Читать книгу Der Beginn einer kosmischen Saga: Chronik der Sternenkrieger - Der Einstiegsband: 1200 Seiten Romanpaket - Alfred Bekker - Страница 54
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ОглавлениеEinschließlich der Kommandantin bestand die Besatzung der DEFIANT-29 aus fünf Personen. Fähnrich Brent Tahano war der Rudergänger des bewaffneten Raumbootes. Ein Absolvent der Space Army Corps Akademie auf Ganymed, genau wie Sunfrost selbst. Nur mit dem Unterschied, dass sie gerade Lieutenant geworden war, während der ein paar Jahre jüngere Tahano vor kurzem die Akademie beendet hatte. Trotz seiner geringen Erfahrung war Tahano ihr Stellvertreter, was einfach daran lag, dass er als Fähnrich die Offizierslaufbahn eingeschlagen hatte, während es sich bei den anderen Besatzungsmitgliedern lediglich um einfache Crewmen handelte.
Während des Qriid-Krieges von 2236-39 hatte es hohe Verluste unter den Besatzungen der Space Army Corps Schiffe gegeben. Daher waren zahlreiche Männer und Frauen im Schnellverfahren ausgebildet und angeheuert worden. Zumeist kamen sie aus technischen Berufen der zivilen Raumfahrt oder waren aus den lokalen Verteidigungsflotten hervorgegangen, die einige Mitgliedssysteme der Humanen Welten bereits vor Gründung der gemeinsamen Raumstreitmacht aufgestellt hatten.
“ Captain, es ist alles bereit zum Aufbruch”, meldete Tahano.
Captain. Hört sich gut an, dachte Sunfrost. Ein Captain bezeichnete innerhalb des Space Army Corps der Humanen Welten immer den Kommandanten eines Schiffs, ganz gleich wie groß die Einheit war, wie viel Mann Besatzung sie hatte oder welchen militärischen Rang der Kommandant innehatte. Dass es dabei auch einen militärischen Rang mit der Bezeichnung Captain gab, gehörte zu den vielen Absurditäten, die es traditionellerweise in derartigen Hierarchien gab und mit denen man sich wohl am besten frühzeitig abfand.
“ Danke, Fähnrich Tahano.”
“ Es sind alle Besatzungsmitglieder an Bord. Crewwoman Gao hat die Maschinen schonmal heiß laufen lassen, wenn Sie verstehen, was ich meine.”
Sie gingen durch den Korridor, der von der Schiffsschleuse zur Brücke führte. Rechts und links befanden sich die Kabinen. Einzelkabinen. Und so klein wie komfortable Särge. Dracula’s Home nannte man sie deswegen auch. Sunfrost war aus ihrer Akademiezeit bestens mit den Verhältnissen auf bewaffneten Raumbooten vertraut. Für taktische Übungen hatten nämlich so gut wie nie große Kampfschiffe zur Verfügung gestanden. Man hatte schon froh sein können, genügend Raumboote für die Ausbildung zur Verfügung zu haben und nicht etwa lediglich auf den Simulator angewiesen zu sein. Denn für die Realität gab es letztlich keinen Ersatz - und wenn man die zum ersten Mal in einer Gefechtssituation kennenlernen musste, war das mit Sicherheit etwas spät.
“ Um ehrlich zu sein, weiß ich keineswegs, was Sie damit meinen, dass Crewwoman Gao die Maschinen hat heiß laufen lassen”, sagte Sunfrost. “Ich kann mir jedenfalls schwer vorstellen, dass die Maschinen bereits gestartet wurden, während wir noch angedockt sind. Davon abgesehen, würde man die Vibrationen spüren.”
“ Sie kennen sich anscheinend mit den Raumbooten des DEFIANT-Typs aus, Captain.”
“ Ich bin oft genug mit einer DEFIANT geflogen.”
“ Entschuldigen Sie, Captain. Damit ist gemeint, dass sie die Startroutine des Antriebs in der Simulation hat durchlaufen lassen. Dann ist die Wahrscheinlichkeit für einen reibungslosen Start höher.”
“ Ah, ja.”
Tahano war ihr, was der Jargon der Raumboot-Crewmen anging, um ein paar Monate voraus. Ein paar Monate Erfahrung, die sich in diesem Moment bemerkbar gemacht hatten.
Tahano blieb stehen und deutete auf eine Schiebetür. “Der Sarg des Captains.” Tahano deutete auf die kleine Tasche, die Sunfrost mit sich führte. In der war gerade mal Platz für eine Ersatzuniform und die nötigsten persönlichen Dinge.
“ Sie sollten Ihre Sachen dort lassen.”
“ Sie haben recht, Fähnrich.”
“ Legen Sie Ihre Hand neben die Markierung, damit sich die Tür öffnet."
"Warum neben die Markierung?,", wunderte sich Sunfrost.
"Ist ein Produktionsfehler. Der sensitive Bereich liegt rechts neben der Markierung, anstatt genau dort, wo sie eigentlich hätte sein sollen." Tahano zuckte mit den Achseln. "Kriegsproduktion. Da musste manches ziemlich schnell gehen, wie mir scheint."
"Müssen nicht erst meine telemetrischen Daten und mein Handabdruck aus der zentralen Datenbank des Space Army Corps abgerufen werden?", fragte Sunfrost, die ihre Hand im ersten Moment zurückzog, ohne den sensitiven Bereich berührt zu haben. "Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass dies automatisch und vor allem ohne Bestätigung des Dateninhabers geschieht."
Tahano grinste.
"Geschieht auch nicht, Captain."
"Aber..."
"Funktioniert aber trotzdem. Wir haben die individualisierenden Funktionen der Sensorfelder abgeschaltet. Die haben ohnehin nicht zuverlässig funktioniert und immer wieder für Ärger gesorgt.”
"Das bedeutet, jedes Besatzungsmitglied hat freien Zugang zu jedem..." Sunfrost zögerte, ehe sie dem Slang-Ausdruck für die Kabinen eines Raumbootes benutzte. "...Sarg?"
"Captain, es befinden sich nie mehr als fünf Besatzungsmitglieder an Bord der DEFIANT-29. Wenn wir uns nicht vertrauen, dann sollten wir gar nicht erst in einen Einsatz fliegen, finden Sie nicht auch?"
Etwas irritiert hob Sunfrost die Augenbrauen.
"Hat mein Vorgänger das so gesehen?"
"Ja, Captain. Das hat er. Hören Sie, ich weiß, dass man beim Stabsdienst auf einem Dreadnought einen etwas anderen Standard gewohnt ist. Und ich muss ehrlich gestehen, dass ich auch erst eine Weile gebraucht habe, um mich an manche Dinge zu gewöhnen, die ich von der Space Army Corps Akademie irgendwie etwas anders kannte."
"Ehrlich gesagt, hatte ich immer die Vorstellung, dass Vorschriften dazu da sind, eingehalten zu werden."
"Ehrlich gesagt, habe ich meine ersten Monate hier an Bord im Wesentlichen dazu verwandt, mich von diesen Vorstellungen so weit wie möglich zu lösen, Captain. "
Das kann ja heiter werden, dachte Sunfrost.
––––––––
Bis zur Brücke waren es nur ein paar Schritte. Von einer Brücke im klassischen Sinn zu sprechen, war ohnehin auf einem so kleinen Raumschiff vollkommen übertrieben. Die Brücke war abgesehen vom Maschinentrakt der größte Raum. Und eigentlich auch der einzige, der sich zum Aufenthalt eignete, es sei denn man wollte schlafen und begab sich in seinen Sarg.
Dracula’s Home, so hatte es auf der Akademie geheißen, sei ursprünglich dafür vorgesehen gewesen, als Rettungskapsel im Fall einer Havarie abgesprengt zu werden. Aber dazu war es aus Kostengründen nie gekommen. Schnell, billig, effektiv - das waren die Maximen gewesen, die in den Jahren des Qriid-Krieges maßgeblich gewesen waren.
Tahano stellte den Rest der Besatzung vor. Sunfrost kannte die Gesichter allerdings bereits aus den Personaldaten, die sie sich natürlich vor Antritt ihres Kommandos angesehen hatte.
Neben der Triebwerkstechnikerin Leka Gao war Crewman Seku Delan der Kommunikationstechniker an Bord der DEFIANT-29. Die Waffensysteme bediente Crewman Fu Davis.
Keiner von ihnen hatte einen Offiziersrang oder befand sich in einer Ausbildung, die mit einem Offizierspatent der Space Army Corps Akademie abgeschlossen wurde. Daher wurde auch nicht vom Waffenoffizier oder Funkoffizier gesprochen, wie es an Bord größerer Einheiten und selbst auf Zivilschiffen gang und gäbe gewesen wäre, sondern von Technikern und Crewmen.
Sunfrost begrüßte die Crew knapp.
"Wir haben Order, umgehend in unser zukünftiges Haupteinsatzgebiet aufzubrechen. Unser Ziel ist der Matthews-Sektor im Kuiper-Gürtel. Es gibt dort anscheinend Schwierigkeiten mit Erzpiraten und deshalb will das Space Army Corps dort verstärkt Präsenz zeigen", erklärte Sunfrost. "Nähere Instruktionen werden wir wohl vor Ort bekommen."
"Also das Übliche", gestattete sich Waffentechniker Fu Davis eine Bemerkung.
"Ich glaube, niemand von uns würde es vorziehen, gegen Qriid zu kämpfen", gab Sunfrost zurück.
"Ich habe den Krieg auf so einem lausigen Unterlichtraumboot mitgemacht”, sagte Davis.
"Dann wissen Sie ja, wovon ich spreche, Crewman Davis."
"Mit einer unterlichtschnellen Einheit gegen Angreifer zu kämpfen, die urplötzlich aus dem Zwischenraum auftauchen und auch dorthin wieder verschwinden, wenn sie genug von einem haben, ist generell alles andere als eine erfreuliche Angelegenheit, Captain. Gegen die Piraten, die es hin und wieder im Kuiper-Gürtel gibt, haben wir zumindest eine reelle Chance, sie auch zu kriegen, weil sie in der Regel nicht so gut ausgerüstet sind wie die Qriid."
"Das wird sich vermutlich bald ändern", glaubte Kommunikationstechniker Seku Delan. "Überlichtantriebe werden immer preiswerter. Eines Tages wird jedes Beiboot ein Sandström-Aggregat haben. Und nur das Space Army Corps wird noch mit alten Kisten durch das All gurken, weil der Humane Rat mal wieder irgendwelche Sparmaßnahmen beschließt, die wir alle eines Tages teuer bezahlen werden."
Eine Befürchtung, die Sunfrost durchaus teilte. Sie ging allerdings auf diese Bemerkung jetzt nicht weiter ein. Die Politik des Humanen Rates zu kommentieren, sah sie nicht als ihre Aufgabe an. Eigentlich sollten die Angehörigen des Space Army Corps darauf vertrauen können, dass man dort vernünftige Entscheidungen traf, die auch die Tatsache in Betracht zogen, dass das All kein friedlicher Ort und vor allem die Qriid kein friedlicher Nachbar waren und dass sich an der generellen Aggressivität dieses Sternenreiches auch durch die eingetretene Waffenruhe im Grundsatz nicht das Geringste geändert hatte.
“ Ruder! Starten Sie!”, befahl Sunfrost.
“ Aye, aye, Captain”, bestätigte Brent Tahano. Er nahm ein paar Schaltungen an der Konsole des Rudergängers vor.
Im Notfall musste jeder an Bord die Funktion eines jeden anderen übernehmen können. So waren die Besatzungen ausgebildet worden und auch Sunfrost hatte während ihrer Zeit auf der Space Army Corps Akademie auf Ganymed jede der Funktionen ausgefüllt. Selbst die des Triebwerktechnikers, auch wenn sie nicht gerade sagen konnte, dass ihr dieser Part besondere Freude gemacht hatte. Auf größeren Schiffen hatte diese Position üblicherweise ein Ingenieur inne, sodass es nahezu ausgeschlossen war, dass man mit einer gewöhnlichen Standard-Offiziersausbildung des Space Army Corps auf so einen Posten abkommandiert wurde.
Nachdem Brent Tahano die DEFIANT-29 gestartet hatte, ging ein dumpfes Rumoren durch das Raumboot. Der Boden zitterte leicht. Auch daran muss ich mich wohl erst wieder gewöhnen, dachte Sunfrost. An Bord der Dreadnought NEW CALIFORNIA hatte man davon jedenfalls nichts gemerkt.
Das Raumboot löste sich vom orbitalen Spacedock.
Sunfrost verfolgte auf einem Drei-D-Display mit, welche Position die DEFIANT-29 gerade hatte.
Tahano war ein gute Pilot. Das konnte sie jetzt schon sagen.
“ Triebwerksstatus: zufriedenstellend”, meldete Gao unterdessen, nach ein paar angestrengten Blicken auf ihre Displays.
“ Nur zufriedenstellend?”, wunderte sich Sunfrost.
Gao drehte sich kurz um. Ihre schräg gestellten Mandelaugen waren sehr dunkel. Das blauschwarze Haar hatte die Triebwerkstechnikerin zu einem strengen Knoten gebunden. “Mehr als zufriedenstellende Werte haben wir schon lange nicht mehr erreicht”, sagte sie.
“ Ach, nein?”
“ Das ist genau genommen so, seit dieses Raumboot bei einem Qriid-Gefecht einen Traser-Treffer abbekommen hat. Über ‘zufriedenstellend’ sind wir seitdem nicht mehr hinausgekommen, meistens liegen die Anzeigen in Bereichen, die sich laut Vorschrift nur als ausreichend zusammenfassen lassen.”
“ Was für ein Gefecht war das?”, fragte Sunfrost.
“ Nicht gerade die Schlacht von Tridor”, sagte Gao. “Niemand an Bord der DEFIANT-29 hatte bisher die Gelegenheit, Geschichte zu schreiben, so wie Sie, Sunfrost.”
“ Lieutenant Sunfrost”, stellte die frisch gebackene Kommandantin klar. Der Umgangston war hier ziemlich locker. Lockerer jedenfalls, als sie es auf der NEW CALIFORNIA oder irgendeinem anderen Schiff des Space Army Corps kennengelernt hatte. Aber angesichts der Tatsache, dass die meisten Besatzungsmitglieder der bewaffneten Raumboote nicht die reguläre Ausbildung auf Ganymed durchlaufen hatten, war das nur zu verständlich. Trotzdem - Sunfrost hatte instinktiv das Gefühl, jetzt eine deutliche Grenze ziehen zu müssen. Und das hatte sie nun getan. Ob dieses Bestehen auf der Autorität ihres Ranges wirklich ein kluger Zug gewesen war, musste sich allerdings noch herausstellen. Sunfrost war sich in diesem Punkt selbst nicht so ganz sicher. In einer Crew von fünf Mann gelten wohl immer ein bisschen andere Gesetze, als wenn es um tausend Mann Besatzung an Bord eines Dreadnought geht, dachte sie. Laut sagte Sunfrost: “Ich habe die Schlacht von Tridor nicht mitgemacht.”
“ Ich dachte, Sie wären auf der NEW CALIFORNIA gewesen?”, wunderte sich Gao.
Ihr Gesicht blieb dabei vollkommen unbewegt.
“ Ich habe im Stab von Admiral Müller gedient und wurde abberufen, kurz bevor die NEW CALIFORNIA den Befehl bekam, ins Tridor-System zu fliegen.”
“ Ich verstehe.”
Das glaube ich kaum, dachte Sunfrost. Der Unterton in Gaos Stimme war es, der Sunfrost von Anfang an nicht gefallen hatte. Ich scheine ihr offensichtlich nicht sympathisch zu sein, dachte Sunfrost. Vielleicht mag sie es einfach auch nicht, dass jemand von der Ganymed Akademie daherkommt, und ihr Befehle erteilt. Jemand ohne die geringste Ahnung von der Praxis, wie sie vielleicht glaubt... In gewisser Weise verständlich, aber Rücksicht werde ich darauf nicht nehmen können.
Gao wandte sich an Seku Delan, den Kommunikationstechniker.
“ Doch keine Kriegsheldin, Seku! Man hat dir offenbar nicht die vollständige Story erzählt!”
“ Anscheinend”, wiederholte Delan, ohne dabei von der Kontrolle seiner Displays aufzublicken. Er war kahlköpfig und schwarz.
Schon im Sitzen wirkte er riesig. Wenn er sich erhob, fragte man sich, wie ein so großer und breitschultriger Mann in einem der Kabinensärge überhaupt Platz finden konnte.
Offensichtlich ging es.
Seku Delan diente schließlich schon ein paar Jahre auf der DEFIANT-29 und es war wohl kaum anzunehmen, dass er diese Zeit schlaflos verbracht hatte.