Читать книгу Krimi Koffer September 2021 - 7 Krimis auf 1000 Seiten - Alfred Bekker - Страница 22
4
ОглавлениеIch landete inmitten eines Raumhafens, der zu einer der größten Carbon-Planen-Städte gehörten.
Für die Raumschiffe gab es Antigrav-Schwebekissen. Auch das war der geringen Dichte des Planeten geschuldet. Schließlich wollte man nicht, dass die Carbon-Planen, auf denen die Städte lagen, durch das Gewicht der Raumschiffe langsam eingedrückt wurden. Die Gebäude wurden ebenfalls von Antigrav-Aggregaten stabilisiert. Ihr Gewicht wurde auf diese Weise so reduziert, dass sie die darunterliegende Carbon-Plane nicht eindrücken konnten.
Immerhin, was die Antigrav-Technik anging, schienen die Gehörnten Herren dieser Welt recht fortschrittlich zu sein. Ich fragte mich allerdings, wieso man es nicht vorgezogen hatte, die Gebäude auf ähnliche Weise zu verankern, wie es die zum Riesenwuchs neigenden Bäume und mangrovenartigen Gewächsen [Begriff durch den Translator als irdische Analogie verwendet] taten. Ein wurzelartiges Fundament zu entwickeln, hätte eigentlich keine größere Schwierigkeit bedeutet. Ich begann mich zu fragen, ob schon die ersten Siedler der Gehörnten, die diese Welt erreicht hatten, über Antigrav-Technologie verfügt hatten.
Wahrscheinlich nicht, so meine Vermutung. Denn durch meine Ortungsdaten war mir ja bekannt, dass es auf den Riesenästen der Bäume und den von den mangrovenartigen Gewächsen bedeckten Flächen Gemeinschaften von Gehörnten und auch anderen Intelligenzen gab, die auf diese Technologie weitgehend verzichteten.
Vielleicht handelte es sich um Angehörige früherer Besiedlungswellen. Es war ja schließlich nicht unwahrscheinlich, dass die Besiedlung dieses Planeten in mehreren, unabhängigen Siedlungswellen stattgefunden hatte.
Die Kommunikation mit dem Raumhafen war unkompliziert.
Man war hier Fremden gegenüber offenbar sehr aufgeschlossen und sah in Besuchern in erster Linie potentielle Handelspartner.
Mit Canyaj schien man darüber hinaus bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht zu haben. Oder man war ihnen einfach noch nicht begegnet, was ich für wahrscheinlicher hielt.
Die Stadt mit dem Raumhafen trug den Namen >Großer Tauschplatz<.
Zumindest übersetzte mein eigenes Translatorsystem ihn so - und er schien mir tatsächlich gewissermaßen programmatisch zu sein.
Nachdem ein Scan durch die Raumhafenverwaltung festgestellt hatte, dass weder mein Schiff noch ich irgendwelche schädlichen Krankheitserreger oder andere Emissionen von sich gab, die geeignet waren, den >Großen Tauschplatz< zu schädigen, bekam ich die Erlaubnis, das Schiff zu verlassen.
Es gab keinerlei Auflagen, wie ich erwartet hatte.
Es gab nicht einmal die Einschränkung, keine Waffen tragen zu dürfen. Allerdings registrierte ich, dass in der Stadt eine Vielzahl von Minidrohnen unterwegs waren, die zweifellos der öffentlichen Sicherheit dienten und wohl darauf programmiert waren, alles zu unterbinden, was diese in Mitleidenschaft ziehen konnte.
Ich ging durch die Straßen des >Großen Tauschplatzes< und sah mich um. [Sinngemäße Übertragung durch den Translator. In wie fern Melroc sich überhaupt optisch orientiert und etwas >sieht<, oder dazu vielmehr ganz andere Sinne benutzt, die sich nur bedingt in die Erfahrungswelt organischer Lebensformen übertragen lassen, sei an dieser Stelle dahingestellt.]
In der Beurteilung non-verbaler Kommunikation von organischen Wesen bin ich nicht allzu gut, was natürlich damit zu tun hat, dass ich selbst keines von ihnen bin und sich meine Erfahrungswelt einfach erheblich von der ihren unterscheidet. Aber ich denke schon, dass meine Andersartigkeit auf die eine oder andere Weise auffiel.
Ich registrierte zum Beispiel, dass viele der grazilen Gehörnten mich mit Blicken bedachten, was nichts anderes bedeutet, als dass ich ihre Aufmerksamkeit auf optische Weise erregte. Ein Wesen, das aus einer kristallinen Substanz besteht, schien selbst angesichts der extremen Vielfalt, wie sie an Orten wie dem >Großen Tauschplatz< herrschte, sehr selten zu sein.
Ich wiederum sah organische Lebensformen in einer Vielfalt, wie ich sie mir bisher kaum vorzustellen vermochte.
Der Ort machte seinem Namen im übrigen alle Ehre.
Es wurde mit allem gehandelt, was in irgendeiner Weise den Besitzer zu wechseln vermochte.
Vor allem waren das offenbar alle Arten von technischen Geräten. Darunter Apparate, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte - und man mag mir ruhig glauben, dass ich schon ziemlich weit herumgekommen bin. Selbst die gesammelten Erinnerungen der Vorfahren, die in mir sind und bis in die Zeit des vorherigen Universums zurückreichen, kannten manchmal nichts Vergleichbares.
Und davon abgesehen war ich mir ziemlich sicher, dass so mancher dieser Gegenstände in erster Linie als Waffe eingesetzt wurde.
Aber die Regierung der Gehörnten schien gegen einen derartigen Handel nichts einzuwenden zu haben.
“Heh, Kristallmann!”, raunzte mich ein Wesen an, dass ich zuerst für ein lästiges Insekt hielt. Um das an dieser Stelle klarzustellen: Insektenstiche machen mir nichts aus. Aber trotzdem können Insekten sehr lästig für mich sein. Ich war mal auf einer Welt mit insektenartigen Plagegeistern, die andauernd irgendwelche Salze von meiner Körperoberfläche leckten. Erst als ich meinen anorganischen Körper einem erheblichen Gestaltwandel unterzog, wurde er etwas unattraktiver für sie. Wie sich später herausstellte, waren bestimmte Salze auf meiner Körperoberfläche für diese Organismen wichtig, um organisches Material zu fermentieren, dass anschließend für ihre Nester verwendet wurde.
Wie auch immer, dieser Insektenartige, der ungefähr die Größe eines menschlichen Daumens hatte, schien sprachbegabt und Intelligent zu sein.
Er schwirrte mir um den Kopf.
“Kann ich was für dich tun, Kristallmann?”, fragte der insektenartige Schwirrer und umkreiste meinen Kopf so schnell, dass ich kaum in der Lage war, ihm mit meinen Sinnen zu folgen.
Da, wo ich herkomme, gibt es so etwas wie dieses Ding eben nicht.
Und wenn, dann hätte man es ausgerottet.
Jetzt halten Sie mich nicht roh oder grausam. Es sind schließlich die Organischen, die sich gegenseitig unablässig töten, oft genug noch nicht einmal auf Grund irgendeines ernsthaften Machtkampfes, sondern einzig und allein, um den anderen als Nahrungsquelle zu benutzen. Oder als Baumaterial, wenn ich an die Insektenartigen denke, die mich seinerzeit auf jener anderen Welt so intensiv ableckten.
Organische tun so etwas. Sie töten sich für nichts. Sie essen sich gegenseitig und halten ihresgleichen aus diesem Grund in speziellen Zuchtanlangen. Das ist etwas, das für Meinesgleichen völlig unvorstellbar wäre. Wir ziehen unsere Energie aus unserer Umgebung. Ob es sich Strahlungsenergie oder bestimmte Bodenmineralien handelt, spielt dabei keine Rolle. In der Wahl unserer Energielieferanten sind wir flexibel, aber wer würden niemals unseresgleichen dafür benutzen.
Natürlich bin auch weit entfernt davon, mir in dieser Sache ein moralisches Urteil zu erlauben,. Schließlich bin ich selbst mit einem Körper ausgestattet, der es mir erlaubt, mich auf zivilisierte Art und Weise zu ernähren und meinen Stoffwechsel in Gang zu halten. Organischen scheint dies aufgrund ihrer besonderen Natur grundsätzlich nicht möglich zu sein. Sie sind darauf angewiesen, mehr oder weniger entfernte Verwandte zu vertilgen. Man kann schon froh sein, wenn sie dies nur bei tatsächlich weit entfernt verwandten Organismen tun, was auch nicht in jedem Fall gegeben ist.
Von daher ist der Gedanke, dass Organische an sich verdammenswert sind, durchaus nachvollziehbar. Der schlimmste Feind des organischen Lebens ist das organische Leben selbst, wie ich immer wieder mit großem Erstaunen festgestellt habe. Kein noch so erfolgreicher Kreuzzug der Canyaj könnte sie darin übertreffen, sich selbst vernichten.
Was die Befürworter des Kreuzzugs allerdings meiner Ansicht nach nie gebührend beachtet haben, ist die tragische Gefangenheit der Organischen in ihrer Natur und ihrer damit einhergehenden moralischen Minderwertigkeit.
Doch zurück zu dem insektenartigen Begleiter, den ich plötzlich hatte.
“Ich kann dir geeignete Handelspartner vermitteln”, sagte der Insektenartige und schwirrte ein weiteres Mal um meinen Kopf herum. “Oder ich helfe dir dabei, ein paar seltene Drogen zu bekommen, die von den Baumgängern gewonnen werden…”
“Baumgänger?”, fragte ich und glaubte zunächst, dass mein Translator da irgendetwas nicht so verstanden hatten, wie man es verstehen sollte.
“Baumgänger leben auf den den riesigen Schwarzblattbäumen in der Äquatorregion. Dort, wo sich sonst niemand hintraut.”
“Sind nicht alle Bäume bewohnt?”, fragte ich.
“Im Äquatorbereich wachsen nur Schwarzblattbäume. Und dort trauen sich nur die Baumgänger hin.”
“Ich brauche keine Drogen.”
“Bist du dir sicher?”
“Drogen sind etwas für Organische.”
“So?”
“Ich bin anders.”
“Das sagen alle.”
“Ich bin anorganisch.Mit so etwas kann ich nichts anfangen.”
Der Insektenartihge umschwirrte mich ein weiteres Mal und ging damit langsam ziemlich auf die Nerven. [Natürlich hat Melroc keine Nerven und auch keine auch nur annähernde Entsprechung dafür. Es handelt sich um eine sinngemäße Übertragung des Translators.]
“Du könntest die Drogen der Schwarzblattbäume verkaufen”, sagte der Insektenartige.
“Vielleicht könntest du damit aufhören, um meinen Kopf herumzuschwirren.”
“Das beunruhigt dich?”
“Es irritiert mich”, gab Melroc zu. “Dir zu erklären, weshalb das so ist, hat keinen Zweck. Unsere Sinne sind zu unterschiedlich, unsere Wahrnehmung zu verschieden, als dass ich dir das erklären könnte.”
Der Insektenartige schwebte jetzt unmittelbar vor Melrocs Kopf und flog rückwärts vor ihm her.
Ein aerodynamisches Kunststück, wie ich zugeben musste. Sich innerhalb einer Atmosphäre zu bewegen, stellt einen immer vor besondere Herausforderungen, insbesondere dann, wenn man daran gewöhnt ist, ohne Atemluft auszukommen. Aber dieses Wesen bewegte sich nahezu perfekt in der Atmosphäre des Zuckerwatte-Planeten [Begriff vom Translator eingesetzt]. Mein Gesprächspartner hatte darin eine erstaunliche Meisterschaft entwickelt.
“Die Droge des Schwarzblattbaumes ist wertbeständiger als jede Währung in diesem Sektor. Und sehr viel wertbeständiger als jedes Edelmetall oder Transuran, das man als Zahlungsmittel verwenden könnte. Man könnte die Droge sogar in purer Antimaterie aufwiegen und hätte dann den Vorteil, eine Substanz zu besitzen, die wesentlich leichter zu lagern ist.”
Drogenhändler gab es überall in der Galaxis. Überall im Filament. Wahrscheinlich überall in mehreren Multiversen. Zumindest überall dort, wo es organische Lebensformen gab, die als Konsumenten dieser Drogen in Frage kamen.
Das schien eine Art von Naturgesetz zu sein und anscheinend war ich an einen dieser Drogenhändler geraten.
Die stürzten sich anscheinend mit Vorliebe auf Neuankömmlinge.
Das war nicht die erste, von Organischen besiedelte Welt, auf der ich so etwas Ähnliches erlebt hatte.
Für mich stellte sich jetzt die Frage, wie ich den insektenartigen Dealer wieder loswurde, denn ich hatte nicht das Gefühl, dass er mir bei irgendetwas weiterhelfen konnte.
Auf manchen Planeten steht Drogenhandel ja unter Strafe. Das war auf der Welt der Gehörnten zum Glück nicht der Fall. Ich hatte mich da vorher eingehend informiert und die entsprechenden Informationen aus dem planetaren Aufkommen an empfangbaren Kommunikationssignalen herausgefiltert. Schließlich muss man sich ja etwas über die lokalen Gegebenheiten informieren, bevor man eine Welt betritt und dann eventuell unangenehm auffällt. Da kann man dann nämlich ganz schnell in große Schwierigkeiten kommen.
Und daran war ich nun wirklich nicht interessiert.
Schwierigkeiten hatte ich schließlich genug.
Dass meine Verfolger sich damit zufrieden gaben, meine Spur vorerst verloren zu haben, konnte ich nämlich nicht allen ernstes erwarten. Vielmehr würden sie alles tun, um diese Spur wiederzufinden. Sie waren geduldige Jäger. Und ich wusste, wie sie dachten. Wie sie vorgingen. und auch, wenn sie normalerweise nicht Jagd auf ihresgleichen machten, sondern auf organische Lebensformen, blieb es doch im Prinzip immer dasselbe. Ich kannte meine Verfolger so gut, weil ich schließlich einer von ihnen gewesen war. Das mochte lange her sein. Aber ein gravierender Unterschied zwischen uns Canyaj und den organischen Wesen ist, dass deren Erinnerungen mit der Zeit verblassen. Sie werden ungenau, verändern sich und manchmal verschwinden sie ganz. Ich habe unzählige Organische der unterschiedlichsten Spezies von diesem Phänomen reden hören. Bei den Canyaj ist das etwas anders. Wir vergessen niemals. Nichts. Nicht ein Wort. Aber das muss wohl damit zu tun haben, dass unsere Erinnerungsspeicher nahezu unbegrenzt sind. Von den Organischen kann man das nicht sagen.
“Hör zu, du herumschwirrender Plagegeist”, sagte ich zu dem Insektenartigen, der mir vor der Nase herumschwebte und dessen winzige Flügelmembran sich mit einer erstaunlich hohen Geschwindigkeit auf und nieder bewegten. “Ich bin weder an der Droge des Schwarzblattbaumes interessiert noch an irgendwelchen Geschäften damit. Und ich glaube im übrigen kaum, dass du mir irgendetwas bieten kannst, woran ich interessiert sein könnte. Anscheinend verwechselst du mich!”
“Oh nein, ich verwechsle dich nicht.”
“Hast du denn schonmal jemanden wie mich gesehen? Bist du schon einmal einem Anorganischen begegnet? Ich glaube kaum, denn... Ah, was für einen Sinn hat es, dir das alles zu erklären… Und im übrigen: Wer sollte mich daran hindern, einfach auf diesen Schwarzblattbaum zu fliegen, dort zu landen und mir die Drogen selbst zu holen? Also lass mich am besten in Ruhe, Plagegeist!”
Aber so leicht ließ der Insektenartige sich nicht abwimmeln.
“Bist du wirklich so ahnungslos oder tust du nur so, um den Preis herunterzuhandeln?”, fragte der Insektenartige. “Vielleicht willst du mich auch nur testen. Niemand kann die Droge von den Schwarzblattbäumen holen. Niemand außer den Baumgängern. Denn wie jeder weiß, wird die Droge aus den tiefsten Verästelungen des Wurzelwerks herausgepresst, wenn die Mondwelle kommt. Und dann traut sich niemand anderes auf die Bäume. Aber nur dann quillt die Droge aus der Rinde heraus.”
“Die Mondwelle?”, fragte ich.
Ich dachte, dass mein Translator da vielleicht etwas nicht richtig übertragen hatte.
Das wäre nichts Ungewöhnliches gewesen.
“Du weißt nicht, was die Mondwelle ist? Du bist hier auf der Welt der Gehörnten und weißt nichts vom Geheimen Mond?”
Ein paar sehr hochfrequente Geräusche kamen jetzt von dem Insektenartigen. Sie wurden vom Translator nicht übersetzt und ich nahm daher an, dass es sich einfach nur um nonverbale Äußerungen der Heiterkeit oder des Spottes handelte.
Der Insektenartige schien sich gar nicht mehr einkriegen zu können und schwirrte noch einmal und entgegen meinem ausdrücklichen Wunsch um meinen Kopf herum. Dabei wurden seine Laute immer schriller. Mir war klar, dass sie inzwischen zum größten Teil in einem Frequenzbereich angesiedelt waren, der den meisten Organischen ohnehin nicht durch ihr Gehör zugänglich war. Ich persönlich war in dieser Hinsicht ein bisschen flexibler veranlagt. Etwas schnellte blitzschnell an mir vorbei. Es war so schnell, dass selbst ich mit meiner im Gegensatz zu den Organischen sehr viel differenzierteren Wahrnehmung nicht sofort zu erkennen vermochte, was es war.
Die Zeit trennt Lebewesen.
Insbesondere dann, wenn es sich um organische Wesen handelt. Ich habe mich lange mit diesem Phänomen beschäftigt und zunächst geglaubt, dass es NUR auf organische Lebensformen zutrifft.
Eine Pflanze bewegt sich sehr langsam, oft im Rhythmus des Sonnenaufgangs oder jahreszeitlicher Gegebenheiten. Oft sind diese Bewegungen so langsam, dass sie von anderen Lebensformen gar nicht wahrgenommen werden, die sich mit rasend schnellem Flügelschlag bewegen.
Wer immer auch diesen schnellen Schlag ausführte, der den Insektenartigen traf und (wie ich im nächsten Augenblick begriff) vernichtete, war so schnell, dass ich diese Bewegung kaum wahrnehmen konnte.
Und auch ihn selbst hatte ich nicht wahrgenommen.
Es handelte sich um einen krakenartigen Riesen.
Er überragte mich deutlich.
Seine Körpervolumen war sicherlich dreimal so groß wie meins, auch wenn ich vermute, dass wir eine ähnlich große Masse besaßen.
Insofern verhielten wir uns ungefähr so zueinander, wie ein gewöhnlicher Gesteinsplanet zu dem aufgeblähten Zuckerwatte-Typus, wie sie die Welt der Gehörnten darstellte.
Ich bemerkte den krakenartigen Riesen erst, als ich beinahe gegen ihn gelaufen wäre. Nur mit Mühe konnte ich die Bewegung noch stoppen.
Er war so schnell, dass es mir erschien, als er sei er plötzlich vor mir aufgetaucht. Gewissermaßen materialisiert.
Aber das war er nicht. Er war nur unglaublich schnell.
Die persönlichen Audio- und Video-Aufzeichnungen, die ich routinemäßig über ein Kristallmodul meines Körpers anfertigte, speicherte und zur Sicherheit auch an die Datenspeicher meines Sphärenschiffs überspielte, sollten es mir später sehr eindrucksvoll beweisen, als ich sie mir mit verminderter Geschwindigkeit ansah.
Der Krakenartige hatte meinen bisherigen insektenähnlichen Gesprächspartner mit einem seiner Tentakel aus der Luft gefischt und ihn anschließend in seine Fressöffnung gesteckt. Ein knackendes Geräusch zeigte mir, dass das Gespräch mit dem insektenähnlichen Drogendealer wohl keinerlei Fortsetzung mehr bekommen würde.
“Entschuldige bitte, dass ich eingegriffen habe”, sagte der Krakenartige. Zumindest übersetzte mir mein Translator den Chor von eigenartigen Lauten, gemischt mit ein paar schwachen elektromagnetischen Impulsen, die mein Translator als Kommunikation deutete. “Aber ich konnte nicht länger mitansehen, wie du an einen miesen Dealer gerätst, der nichts anderes im Sinn hat, als dir seine Droge zu verkaufen. Noch dazu eine Droge, die du selbst gar nicht konsumieren kannst, was ein besonders perfider Zug von solchen Typen ist.”
“Ich hätte ihm nichts abgekauft”, sagte ich.
Der Krakenartige stieß ein paar glucksende Laute aus, die vom Translator nicht übersetzt wurden.
Dann sagte er: “Doch, du hättest. Irgendwann hättest du ihm alles abgekauft. Und irgendwann hätte er auch dich auf die eine oder andere Weise in eine Falle gelockt. Von wegen, dass du diese Droge als Wertanlage benutzen könntest und so einen Unsinn.”
“Stimmt das denn nicht?
“Natürlich nicht. Sie zersetzt sich innerhalb von einer planetaren Umdrehung. Darum ist das Zeug ja so kostbar. Aber es an jemanden zu verkaufen, der damit gar nichts anfangen kann, ist natürlich schon eine besondere kaufmännische Leitung!”
“Ich bin da als nicht-organisches Wesen nicht so ganz sicher, aber rechtfertigt das denn, so jemanden einfach zu verspeisen?”
“Nach den Gesetzen dieses Planeten ist das erlaubt”, sagte der Krakenartige. “Angehörige dieser lästigen Spezies dürfen gegessen werden, wenn man sie kriegt. Das gilt nicht als Mord.”
“Ich hoffe nicht, dass ich auch auf der Liste der Spezies stehe, die gegessen werden dürfen”, sagte ich.
Der Krakenartige stieß erneut ein paar glucksende Laute aus. Was sie bedeuteten, ist mir nach wie vor schleierhaft, denn mein Translator setzte aus, wenn es darum ging, diese Gluckslaute adäquat zu übertragen. Ich glaube nicht, dass es sich um Ausbrüche von Heiterkeit handelte, wie sie bei manchen organischen Spezies typisch sind. Zumal ich meinen Translator eigentlich so modifiziert hatte, dass er dazu in der Lage war, so etwas zu erkennen. Zumindest mit einer Trefferquote von über siebzig Prozent, was in diesem speziellen Fall schon ganz gut zu sein scheint. Selbst Organische haben mir hin und wieder betätigt, dass sie Schwierigkeiten haben, den Humor ihrer eigenen Spezies zu begreifen und deshalb mitunter nicht-adäquat darauf reagieren.
Manchmal frage ich mich, wie die Organischen mit ihrer doch offensichtlich sehr uneffektiven Kommunikation zur beherrschenden Gruppe von Lebensformen innerhalb dieses Universums aufsteigen konnten. Eigentlich spricht zumindest von dieser Seite vieles dagegen. Es muss wohl Faktoren bei dieser Entwicklung gegeben haben, die ich bisher noch nicht richtig einzuschätzen gelernt habe.
Inzwischen wusste ich allerdings, was eine Mondwelle war.
Ich hatte nämlich über ein Interface Kontakt mit dem Bordsystem meines Sphärenschiffs aufgenommen, und dieses damit beauftragt, die Ortungsdaten, die beim Anflug auf die Welt der Gehörnten aufgezeichnet worden waren, noch einmal zu durchforsten.
Diesmal mit einem anderen Filter und in Korrelation zu entsprechenden Daten, die man aus dem planetaren Aufkommen an Kommunikationssignalen ziehen konnte.
Wie so oft bestand das Problem nicht darin, dass keine oder nur spärliche Informationen vorlagen. Das Problem war vielmehr genau das Gegenteil. Es ging darum, in diesem unendlichen Meer an Fakten die wenigen herauszufiltern, die relevant waren.
Das System des Sphärenschiffs war darin ganz gut.
Ich bekam jetzt das Ergebnis präsentiert.
Es wurde direkt in mein Bewusstsein projiziert, ohne, dass mein krakenartiger Gesprächspartner oder irgendjemand anderes etwas davon mitbekommen konnte.
Demnach hatte die Welt der Gehörnten einen Mond, der den Planeten umkreiste.
Allerdings tat er das auf Grund der enormen Ausdehnung der Zuckerwatte-Welt tief unter der Oberfläche des Riesenplaneten. Der Mond war als Zone ungewöhnlich hoher Dichte in den planetaren Scans des Ortungssystems deutlich zu erkennen. Nur hatte ich diese Information bisher nicht beachtet, weil sie als nicht relevant erschienen war.
Wenn der Mond den Planeten durchpflügte, ging das mit starken, erdbebenartigen Erscheinungen an der Oberfläche vor sich. Die Oberfläche hob sich dann in der Äquatorregion um viele Kilometer. Und in der Tiefe sorgte der Druck auf das Wurzelsystem der Schwarzblattbäume dann offenbar dafür, dass jene Substanz hervorgepresst wurde, die als Droge diente.
Dass es während dieser Mondwelle auf den Schwarzblattbäumen der Äquatorregion ungemütlich werden konnte, konnte ich mir durchaus vorstellen.
Wahrscheinlich nicht nur dort.
Zumindest in dieser Hinsicht hat mich der insektenartige Dealer also nicht belogen.
Ich wäre sicher schlecht beraten gewesen, zu einem der Schwarzblattbäume zu fliegen, auf den gewaltigen Ästen zu landen und quasi direkt an der Quelle etwas von der angeblich so wertbeständigen Substanz zu besorgen.
“Ich habe dich von der Anwesenheit eines Betrügers befreit”, stellte der Krakenartige fest. Nachdem ich versucht hatte, an ihm vorbei zu gehen und meinen Weg einfach fortzusetzen, stellte er sich mir so in den Weg, dass kein Zweifel daran bestehen konnte, dass nicht daran dachte, mich einfach so davonziehen zu lassen.
Ich machte mich innerlich bereits auf die eventuelle Notwendigkeit eines Kampfes gefasst. Das zylindrische Modul, das ich bei mir trug, aktivierte ich vorsorglich. Schließlich konnte es sein, dass ich es jetzt als Waffe einsetzen musste. Mein potentieller Gegner hatte schließlich bewiesen, dass er wirklich sehr, sehr schnell sein konnte.
Meine innere Analyse sagte mir, dass ich wohl nur eine Chance hatte, wenn ich meine Waffe zuerst einsetzte.
Allerdings muss man auch bei einem notwendigen Präventivschlag immer versuchen, den richtigen Zeitpunkt abzupassen.
“Wie gesagt, ich habe dich von einem lästigen Dealer befreit, der nicht locker gelassen hätte, wie du mir als Ortskundigen und mit den hiesigen Verhältnissen vertrauten ehrlichen Individuum durchaus glauben kannst.”
“Ich habe das nicht bestritten”, sagte ich.
“Gut, so sind wir uns also einig”, sagte der Krakenartige.
Ich war mir in diesem Augenblick nicht sicher, worüber ich mir mit dem Krakenartigen einig sein sollte und ob da nicht ein gewaltiges Missverständnis vorlag.
“Ich wüsste im Augenblick ehrlich gesagt nicht, worüber wir uns einig sind”, erklärte ich also.
“Darüber, dass mir etwas schuldig bist”, stellte der Krakenartige fest.
Daher wehte also der Wind. [Bildliche Redeweise vom Translator eingesetzt.] Ich war anscheinend vom Regen in die Traufe geraten.
Ob es nun angenehmer sein würde, es mit einem betrügerischen Dealer oder mit einer Art Schutzgelderpresser in Krakengestalt zu tun zu haben, musste sich erst noch herausstellen.
“Ich wüsste nicht, dass ich irgendjemandem irgendetwas schulde”, erklärte ich.
“Wie ich schon sagte: Ich befreite dich von der Anwesenheit eines sehr lästigen Dealers.”
“Was denkst du, steht dir dafür zu?”, fragte ich, da ich annahm, dass ich die Angelegenheit vermutlich am Besten regelte, wenn ich mein Gegenüber durch irgendeine Gabe zufrieden stellte. Darauf lief es wohl hinaus, und wenn die geforderte Gabe nicht allzu unverschämt war, war es wohl das beste, es unter den gegebenen Umständen nicht mutwillig auf eine Konfrontation ankommen zu lassen.
“Ich bin ein Händler”, sagte der Krakenartige. “Und ich verlange nicht mehr, aber auch nicht weniger, als die Gelegenheit, dir mein Angebot präsentieren zu können.”
“Ist das ein Angebot, das man auch ablehnen kann?”
“Selbstverständlich. Hier herrschen Angebot und Nachfrage. Nichts sonst bestimmt den Markt.”
“Gut. Womit handelst du?”
“Ich handle mit Informationen aller Art.”
Ich ließ einen kurzen Moment verstreichen, nachdem der Translator dies übersetzt hatte. Egal, ob das Gerät die Bedeutung der Äußerung des Krakenartigen tatsächlich hundertprozentig korrekt wiedergegeben hatte, ich war offensichtlich an einen weiteren Dealer geraten. Nur, dass es in diesem Fall kein Drogendealer war, sondern ein Dealer von Informationen. Das war aber im Prinzip kein gravierender Unterschied. Es kam vor, dass jemand ebenso süchtig nach neuesten Informationen zu irgendeiner Sache war, wie andere von einer Droge.
“Was sind das für Informationen, mit denen du handelst?”, fragte ich, denn ich war mir noch nicht sicher, ob ich das Geschäftsmodell des Krakenartigen schon wirklich vollkommen verstanden hatte. Schließlich schien es ja auch zu beinhalten, gewisse andere Marktteilnehmer einfach zu verspeisen, wenn es nicht möglich war, die potentielle Kundschaft auf andere Weise davon zu überzeugen, etwas zu kaufen.
“Informationen aller Art. Über Planeten. Über Geschäftspartner. Über wichtige Individuen, die einem weiterhelfen können . Über Gelegenheiten, schnell reich zu werden…”
“Sowas hatte ich mir schon gedacht”, sagte ich.
“Jeder sucht aus irgendeinem Grund irgendetwas und braucht dazu Informationen”, sagte der Krakenartige.
“Ja, aber es könnte sein, dass ich deine Informationen zufällig nicht brauche”, gab ich zurück.
Ob der Krakenartige deswegen beleidigt war, ließ er sich nicht anmerken. Zumindest nicht auf eine Weise, die der Translator hätte übertragen können.
“Das halte ich für unwahrscheinlich.”
“Ich würde es vorziehen, einfach einen bestimmten Betrag in irgendeiner in diesem Sektor gebräuchlichen Währung zu überweisen, und wir gehen anschließend getrennte Wege, ohne dass ich mit weiteren Angeboten belästigt werde”, sagte ich.
“Die Ablehnung, mein Angebot wenigstens zu prüfen, kann als ein schwerer Verstoß gegen die Gesetze gelten, die für den >Großen Tauschplatz< gelten”, erklärte der Krakenartige. “Ein so schwerer Verstoß gegen die Gepflogenheiten des >Großen Tauschplatzes< könnte mich dazu berechtigen, dich zu töten.”
An diesem Punkt war also die Kundenfreundlichkeit meines Gegenübers bereits zu Ende.
Was tut man mit einem servilen Diener, der einen dazu zu zwingen versucht, seine Dienstleistung anzunehmen, obwohl man das gar nicht möchte?
Ich erwog erneut den Einsatz meiner zylindrischen Geräts, dass ja schließlich auch eine Waffe war.
Andererseits war es vielleicht besser, eine Konfrontation zu vermeiden. Schon deswegen, weil ich schließlich auf diesem Planeten noch etwas erledigen wollte.
Ohne große Hoffnung, dass mein Gegenüber mir tatsächlich bei dem Auffinden der Signal-Quelle helfen konnte, beschloss ich, ihn danach zu fragen.
Wenn er tatsächlich mit jeder Art von Information handelte, dann konnte er mir dazu ja vielleicht etwas mitteilen. Und wenn nicht, dann hatte ich zumindest mein Wohlwollen gezeigt und ihm die Möglichkeit gegeben, sein >Angebot< zu präsentieren.
“Ich suche tatsächlich etwas”, sagte ich. “Allerdings glaube ich kaum, dass du in der Lage sein wirst, die betreffenden Informationen zu besorgen.”
“So etwas fordert mich heraus”, erklärte der Krakenartige. “Also, äußere dich! Worum geht es?”
“Es geht um ein sehr spezielles Signal. Mein Ortungssystem zeichnete es auf, während ich mich im Anflug auf diesen Planeten befand. Allerdings war es periodisch nicht aufzufinden, was mir zunächst nicht weiter verwunderlicher schien. Schließlich gibt es zahlreiche mögliche Ursachen dafür. Im Moment ist es allerdings ebenfalls nicht zu orten. Wenn deine Möglichkeiten der Informationsbeschaffung tatsächlich so umfassend sind, wie du mir das bisher dargestellt hast, dann wäre es doch möglich, dass du mehr dazu in Erfahrung bringen kannst.”
Der Krakenartige zog mit einem seiner zahlreichen Arme ein Gerät hervor, das einem Quader glich. Es handelte sich um irgendein technisches Modul.
“Sende mir die Daten, die du dazu aufgezeichnet hast. Ich werde für dich herausfinden, was für ein Signal das ist.”
“Ich weiß nicht, ob ich das tun sollte.”
“Wenn das Signal von diesem Planeten stammt, wird es für mich eine Kleinigkeit sein. Denn dann wird es irgendwem bekannt sein, da bin ich mir sicher. Ich brauche es nur in den entsprechenden Netzwerken abzugleichen.”
Ich zögerte.
Und mein krakenartiges Gegenüber bemerkte mein Zögern.
Trotz all unserer offensichtlichen Unterschiedlichkeit, interpretierte er dieses Zögern richtig.
Aber das hatte vielleicht damit zu tun, dass ihm Situationen wie diese geläufig waren.
“Du zögerst, weil du denkst, dass ich dir den Schatz wegnehme, den du gefunden zu haben glaubst. Du denkst, dass ich vielleicht ein paar Freunden bescheid sage, die ihn für mich heben, noch bevor du selbst auch nur die kleinste Gelegenheit dazu hättest!”
“Ist diese Möglichkeit denn ausgeschlossen?”
“Das würde den Dealer-Kodex des >Großen Tauschplatzes< widersprechen.”
“Wer seine Konkurrenz beim Kampf um den Kunden aufisst, wird da doch wenig Skrupel haben, denke ich.”
“Ich könnte nie wieder ein Geschäft am >Großen Tauschplatz< machen”, sagte der Krakenartige. “Alle Netzwerke, in denen ich mich austausche und über die ich meine Informationen gewinne, würden mich ausschließen. Das wäre das Ende für mich.”
“Ein wirklich wertvoller Schatz wäre das vielleicht wert!”
“Nein, das glaube ich kaum. Es gäbe nämlich weit und breit niemanden, dem ich ihn verkaufen könnte - aus genau den Gründen, die ich vorhin erläutert habe.”
Ich überlegte und wog kurz ab.
Vielleicht war es doch einen Versuch wert, die Hilfe dieses Informationsdealers in Anspruch zu nehmen. Ich entschloss mich also dazu, es mal mit dem Service des Krakenartigen zu versuchen.
“Gut, ich übersende dir die relevanten Daten.”
“Ich kann es kaum erwarten.”
“Allerdings möchte ich vorher, dass wir uns über den Preis geeinigt haben.”
“Die Preisliste für Informationsdealer in der Währung des >Großen Tauschplatzes<, die übrigens auch auf einem Dutzend anderen Planeten in diesem Sektor anerkannt wird, ist über das planetare Datennetz abrufbar. Es wird nur auf Erfolgsbasis gezahlt. Du siehst, es ist kaum möglich, dass ein Kunde Opfer eines Betrugs wird.”
Ich ließ mir über mein Interface die Preisliste ins Bewusstsein projizieren und speicherte sie komplett in meinem Erinnerungsspeicher. Ein Kristallspeicher auf Quantenbasis. Deshalb können wir so unglaublich große Mengen an Erinnerungen speichern und sind nicht darauf angewiesen, etwas zu vergessen, wie es bei den meisten Organischen der Fall ist. Ich habe schon erlebt, dass Organische deswegen mitunter in uns anorganische Maschinen sehen. Wir Canyaj sind sehr vielfältig und es gibt durchaus einige gestaltliche Ausformungen der Canyaj, die von Organischen mit Maschinen in Verbindung gebracht werden, obwohl das natürlich absurd ist.
Ich überprüfte die Preisliste.
Die Bedingungen waren in Ordnung.
Ich fand nichts, was von dieser Seite her einer Kooperation entgegengestanden hätte.
Ich übersandte dem Krakenartigen also die Daten, die ich ihm zu dem Signal der Erhabenen zur Verfügung stellen konnte.
Er prüfte diese Daten umgehend.
Das glucksende Geräusch, dass sich seiner Fressöffnung entrang, war diesmal sehr laut und durchdringend.
Auch wenn mein Translator dafür keine angemessene Übertragung finden konnte, war mir sofort instinktiv klar, dass sich diese Reaktion nur so interpretieren ließ, dass er mit meinen Angaben etwas anfangen konnte.
“Das ist das Heilige Signal der Alten Götter”, erklärte er mir. “Es ist auf dieser Welt wohlbekannt. Und es gibt Lebensformen hier, die in der Lage sind, Quantensignale und Subraum-Frequenzen zu empfangen.”
“Empfangen oder auch verstehen und entschlüsseln?”
“Kommt darauf an, was du unter verstehen und entschlüsseln versteht. Ich glaube, sie empfinden diese Signale nur auf eine körperliche Weise angenehm und stimulierend und nehmen sie außerdem als Bestätigung ihres Glaubens.”
“Wo liegt der Ursprung dieses Signals?”
“In der Tiefe. Im Tempel des Geheimen Mondes.”
“Es gibt einen Tempel der Alten Götter auf dem Geheimen Mond?”
Der Krakenartige gluckste erneut. “Kann es sein, dass du dich inzwischen etwas über den Geheimen Mond und die Mondwelle informiert hast? Nun, das ist löblich…”
“Das war keine Antwort auf meine Frage.”
“Deine Vermutung ist richtig.”
“Ist das Signal deswegen im Moment nicht zu orten, weil der Geheime Mond im Augenblick die andere Hemisphäre dieses Planeten durchpflügt und sein Signal den Planetenkern mit seinem starken Magnetfeld nicht zu durchdringen vermag?”
“Ja, auch das ist richtig”, bestätigte der Krakenartige.
“Das heißt, das Signal wird wieder zu orten sein, wenn ich einfach nur abwarte.”
“Das stimmt. Mit dem nächsten Mondumlauf und der kommenden Mondwelle.”
Das Intervall war mir geläufig. Es musste mit dem Zeitintervall identisch sein, in dem ich auch bisher schon ein Ausbleiben des Signals festgestellt hatte und entsprach offenbar der Umlaufgeschwindigkeit des Geheimen Mondes.
Dabei ist natürlich zu sagen, dass ein Mond, der durch das Innere eines Planeten hindurch fräsen muss, um seine Bahn zu ziehen, sich erheblich langsamer bewegt, als wenn es sich um einen regulären Trabanten irgendeines Planeten handeln würde. Natürlich wurde der Geheime Mond langsam aber sicher abgebremst und würde sich wahrscheinlich irgendwann gar nicht mehr bewegen. Den Gesetzen der Physik nach sank er dann vermutlich dem Planetenkern entgegen.
Allerdings sprach etwas ganz Entscheidendes dagegen.
Wenn sich auf diesem Mond irgendeine Anlage der Erhabenen befand, dann musste diese Anlage ja logischerweise errichtet worden sein, bevor die Erhabenen verschwunden waren. Also vor mehr als einer Million Jahre.
Meinen Berechnungen nach hätte der Geheime Mond in dieser Zeit sehr viel mehr an Eigengeschwindigkeit verlieren müssen. So weich und nachgiebig ein Planet mit so geringer Dichte auch sein mochte, so schien es mir doch nahezu ausgeschlossen, dass dieser Geheime Mond den Planeten noch immer mit einer so vergleichsweise hohen Geschwindigkeit durchpflügte.
Es sei denn, es gab da nicht noch Faktoren, die ich nicht in meine Rechnung hatte einbeziehen können.
Vielleicht war es ja so, dass die Anlage der Erhabenen auf irgendeine Weise dafür sorgte, dass die Bahn des geheimen Mondes annähernd stabil blieb. Dass sie dazu eine geeignete Technologie hatten, konnte wohl niemand bezweifeln.
“Wenn du willst, bringe ich dich mit den Priestern in Kontakt.”
“Wer sind die Priester?”, fragte ich.
Eigentlich hatte ich nämlich das Gefühl, bereits genug an Informationen gesammelt zu haben. Aber das war offenbar ein Irrtum.
“Ohne die Priester kann niemand zum Tempel der Alten Götter gelangen.”
“Ich verstehe nicht…”
“Die Tempelwächter würden es verhindern.”
“Wer sind die Tempelwächter?”
“Du willst die Daten darüber erwerben?”
“Ja.”
“Dann muss ich auf einen Vorab-Geldtransfer bestehen.”
“In Ordnung.”
Ich überwies die Summe, die im übrigen aus der Preisliste zu entnehmen war, die der Krakenartige mir bereits zur Verfügung gestellt hatte. Wenig später hatte ich dann auch umfangreiches Informationsmaterial über die sogenannten Tempelwächter in den Kristallspeichern meines Bewusstseins.
Es handelte sich um beängstigend große Kreaturen.
Drachenartig [Übertragung durch den Translator] und wurmähnlich. Sie bohren sich durch die Tiefen dieses porösen Planeten, nehmen dabei Nährstoffe aus dem Zuckerwatte-Gestein auf und hinterlassen dabei gewaltige tunnelartige Gänge, die angeblich bis nahe an den heißen Planetenkern herabreichen, der im übrigen aus einem gewaltigen natürlichen Atomreaktor besteht. Die schweren Elemente sammeln sich dort, insbesondere eben auch eine kritische Masse an spaltbarem Uran, sodass eine atomare Kettenreaktion einsetzt, die den Planeten von innen erwärmt.
Dem Glauben vieler Planetenbewohner nach hatten die riesigen, drachenwurmartigen Geschöpfe, die als die Tempelwächter bezeichnet wurden, von den Alten Göttern die Aufgabe bekommen, den Tempel zu bewachen. Niemand, so hieß es, konnte den Tempel erreichen, ohne ihr Wohlwollen.
Und es lag offenbar in der Macht der Priester, dieses Wohlwollen herzustellen - auf welche Weise auch immer.
Anscheinend musste ich noch einiges über die Verhältnisse auf der Welt der Gehörnten und den Tempel der Alten Götter lernen.
“Bring mich zu den Priestern”, forderte ich den Krakenartigen auf.