases beschäftigt. »Nur Min Jian-Ksu und Matsumoto haben seine uneingeschränkte Gnade gefunden, obwohl sie selbst nicht so recht wollten. Wir haben sie erst dazu drängen müssen, sich zu bewerben. Und ich, der ich doch immer ...«
Seine Zunge war schwer geworden, der Rest verlor sich in undeutlichem Gemurmel. Der Regierungschef dagegen zeigte deutliche Anzeichen von übermütiger Heiterkeit, und Caine wurde an jenen Tag erinnert, als er sich zusammen mit der PROKYON-Crew ein geradezu phänomenales Besäufnis geleistet hatte. Er blinzelte der Admiralin zu, und Alexa schaltete sofort.
»Ich schlage vor, dass wir uns jetzt zurückziehen«, sagte sie. »Ich muss mich vor Dienstschluss noch in meinem Büro im Hauptquartier sehen lassen, und Sie haben doch sicher auch noch zu tun, meine Herren.«
Jian-Ksu wollte protestieren, aber Matsumoto gelang es, ihn umzustimmen. Nicht zuletzt mit dem Hinweis, dass TAC seine Meinung über ihn ändern könnte, falls bei ihm ein Hang zu feucht-fröhlichem Feiern erkennbar würde. Das war natürlich nur eine List, aber sie wirkte. Es gab noch ein allgemeines Händeschütteln, dann war die Crew unter sich.
»Hallelujah!«, grinste Luca Ladora fröhlich. »Endlich sind wir allein. Auf denn, lasst uns noch einen heben: auf unseren schönen Platin-Stern, auf Erethreja und unsere beiden Hübschen hier.«
Taff hob die Hand.
»Du hast noch zwei Dinge vergessen, Freund: Unsere gute alte PROKYON IX, das getreue Vehikel bei so vielen Einsätzen, jetzt unter einem Berg von Plasma begraben. Doch auch die PROKYON X, die unter unseren bewährten Händen auch wieder zum besten Raumschiff der Galaktischen Raumaufklärungsverbände werden soll! Auf all das lasst uns trinken.«
*
Zwei Hände rüttelten ihn an der Schulter, sanft, aber beharrlich. Caine stieß ein unmutiges Brummen aus, drehte sich auf die andere Seite und schlief weiter. In seinem Unterbewusstsein wurde Mitanis drängende Stimme zu der von Nina Smerovsk, denn er träumte gerade von einem der weit zurückliegenden Abenteuer aus Marschall Drechslers Ära.
Das Mädchen hielt ihm daraufhin Mund und Nase zu, und das wirkte. Der Traum verblasste, er fuhr hoch und schnappte nach Luft. »Was ist mit der Sauerstoffleitung ...?«, begann er, doch dann kehrte sein Gesicht in die Wirklichkeit zurück. »Ach, du bist es nur, Liebste«, murmelte er. »Mich so zu wecken, ist aber wirklich nicht die feine Art.«
»Es war die einzig wirkungsvolle«, sagte Mitani. »Los, raus aus den Kissen, das Frühstück wartet schon. Außerdem kam eben ein Anruf aus dem GRAT-Hauptquartier. Die Admiralin wünscht die gesamte Crew um elf Uhr bei sich zu sehen. Dir bleibt also nur noch eine knappe Stunde, um die letzten bösen Geister aus der Flasche zu vertreiben, die sich noch in deinem Kreislauf befinden.«
»Es sind gute Geister«, behauptete Taff träge. »Was den Menschen fröhlich zu stimmen vermag, kann unmöglich böse sein.« Er setzte sich auf und rieb sich die Augen. »Moment – sagtest du eben etwas von Alexa? Um elf Uhr in ihrem Büro? Mädchen, das macht mich schlagartig munter! Es tut sich wieder etwas, ein neuer Einsatz wartet auf uns.«
»Das ist nicht sicher, aber möglich«, meinte Mitani. »Auf also, ins Bad, der Kaffee muss jeden Moment fertig sein.«
Fünfzig Minuten später trafen sie in einem Korridor der Basis 104 mit den übrigen Mitgliedern der Crew zusammen. Drei von ihnen sahen den beiden erwartungsvoll entgegen, nur Luca Ladoras Augen zeigten einen leidenden Ausdruck. Man konnte den Kater förmlich auf seiner Schulter hocken sehen.
»Achtung, Commander Caine!«, klang eine Lautsprecherstimme auf. »Die Admiralin bittet Sie und Ihre Crew, sich im Raum 203 einzufinden und dort einige Minuten zu warten.«
Taff sah auf den Leuchtplan an der Wand und orientierte sich. In der Basis hatte sich gegenüber früher so viel verändert, dass auch er sich nicht immer auf Anhieb zurechtfinden konnte. »Zur nächsten Kreuzung, und dann rechts ab«, erklärte er. »Wir können zu Fuß gehen, es ist nicht weit.«
Der angegebene Raum entpuppte sich als ein kleines, nüchtern eingerichtetes Konferenzzimmer. Es gab einige Nachrichtengeräte und einen Sternkartentank darin, sowie einen Terminalanschluss zu TAC.
»Weißt du, worum es geht?«, erkundigte sich Lars gedämpft.
Caine kam nicht mehr zu einer Antwort. Im Hintergrund öffnete sich eine Tür, und Alexa van Grooten betrat den Raum. Sie lächelte und nickte den sechs Raumfahrern zu.
»Pünktlich zur Stelle, wie ich sehe«, sagte sie anerkennend. »Und das trotz reichlichem Genuss von Archer’s Tears, ich habe vorhin die Rechnung gesehen, die dem HQ von der Bar zugestellt wurde! Sollte das bereits eine Auswirkung des Lehrgangs sein, den Sie mitgemacht haben? Oder hat Sie lediglich die Neugier zu besonderer Eile angestachelt?«
Taff Caine grinste kurz.
»Falsch geraten, Chefin. Adel verpflichtet bekanntlich, und als Ordensritter gehören wir doch jetzt in diesen noblen Stand. Im Ernst: Es war tatsächlich die Neugier. Brennt es wieder einmal irgendwo, und wird die PROKYON-Feuerwehr gebraucht?«
Die Admiralin lächelte und winkte ab.
»Nichts dergleichen, Taff, noch ist es überall ruhig. Das gibt uns Gelegenheit, auch einmal Dingen nachzugehen, die in Krisenzeiten notwendigerweise zu kurz kommen müssen. Min Jian-Ksu hat angeregt, Sie nach Thorga im Sternhaufen NGC 188 zu entsenden.«
»Zum Planeten der schwarzen Spiegel?« warf die Funkerin ein. »Dort haben wir doch eigentlich nichts verloren, Chefin. Er wurde von einem Forschungsschiff der Mokaner entdeckt, so dass er jetzt ihr Interessengebiet ist.«
»Das ist schon geregelt, Dorit«, erklärte Alexa. »Sie haben ja letzthin selbst gesehen, wie es jetzt auf Mokan aussieht. Die Regierung hat für absehbare Zeit vollauf damit zu tun, das durch die Spiegel herbeigeführte Chaos zu beheben. Die Erste Senatorin Sheila Murumba hat unser Hilfsangebot akzeptiert, sechs Schiffe voller Lebensmittel und anderer Güter befinden sich auf dem Planeten. Sie hatte nichts dagegen einzuwenden, dass wir uns nun weiter um Thorga kümmern, Mokan hat für absehbare Zeit alle Forschungsexpeditionen eingestellt.
Sie waren bereits auf Thorga, kennen sich dort einigermaßen aus, und beherrschen die Sprache der Letho-Dimonds. Die logische Konsequenz daraus ist, dass Ihre Crew bereits jene Voraussetzungen erfüllt, die andere Besatzungen erst wieder schaffen müssten. Sie werden allerdings nicht allein dorthin fliegen, denn Ihre Qualitäten liegen nicht auf dem Gebiet der Forschung. Um sie geht es aber hauptsächlich in diesem Fall. Unser spärliches Wissen um die magischen Spiegel soll erweitert werden, natürlich so, dass die Eingeborenen dabei nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, die ihren Kult mit ihnen betreiben. Falls möglich, soll auch festgestellt werden, von wo die Spiegel nach Thorga kamen und wer die mysteriösen Dimonids waren oder noch sind.«
»Ein Geheimnis, dessen Aufklärung sich bestimmt lohnen dürfte«, stimmte Taff zu. »Schon der eine Spiegel, den ich besitze, hat uns auf dem Planeten des Plasmawesens wirklich unschätzbare Dienste geleistet. Wenn es gelingen sollte, die Schöpfer ausfindig zu machen und von ihnen zu erfahren, was sich mit den Spiegeln sonst noch alles anfangen lässt, könnte das Terra beachtliche Vorteile bringen.«
»Dieser Meinung ist auch TAC«, sagte die Admiralin. »Der Großrechner hat unsere Überlegungen vollauf bestätigt; auf seine Vorschläge geht auch die Zusammenstellung des kleinen Wissenschaftler-Teams zurück, das mit Ihnen fliegen wird. Ihre Hauptaufgabe wird es sein, sie bei den Letho-Dimonds einzuführen und für ihren Schutz zu sorgen, falls es Komplikationen geben sollte.«
»Womit, Chefin der fliegenden Festungen?«, erkundigte sich Taff. »Wir haben die uns zugesagte PROKYON X bis jetzt noch nicht einmal aus der Ferne gesehen!«
»Sie können sie bereits morgen übernehmen und den ersten Probeflug durchführen. Es gibt darin einige Verbesserungen, die Sie aber wohl kaum vor Probleme stellen werden. Wie ich Sie kenne, werden Sie kaum mehr als den einen Flug brauchen, um sich mit dem Schiff voll vertraut zu machen. Sobald das geschehen ist, können Sie zum NGC 188 aufbrechen. Ich möchte Sie aber schon jetzt mit den Wissenschaftlern bekanntmachen, die wir in Ihre Obhut geben, das erleichtert die späteren Dinge. Es sind nur drei, ich rufe sie jetzt herein.«
Sie trat zu einem Schaltpult und berührte einen Sensorkontakt. Die Tür zum Nebenraum glitt auf, und drei Personen traten ein, zwei Frauen und ein Mann.
»Ich stelle vor«, sagte Alexa van Grooten. »Dies ist Dr. Janine Latep, ihre Fachgebiete sind Exo-Linguistik und Kulturpsychologie. Die zweite Dame: Dr. Valentina Feodorowa, Exo-Archäologin und -Soziologin. Teamleiter ist Professor Carlo Lavazza, Mathematiker, Fremdtechnologe und Prähistorie-Explorator. Und dies hier ist die PROKYON-Crew, für die sich eine besondere Vorstellung erübrigt, wie ich annehme.«
Professor Lavazza nickte lebhaft.
»Sie war schon früher populär, und jetzt ist sie es in wahrhaft weltweitem Ausmaß. Mindestens zwei Drittel der Erdbevölkerung haben gestern Abend im Video die Ordensverleihung miterlebt, so auch wir. Ich erlaube mir, Ihnen auch im Namen meiner Kolleginnen die herzlichsten Glückwünsche dazu auszusprechen.«
Ein allgemeines Händeschütteln folgte, und Taff Caine musterte dabei unauffällig seine »Zöglinge«.
Carlo Lavazza war etwa Mitte der Sechzig, groß und hager. Sein Haar war noch voll und schwarz, die dunklen Augen unter der hohen Stirn funkelten in wacher Intelligenz. Sie lenkten von der extrem großen Nase ab, die wie ein Bergrücken aus dem rötlich-braunen Gesicht hervorstach.
Valentina Feodorowa bildete einen krassen Gegensatz zu ihm. Sie war nur mittelgroß, aber eckig und grobknochig, das mittelblonde Haar fiel strähnig um ein breites Gesicht mit vorstehenden Wangenknochen. Auch sie hatte ihre Jugend bereits hinter sich, Taff schätzte sie auf fünfzig Jahre.
Janine Latep war ein gänzlich anderer Typ. Schätzungsweise knapp über Vierzig, klein und dunkelhaarig, dabei mit einer unübersehbaren Neigung zur Fülle. Sie strahlte etwas Mütterliches aus, im Gegensatz zur Feodorowa, die eher männlich als feminin wirkte, was auf eine gewisse Vernachlässigung ihres Äußeren zurückzuführen war.
Taff verzichtete darauf, sich schon jetzt ein umfassendes Urteil über dieses Dreigespann zu bilden. Der erste Eindruck, auf den er viel gab, war jedenfalls nicht ungünstig. Sowohl der Professor als auch die beiden Frauen wirkten erfahren, umsichtig und zuverlässig. TAC schien also keine schlechte Wahl getroffen zu haben.
Einige unverbindliche Sätze wurden gewechselt, und damit war das erste »Beschnuppern« auch schon beendet. Alexa verabschiedete die Crew wieder, unter Hinweis auf dienstliche Obliegenheiten.
»Ich gebe Ihnen hier noch ein paar Schriftstücke mit, Taff«, sagte sie und reichte ihm eine schmale Mappe. »Studieren Sie sie im Lauf des Tages, heute haben Sie alle noch frei. Ich schlage aber vor, dass Sie gegen Abend die Werft anrufen, um für morgen einen Termin für die Übernahme Ihres neuen Schiffes zu vereinbaren. Melden Sie sich nach dem Probeflug wieder bei mir, wir legen dann die Einzelheiten für Ihre Reise nach Thorga fest.«
»Puh!«, machte Luca Ladora, als sie wieder draußen auf dem Korridor standen. »Gegen den Professor habe ich ja nichts einzuwenden, aber die beiden Frauen möchte ich nicht geschenkt.«
Dorit Grenelle feixte schadenfroh.
»Das gönne ich dir, du Multi-Casanova! Dein Einbahngehirn taxiert natürlich jedes weibliche Wesen zuerst in Bezug auf mögliche Abenteuer. Fällt dieses Urteil negativ aus, bist du sauer – warum eigentlich? Angeblich ist ja Erethreja deine große Liebe, das betonst du oft genug. Sobald dir dann jedoch eine attraktive Frau über den Weg läuft, wie zuletzt Norma Russell, balzt du sofort eifrig darauf los.«
Das Gesicht des Kybernetikers rötete sich, er setzte zu einer scharfen Erwiderung an. Taff unterband die sich anbahnende Kontroverse aber sofort energisch. Luca schluckte seine scharfen Worte hinunter, aber sein Gesicht blieb auch während des Mittagessens mürrisch, das die Crew im Speiseraum der Galaxy-Bar einnahm.
»Macht euch heute nochmal einen schönen Nachmittag«, empfahl Caine den anderen nach der Mahlzeit. »Seid aber am Abend beizeiten wieder in euren Behausungen, damit ich euch erreichen kann. Ich als euer treusorgender Commander werde zunächst die Papiere durchackern, die mir Alexa gegeben hat. Später verständige ich euch dann wegen der Übernahme der PROKYON X.«