Читать книгу Krimi Koffer September 2021 - 7 Krimis auf 1000 Seiten - Alfred Bekker - Страница 9
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Оглавление»Was trägt man bei einer Ordensverleihung, Taff?«, fragte Mitani N'Kasaa. »Es handelt sich schließlich um einen feierlichen Anlass, dem Min Jian-Ksu einen entsprechenden Rahmen geben dürfte. Dazu werden wir wohl kaum in unserer Alltagskleidung aufkreuzen können.«
Sie erhielt keine Antwort.
Der Commander und seine Gefährtin waren allein auf dem Meer. Sie trieben, faul auf zwei Surfbrettern ausgestreckt, mit der aufkommenden Flut auf die kleine Insel zu, auf der ihr Gleiter stand. Die Sonne brannte fast senkrecht auf sie herab.
Eine Stunde lang hatten sie sich damit vergnügt, auf ihren Brettern durch die Wellen zu reiten. Dann war der Stau gekommen und hatte diesem Treiben ein Ende gesetzt. Jetzt rollten die langen, niedrigen Wogen der Dünung auf das Eiland zu, das im Carpentaria-Golf, vor der Küste des australischen Kontinents lag.
»Heh, Taff! Ich habe dich etwas gefragt«, wiederholte das Mädchen, diesmal um einiges lauter.
»Und ich habe nicht geantwortet«, knurrte Caine, ohne die Augen zu öffnen. »Lass mich in Ruhe, Weib! Wie kannst du es wagen, einen ermatteten Raumfahrer in den kurzen Augenblicken der Ruhe und Erbauung zu stören? Ich brauche sie nötiger als das tägliche Brot, respektive die einfallslose Kost unserer Flottenkantine. Die Frustration der letzten Tage steckt mir noch in allen Teilen meines gut gebauten Skeletts.«
Tatsächlich waren die vergangenen Tage für die Individualisten der PROKYON-Crew eine harte Prüfung gewesen.
Seit dem Abenteuer mit dem Plasmawesen Mahab besaß sie kein Schiff mehr. Die PROKYON IX ruhte, von der schwarzen Masse des Plasmas begraben, auf der Oberfläche des Wanderplaneten, der irgendwo in Raum und Zeit verschollen war. An Bord eines nimboidanischen Kreuzers waren die sechs Raumfahrer ins Solsystem zurückgekehrt.
Dort hatten sich inzwischen die Wogen der Erregung wieder geglättet. Die »Operation Panflöte« der Nimboiden hatte mit einem Misserfolg geendet, die Bedrohung des Friedens innerhalb der Raumkugel war, zumindest für einige Zeit, abgewendet. Der obligatorische Verweis für die Crew wegen ihres neuerlichen eigenmächtigen Handelns war sehr milde ausgefallen. Der Erfolg hatte sie voll rehabilitiert, so sehr, dass der Regierungschef ihr einen neuen, eigens geschaffenen Orden verleihen wollte.
Urlaub hatte es diesmal jedoch nicht gegeben.
Stattdessen war die Besatzung zu einem Lehrgang kommandiert worden, vermutlich auf Betreiben des KSD-Chefs Tonkawa Matsumoto. »Zur Auffrischung verschiedener Kenntnisse«, hatte ihr Major Brian Hackler, Stabschef der GRAT, lapidar mitgeteilt. Taff und seine Freunde hatten milde gelächelt. Ihrer Meinung nach waren sie so firm in allen einschlägigen Dingen, dass es einfach nichts aufzufrischen gab.
Das Lächeln war ihnen jedoch bald vergangen. Die Ausbilder, trockene Theoretiker, die vermutlich noch nie über das Sonnensystem herausgekommen waren, hatten sie scharf in die Mangel genommen. Praktik hatte dabei allerdings nicht auf dem Programm gestanden. Dafür um so mehr Theorie, betreffend die Einhaltung der Dienstvorschriften und die Unterordnung unter die Einsatzbefehle.
Genau jene Dinge also, mit denen die PROKYON-Crew schon zur Zeit Marschall Drechslers auf Kriegsfuß gestanden hatte! Sie hatte alles ergeben über sich ergehen lassen, selbst Luca Ladora hielt seine Zunge im Zaum. Dafür hatte Taff gesorgt, obwohl er das Ganze für so überflüssig hielt, wie kaum etwas auf der Welt.
So war der Lehrgang schnell beendet gewesen. Man hatte der Crew ein neues Schiff versprochen, aber noch war es nicht soweit. Es waren einige Tage abgefallen, die den sechs Freunden Gelegenheit gaben, sich von den psychischen Auswirkungen der »Sonntagsschule« wieder zu erholen.
Luca hatte einen kurzen Abstecher nach Vortha gemacht, um Erethreja nach langer Zeit wieder einmal zu besuchen. Wo sich Dorit, Lars und Orvid befanden, wussten weder Taff noch Mitani. Sie hatten sich, gut mit Proviant versehen, auf die unbewohnte Insel zurückgezogen, um alles andere zu vergessen.
Doch nun ging auch dieses Idyll seinem Ende entgegen. Bei dem üblichen morgendlichen Anruf in der Basis 104 über das Funkgerät des Gleiters war für 15 Uhr ihre Rückkehr verlangt worden. Zu dieser Zeit sollte die feierliche Ordensverleihung stattfinden, in Gegenwart aller »hohen Tiere« der Erde.
Jetzt ging es bereits auf Mittag, und Taff stellte sich immer noch stur.
Über das dunkle Gesicht Mitanis flog ein spitzbübisches Feixen. Mit einigen schnellen Bewegungen dirigierte sie ihr Surfbrett nahe an das ihres Gefährten heran. Dann folgte ein rascher Fußtritt – Caines Brett kippte zur Seite, er selbst glitt ab und tauchte unter.
Prustend und spuckend kam er wieder hoch, aber das Mädchen befand sich längst außer seiner Reichweite. Mit flinken Beinschlägen trieb sie ihr Brett auf den Strand zu, der nur noch hundert Meter entfernt war. Dort angekommen, stieg sie aus dem Wasser und wartete mit jenem unschuldigen Lächeln, das nur Frauen produzieren können.
Als Taff ankam, meinte sie ruhig: »Das Wasser hat deinen Denkapparat wieder auf Touren gebracht, hoffe ich. Was soll ich, deiner Meinung nach, nachher anziehen?«
Taff klemmte sein Surfbrett unter den Arm, grinste, und schlug mit der freien Hand klatschend auf ihre nackte Kehrseite.
»Wenn es nach mir ginge, genügte dieser Aufzug vollkommen, du hinterlistiges Stück. Ich bezweifle jedoch, dass unsere würdigen Vorgesetzten den Anblick von soviel unverhüllter Schönheit ohne moralische Schäden ertragen können. Okay, fliegen wir zur Basis zurück, um etwas Passendes auszugraben.«
Als sie beim Gleiter ankamen, summte bereits das Funkgerät.
»Verdammt, wo bleibt ihr nur?«, erkundigte sich Luca ungehalten. »Wir sind längst alle da, nur ihr nicht. Die Admiralin hat schon dreimal nach dir gefragt, Taff. Man ist bereits dabei, den roten Teppich auszulegen, aber du ...«
»Wir kommen«, sagte Caine lakonisch und schaltete ab.
*
»Beeilt euch, Kinder!«, mahnte Lars Gunnarsson und schob sein Gedeck beiseite. »In einer halben Stunde soll die Feier beginnen, aber ihr tut so, als sei Essen das Wichtigste auf der Welt.«
»Ist es doch auch, Väterchen«, grinste Luca mampfend. »Von einigen anderen Dingen abgesehen natürlich, die ich als gleichwertig einstufen möchte. Ich denke da zum Beispiel an ...«
»Wir wissen, woran du die meiste Zeit über denkst«, unterbrach ihn Dorit Grenelle. »Erspare uns also bitte detaillierte Schilderungen. Im Übrigen solltest du dich schämen, du alter Wüstling. Kaum bist du von deinem Blumenkind zurückgekehrt, treibt deine unsaubere Phantasie schon wieder ihre Blüten. Ich glaube manchmal ...«
»Du sollst nicht glauben, du sollst dich beeilen«, schimpfte Lars und sah besorgt auf die Uhr. Orvid Bashkiri sah ihn spöttisch von der Seite her an.
»Ich hätte nie geglaubt, dass du so scharf auf Orden bist, Freund. Es sieht so aus, als hätten wir dich die ganze Zeit über verkannt. Im Übrigen können wir es uns ruhig erlauben, ein paar Minuten zu spät zu kommen. Der feierliche Akt kann erst steigen, wenn wir zugegen sind.«
Taff Caine erhob sich demonstrativ.
»Lasst euch ruhig Zeit, wenn ihr wollt. Ich gehe jedenfalls, um die mir nachgesagte Unzuverlässigkeit ad absurdum zu führen. Ich werde euch würdig vertreten und hinterher berichten, was Min Jian-Ksu gesagt hat. Falls es nichts Erfreuliches ist, fällt das auf euch zurück.«
»Noch ein Ordensjäger!«, knurrte Luca und schob missmutig den Teller weg. »Du hast dir doch hoffentlich ausnahmsweise heute den Hals gewaschen, Taff? Nicht, dass der Oberbonze beim Umhängen der Plakette einen Schlaganfall bekommt!«
»Er hat!«, bestätigte Mitani feixend. »Ich selbst habe ihn untergetaucht, auf dass der Crew keine Schande widerfährt. Orvid, was muss ich da sehen? Du hast deine Uniform mit Hühnerfrikassee garniert! Trägt man so etwas neuerdings bei feierlichen Anlässen?«
Der Astrogator fiel darauf herein und sah erschrocken an sich herunter, während alle anderen grinsten. Dann verließen sie die Kantine und stoppten zwei Robots, die sie ins Hauptquartier brachten, wo die Zeremonie stattfinden sollte.
Das ganze Verhalten der PROKYON-Besatzung bewies, wie wenig sie von der ihr zugedachten Ehrung hielt. Für sie gehörte die Zeit, in der das Ansehen von Angehörigen irgendwelcher Streitkräfte hauptsächlich von der Breite der Ordensschnalle abhing, einer fernen Vergangenheit an. Oft genug war diese Dekoration nicht aufgrund besonderer Verdienste, sondern lediglich wegen ausdauernden Katzbuckelns oder wegen der Zahl der Dienstjahre erfolgt. Der einfache Mann, der in vorderster Linie den Kopf hinhielt, war zumeist mit »Volksorden« abgespeist worden, in krassem Missverhältnis zu seiner Leistung.
Trotzdem hatte Taff Caine davon abgesehen, die seiner Crew zugedachte Ehrung abzuschlagen.
»Wir sind schließlich höfliche Leute«, hatte er erklärt, mit mildem Lächeln und der nötigen Spur von Sarkasmus. »Wir spielen also mit und nehmen die Dinger an. Indem wir das tun, manövrieren wir unsere hohen Vorgesetzten zugleich in eine für sie ungünstige Position. Eine Crew, für die sie eigens einen besonderen Orden geschaffen haben, müssen sie wohl oder übel auch entsprechend respektvoller behandeln, wenn sie sich nicht selbst widersprechen wollen!«
Immerhin hatten die vier Männer ausnahmsweise die Extrauniformen angelegt, die bis dahin unbeachtet in ihren Schränken gehangen hatten. Dem Zeitgeschmack entsprechend waren sie pompöser und prunkvoller, als die von Admiralen in früheren Zeiten. Die beiden Mädchen dagegen waren, da es für sie keine festen Vorschriften gab, ihrem eigenen Geschmack gefolgt.
Mitani N'Kasaa trug ein enges weißes Hosenkostüm, das in wirkungsvollem Kontrast zu ihrer dunklen Hautfarbe stand. Dorit Grenelle dagegen steckte in einer Art von Sarong, der, je nach Lichteinfall, in allen Farben des Spektrums schillerte. Ihre Frisuren waren absichtlich einfach gehalten, was in dieser Zeit der betont gewagten Formen schon wieder einer Extravaganz gleichkam.
Als die Crew ihre Wagen verließ, kam ihr bereits Hackler entgegen. Sein Gesicht war unbewegt, nur seine Augen konnten den Neid nicht ganz verbergen, der in ihm war. Er wusste sehr genau, dass er trotz allen Ehrgeizes nie soviel erreichen würde wie Caine und seine Gefährten. Schweigend führte er sie in den kleinen Festsaal und zog sich dann wieder zurück.
Taff sah ihn verwundert an. Er hatte damit gerechnet, dass man sie feierlich anmelden würde, wie es dem Anlass angemessen schien. Doch nichts dergleichen geschah. Dafür erhoben sich alle Anwesenden, als die Crew eintrat. Es waren insgesamt nur zehn, also ein recht kleiner Kreis.
Alexa van Grooten war da, Tonkawa Matsumoto, Kyll Lennard und natürlich auch Min Jian-Ksu. Die anderen sechs waren hohe Offiziere der Raumflotte, der Crew aber nur flüchtig bekannt. Sie waren Staffage, mehr nicht.
Bunte Bänder und exotische Pflanzen sorgten für einen gewissen festlichen Eindruck. Die Rückwand des Raumes bestand aus einer einzigen großen Bildfläche, auf der das Emblem der Erde stand. Und noch etwas war da, so unauffällig, dass die Crew es fast übersehen hätte: ein kleines Video-Aufnahmeteam!
»Auch noch diesen Schmerz ...«, seufzte der Commander.
Die Admiralin kam auf ihn zu und hörte diese Worte. »Haben Sie etwas gegen das Fernsehen, Taff?«, erkundigte sie sich nach einer formlosen Begrüßung.
»Nicht prinzipiell, Chefin«, sagte Taff. »Zwar frequentiere ich es nur selten, aber ich erkenne seine Existenzberechtigung durchaus an. Schließlich bringt es vielen Menschen Unterhaltung, und seine Nachrichten sind ja nicht immer vom KSD zensiert. Dafür habe ich aber etwas gegen unnötige Publicity, die einen in den Augen der Leute zum Helden hochstilisiert.«
»Höre ich recht?«, fragte Tonkawa Matsumoto, der ebenfalls herangekommen war. »Fürchten Sie sich etwa vor dieser Rolle, obwohl Sie sie seit Langem recht erfolgreich spielen?«
Caine zuckte mit den Schultern.
»Sie mögen es vielleicht so sehen, verehrter Chef der Sicherheit, aber meine Perspektive ist anders. Das einzige, mit dem die PROKYON-Crew öfters spielt, ist ihr Leben. Eine Rolle zu spielen, heißt Eindruck zu schinden versuchen. Hat das einer von uns jemals getan?«
Alexa sagte nachdenklich: »Nein, ganz bestimmt nicht. Im Gegenteil, Ihr Handeln war meist weit eher dazu geeignet, sich unbeliebt zu machen. Dafür hatte es jedoch den Vorzug unbestreitbarer Effektivität, und das gleicht natürlich vieles wieder aus. Doch nun genug davon, es ist bereits zwei Minuten vor fünfzehn Uhr. Später wird es noch andere Dinge zu bereden geben.«
Sie wies die Crew an, in der vordersten Sitzreihe Platz zu nehmen, vor der sich ein kleines Podium befand. Die Videokameras begannen zu surren, im Hintergrund sprach ein hochgewachsener Mann mit hagerem Pferdegesicht gedämpft in ein Mikrophon. Der Regierungschef erhob sich und bestieg gemessen das Podium.
»Er ist es, der hier Eindruck zu schinden versucht«, raunte Mitani den anderen zu. »Min denkt an die Wahlen und hofft darauf, dass ein Abglanz von dem Orden auch auf ihn zurückfällt!«
Min Jian-Ksus Laudatio war wohltuend kurz. Er sprach prägnant und sachlich, es gelang ihm, in wenigen Sätzen alles auszudrücken, was es an Lobenswertem über die PROKYON-Crew zu sagen gab. Nur auf die Vorgänge im Zusammenhang mit Mahab und den Nimboiden ging er ausführlicher ein, sie bildeten schließlich den Anlass für die Auszeichnung.
»Darf ich Sie nun bitten, sich zu mir zu begeben, Commander Caine«, schloss er. »Sie und Ihre Crew werden die ersten Träger des Ordens Stern der Menschheit sein, der für besondere Verdienste um Terra neu gestiftet wurde.«
Alexa, Matsumoto und die anwesenden Offiziere begannen zu klatschen. Taff erhob sich mit unbewegtem Gesicht und schritt die wenigen Stufen zum Podium empor. Er nahm andeutungsweise straffe Haltung an, während die Objektive der Kameras an ihm hingen und der Reporter noch schneller zu reden begann.
Jian-Ksu griff nach einem Kästchen aus Silber, in dessen Deckel das Emblem der Regierung eingraviert war. Er öffnete es bedächtig und holte den Orden daraus hervor.
Der »Stern der Menschheit« durchmaß etwa zehn Zentimeter. Es war eine dünne Scheibe aus Platin, achteckig, oben befand sich eine Öse für das purpurrote Band. In sie war inmitten eines Kreises eine stilisierte Erdkugel als Relief geprägt, die schützend von zwei Händen umgeben wurde. Unterhalb des Globus befanden sich zwei gekreuzte Lorbeerzweige, auf der Rückseite war eine Widmung eingraviert.
Der Regierungschef hielt den Orden einige Sekunden lang in die Höhe, damit ihn die Kameras erfassen konnten. Dann entrollte er die Bandschleife und nickte dem Commander unmerklich zu. Taff neigte den Kopf, Jian-Ksus Hände streiften das Band darüber, dann richtete er sich wieder auf. Er war beeindruckt, obwohl er das nie zugegeben hätte.
»Ich danke Ihnen im Namen der PROKYON-Crew«, sagte er ruhig. »Wir werden versuchen, uns dieser hohen Auszeichnung immer würdig zu erweisen.«
Erneutes Händeklatschen. Min nahm seine Rechte und drückte sie, den Kameras zugewandt. In dieser Pose verharrten beide Männer sekundenlang. Dann flog ein listiges Lächeln über das Gesicht des Asiaten.
»Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!«, zitierte er süffisant. »Wollen Sie mir im Ernst einreden, dass Sie sich jemals ändern werden, Taff? Um das zu bewirken, brauchte es wohl ein überdimensionales Wunder, und gerade die Wunder sind in dieser Zeit recht rar. Ich warte geradezu auf die nächste Eigenmächtigkeit, die Sie sich erlauben werden!«
*
Caine stockte der Atem. Er sah erschrocken zu den Kameras hinüber, doch Min Jian-Ksu winkte lässig ab.
»Keine Sorge, Taff, das wird über keinen Sender gehen. Wir haben vorgesorgt und nur eine Aufzeichnung anfertigen lassen, die am Abend ausgestrahlt wird. Schließlich kann man bei Ihnen nie genau vorhersagen, wie Sie reagieren werden. Was wir jetzt reden, bleibt vollkommen unter uns.«
»Vielen Dank für Ihre gute Meinung«, knurrte der Commander bissig. »Was Sie eben geäußert haben, wertet den wirklich schönen und eindrucksvollen Stern der Menschheit erheblich auf! Im Gegensatz zu Ihnen will ich jedoch darauf verzichten, das zu sagen, was ich jetzt denke.«
Die Mikrophone waren zuvor abgeschaltet worden, so dass die anwesenden Offiziere diese Kontroverse nicht hatten mithören können. Sie wurden nun von der Admiralin verabschiedet und verließen den Raum. Auch das Videoteam entfernte sich, und so blieben Alexa, Matsumoto und Min Jian-Ksu allein mit der Crew zurück.
Die beiden Männer verließen das Podium, und Luca Ladora kam mit großen Schritten auf Caine zu.
»Ich habe nicht nur große, sondern auch recht gute Ohren!«, sagte er empört. »Es gibt einen ganzen Orden für die gesamte Crew, und dann auch noch mit solch einer Begleitrede. Warum gibst du das Ding nicht einfach zurück, Taff?«
Der Commander hatte sich bereits wieder gefangen und grinste den Kybernetiker breit an.
»Ich pflege bekanntlich stets atypisch zu reagieren, wie du weißt. Deshalb denke ich auch nicht daran, Min jetzt diesen Gefallen zu tun. Platin ist auch heute noch recht wertvoll, und die Zukunft von Raumfahrern ist in dieser Zeit der raren Wunder recht ungewiss.«
Alexa van Grooten lachte leise auf.
»Ich habe zwar nicht verstehen können, was Min gesagt hat, aber ich kann es mir lebhaft denken. Fein, dass Sie es nicht weiter tragisch nehmen, Taff. Diesen Orden haben Sie alle sich wirklich redlich verdient, das bestätige ich Ihnen gern. Min hat ausnahmsweise einmal das zum Ausdruck gebracht, was er im Stillen denkt, und schon das ist bemerkenswert.«
»Für einen Politiker ganz bestimmt«, kommentierte Lars Gunnarsson trocken. »Okay, vergessen wir das Ganze – bis zur nächsten passenden Gelegenheit. Wie geht es nun weiter, Chefin?«
»Ich habe einen separaten Raum in der Galaxy-Bar reservieren lassen«, sagte die Admiralin. »Dort ist alles für eine kleine Feier im engen Kreis vorbereitet, bei der uns niemand stören wird. Die Liebenswürdigkeiten wurden bereits hier ausgetauscht, also können wir uns dort auf mehr sachliche Dinge konzentrieren. Kommen Sie.«
Caine streifte das Band über den Kopf und verstaute den »Stern der Menschheit« wieder in der Kassette.
»Er wird einen Ehrenplatz erhalten, trotz allem«, gab er bekannt. »Wo, weiß ich noch nicht, aber jedenfalls an einem bevorzugten Ort. Dort wird er uns immer daran erinnern, was wir der Menschheit schuldig sind.«
»Oder sie uns«, ergänzte Dorit Grenelle.
*
Der kleine Raum im Casino roch förmlich nach Nostalgie. Er war mit echtem Holz getäfelt, es gab bequeme altmodische Sessel und eine dezente, indirekte Beleuchtung. Mitani N'Kasaa schüttelte verwundert den Kopf.
»In diesem überprogressiven Bau hätte ich alles vermutet, nur nicht diesen Touch von Gemütlichkeit. Wer zeichnet dafür verantwortlich, Chefin?«
Die Admiralin zuckte mit den Schultern. »Ich wusste es, habe es aber inzwischen wieder vergessen. Es war einer der alten Offiziere, die damals den Architekten beratend zur Seite standen. Der Name jedoch ... ich glaube, er hatte etwas mit einem Pass zu tun, oder so ähnlich.«
»Gleich trifft mich der Schlag!«, sagte Taff entgeistert. »Doch nicht etwa Falpass – Commander Grynt Falpass?«
Alexas Gesicht erhellte sich. »Haargenau der war es. Ein würdiger alter Herr den Beschreibungen nach, ich habe ihn nicht mehr persönlich kennengelernt. Was haben Sie denn nur, Taff – ist Ihnen nicht gut?«
Caine fasste sich schnell wieder. »Mich hat nur eben ein Hauch der Vergangenheit gestreift. Ich kannte ihn nämlich, allerdings nicht als würdigen Alten, sondern als einen blonden, ziemlich draufgängerischen Hünen von Mann. Gerade ihm hätte ich das hier ganz zu allerletzt zugetraut. Da sieht man wieder einmal, wie die Jahre den Charakter eines Menschen verändern.«
»Nur den Ihren anscheinend nicht«, bemerkte Matsumoto anzüglich, der nicht ahnte, welche besonderen Erinnerungen sich mit diesem Namen verbanden. »Lassen wir die Reminiszenzen, Taff, jetzt beginnt der gemütliche Teil. Um keinen Stilbruch herbeizuführen, habe ich den Roboter zurückgewiesen, den man uns als Bedienung stellen wollte. Wir müssen uns selbst versorgen, die Flaschenbatterien stehen dort drüben am Buffet.«
Luca Ladora hatte sie bereits entdeckt und schwenkte eine der Flaschen durch die Luft. »Hier, Freunde: der erste Ableger des zweiten Gebindes von Archer’s Tears! Diesmal mit den richtigen Prozenten. Sorgst du für die Gläser, Dorit-Mädchen?«
Sie versanken halb in den weichen Polstern der Sessel, das gedämpfte Licht schuf eine freundliche Atmosphäre, die alles vorher gewesene vergessen ließ. Min Jian-Ksu hob als erster sein Glas. Er wies dabei auf das Kästchen mit dem Orden, das vor Caine auf der runden Teakholzplatte stand.
»Darin ruht ein Symbol, Ladies und Gentlemen«, sagte er mit leiser Stimme. »Wir haben den Namen Stern der Menschheit nicht von ungefähr gewählt, als wir diese Auszeichnung schufen. Die PROKYON-Crew war es, die nach ihrem Sprung in unsere Zeit dafür sorgte, dass die allgemeine Stagnation unter dem Einfluss von Fluidum Pax hier auf Terra ihr Ende fand. Die Erde ist nun einmal jener Planet, auf dem die Menschheit entstand, und ihr Stern war dabei, allmählich zu verlöschen. Die Raumfahrer der PROKYON haben ihr wieder neue Impulse gegeben, und damit der gesamten Raumkugel. Darauf wollen wir trinken!«
Sie taten es, und dann meldete sich Lars Gunnarsson zum Wort. »Als Senior der Crew möchte ich es übernehmen, einige Worte zu erwidern. Im Grunde verdanken Sie alles jener Macht, die uns aus dem trügerischen Bann löste, der uns bei jener Pseudo-Erde festhielt, als deren angebliche Wächter wir lange fungierten. Wir haben nur das getan, was wir für nötig hielten, wenn auch auf unsere eigene, unkonventionelle Weise. Und so wird es wohl auch in Zukunft bleiben, verehrtes Triumvirat. Wir sind gewissermaßen Fossilien, und solche pflegen ihre Form nicht mehr zu verändern. Verlören wir unseren eigenen Stil, wären wir nutzlos für Sie und Terra.«
»Ich bin sogar sehr dafür, dass Sie ihn behalten«, sagte die Admiralin nachdrücklich. »TAC hat allerdings eine erheblich andere Ansicht geäußert. Wollen Sie es sagen, Min?«
Der Regierungschef nickte.
»Unser elektronischer Ratgeber hat, während Sie auf Mahabs Planeten im Einsatz waren, eine seltsame Äußerung getan. Er schlug nichts Geringeres vor, als dass Sie sich anlässlich der bevorstehenden Wahlen für das Amt des Chefs der Galaktischen Raumstreitkräfte bewerben sollen, Taff!«