Читать книгу Der Beginn einer kosmischen Saga: Chronik der Sternenkrieger - Der Einstiegsband: 1200 Seiten Romanpaket - Alfred Bekker - Страница 55
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Zwei Wochen dauerte der Flug ins Zielgebiet im Kuiper-Gürtel. Die DEFIANT-29 verfügte zwar über ähnliche Beschleunigungswerte wie die überlichtschnellen Schiffe des Space Army Corps. Innerhalb von zehn Stunden war es möglich auf vierzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen. Ein Leichter Kreuzer brauchte dafür acht Stunden. Und gerade, was die Beschleunigung von Null auf zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit anging, war ein Raumboot wie die DEFIANT-29 sogar schneller, was an der geringeren Masse im Verhältnis zur Leistungsstärke der Triebwerke lag.
Selbst die Qriid-Schiffe konnten von einem bewaffneten Raumboot eingeholt und gestellt werden. Zumindest mit etwas Glück.
Im Gegensatz zu den überlichtschnellen Einheiten trat die DEFIANT-29 allerdings nicht bei einem Wert von vierzig Prozent LG in den Sandström-Raum ein, um in diesem Zwischenkontinuum eine Geschwindigkeit zu erreichen, die relativ zum Normalraum höher als die Lichtgeschwindigkeit war.
Die Eintrittsgeschwindigkeit, die den Übertritt in den Sandström-Raum ermöglichte, wurde nur für überschaubare Zeitspannen gehalten.
Und das war auch gut so, denn andernfalls hätten sich Zeitdilatation und erhöhte Strahlung auch bei diesen Werten bereits auf Dauer bemerkbar gemacht. Die Geschwindigkeit stauchte den Raum. Sie verkürzte Entfernungen - aber sie macht auch aus harmloser, langwelliger Infrarotstrahlung im Extremfall kurzwellige Gamma-Strahlung.
Auf Dauer schneller als mit 40 Prozent LG zu fliegen wäre tödlich gewesen.
Zwei Wochen Unterlichtflug... Sunfrost hatte nicht geahnt, wie groß die Langeweile sein konnte, wenn man in einer Nussschale gefangen war, die von einem leistungsstarken Triebwerk durch das All geschossen wurde.
Eine Nussschale? Ein erweiterter Sarg, dachte Sunfrost, während sie sich dort zum ersten Mal mehr oder minder häuslich einrichtete, was im Wesentlichen hieß, seine Sache so zu ordnen, dass sie einen nicht störten, wenn man sich ausstreckte. Aufrecht stehen konnte man im Kabinensarg ohnehin nicht. Und Sunfrost konnte sich durchaus vorstellen, dass man darin auf die Dauer Platzangst bekam.
Immerhin war die Decke mit Datenfolie ausgekleidet.
Man konnte sich entweder die Bilder der Außenkameras darauf projizieren lassen oder eines der Bildprogramme aus der Datenbank des Bordcomputers nutzen. Einen schlichten blauen Himmel nach Erdnorm zum Beispiel. Oder wahlweise auch eine Zimmerdecke. Ganz wie man wollte.
Sunfrost streckte sich aus.
Zwei Wochen, dachte sie. Mit einem Überlichtraumschiff ist man in dieser Zeit 50 Lichtjahre entfernt, zum Beispiel im New Hope-System an der Grenze zum Niemandsland zum Imperium der Qriid...
Sie hingegen würde in kosmischen Maßstäben gemessen, diese zwei Wochen mit einer Reise zubringen, bei der die zurückgelegte Distanz gegenüber der Entfernung Sol - New Hope kaum darstellbar war.
Hatte Admiral Raimondo recht? Habe ich einen Fehler gemacht, als ich mich dafür entschied, im nahegelegenen Hinterhof des Sol-Systems herumzufliegen, anstatt an den Grenzen der menschlichen Besiedlung des Weltalls?
Über ihren Armbandkommunikator steuerte sie das Programm der Datenfolie an und stellte eine Verbindung zur Sandström-Funkanlage her. Da derzeit kein Alarm herrschte, war der überlichtschnelle Funk für private Verbindungen der Besatzungsmitglieder frei verfügbar. Und im Gegensatz zum herkömmlichen Funk musste man wenigstens nicht Stunden oder Tage auf eine Antwort warten.
Auf der Datenfolie über Sunfrosts Kopf erschien ein Bild-Fenster. Ansonsten hatte sich Sunfrost dafür entschieden, die Aufnahmen der Bordkameras an die Decke ihres Sargs zu projizieren, sodass man die Illusion haben konnte, frei ins All sehen zu können. Schließlich bin ich Raumfahrerin, ging es ihr durch den Kopf. Und besser als Platzangst durch die sargähnliche Innenoptik dieser Mini-Kabine zu bekommen war es allemal.
Das gerade geöffnete Bild-Fenster schien mitten im Nichts des Alls zu schweben. Es zeigte zunächst nur das Emblem des Kommunikationsservice des Space Army Corps.
"Ihre Verbindung nach Sedna", sagte die Kunststimme des Systems.
"Freischalten", sagte Sunfrost.
Wenig später wurde das Space Army Corps Emblem gegen das Markensymbol des Far Galaxy Konzerns ausgetauscht. Far Galaxy betrieb die Akademie auf dem Zwergplaneten Sedna, wobei diese Ausdrucksweise den Sachverhalt nicht so ganz traf. In Sedna hätte es eigentlich heißen müssen, nicht auf Sedna. Die Forschungsanlagen der konzerneigenen Forschungseinrichtung und Universität befanden sich nämlich zum Großteil unter der Oberfläche des gut 1200 km durchmessenden Zwergplaneten, der jenseits der Bahn des Pluto seine exzentrische Bahn zog, die ihn vermutlich alle zehntausend Jahre einmal die Sonne umrunden ließ. Vermutlich deshalb, weil das so genau bisher niemand sagen konnte. Die menschliche Wissenschaft beschäftigte sich einfach noch nicht lange genug mit der Erforschung der Umlaufbahnen von so weit entfernten Objekten, als dass es möglich gewesen wäre, einen kompletten Sonnenumlauf von Sedna zu verfolgen. Und während einer so langen kosmischen Reise konnte alles mögliche geschehen, was die Umlaufgeschwindigkeit zeitweise erhöhte oder abbremste. Und auch, wenn der Kuiper-Gürtel quasi der kosmische Hinterhof des Sol-Systems war und die Menschheit der Humanen Welten inzwischen zahlreiche weitere Systeme besiedelt und erforscht hatte, waren noch immer nicht alle Objekte bekannt, die in diesem entlegenen Gebiet umherflogen. Es gab tausend von Zwergplaneten darunter. Die größten übertrafen Pluto an Volumen und Masse, so wie beispielsweise Eris, auf dem es immerhin einen florierenden Raumhafen für Prospektorenschiffe gab und sich in den letzten fünfzig Jahren eine ganz ansehnliche Werftindustrie entwickelt hatte.
Ungefähr 800 km Durchmesser brauchte ein Körper, um sich zu einer mehr oder minder gleichmäßigen Kugelform zusammenzuballen, was eine der Voraussetzungen zur Klassifizierung als Zwergplanet war. Wie viele Objekte dieser Klasse es letztlich im Sonnensystem gab, war nicht bekannt. Es wurden immer wieder neue entdeckt, klassifiziert, kartographiert - und gegebenenfalls auch besiedelt und wirtschaftlich ausgebeutet, wenn es interessante Rohstoffe gab.
Darüber hinaus gab es natürlich noch jede Menge unregelmäßig geformter Brocken jeder nur denkbaren Größe zwischen der Neptun-Bahn und der äußersten Systemgrenze, von der eigentlich niemand genau wusste, wo man sie ansetzen sollte. Irgendwo zwischen Sol und Proxima Centauri überwog dann einfach die Gravitation eines anderen Gestirns.
In dem Bildfenster erschien ein bekanntes Gesicht.
"Tony", entfuhr es ihr.
Tony Morton, geniales Wissenschaftler-Talent in den Bereichen Genetik und Terraforming und allem, was diese beiden Gebiete miteinander verband, war ihr Ehemann. Eine Beziehung auf Distanz - notgedrungen und durch die Umstände erzwungen. Sie hatten sich kennengelernt, als sie noch auf die Ganymed-Akademie gegangen war, ineinander verliebt und ziemlich schnell geheiratet. Vielleicht deshalb, weil sie beide gedacht hatten, dass dieser offizielle Bund eine Art Schutz gegen die Entfremdung war, die sich bei einer Fernbeziehung einstellen konnte.
"Hallo Rena", begrüßte Tony Morton sie. Sein Lächeln wirkte angestrengt. "Wie läuft es mit deinem ersten Kommando?"
"Ganz gut, denke ich."
"Na, dann."
"Man könnte auch sagen, ich halte mich über Wasser."
"Dann würde ich sagen, es ist alles in Ordnung. Mehr kann man doch nicht verlangen, finde ich."
"Ja."
"Wohin geht's?"
"Raumfort Matthews."
"Ist ja quasi um die Ecke", meinte Tony Morton.
Das war natürlich reichlich geschönt ausgedrückt. Die Entfernungen da draußen im Kuiper-Gürtel hatten einen ganz anderen Maßstab als im Inneren des Sol-System. Erde und Pluto waren in ihren gegenwärtigen Positionen ungefähr genauso weit voneinander entfernt wie Sedna und das Raumfort Matthews.
"Ich habe nicht viel Zeit", sagte Tony Morton dann.
“ Natürlich.”
“ Es findet gleich ein Meeting statt, bei dem sich das finanzielle Schicksal unseres neuesten und geheimsten Forschungsprojektes entscheidet. Du kennst das ja. Es ist immer dasselbe. Ich hoffe, dass meine Präsentation gegenüber den Verantwortlichen des Konzerns da etwas herausholen kann.”
Sunfrost lächelte. “Dann drücke ich dir alle Daumen, Tony.”
“ Ich dir auch.”
“ Ein Raumboot zum Raumfort Matthews zu fliegen ist nun wirklich nicht gerade eine anspruchsvolle Mission, Tony.”
“ Jeder fängt mal klein, würde ich sagen.”
Rena lächelte verhalten.
“ Ja, so muss man das wohl sehen.”
“ Hör mal, ich muss jetzt wirklich Schluss machen.”
“ Schon gut, Tony.”
“ Bis demnächst!”
Die Verbindung wurde unterbrochen. Das Emblem des Space Army Corps füllte wieder das Bildfeld aus.
Raumfort Matthews. Was für ein interessanter Ort, dachte Rena voller Ironie. Ein Stück freischwebendes Blech, irgendwo im Kuiper-Gürtel. Selbst Sirius und die Wega sind der Erde verkehrstechnisch näher als diese Station in der Wüste aus Gesteins- und Eisbrocken, die unser Sonnensystem wie eine Kugel umgibt...