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Wir erreichten die Präsidium.

Es überraschte mich nicht, dass Francois und ich die letzten waren, die zu der von Monsieur Marteau einberufenen Besprechung kamen. Der Chef des Kriminalpolizei Marseille sah uns beide mit unbeweglichem Gesicht an und enthielt sich jeden Kommentars zu unserer Verspätung.

Genau das war eines der Dinge, die es so angenehm machten, unter ihm zu arbeiten. Er wusste auch so, wie peinlich es mir war, zu spät zu kommen. Wozu also noch Worte darüber verlieren?

Außer Francois und mir waren noch die Kommissare Stéphane Caron und Siddi Noureddine im Raum, sowie unser Innendienstler Victor Stahl und Davide L. Richelieux, unser Experte für betriebswirtschaftliche Fragen.

Dass Davide dabei war, bedeutete wohl, dass es um irgendeine knifflige Angelegenheit ging.

Sein Hauptjob war es, illegale Geldströme aufzuspüren, die so etwas wie der Lebenssaft des organisierten Verbrechens waren.

Folgte man dem Geld, dann hatte man meistens auch sehr schnell ein präzises Bild von der Hierarchie mafiöser Organisationen. Und sehr oft ließen sich aus diesen Geldflüssen wertvolle Rückschlüsse ziehen, die dann schließlich auch zu Festnahmen führten.

„Heute Nacht ist ein Mann namens Georges Lenoir in einer Seitenstraße an der Avenue d'Orange erstochen worden“, erklärte Monsieur Marteau. „Lenoir war in einer Investment-Firma tätig, hat Millionen verdient, aber offenbar auch wieder ausgegeben und ein Leben auf der Überholspur geführt. Der letzte große Crash in der Kreditwirtschaft hat ihn wie so viele andere auch mit in den Abgrund gerissen. Seitdem ist er arbeitslos und muss zusehen, dass er sich von den Anlegern, deren Geld er mit seinen zweifelhaften Geschäften vernichtet hat, fernhält, weil die ihn wahrscheinlich sofort lynchen würden. Mehrere Verfahren wegen Betruges laufen, in weiteren Fällen wird ermittelt. Finanziell war Lenoir ruiniert.“

Francois vermutete: „Offenbar hat es einer von Lenoirs ehemaligen Kunden geschafft, ihn ausfindig zu machen.“

Monsieur Marteau hob die Augenbrauen.

Eine kurze, dramatische Pause folgte.

Sehr kurz und sehr dramatisch.

Selbst für Monsieur Marteaus Verhältnisse.

Eins musste man unserem Chef lassen.

Solche Feinheiten des Vortrags hatte er besser raus als manch einer, der auf eine Schauspielschule gegangen ist. Das kann er richtig gut.

Gehört heutzutage wohl zu dem, was man Führungsqualität nennt. Vielleicht war es in den alten Zeiten, als mein Vater in Algerien kämpfte, mal so, dass einfach gehorcht wurde und niemand die Vorgesetzten und ihre Entscheidungen hinterfragte.

Aber heute ist das wohl lange vorbei.

Da muss sich auch der Chef der Kriminalpolizei manchmal schauspielerischer Tricks bedienen, um seine Leute bei der Arbeit zu halten.

So ändern sich die Zeiten.

Und wir uns mit ihnen - oder auch nicht. So wie mein Vater, für den Algerien wohl auf ewig eine französische Kolonie bleiben wird.

Monsieur Marteau hob die Augenbrauen.

Es sah bedeutungsvoll aus.

„Das Spezielle an diesem Fall sind die besonderen Umstände der Tat“, erklärte Monsieur Marteau. Er wandte sich an den Kollegen Victor Stahl aus dem Innendienst unserer Polizeibehörde. „Victor, Sie haben das Wort.“

„Danke, Monsieur“, sagte Victor Stahl. Er schaltete den Beamer seines Laptops an. Zuerst zeigte er uns ein paar Bilder, die von den Kollegen der Division de la Recherche Scientifique, dem zentralen Erkennungsdienst aller Marseiller Polizeieinheiten aufgenommen worden waren. Es handelte sich nicht nur um Fotos, sondern auch um einzelne Videosequenzen, auf denen Bereiche komplett abgefilmt worden waren. Das erste, was jedem von uns auffiel, war die große Wunde in der Brust.

Sie war wirklich enorm groß.

Ich hatte in meiner bisherigen Zeit bei der Polizei nun wirklich schon viele Messerwunden gesehen.

Übel sahen die eigentlich immer aus.

Nichts, was man gerne sieht.

Um so einen Anblick kommt man in diesem Beruf leider nicht herum.

Zum Teil wirklich furchtbare Verletzungen waren das gewesen.

Manche dieser Bilder verfolgen einen dann noch ziemlich lange in den Schlaf.

Aber das kann man nicht ändern.

Irgendwie muss man das als Berufsrisiko bewerten.

Jedenfalls sah diese Wunde vollkommen anders aus, als sämtliche Messerwunden und Stichverletzungen, die ich bis dahin jemals gesehen hatte.

„Hieß es nicht, er sei erstochen worden?”, fragte ich irritiert. “Das sieht ja aus, als hätte ihm jemand den ganzen Brustkorb auseinandergerissen!“

“So könnte man es in der Tat zusammenfassend beschreiben”, erklärte Victor.

Victors Art war immer etwas trocken.

In solchen Momenten wirkte das immer befremdlich.

Aber wie sollte man sonst über das Unfassbare reden?

Das Grauen?

Am besten ganz normal.

Wie auch sonst!

Der Anblick war jedenfalls wirklich Grauenerregend. Ich kenne niemanden beim Kriminalpolizei Marseille, der sich - auch nach vielen Dienstjahren – an so etwas wirklich gewöhnen kann. Natürlich bewahrt man die Fassung und betrachtet das was an einem Tatort geschehen ist, so professionell wie möglich. Aber kalt lassen einen solche Bilder trotzdem nicht. Und das ist auch gut so, denn schließlich sind wir letztlich dafür da, den Opfern Gerechtigkeit zu geben. Und wie könnten wir das, wenn wir uns nicht einmal mehr eine genaue Vorstellung von deren Leid erlauben würden?

„Ich habe heute Morgen schon ausgiebig mit Dr. Oscar Dubarry von der Gerichtsmedizin telefoniert“, sagte Victor. „Und Dr. Dubarry meint, dass es nur eine Waffe gibt, die solche Wunden verursacht.“

“Da bin ich aber gespannt”, sagte Francois.

Victor betätigte eine Taste seines Laptops und die Abbildung eines Messers erschien. „Das ist ein sogenanntes Gasdruckmesser. Beliebt bei Jägern und in militärischen Spezialeinheiten. Wenn dieses Messer in einen Körper eindringt, stößt es durch eine Öffnung an der Spitze hochkomprimiertes Gas aus, das sich dann im Körper des Opfers explosionsartig ausdehnt. Auf diese Weise ist es zum Beispiel Jägern möglich, sich mit einem Messer notfalls gegen einen Bären zu verteidigen. Sie können sich denken, dass sich Gasdruckmesser auch bei militärischen Spezialeinheiten großer Beliebtheit erfreuen, denn sie töten mit einem einzigen Stich – und das fast mit absoluter Sicherheit.“

Ich musste an Emile aus >Le Trou< denken.

Mon dieu!

„Die Waffe eines Profis“, stellte Monsieur Marteau fest.

Und ich dachte: Jetzt kann ich mir vorstellen, wie der Bär ausgesehen hat, gegen den sich der Metzger Emile aus >Le Trou< wehrte!

Schon beim ersten Anblick der Wunde hatte ich eine Ahnung in diese Richtung gehabt.

Aber ich wollte nicht als Besserwisser auftreten.

„Exakt“, nickte Victor. „Solche Messer sind schwer zu bekommen und man muss gut in der Anwendung trainiert sein. Es gibt einen Profi-Killer, der allgemein als 'Die Hornisse' bezeichnet wird und mit dieser Methode einige Morde für die Mafia ausgeführt hat. Allerdings ist die Hornisse seit einigen Jahren nicht mehr aktiv.“

„Gibt es irgendwelche weiteren Informationen über die Hornisse?“, fragte ich.

“Furchtbarer Name!”, knurrte Francois. “Ich mag keine Insekten. Und Hornissen schon gar nicht.”

“Stehen aber unter unter Naturschutz”, sagte Siddi Noureddine.

“Echt?”, fragte Francois.

“Echt”, bestätigte Siddi.

“Messieurs!”, griff nun Monsieur Marteau ein. “Ich darf Sie doch bitten!”

“Kaum zu glauben, welche Viecher unter Naturschutz stehen!”, sagte Francois.

Victor schüttelte unterdessen den Kopf und beantwortete meine Frage, die Informationen zum Hornissenkiller betreffend. „Das Wenige, das es da gibt, habe ich euch in einem Dossier zusammengestellt und auf den Rechner gemailt. An einem seiner Tatorte hat er mal eine DNA-Probe hinterlassen.“

„Also mit anderen Worten, wenn wir ihn hätten, dann könnten wir ihn auch mit seinen früheren Taten in Verbindung bringen“, schloss Siddi Noureddine.

“Wenigstens eine gute Nachricht”, sagte Francois.

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zu Monsieur Marteaus Büro und seine Sekretärin Melanie brachte für jeden von uns einen Becher mit ihrem köstlichen Kaffee.

„Das ist jetzt wahrscheinlich genau das, was du brauchst, Pierre?“, raunte mir Francois zu und grinste.

Ich konnte es nicht leugnen.

“Unsere tägliche Dosis Koffein gib uns heute”, meinte ich.

“Amen”, sagte Siddi.

“Ich dachte, du bist Muslim”, meinte Francois.

“Aber integriert”, sagte Siddi.

“Ach so.”

“Und Synkretist!”

“Was heißt das denn?”

“Ich suche mir die beste Mischung aus allen Religionen raus und hoffe, dass es hilft.”

“Hast du dich nicht vertan, Siddi?”

“Wieso?”

“Nennt man sowas nicht Opportunist?”

“Echt?”

“Ich meine es ernst.”

Jemand wie ich, der aus einem Ort wie >Le Trou< kommt, ist dazu wohl einfach noch nicht gut genug in die Weltstadt Marseille integriert. Von den mangelhaften Kenntnissen der französischen Hochsprache, die man in so einem Dorf erwerben kann, mal ganz abgesehen.

“Ich glaube, Victor würde gerne fortfahren”, schritt nun erneut Monsieur Marteau ein.

Victor nickte erleichtert.

„Es gibt übrigens noch einen möglichen Zusammenhang dieses Falls mit dem organisierten Verbrechen“, fuhr er fort. „Aber dazu kann euch Davide etwas mehr sagen.“

Davide L. Richelieux lehnte sich zurück. Unser Betriebswirtschaftler hatte ein kantiges Gesicht, aber kaum noch Haare auf dem Kopf. Seine Mutter war Italienerin und kam aus dem Friaul. Deswegen musste er mit dem Namen Davide herumlaufen - der italienischen, genauer gesagt furlanischen Variante von David.

Im Französischen gibt es keinen Unterschied in der Aussprache von David und Davide.

Aber Davide sprach seinen Namen immer betont Italienisch aus. Und das klang dann schon etwas anders, als all bei all den Leuten, die hierzulande diesen Namen ansonsten tragen. Italienisch eben. Ansonsten aber konnte er wohl kein Wort Italienisch.

Jemand mit Davides Fähigkeiten hätte sicherlich anderswo sehr viel mehr verdienen können, als im Staatsdienst. Aber ihm ging es wie so vielen von uns in erster Linie um andere Dinge. Zum Beispiel darum, den Schwachen zu helfen und das Recht durchzusetzen.

„Lenoir war Geschäftsführer einer Investment-Firma namens 'LPDS - Les Partenaires du Succès Ltd.', die dubiose Anlagen vermittelte und damit ungeheuer erfolgreich war. Bis zum letzten Banken-Crash, der auch dieses Unternehmen mitgerissen hat. LPDS war mehrfach auch in Ermittlungen verwickelt, in denen es um Geldwäsche ging.“

„Ein Finanzhai und Geldwäsche - das passt ja auch ganz gut zusammen“, meinte Francois.

„Allerdings muss ich einschränkend sagen, dass es noch nicht einmal zu einer Anklage gekommen ist. Zweimal gab es eine Anhörung vor dem Untersuchungsrichter, aber zur Eröffnung eines Hauptverfahrens ist es nie gekommen.“

„Wäre es nicht möglich, dass irgendein Unterwelt-Boss, der durch Lenoirs Pleite viel Geld verloren hat, sich rächen wollte und jemanden wie die Hornisse engagiert hat?“, meldete ich mich zu Wort und trank dann meinen Kaffeebecher leer.

„Das würde noch nicht erklären, warum die Hornisse offenbar wieder aktiv geworden ist“, warf Monsieur Marteau ein.

„Und wenn dieser Killer selbst sein Vermögen bei LPDS angelegt hatte?“, vermutete Stéphane Caron. Der flachsblonde Mann, bekleidete bei uns die Position von Monsieur Marteaus Stellvertreter. Er zuckte mit den Schultern. „So würde doch ein Schuh daraus, oder?“

“Naja”, sagte ich.

„Genau in diese Richtung habe ich auch schon überlegt“, gestand Davide. „Allerdings brauchen wir natürlich etwas Zeit, um das alles zu überprüfen.“

„Mehr als zwanzig Morde gehen auf das Konto der Hornisse“, stellte Monsieur Marteau fest. „Und es wäre schön, wenn dieser Killer endlich gefasst würde!“

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