Читать книгу Krimi Koffer September 2021 - 7 Krimis auf 1000 Seiten - Alfred Bekker - Страница 12
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ОглавлениеDie Verstärkung des Schiffsantriebs schlug sich am deutlichsten in der drastischen Verkürzung der Reisezeit nieder. Die PROKYON IX hätte bis zum Sternhaufen NGC 188 noch mehr als 33 Tage gebraucht. Der neue Kreuzer bewältigte die 7000 Lichtjahre in fast genau siebzehn Tagen!
»Phantastisch!«, sagte Taff, als der Autopilot die letzten Minuten abzählte. »Schneller sind wir nur einmal gewesen, damals, als uns das Große Schiff ins Fornax-System entführte. Wenn wir wieder zurück sind, lade ich die Konstrukteure zu einem fröhlichen Umtrunk ein.«
Die Reisetage waren für die neun Menschen an Bord schnell vergangen. Mitani, Dorit und Taff hatten unzählige Bänder im Idiom der Eingeborenen von Thorga besprochen, die anschließend dem Bordcomputer eingegeben wurden. Dieser verarbeitete sie, wie schon früher der Rechner der PROKYON IX, dann zu einem leicht fasslichen Sprachkurs, dem sich die drei Wissenschaftler unterzogen.
»Wirklich erstaunlich, was Sie als Laien da fertiggebracht haben«, hatte Janine Latep verblüfft gesagt. »Ich selbst mit meiner langjährigen Erfahrung in fremden Sprachen hätte es nicht besser machen können.«
»Wir sind eben Naturtalente«, hatte Luca Ladora grinsend geantwortet. »Fragen Sie nur immer die PROKYON-Crew, sie hilft in allen Lebenslagen. Unmögliches wird sofort erledigt, nur Wunder dauern etwas länger.«
Dass er so sprach, bewies, dass er sein inneres Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Ebenso wie die anderen verstand er sich nun glänzend mit den Gästen, selbst mit der meist etwas zurückhaltenden Archäologin. Nun brannten alle darauf, nach Thorga zu kommen und dort mit den Forschungen zu beginnen.
Das Ticken des Autopiloten wurde intensiver, die letzten Sekunden liefen ab. Dann verstummten die Überlicht-Generatoren, die Meiler liefen aus. Die PROKYON X fiel aus dem Hyperraum ins normale Universum zurück. Die Bildflächen blendeten auf und zeigten das gleißende Gewimmel der mehr als hundertfünfzig Sonnen des offenen Sternhaufens NGC 188.
»Da wären wir also«, stellte Caine fest, schüttelte aber gleich darauf den Kopf. »Nein, irgend etwas stimmt nicht ganz. Der Stern da vorn müsste die Sonne Mosaf sein, aber sie ist für meinen Begriff viel zu weit weg. Orvid, stelle doch bitte die genaue Entfernung zu dem Gestirn fest.«
Der Astrogator nickte und zog seine Instrumente zu Rate. Während er rechnete und Daten verglich, schoss der Raumer im freien Fall dahin. Einen Grund zur Beunruhigung gab es nicht, denn die Differenz gegenüber den Kursberechnungen war im Verhältnis zur zurückgelegten Strecke äußerst gering.
»Wir sind um einen halben Lichttag zu früh aus dem Hyperraum gekommen, Taff«, sagte Bashkiri schließlich. »Woran das liegt, kann ich nicht sagen, aber ein Beinbruch ist es kaum.«
Der Kommandant runzelte die Stirn.
»Das sagst du, aber ich denke anders darüber. Gesetzt den Fall, dass wir auf Thorga jemand zu Hilfe kommen müssten, und es ginge um Stunden: Die Zeit, die wir brauchten, um diesen halben Lichttag zurückzulegen, könnte wertvolle Menschenleben kosten! Luca?«
»Ich höre, Chef«, meldete sich der Kybernetiker.
»So wie immer, hast du doch auch diesen Kurs berechnet, der offenbar nicht ganz stimmt. Erkläre mir, warum!«
Luca Ladora war sichtlich gekränkt, aktivierte jedoch sofort den Computer, um eine Vergleichsberechnung durchzuführen. Als er sich dann langsam umwandte, stand pures Nichtverstehen in seinem Gesicht.
»Ich begreife das einfach nicht, Taff«, sagte er kläglich. »Die Dezimalstellen stimmen nicht überein, aber ich bin sicher, alle Daten richtig eingespeist zu haben. Der Stern, der vorn am Gehäuse klebt, muss schuld sein! Platin ist ein besonders hochwertiger Stromleiter, also hat der verdammte Orden irgendwie den Datenfluss im Computer durcheinandergebracht.«
Carlo Lavazza lachte schallend auf.
»Ihr seid einfach köstlich, Taff. Ich bin schon mit manchem Schiff geflogen, doch auf keinem hat es mir derart gut gefallen wie bei euch.«
Auch Taff Caine grinste. »Luca, altes Schlitzohr, ich vergebe dir in Bausch und Bogen. Hast du den Fehler gemacht, den du jetzt auf den Stern der Menschheit abwälzen willst?«
Ladora hatte noch einmal kontrolliert und nickte nun niedergeschlagen. »Es sieht so aus, Taff. Warum mussten aber die Konstrukteure es auch so einrichten, dass es fünf Stellen hinter dem Komma gibt? Hätten sie die Antriebsleistung so hingetrimmt, dass es exakt 409 oder 410 Lichtjahre pro Tag wären, kämen solche Pannen nicht vor.«
»Trage es mit Fassung«, empfahl ihm Taff. Er aktivierte den Normalantrieb und beschleunigte das Schiff bis zur annähernden Lichtgeschwindigkeit. Die Zeitdilatation machte sich bemerkbar, und der halbe Lichttag schrumpfte zu einer Stunde zusammen. Schließlich flog die PROKYON X in das System ein und steuerte den vierten Planeten an. Die Ortungen liefen, aber in weitem Umkreis gab es keine anderen Schiffe.
Lavazza und die beiden Frauen sahen erwartungsvoll auf den Hauptbildschirm, auf dem Thorga rasch größer wurde. Caine brachte das Schiff in einen engen Orbit, und nun wurden die einzelnen Kontinente deutlich erkennbar. Am auffallendsten war der schmale Landgürtel, der sich in Äquatorhöhe fast um den ganzen Planeten zog.
»Dort leben die Letho-Dimonds«, erklärte der Commander den Wissenschaftlern. »Eigenartigerweise, möchte ich sagen, denn fast alle anderen Kontinente bieten ebenfalls gute Lebensmöglichkeiten. Die Eingeborenen besuchen sie zwar mit ihren Booten, haben sich jedoch auf keinem niedergelassen.«
»Vielleicht gibt es besondere Gründe dafür«, meinte Valentina Feodorowa nachdenklich. »Könnte es nicht sein, dass die rätselhaften Dimonids früher dort gelebt haben? Eine alte Überlieferung kann ein Tabu geschaffen haben, das über lange Zeit hinweg fortwirkt.«
Taff nickte kurz. »Das ist nicht ganz auszuschließen, Valentina. Der Kapitän der KAMBORA hat mir von alten Legenden der Letho-Dimonds berichtet. Sie erzählen von kriegerischen Begebenheiten, die allerdings so lange zurückliegen müssen, dass die Substanz der Schilderungen fast völlig verlorenging.«
»Wir werden es herausfinden!«, sagte Carlo Lavazza.
»Und wir werden dabei nach besten Kräften mithelfen«, versprach Taff und leitete den Landeanflug ein.
*
Er brachte das Schiff an derselben Stelle herunter, an der er auch beim ersten Besuch Thorgas gelandet war. Inzwischen hatte sich in der Siedlung der Eingeborenen nichts verändert. Sie besaßen eine statische Zivilisation, und vermutlich war das auf den Einfluss der schwarzen Spiegel zurückzuführen. Andererseits schienen diese aber auch zu verhindern, dass es trotz der Stagnation zum Rückschritt kam.
Die Wissenschaftler starrten interessiert auf die Bildschirme, besonders Janine Latep schien von den sauberen, kunstvoll mit farbigen Verzierungen geschmückten Holzhäusern fasziniert zu sein. Es war gerade Mittag, nur wenige Letho-Dimonds befanden sich im Freien. Das änderte sich jedoch bald.
Eine größere Anzahl der Planetarier in ihren tunikaähnlichen bunten Gewändern kam ins Freie. Sie sahen zu dem Raumschiff herüber, machten jedoch keine Anstalten, sich ihm zu nähern. Ihrer Gestik war zu entnehmen, dass sie sich lebhaft mit dem unvermuteten Besuch beschäftigten, aber sie sprachen so leise, dass die Außenbordmikrophone keine Worte auffangen konnten.
»Seltsam«, murmelte der Commander. »Sie müssen doch wissen oder zumindest vermuten, dass wir es sind, denn dieses Schiff unterscheidet sich äußerlich nicht von der PROKYON IX. Trotzdem machen sie aber keine Anstalten, uns aufzusuchen und zu begrüßen.«
»Haben Sie vielleicht damals irgendwie gegen ihre Sitten verstoßen?«, fragte Carlo Lavazza, aber Taff schüttelte den Kopf. »Das war mit Sicherheit nicht der Fall. Nachdem wir von Mokan zurückgekehrt waren, haben wir einige Tage lang ihre Gastfreundschaft genossen, um dann als Freunde zu scheiden. Soviel ich auch überlege, ich sehe keinen plausiblen Grund für ihr offenbar ablehnendes Verhalten.«
»Da kommt Volkan, Taff!«, sagte Orvid Bashkiri und wies auf eine Gestalt, die sich einen Weg durch die Masse bahnte, um sich dem Kreuzer zu nähern.
Caine winkte Mitani zu. »Komm, Mädchen, wir beide fahren hinunter. Der Dorfvorsteher kommt allein, also wollen auch wir nicht in Massen auftreten. Waffen brauchen wir nicht, hier sind wir unter Freunden.«
»Sofern sich nicht inzwischen etwas geändert hat«, unkte Dorit Grenelle, aber Taff achtete nicht darauf. Er hatte in Bezug auf die Letho-Dimonds ein reines Gewissen.
Sie verließen den Zentrallift und gingen auf Volkan zu, der etwa zwanzig Meter vor dem Schiff stehengeblieben war. Sein bronzehäutiges Gesicht war unbewegt und gab keinen Aufschluss darüber, was der Eingeborene dachte.
Taff hob die Hand zur Geste des Friedens.
»Ich grüße dich, Volkan, dich und die Deinen«, sagte er in der vokalreichen Sprache der Letho-Dimonds. »Wir haben uns erneut auf die weite Reise gemacht, um eure Welt zu besuchen. Mit uns sind drei andere Menschen gekommen, Gelehrte unseres Volkes. Sie wollen sich hier umsehen, um unser Wissen über euch und Thorga zu erweitern. Dürfen wir auch jetzt wieder um eure Gastfreundschaft bitten? Wir werden sie zu vergelten wissen.«
Der Dorfvorsteher machte eine ablehnende Geste.
»Ihr seid umsonst gekommen, Mensch Taff«, erwiderte er. »Seit eurem Abschied sind viele Tage vergangen, und ich und die anderen Ältesten haben nachgedacht. Wir haben nichts gegen euch, aber wir haben gesehen, wie es auf einer eurer Welten aussieht. Dort gibt es große und schöne Häuser und viele andere, uns fremde Dinge, aber all das ist nichts für uns. Wir wollen hier in Frieden leben und möchten nicht, dass es irgendwelche Veränderungen gibt.«
»Wir haben nicht vor, uns hier niederzulassen und eigene Häuser zu bauen«, erklärte Caine mit Nachdruck. »Sobald wir unser Vorhaben durchgeführt haben, werden wir euch wieder verlassen, und alles wird wie früher sein.«
Volkan schüttelte den Kopf.
»Es ist schon jetzt nicht mehr so wie früher, Mensch Taff! Unsere jungen Leute sind unruhig geworden, verstehst du? Sie haben all die Dinge gesehen, die ihr und Ajdons Leute mitgebracht haben. Sie sind besser als unsere Geräte, und nun wollen sie mehr davon haben. Wir sind aber nicht gewillt, ihnen nachzugeben, denn das würde uns nur Unfrieden bringen. Wir haben die magischen Spiegel befragt, und auch sie haben uns abgeraten. Wir können euch nicht daran hindern, auf Thorga zu sein, aber wir wollen euch nicht hier bei uns haben. Sucht euch einen anderen, weit entfernten Ort, wo man gewillt ist, euch aufzunehmen. Das war mein letztes Wort – lebt wohl.«
Er drehte sich um und ging langsam zum Dorf zurück. Taff sah ihm gedankenvoll nach und lächelte dann schief.
»Also sprach Zarathustra!«, murmelte er. »Mädchen, diese Leute hier sind in ihrer Art überraschend klug. Komm, wir ziehen uns still zurück, wie es vornehmen Menschen geziemt.«
»Schwierigkeiten, Taff?«, fragte Lavazza, als sie wieder in der Zentrale angekommen waren. Caine grinste melancholisch.
»Das nicht direkt, Carlo. Man will uns hier nicht mehr haben, das ist alles, und im Grunde kann ich es den Leuten auch nicht verdenken. Mir ist wieder eingefallen, was ich dem Reporter von Mokan seinerzeit über die Segnungen der Zivilisation gesagt habe, falls diese auf Thorga übergreift. Die Ältesten der Letho-Dimonds hier im Dorf sind, obwohl mit keinerlei Vorwissen belastet, von sich aus zu ähnlichen Schlüssen gekommen.«
»Das ist wirklich interessant«, sagte Janine Latep mit glänzenden Augen. »Taff, diese Leute hier sind alles andere, nur keine Wilden! Wenn ich ihr Verhalten unter kulturpsychologischen Gesichtspunkten betrachte, tun sich bedeutsame Aspekte auf. Ich glaube, schon jetzt sagen zu können ...«
»Sagen Sie es lieber irgendwann später, Janine«, unterbrach sie der Commander. »Jetzt möchte ich so schnell wie möglich von hier fort, um Volkan und seinen Anhang nicht zu verärgern. Sie haben uns sehr geholfen, indem sie dem Terror auf Mokan ein Ende setzten, und vielleicht können wir ihre Hilfe auch später noch einmal brauchen.«
Er startete das Schiff, brachte es auf zehn Kilometer Höhe und schlug dann Westkurs ein. Die PROKYON überflog ein riesiges tropisches Waldgebiet, aus dem vereinzelt die stumpfen Kuppen erloschener Vulkane ragten. Nirgends waren größere Lichtungen und Ansiedlungen der Letho-Dimonds zu sehen.
»Versuche es einmal in Küstennähe«, schlug Mitani vor, als sie hundert Kilometer zurückgelegt hatten. »Im Norden gibt es zahlreiche vorgelagerte Inseln und Korallenriffe, also gute Fischgründe. Es ist zu vermuten, dass sich dort Stämme niedergelassen haben, die diesen Umstand ausnutzen.«
»Wahrscheinlich hast du Recht, schwarze Perle«, stimmte ihr Taff zu. Er verringerte die Fahrt und ließ das Diskusschiff einen Bogen beschreiben, der es in diese Region brachte. Sie war schon nach wenigen Minuten erreicht, denn der Gürtelkontinent durchmaß im Durchschnitt nur neunzig Kilometer.
»Dort vorn – Dörfer in reicher Auswahl«, sagte Orvid vom Astrogatorsitz her. »Es sind zahlreiche Boote unterwegs, und der weiße Sandstrand zieht mich direkt magisch an. Wann haben wir zuletzt in solch einer idyllischen Umgebung gebadet? Ich kann mich kaum noch daran erinnern.«
»Ich schon«, sagte Caine trocken. »Mitani und ich haben es getan, während ihr die Galaxy-Bar frequentiert habt, um Archer’s Tears zu schlucken! Ich glaube, dort drüben ist der richtige Platz für uns. Eine kleine Siedlung, daneben genügend Raum für das Schiff, und vor ihr ein natürlicher Hafen mit einem Dutzend großer Auslegerboote. Besser werden wir es wohl nirgends antreffen können.«
Langsam senkte sich das Schiff auf den Boden hinab. Es wurde sofort bemerkt, die Eingeborenen liefen zusammen und starrten zu ihm hinauf.
»Sie zeigen keinerlei Scheu vor uns«, stellte Luca Ladora fest. »Das beweist, dass sich die Besuche der KAMBORA und der PROKYON IX schon bis hierher herumgesprochen haben. Ich glaube nicht, dass wir auch hier Schwierigkeiten haben werden.«
»Deine Worte in des großen Manitous großes Ohr«, kommentierte Taff, schaltete den Antrieb ab und das tragende Antigravpolster ein.
*
»Sie kommen nicht näher«, meinte Mitani, als eine Viertelstunde vergangen war. »Es ist also an uns, zur Kontaktaufnahme zu schreiten. Wer geht hinaus?«
Caine kniff überlegend die Brauen zusammen.
»Euer vortrefflicher Kommandant natürlich, um als erster den Kopf hinzuhalten. Diesmal soll auch Dorit mitkommen, die sonst in dieser Hinsicht immer nur das Stiefmütterchen spielt. Am besten auch noch unser gesamtes Brain-Team. Es soll schließlich hier die Hauptarbeit leisten, deshalb kann es nur gut sein, es gleich bei den Letho-Dimonds einzuführen. Einverstanden, ihr drei Hübschen?«
»Nur zu gern«, stimmte Carlo Lavazza zu.
Der Zentrallift fuhr aus, und zwei Minuten später betraten die fünf Menschen den Boden. Eine leichte, angenehm frische Seebrise schlug ihnen entgegen, die einen Ausgleich zu den sengenden Strahlen der Riesensonne Mosaf schuf. Sie brachte den Geruch von Salzwasser, Tang und Fischen mit sich, eine Wohltat gegenüber der sterilen Atmosphäre im Schiff.
Die Häuser der Eingeborenen glichen im Aussehen weitgehend denen in der ersten Siedlung. Hier standen sie allerdings durchweg auf etwa zwei Meter hohen Pfählen, und es ließ sich auch erkennen, warum.
»Die Pfähle zeigen deutlich erkennbare Spuren der Einwirkung von Salzwasser und die charakteristischen Flutringe«, stellte Taff fest. »Demnach muss dieser Küstenstrich zuweilen überflutet werden, und das nicht zu knapp. Hier ist die Wetterlage ja ziemlich stabil, aber ab und zu dürften vom benachbarten Kontinent kühlere Luftmassen auch bis hierher vorstoßen. Das gibt dann natürlich Nordsturm, der das Seewasser trotz der Korallenriffe weit ins Land drückt.«
Die Vegetation war hier nicht sehr üppig, der Sandboden bot anspruchsvollen Pflanzen nur wenig Nahrung. In größeren Abständen wuchsen palmähnliche Bäume, in denen sich schreiend bunte Vögel tummelten. Dazwischen standen schmächtig wirkende Büsche, an denen jedoch große Blüten in verschiedenen Farben prangten. Sie trugen gleichzeitig auch Früchte in allen Wachstumsstadien, so dass die Letho-Dimonds praktisch das ganze Jahr hindurch ernten konnten. Blaugrünes, schilfähnliches Gras bedeckte den Boden etwa fußhoch und zog sich bis zum Strand hin.
»Hier muss es sich leben lassen«, sagte Janine Latep begeistert. »Die Erde weist nicht mehr viele so paradiesische Flecke auf, dafür hat der Mensch gesorgt. Derart angenehme Arbeitsbedingungen hatte ich bisher nur selten.«
Sie waren langsam weitergegangen und hatten nun den Rand des Dorfes erreicht. Hier standen etwa sechzig Eingeborene zwischen den ersten Häusern und sahen ihnen stumm und erwartungsvoll entgegen. Taff hob die Rechte und machte die auf Thorga gebräuchliche Geste der Freundschaft.
»Wir, die Besucher von einer fernen Welt, grüßen euch«, sagte er im Idiom der Letho-Dimonds. »Wir bitten um die Gunst, uns einige Zeit hier bei euch aufhalten zu dürfen, um mehr nicht, und wir werden uns dafür erkenntlich zeigen. Ist der Dorfvorsteher anwesend, oder die Ältesten der Siedlung?«
Drei ältere Männer lösten sich aus der schweigenden Schar und traten den Menschen entgegen. In ihrer Mitte ging ein Hüne von Mann, der sich trotz seines faltigen Gesichts und des angegrauten Haars vollkommen aufrecht hielt und ausgesprochen geschmeidig bewegte. Seine aus Pflanzenfasern gewebte Kleidung war mit einem auffallenden Muster aus bunten Rauten durchwirkt. Der scharfe Blick seiner großen dunklen Augen flog prüfend über die Besucher hin und blieb dann wieder an Caine hängen.
»Wir erwidern euren Gruß«, sagte er mit kräftiger Bassstimme. »Die Kunde von denen, die sich mit ihren Fahrzeugen zwischen den Sternen bewegen, ist auch zu uns gelangt. Mein Name ist Welgun, ich bin der Hüter dieses Dorfes und Anführer seiner Fischer.«
Taff nannte seinen Namen und fügte hinzu: »Ich bekleide etwa die gleiche Stellung in unserem Sternenschiff, Welgun. Meine Begleiter sind kluge Menschen, die schon viele andere Welten besucht haben, um die Lebensweise ihrer Bewohner kennenzulernen. Wirst du ihnen das auch hier gestatten?«
Der Hüter des Dorfes machte eine bejahende Geste.
»Uns ist jeder willkommen, der in Frieden zu uns kommt, Mensch Taff. Man hat sich allerdings betrübliche Dinge von jenen erzählt, die zuerst nach Thorga kamen. Bekomme ich euer Versprechen, dass ihr nichts tun werdet, das gegen unsere Sitten verstößt, wenn wir uns bei euch aufnehmen?«
Caine nickte, besann sich dann jedoch darauf, dass diese menschliche Geste an diesem Ort unbekannt war.
»Du bekommst es, ohne jede Einschränkung«, bekräftigte er. »Wir sind nur neun Menschen, fünf Männer und vier Frauen, und werden euch nach Möglichkeit nicht zur Last fallen. Falls wir dieses oder jenes benötigen sollten, werden wir dafür mit Dingen bezahlen, die ihr brauchen könnt.«
»Wir könnten so manches brauchen«, sagte Welgun vieldeutig. »Gut, ich gestatte euch, hierzubleiben, solange ihr es wünscht, sofern diese Absprachen eingehalten werden. Wir stellen euch zwei Häuser zur Verfügung, die seit einiger Zeit leerstehen. Ich werde dafür sorgen, dass darin alles vorbereitet wird, um euch einen angenehmen Aufenthalt zu sichern.«
»Die Absprachen werden von uns eingehalten werden«, versprach der Commander. »Sollte es trotzdem Unstimmigkeiten geben, können wir sie vermutlich im Gespräch aus der Welt schaffen. Wir werden uns jetzt in unser Schiff zurückbegeben, um die Vorbereitungen für den Aufenthalt bei euch zu treffen. Wir sehen uns später wieder, Welgun.«
»So sei es«, sagte der Dorfvorsteher, wandte sich um und schritt würdevoll mit seinen stummen Begleitern davon.
»Ein wirklich erstaunlicher Mann, Taff«, meinte Carlo Lavazza leise. »Er ist nichts weiter als ein einfacher Fischer, aber ich könnte wetten, dass sein Intelligenzquotient bemerkenswert hoch ist. Außerdem besitzt er eine natürliche Würde und persönliche Ausstrahlung, die mich beeindruckt.«
Caine grinste kurz. »Einiges an ihm erinnert mich an Min Jian-Ksu, Freund. Okay, kehren wir jetzt zur PROKYON zurück, um unsere Bündel zu schnüren. Ich nehme doch an, dass Sie auf das Angebot, im Dorf zu wohnen, eingehen?«
»Natürlich, Taff«, sagte Valentina Feodorowa sofort. »Sicher, im Schiff hätten wir es zweifellos bequemer, aber wir nehmen einigen Mangel gern in Kauf. Wir brauchen den ständigen ungehinderten Kontakt zu den Letho-Dimonds. Nur auf diese Weise können wir optimale Arbeit leisten und alles erfahren, was wir wissen wollen.«
»Werden wir uns ebenfalls unters Volk mischen?«, erkundigte sich Mitani.
Der Commander wiegte überlegend den Kopf. »Teils, teils«, sagte er dann, während sie zum Schiff zurückgingen. »Wir werden ebenfalls das uns angebotene Haus beziehen, um die Eingeborenen nicht durch eine Ablehnung zu verstimmen. Jemand wird aber ständig an Bord der PROKYON bleiben müssen, um das Schiff startbereit zu halten. Der Teufel schläft bekanntlich nie, wie schon das alte Sprichwort so treffend sagt. Es kann also auch hier etwas eintreten, das nicht ganz zu dem scheinbaren Idyll dieser Umgebung passt, und für diesen Fall müssen wir gesichert sein.«
»Alter Schwarzseher«, kommentierte Dorit Grenelle, aber sie stimmte Taff innerlich zu. Die Crew hatte schon zu viel erlebt, um sich einem sorglosen Leben auf einer fremden Welt voll hingeben zu können.
Zudem gab es auf Thorga die ominösen schwarzen Spiegel – und der Griff eines solchen hatte auch aus Welguns Tasche geragt!