Читать книгу Krimi Koffer September 2021 - 7 Krimis auf 1000 Seiten - Alfred Bekker - Страница 16
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ОглавлениеDie große gelbe Sonne war inzwischen weiter gewandert, stand aber immer noch sehr hoch. Die Tage auf dem vierten Planten der Sonne Dimonidia waren lang und heiß. Zwei Monde standen in verschiedenen Phasen schwach sichtbar am Himmel, die beiden anderen waren zur Zeit nicht sichtbar.
»Wir gehen nach Süden, vom Raumhafen weg«, bestimmte Caine. »Da draußen gibt es noch Pflanzen und einige Tierarten, die weniger stark mutiert und als Nahrung zu verwenden sind. Die Letho-Dimonds haben ein natürliches Gespür dafür, was essbar ist, und was nicht.«
Er ging mit der Funkerin und dem Bordingenieur voran, Orvid und Luca schwärmten nach den Seiten hin aus. Alle hielten die Strahlwaffen schussbereit, aber im Augenblick war alles ruhig.
»Zwei Fragen, Taff«, sagte Lars Gunnarsson, während sie sich zwischen zwei Ruinen hindurch bewegten. »Zunächst einmal: Wo kommen all die Roboter her, und warum greifen sie alle lebenden Wesen an?«
Der Commander wiegte den Kopf.
»Dazu kann ich aus eigener Erfahrung nicht viel sagen, ich bin erst seit relativ kurzer Zeit hier. Lavazza behauptet jedenfalls, dass die metallenen Ungeheuer keine Erzeugnisse der Dimonids sind. Er glaubt, Anhaltspunkte dafür gefunden zu haben, dass Nurchaar nach der Vernichtung oder Vertreibung dieses Volkes von Hilfskräften des Drajur okkupiert wurde. Sie übernahmen oder reparierten noch vorhandene Produktionsstätten, um mit ihrer Hilfe Mharuts zu bauen.«
»Mharuts?«, fragte Dorit atemlos. »Die schrecklichen Todesroboter, deren Wirken wir nachhaltig kennengelernt haben?«
Taff nickte. »Einige gemeinsame Bauelemente weisen jedenfalls darauf hin. Irgendwann später muss es jedoch eine Aktion gegeben haben, die das gesamte Programm vereitelte. Ich tippe auf einen Angriff von Raumschiffen der Dimonids, denen es gelungen war, sich der Vernichtung zu entziehen. Die Helfer des Drajur wurden getötet oder vertrieben, die Roboterfabriken gerieten außer Kontrolle. Sie produzierten zwar weiter, aber nur noch fehlerhafte Modelle, die nichts mehr mit dem Mharuts gemeinsam haben. Sie besitzen auch keine Waffen, doch der Zwang zum Töten scheint geblieben zu sein.«
Lars nickte. »Gut und einleuchtend, also akzeptiert. Nun aber Frage Nummer zwei: Was sollte deine Bemerkung, du wärst schon zweimal gestorben, im Zusammenhang mit dem Vogel Phönix? Luca meint zwar, du hättest da Unsinn geredet, aber ich kenne dich zu lange, um das zu glauben. Gibt es da etwas, das zwar unglaublich, aber dennoch wahr ist?«
»Richtig, Lars«, sagte Taff. »Bereits damals, als wir mit dem Triumvirat die ersten Gespräche über die schwarzen Spiegel führten, waren wir uns einig, dass uns die Dimonids in technischer Hinsicht um Jahrtausende voraus sein mussten. In welchem Umfang das tatsächlich der Fall war, haben wir erst hier auf Nurchaar gemerkt. Die Spiegelwände in der Halle auf Thorga haben uns zwar, wie es scheint, körperlich hierher transportiert, aber doch nicht ganz im Sinne dieses Wortes. Ein Teil von jedem von uns ist auf der Insel zurückgeblieben, vermutlich der wertvollere, in einer zwar sichtbaren, aber immateriellen Manifestation.«
»Dann kann von dir ja nicht viel dortgeblieben sein«, lästerte Luca prompt, doch Caine ging nicht darauf ein. »Der Beweis dafür ist, dass wir das Brain-Team und die Letho-Dimonds noch in der Halle sitzen sahen, als sie sich schon lange hier befanden. Als ich nach Mitani greifen wollte, gingen meine Hände glatt durch ihren Körper hindurch, ich spürte nur ein schwaches Prickeln. Lavazza meint, dass die materielosen Körper – eine paradoxe Formulierung, aber ich finde keine bessere – so etwas wie Strukturschablonen sind, die mit unseren hiesigen Körpern irgendwie in Verbindung stehen.«
»Vielleicht zu dem Zweck, dass durch sie für uns die spätere Rückkehr nach Thorga möglich wird?«, fragte Dorit Grenelle.
Taff zuckte mit den Schultern. »Schon möglich, bis jetzt aber nicht bewiesen. Jedenfalls sorgen diese Schablonen dafür, dass hier niemand von uns im vollen Sinn dieses Begriffes sterben kann. Man wird zwar für den Augenblick getötet, und der betreffende Körper zeigte alle üblichen Auswirkungen der Verletzungen. Er löst sich jedoch schon nach Sekunden einfach auf, ein neuer entsteht wie aus dem Nichts und ist wieder voll lebensfähig! Das widerfuhr mir kaum eine Minute nach meiner Ankunft hier, als ich von den Robotern noch nichts wusste. Ein solcher Blechkasten kam auf mich zu, und ich zögerte einen Augenblick zu lange, ihn abzuschießen. Im nächsten Moment hatte er mich überrollt, und die Lichter gingen für mich aus. Hinter ihm wurde ich Sekunden später wieder lebendig, nahm den Handlaser und erledigte ihn. Das zweite Mal war vorhin, als ich mich auf den Weg machte, um nach euch zu sehen. Plötzlich kam ein großes, vogelähnliches Ding angerast, rammte mich voll, und ich starb erneut. Trotzdem stehe ich jetzt wieder vor euch, wie ihr seht.«
»Mit dir rede ich ab sofort kein Wort mehr«, erklärte Orvid Bashkiri. »Du bist ja nicht mehr der echte Taff Caine, sondern nur noch ein schäbiges Duplikat. Unter diesen Umständen ...«
»Vorsicht!«, schrie Lars auf, aber es war bereits zu spät. Ein blitzendes Etwas sauste durch die Luft, eine schwertähnliche Klinge stieß zu, und der Kopf des Astrogators fiel abgetrennt zu Boden. Luca Ladora feuerte und schoss den Mordroboter ab, während Orvids Körper blutüberströmt in sich zusammensank. Es war ein schwerer Schock für seine Gefährten, aber er hielt nicht lange an.
Bashkiris Körper und Kopf lösten sich spurlos auf, und buchstäblich aus dem Nichts entstand der Astrogator wieder neu! Er stand auf den Beinen, als wäre nichts geschehen, mit einem Ausdruck heilloser Verwirrung auf dem Gesicht.
»Willkommen unter den Lebenden, Duplikatbruder!«, lächelte Taff maliziös.
*
Sie hatten das Gebiet erreicht, in dem sich die beiden Frauen und die Letho-Dimonds aufhielten. Drei weitere Roboter von unterschiedlichem Aussehen hatten die Gruppe anzugreifen versucht, waren jedoch relativ mühelos abgeschossen worden. Es waren plumpe, sich langsam bewegende Maschinen gewesen, denen man ihre Fehlerhaftigkeit sofort ansehen konnte.
»Weshalb ignorieren wir sie nicht einfach?«, fragte Dorit. »Im Grunde können sie uns ja nichts anhaben, wenn jeder Getötete sofort wieder neu entsteht.«
Caine nickte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Eine gute Frage, Dorit-Mädchen, auf die hin sich aber sofort eine zweite erhebt: Was täten wir, wenn die wundersame Wiederauferstehung plötzlich nicht mehr funktionierte? Wir dürfen nie vergessen, dass die Anlagen der Dimonids uralt und deshalb vermutlich auch entsprechend störungsanfällig sind! Alles hat sein Ende, aber ich möchte das meine keinesfalls fahrlässig herbeiführen.«
Vor ihnen wurden in dem unübersichtlichen Buschgelände die Gestalten einiger Letho-Dimonds sichtbar. Sie hatten sich aus geflochtenen Zweigen provisorische Tragetaschen angefertigt, in denen sich verschiedenartige Früchte befanden. Welgun war unter ihnen und auch Kaiakan, auf dessen Gesicht es beim Anblick der Crew freudig aufblitzte. Dann kam auch Mitani zum Vorschein, und neben ihr Janine Latep.
»Da wären wir also wieder traulich vereint«, stellte Taffs dunkelhäutige Freundin fest. »Ich sehe euren Gesichtern aber mühelos an, dass ihr inzwischen auch erfahren habt, wie seltsam es hier auf Nurchaar zugeht. Vor allem muss ich aber die Letho-Dimonds bewundern, die waffenlos sind und deshalb den Killerrobots am leichtesten zum Opfer fallen. Die Art wie sie ihr Sterben und Wiederentstehen geistig verkraften, grenzt schon ans Phänomenale.«
»Ich führe das auf den langen Umgang mit den schwarzen Spiegeln zurück«, erklärte Taff. »Als nahe Verwandte der Dimonids müssen sie auch etwas von dem Geist des Urvolks dieses Sternhaufens in sich haben. Das ist zwar nur eine laienhafte und vermutlich unzureichende Erklärung, aber eine bessere weiß ich nicht.«
»Ich finde sie gar nicht so abwegig«, sagte die Wissenschaftlerin lebhaft. »In den vergangenen Tagen habe ich viele Aufschlüsse über die psychologischen Gegebenheiten dieser Leute erhalten, aus denen sich wiederum bestimmte Schlussfolgerungen ableiten lassen. Ich hoffe nur, dass wir recht bald wieder nach Thorga zurückkommen, damit ich dort meine Arbeit fortsetzen kann.«
Mitani N'Kasaa runzelte die Stirn. »Damit hat Janine genau den sprichwörtlichen Pudels Kern erwähnt, Taff. Nurchaar mag zwar vom wissenschaftlichen Standpunkt her eine wahre Fundgrube sein, gehört aber keinesfalls zu unserem eigentlichen Aufgabenbereich. Die PROKYON steht jetzt herrenlos auf Thorga herum, und niemand von uns weiß, ob und wann wir wieder dorthin zurückfinden werden! Sollen wir vielleicht ewig hier auf dem verwüsteten Planeten herumsitzen, zwar praktisch unsterblich, aber im Grund ohne Sinn und Zweck? Ich habe inzwischen auch erfahren müssen, wie es ist, wenn man von den Robotern umgebracht wird. Der Schock dabei hält sich zwar in Grenzen, dürfte sich aber im Lauf der Zeit summieren, und einmal wird auch die Grenze für unsere geistige Belastbarkeit gekommen sein.«
»Du sagst es, schwarze Perle«, bekräftigte Caine. »Wie ich sehe, haben die Thorgaer inzwischen so viele Früchte gesammelt, dass sie für einige Tage reichen werden. Kehren wir also um und konfrontieren Lavazza mit diesen Problemen. Er als Fachmann für Techniken vorzeitlicher Völker sollte am ehesten imstande sein, hier irgendwie Abhilfe zu schaffen.«
»Hoffen wir es«, seufzte Mitani. »Ich weiß zwar nicht, wie sich die Roboter-Missgeburten untereinander verständigen mögen, aber irgendwie muss es doch der Fall sein. Ihr Auftreten hat sich in den letzten Stunden gehäuft, wir haben mehr als ein Dutzend von ihnen vernichten müssen. Sie scheinen unsere Anwesenheit registriert zu haben und sich jetzt in diesem Gebiet zusammenzuziehen.«
Taff nickte. »In Ordnung, kehren wir zum Befehlsstand der Dimonids zurück. Das alte Volk hat dort Informationen für spätere Besucher hinterlassen und dabei zweifellos auch die Tatsache berücksichtigt, dass diese auf dem Umweg über irgendeine Spiegelhalle nach Nurchaar gelangt sind. Es hat bestimmt nicht beabsichtigt, dass sie für alle Zeiten unwissend bleiben sollen, also wohl auch für Elemente zur Aufklärung gesorgt. Carlo muss mit aller Kraft daran gehen, sie ausfindig zu machen.«
Die Gruppe aus Menschen und Letho-Dimonds begab sich auf den Rückweg zum Raumhafen. Ringsum war alles ruhig, nirgends ließ sich einer der Mordroboter blicken.
Das änderte sich jedoch schlagartig, als sie in der Nähe der Ruinen angekommen waren. Plötzlich tauchten, zwischen Büschen und aus Bodenspalten, Dutzende dieser Maschinen auf. Offenbar hatten sie hier auf ihre Opfer gelauert, und nun griffen sie von allen Seiten her an.
»Zusammenschließen!«, brüllte Taff Caine. »Nehmt die Letho-Dimonds in die Mitte und formiert euch so, dass etwas Ähnliches wie ein Verteidigungsring entsteht. Wir dürfen nichts riskieren, schießt alle Robots ab, die ihr erwischen könnt!«
Die letzten hundert Meter bis zur Bunkeranlage gestalteten sich zu einem wahren Spießrutenlauf. Roboter aller denkbaren Arten tauchten auf. Unförmige Kästen rumpelten auf Gleisketten dahin, zerbrechlich wirkende Konstruktionen bewegten sich außerordentlich schnell auf unterschiedlich vielen Gliedmaßen. Auch einige fliegende Apparate waren dabei, die von oben auf die Gruppe herabstießen. Sie alle besaßen Greifglieder oder ähnliche Vorrichtungen, die zum Töten von Lebewesen geeignet waren.
Die PROKYON-Crew feuerte pausenlos. Dutzende von Mordmaschinen explodierten im Beschuss durch die Strahler, aber immer neue kamen hinzu. Sie schienen wirklich zum Generalangriff auf die Menschen und Letho-Dimonds angetreten zu sein.
»Gleich haben wir es geschafft!«, keuchte Luca Ladora und schoss eine diskusförmige Flugmaschine ab, die makabrerweise im Aussehen der PROKYON ähnelte. Sie barst auseinander, und ein Regen von Metallsplittern fiel zum Boden herab.
Einer von ihnen durchbohrte Janine Latep, die mit einem leisen Wehlaut zu Boden sank. Sie starb – aber diesmal blieb ihr Körper regungslos liegen, ohne dass für ihn ein Duplikat entstand!
Taff erfasste diese Tatsache zuerst, und ein eisiger Schreck durchfuhr ihn. »Jetzt wird es ernst!«, schrie er auf. »Nehmt die Frau mit, Welgun, sie ist wirklich tot. Los, schneller, bis zum Eingang sind es nur noch kaum zwanzig Meter! Wir müssen es schaffen, sonst bringen uns die Maschinen alle um.«
Sie schafften es auch, aber nicht ohne ein weiteres Opfer. Auch einer der Letho-Dimonds wurde von einem sirrenden Metallsplitter getroffen und sank sterbend zu Boden. Seine Gefährten ergriffen ihn und schleppten ihn mit, während die PROKYON-Crew weiter aus allen Läufen der sich erhitzenden Waffen schoss.
Dann stolperten sie alle, ausgepumpt und demoralisiert, die Stufen zur subplanetaren Anlage hinab. Selbst der Commander musste sich eingestehen, dass nicht einmal die Maschinen, die Bimini vom Meer aus angegriffen hatten, ähnlich verderblich gewirkt hatten. Die Überreste der Macht des Drajur kannten kein Erbarmen.
Sie versuchten, der Gruppe auch in die subplanetaren Anlagen zu folgen, aber sie vergingen im Sperrfeuer. Berge von Metalltrümmern häuften sich vor dem Eingang auf, der dunkle Qualm der Explosionen verbreitete sich und strapazierte die Lungen. Dann trat fast übergangslos Stille ein.
»Wir sind noch einmal davongekommen!«, sagte Taff heiser. »Los, weiter, bis in die Befehlszentrale zu Carlo Lavazza. Von ihm allein dürfte es jetzt abhängen, ob es noch eine Zukunft für uns gibt.«