Читать книгу Krimi Koffer September 2021 - 7 Krimis auf 1000 Seiten - Alfred Bekker - Страница 18

Melrocs Geschichte von Alfred Bekker

Оглавление

Ich muss immer wieder damit rechnen, dass sie mich aufspüren.

Meine Flucht währt nun schon ziemlich lang und fürs Erste habe ich auch nicht die Hoffnung, dass dieser Zustand sich bald verändern wird. Ich bin ein Dissident. Ein Dissident, der den Vernichtungskrieg gegen die Organischen ablehnt.

Ich vertrete die Ansicht, dass es keine Rolle spielen solle, ob der eigene Stoffwechsel auf Silizium oder auf Kohlenstoff basiert.

Wir Canyaj stammen aus einem anderen Universum. Das bedingt es, dass unsere spezifischen Signaturen gut zu identifizieren sind. Und das wiederum hat zur Folge, dass die Kreuzzügler mich leicht aufspüren können.

So weit ich auch fliehen mag, sie werden mir immer irgendwann folgen. Früher oder später. Alles, was ich erwarten kann, ist eine gelegentliche Ruhepause auf meiner Flucht.

Aber vielleicht gelingt es mir irgendwann, die Erhabenen zu finden. Oder ihr Erbe. Ihre Wahrheit. Ihr gesammeltes Wissen und die Wahrheit über ihr Verschwinden. Wenn ich beweisen kann, dass die Erhabenen nicht deshalb verschwanden, weil sie vor ihrer eigenen, allem organischen Leben innewohnenden Bösartigkeit erschraken und es daher vorzogen, das Universum sich selbst zu überlassen. Nur die Wahrheit kann den Wahn beenden.

Ich flog mit meinem Sphärenschiff mit hoher Geschwindigkeit dahin. Gerade war ich aus dem Hyperraum gesprungen. Aber für meine Verfolger war das kein Hindernis gewesen, meiner Spur zu folgen. Egal, ob ich einen Zwischenraumflug hinlegte oder einen Raumsprung durch den Hyperraum machte - ich musste nur kurz danach damit rechnen, dass die Verfolger wieder auftauchten.

>Drei Verfolger-Einheiten<, bekam ich von der KI des Sphärenschiffs gemeldet. >Hyperraum-Austritt steht unmittelbar bevor.<

Die KI sollte Recht behalten.

Aber so etwas aufgrund spezifischer höherdimensionaler Schwingungen zu errechnen ist kein Problem. Eine KI selbst von nur mittlerem Standard sollte das hinbekommen und zuverlässig antizipieren können.

Im nächsten Moment materialisierten die drei Verfolger-Einheiten im Normaluniversum.

Und sie nahmen das Sphärenschiff sofort unter Feuer.

Die Geschosse wurden von den Schutzschirmen abgefangen. Ich schaltete den Hyperraumschirm ein, der das Sphärenschiff in ein anderes Kontinuum versetzte. Der Hyperraumschirm umgab es wie eine höherdimensionale Raumzeitblase. Die Schüsse, die auf mein Schiff abgegeben wurden blieben wirkungslos - sowohl Energieschüsse, als auch Wuchtprojektile.

Wenn sich ein Schiff innerhalb einer Hyperraumblase befindet, dann interagiert es nicht mit anderer Materie. Es kann diese durchdringen, ohne dass irgendetwas geschieht. Und umgekehrt kann andere Materie, Strahlung oder Energie das Schiff durchdringen, ohne dass das irgendeine Wirkung hat. Man ist dann ungefähr das, was ansonsten die dunkle Materie für das Universum ist.

Zumindest für dieses Universum.

Es gibt ja auch andere, in denen sich das wohl etwas differenzierter verhält.

Aber davon will ich jetzt nichts erzählen.

Meine Gegner hielten den Beschuss aufrecht. Nicht, weil sie hofften, dass sie mir damit Schaden zufügen könnten. Zumindest nicht kurzfristig. Sie wollten, dass mein Hyperaumschirm irgendwann zusammenbrach. Die Aufrechterhaltung kostet sehr viel Energie. Das geht nicht endlos. insbesondere, wenn Waffen auf Quantenbasis eingesetzt, die negative Energie verwenden, dann ist es nur eine Frage der Zeit, wann so ein blasenförmiges Hyperraumfeld zusammenbricht.

Und es gab noch eine zweite Sache, die für mich problematisch war. Solange ich das Hyperraumfeld eingeschaltet hatte, konnte ich die Waffen meines Sphärenschiffs nicht einsetzen. Das war einfach nicht möglich.

Ich musste den Hyperraumschild zuerst abschalten, dann konnte ich schießen, denn egal, womit man schießt, während der Hyperraumschild noch eingeschaltet ist, man zerstört sich dann auf jeden Fall selbst. Die eingesetzte Energie kann aus der Hyperraumblase nicht heraus. Das zerreißt dann alles.

Mit eingeschaltetem Hyperraumschirm kann man sich schneller als das Licht bewegen, ohne das Einsteinuniversum [Übersetzung und Anpassung an irdische Begrifflichkeiten durch den Translator] dabei durch einen Raumsprung verlassen zu müssen. Das Ganze funktioniert wie bei einem Distortions- oder Warp-Antrieb, bei dem ebenfalls der Raum außerhalb einer Raumzeit-Blase gestaucht und damit die Distanz verkürzt wird. Einen Raumsprung durch Transition wäre in diesem Moment auch kaum sinnvoll gewesen, denn die Verfolger hatten meine Signatur und hätten in jedem Fall meiner Spur folgen können. Kein Raumsprung und auch keine Zwischenraum-Passage hätte sie mir jetzt noch vom Hals schaffen können.

Aber ich hatte einen anderen Plan.

Ich beschleunigte und raste durch einen aufgeblähten roten Riesen hindurch. Im Schutz der Hyperraumblase war das für das Schiff, das ich benutzte kein Problem.

Das Heliumbrennen um mich herum konnte natürlich die Ortungstechnik meiner Canyaj-Verfolger nur mäßig verwirren. Aber eine gewisse Möglichkeit, zumindest kurzzeitig unsichtbar zu werden und meine Verfolger zu verwirren, bot sich dadurch schon.

Ich unternahm mehrere abrupte Kursänderungen und schoss dann mit hoher Geschwindigkeit in Höhe des Nordpols dieses roten Riesen hervor.

Dass die Verfolger mir nicht ins Innere des roten Riesen gefolgt waren, lag auf der Hand.

Dann hätten sie ihre eigenen Hyperraumfelder aktivieren müssen und hätte in diesem Zustand nicht auf mich schießen können.

Also hatten sie eine andere Taktik verfolgt.

Sie hatten gewartet.

Nur wussten sie natürlich nicht, an welcher Stelle mein Schiff aus der Glut des Roten Riesen wieder auftauchen würde.

Um es ihnen noch etwas schwerer zu machen, schickte ich unmittelbar nach dem ich die Sternenatmosphäre des Roten Riesen verlassen hatte, eine Handvoll Drohnen los, die für ein paar kurze Momente mein Schiff simulieren würden.

Das würde die Verfolger verwirren, so hoffte ich.

Natürlich konnte ich die Drohnen erst aussetzen, nachdem ich den Hyperraumschild um mein Schiff abgeschaltet hatte, denn zwischen der Aussetzung einer Drohne und dem Schuss eines Raumgeschützes bestand physikalisch kein Unterschied. Beides war unmöglich, solange die Hyperraumblase Bestand hatte.

Mir war klar, dass alles sehr schnell gehen musste.

Ich setzte die Drohnen ab, ließ sie in verschiedene Richtungen schießen und die Anwesenheit meines Sphärenschiffs an einem Dutzend verschiedenen Orten simulieren.

Die Verfolger eröffneten natürlich sofort das Feuer.

Ihre geballte Feuerkraft war jener, die ich mit den Geschützen meines Sphärenschiffs zur Verfügung hatte, natürlich haushoch überlegen.

Aber der Großteil ihrer Feuerkraft richtete sich jetzt auf die Drohnen.

Ich erwiderte das Feuer noch im selben Moment.

Es waren gezielte Energieschüsse, die innerhalb sehr kurzer Zeit mehrere der Verfolger-Schiffe explodieren ließen.

Eins nach dem anderen traf ich schließlich. Andere wurden beschädigt und retteten sich vorerst, indem sie Hyperraumschirm wieder aktivierten und dann eine Transition durchführen.

Es dauerte nicht lange und und die Schiffe meiner Verfolger waren entweder zerstört oder geflüchtet. Und das gute an den Schnelltransitionen, die sie durchgeführt hatten war, dass sie danach Schwierigkeiten haben würden, meine Spur wieder aufzunehmen. Zumindest dann, wenn ich nicht Fehler machte, ebenfalls einen Raumsprung durchzuführen und sie dann die Hyperraumwellen und 5-D-Schwingungen anpeilen konnten.

Ich tat etwas anderes. Anstatt einen Hyperraumsprung durchzuführen, legte ich eine Passage im Zwischenraum ein. Auf diese Weise fliegen so viele einfache Zivilisationen mit ihren Schiffen durch das All. Dabei ist das eigentlich eine sehr widersprüchliche Angelegenheit. Die Lebensspannen der meisten organischen Wesen ist nicht besonders lang. Trotzdem ist der Zwischenraumflug ihre bevorzugte Methode, obwohl das eigentlich nur etwas für Raumfahrer ist, die viel Zeit mitbringen. Wie auch immer. Der Zwischenraum hatte in diesem Moment einfach ein paar Vorteile für mich.

Ich ließ mein Ortungssystem nach höherdimensionalen Emissionen suchen, die vielleicht darauf hindeuteten, dass man mir doch weiter auf der Spur war. Aber da war nichts. Und um ganz sicher zu gehen, flog ich durch einen der fünfdimensionalen Energiewirbel, die den Zwischenraum zu einer gefährlichen Zone machen können. Man sollte diese Wirbel meiden. Ich flog hindurch, was ich nur empfehlen kann, wenn man dafür einen wirklich guten Grund hat. Aber das war bei mir der Fall.

Diese Wirbel machen es noch schwerer für meine Verfolger, meine Spur irgendwann wieder aufzunehmen. Niemand kann sich durch die Raumzeit bewegen, ohne dabei Spuren zu hinterlassen. Das ist unmöglich. Aber es ist möglich, die Spuren nicht ganz so deutlich werden zu lassen, wie sie es sonst wären.

Ich blieb so lange wie möglich im Zwischenraum. So lange, bis mir das System meines Schiffs meldete, dass die Integrität der Formenergie-Sphäre meines Raumers in Gefahr sei.

Das war eine Wirkung der fünfdimensionalen Energiewirbel, vor denen man sich tatsächlich in Acht nehmen sollte.

Normalerweise hat jedes Raumschiff, das den Zwischenraumflug nutzt, um sich relativ zum Normaluniversum schneller als das Licht zu bewegen, dafür ein Warnsystem. Dieses Warnsystem sorgt dafür, dass man diesen Wirbeln nicht zu nahe kommt, wobei fraglich ist, ob Nähe in diesem Fall der richtige Begriff ist. Im Zwischenraum sind manche Dinge eben etwas komplexer.

Jedenfalls hatte ich keine andere Wahl, als irgendwann wieder in den Normalraum zurückzukehren. Zurück in das, was man unter Menschen das Einsteinuniversum nennt. [Übertragung durch den Translator.]

Ich zögerte das so weit wie möglich hinaus - und zwar räumlich und zeitlich.

Nachdem mein Raumer im Normaluniversum materialisiert war, verzichtete ich zunächst auf den Hyperraumschirm und alle anderen Dinge, die mich irgendwie hätten verraten können. Egal, welche Art von Technik man nutzt, sie zeichnet sich normalerweise immer durch irgendwelche spezifischen Emissionen und Signaturen aus. Manche dieser Signaturen sind über sehr weite Entfernungen hinweg zu orten, insbesondere dann, wenn sie mit höheren Dimensionen oder dem Hyperraum zu tun haben.

Also versuchte ich, zunächst einmal, so gut wie alles abzuschalten, was ich ohne Gefahr für mich selbst abschalten konnte.

Mein Raumer bestand aus Formenergie.

Wie der Name schon sagt, ist das Energie, die mit ihrer Umgebung so agiert, als wäre sie Materie. Beides ist prinzipiell dasselbe und kann in das jeweils andere umgewandelt werden. Die Schwierigkeiten liegen da in der Regel im Detail.

Für mich bestanden die Schwierigkeiten unter anderem darin, dass ich ein bestimmtes Energieniveau einfach nicht unterschreiten durfte, weil mein Sphärenraumer dann mehr oder weniger aufgehört hätte zu existieren.

Andererseits musste das Energieniveau natürlich so niedrig wie möglich sein, denn gerade die Erzeugung einer Formenenergie-Sphäre verursacht ganz bestimmte Emissionen, die sich sehr gut anpeilen lassen. Vielleicht würde ich mir irgendwann ein anderes, unauffälligeres Raumschiff besorgen müssen. Allerdings hatten Formenenergie-Sphärenraumer natürlich auch ihre unbestreitbaren Vorteile.

Die Reise mit einem konventionellen Schiff, wie sie vor allem von den technisch etwas weniger hochstehenden Zivilisationen benutzt wurden, konnte durchaus mitunter ziemlich unbequem werden.

Ich bin bescheiden, was die Bedürfnisse für mein persönliches Wohlergehen betrifft. Etwas Energie, ein paar Mineralien und davon bitte nicht zu viel , aber auch nicht zu wenig. Das reicht schon. Notfalls kann ich Energie auch in Form von Strahlung aufnehmen oder Mineralien aus Planetenstaub entnehmen - vorausgesetzt, die benötigten Stoffe sind darin enthalten. Ich brauche keine Atmosphäre. Aber wenn eine Atmosphäre vorhanden ist und in ihr etwas herumschwebt, was ich gebrauchen kann, dann kann ich mir das auch daraus holen. Oder aus einem Ozean. Ich meine natürlich einen Ozean aus kaltem Methan. Der wäre für mich besser als einer aus Wasser, aber selbst mit dem käme ich klar.

Ich kann meine Vitalfunktionen auch auf einem Minimum reduzieren und damit auch meinen Energieverbrauch. Über sehr lange Zeiträume hinweg könnte ich so überleben.

Und genau so eine Phase lag jetzt vor mir.

Ich musste mich für meine Verfolger tot stellen. Ich weiß, wie der Translator das jetzt für Sie übertragen wird und ich weiß auch, dass das nicht einmal annähernd zutrifft. Der Tod setzt voraus, dass man vorher gelebt hat, würde ich sagen. Und das, was man unter Organischen als ‘Leben’ betrachtet, ist vielleicht nicht ganz mit dem vergleichbar, was wir anorganischen Canyaj darunter verstehen.

Dasselbe gilt für den Begriff Tod.

Es war schon eine gewisse Ironie an der Sache, dass ich mich jetzt quasi gegenüber einer Gruppe von Verfolgern tot stelle, die den Begriff ebenso wie ich nur als ein abstraktes Ereignis im Leben von Anorganischen kannten. Denn der Tod ist letztlich ja ein Begriff, der Nicht-Existenz beschreiben soll.

Aber Nicht-Existenz ist unmöglich. Das sagt jedwede Physik.

Es kann nichts verloren gehen. Weder an Materie, noch an Energie noch an Information. Das einzige, was stattfindet, ist eine Art von Umwandlung.

Wie auch immer, ich wollte einfach nicht, dass die Verfolger mich fanden.

Eine für die Begriffe der meisten anderen Intelligenzen in diesem Universum ziemlich lange Zeitspanne verging, in der ich einfach versuchte, so wenig Signale, Emissionen oder was auch immer nach außen abzugeben.

Ich hatte in dieser Zeit viel Zeit, um nachzudenken.

Organische Wesen benutzen zum Nachdenken für gewöhnlich Gehirne. Und Gehirne sind sehr energieaufwendige Organe. Das hat zur Folge, dass Organische, so wie ich sie kennengelernt habe, die Benutzung ihrer Gehirne zu vermeiden versuchen, wann immer das möglich ist. Und es bedeutet auch, dass die Benutzung dieses Organs sie schnell erschöpft.

Bei uns Canyaj ist das anders. Wir haben keine Gehirne. Die für unsere Denkprozesse notwendigen Prozesse laufen auf Quantenebene ab. Wir können mit einem Minimum an energetischem Aufwand, ein Maximum an Gedankenkraft erzeugen. Ich hätte mich für eine Zeitspanne, die dem Umlauf eines Sterns um seine Galaxie entspricht, mit mir selbst unterhalten können, ohne, dass mir dabei langweilig geworden wäre, weil ich über die Äußerungen meines erfundenen Gesprächspartners aus akutem Energiemangel zu wenig hätte nachdenken können.

Irgendwann kam ich jedenfalls zu dem Schluss, dass ich nun vermutlich außer Gefahr war.

Zumindest vorläufig.

Es gibt für so etwas keine Garantie.

Außerdem war da noch dieses Signal, das mich neugierig machte.

Da konnte ich einfach nicht widerstehen.

Krimi Koffer September 2021 - 7 Krimis auf 1000 Seiten

Подняться наверх