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Alfred Bekker

WEGZEHRUNG



»Entdecken Sie die Costa Brava! - Noch Platz für zwei Teilnehmer. Keine Verkaufsveranstaltung!«

Es war eine kleine, unscheinbare Anzeige, die uns auf die Idee gebracht hatte, an einer dieser Billig-Busfahrten an die Costa Brava teilzunehmen. Von Deutschland aus mehr oder minder Nonstop nach Lloret de Mar oder Blanes, am Steuer ein übernächtigter Busfahrer mit dunklen Ringen unter den Augen, der 22 Stunden auf dem Bock saß und sich dabei mit einem Gemisch aus Kaffee und Weinbrand wachzuhalten versuchte, eine Unterbringung in Hotels, die nicht gerade der Spitzenklasse angehörten, und ein Frühstück, das diesen Namen nicht verdiente -

das war die eine Seite der Medaille. Die andere war der unglaublich günstige Preis der Reise. Sie war praktisch geschenkt.

»Ich glaube, dass es ein Fehler war mitzufahren «, sagte meine Frau mir leise ins Ohr, aber da hatten wir bereits die kurze Toilettenpause bei Macon in Frankreich hinter uns.

»Das fällt dir ein bisschen spät ein!«, erwiderte ich.

»Ich weiß, dass wir jetzt nicht zurück können, aber ich habe einfach ein ungutes Gefühl. Hast du das rote Zeug gesehen, das der Fahrer trinkt? Auf der Flasche war kein Etikett, aber ich wette, dass es Rotwein war!«

»Naja...«

»Ich hoffe, wir landen nicht im Graben!«

»Der Mann fährt ja nicht zum ersten Mal, Schatz!«

»Und dann die Leute! Du musst schon zugeben, dass wir hier mit ziemlich merkwürdigen Leuten reisen«, flüsterte sie - und sie hatte recht. Gleich zu Anfang war mir aufgefallen, dass sich alle anderen Teilnehmer der Reise offenbar gut kannten, der Busfahrer eingeschlossen. Aus den Gesprächen erfuhr ich, dass sie offenbar nicht zum ersten Mal gemeinsam nach Spanien fuhren. Der Tatsache, dass alle Fahrgäste ziemlich bleich waren, maß ich zunächst keinerlei Bedeutung zu. Schließlich nahm ich an, dass sie gerade deswegen die Sonne Spaniens suchten, um dies zu ändern.

Andererseits vermieden sie augenscheinlich jeglichen Kontakt mit dem Sonnenlicht. Der Bus hatte bereits kleinere Fenster, als dies üblich ist - offenbar eine Sonderanfertigung - und diese Fenster waren dann auch noch den ganzen Tag über mit Rollos verdeckt, so dass im Inneren stets eine Art Halbdunkel herrschte.

Erst, als es draußen bereits ziemlich dämmrig war, wurde ein kurzer Stopp eingelegt. Meine Frau und ich hatten vor Jahren eine ähnliche Fahrt mitgemacht und erlebt, dass sich - je weiter es in die Nachtstunden hinein ging - eine lethargische Stimmung unter den Fahrgästen auszubreiten begann, bis die ersten in einen kurzen, leichten Schlaf fielen. Man konnte dabei immer nur beten, dass diese Schlafperioden beim Busfahrer nicht länger als eine oder anderthalb Sekunden dauerten... Jedenfalls war es auf dieser Reise anders. Je später es wurde, desto munterer wurden die Mitfahrer.

Und desto öfter gingen ihre Blicke in unsere Richtung. Seltsame Blicke waren es, die ich erst später zu deuten wusste...

Irgendwann nickten wir ein. Ich fiel in einen dumpfen, traumlosen Schlaf. Als ich erwachte, dämmerte der Morgen und wir hatten die spanische Grenze vor uns.

Meine Frau wurde auch langsam wach. »Meine Beine sind mir eingeschlafen!«, murmelte sie, und dann schrie sie plötzlich auf. »Irgend so ein Mückenvieh hat mich gestochen! Sogar zweimal!« Ich sah die beiden roten Stellen an ihrem Handgelenk, und sie fuhr fort: »Das werden sicher Riesendinger! Es ist jedes Mal dasselbe bei mir! Wenn mich eine Mücke sticht, gibt das immer eine Entzündung!« Dann fixierte sie mich mit großen Augen und stellte fest: »Du hast auch zwei Einstiche!«

Ich lächelte. »So?«

»Ja, am Hals!«

Das Hotel, in dem man uns und die anderen Teilnehmer der Reise einquartierte, war nicht so schlecht, wie ich befürchtet hatte.

Den ersten Tag verbrachten wir mehr oder weniger am Strand. Am Abend trafen wir einige unserer Mitreisenden in der Hotelbar, tranken mit ihnen zusammen ein Gläschen und gingen dann in unser Zimmer. Bleierne Müdigkeit überfiel uns, und wir legten uns schlafen. Ich hatte seltsame, wirre Träume. Ich träumte davon, dass die Tür zu unserem Zimmer geöffnet wurde. Ich träumte von Stimmen, konnte aber nicht verstehen, was gesagt wurde.

Als ich schweißgebadet erwachte, kam meine Frau aus dem Bad.

»Sieh mich an«, sagte sie verzweifelt. »Von oben bis unten zerstochen!«

Als ich aufstand und meine Arme und Beine sah, bemerkte ich, dass mich diese Blutsauger offenbar genauso sehr heimgesucht hatten. Fast zwei Dutzend Einstichstellen zählte ich.

»Merkwürdig...«, murmelte ich. »Die Stiche scheinen immer paarweise angeordnet zu sein. Und sie jucken auch nicht!«

Die Einstiche verheilten schnell. Noch im Verlauf des Tages.

Aber die folgende Nacht verlief ähnlich wie die vorangegangene -

mit wirren Träumen und einem Erwachen mit frischen Einstichstellen. Und das, obwohl wir die halbe Nacht wachgelegen hatten, um auf das Summen einer Mücke zu horchen. Aber es war nichts zu hören gewesen, und Türen und Fenster hatten wir geschlossen gehalten.

Die Tage gingen dahin. Wir hatten auf einmal kaum noch den Drang, an den Strand zu gehen und uns der Sonne auszusetzen.

Unser Schlaf/Wachrhythmus verschob sich. Wir verschliefen zunehmend den Großteil der Tage und lebten in den Nächten auf, in denen wir nur noch für einige Stunden einen immer leichter werdenden Schlaf schliefen. Die wirren Träume aber blieben, und sie kamen nur des Nachts.

Aus einem von ihnen schreckte ich hoch und sah, dass unser Zimmer voller Menschen war.

Unsere Mitreisenden standen um unser Bett herum.

»Sie gehören jetzt zu uns«, sagte der Busfahrer und lächelte breit. So breit, dass seine außergewöhnlich langen Eckzähne für einen kurzen Moment in ihrer vollen Größe sichtbar wurden...

Nachtrag: Wir fahren jetzt regelmäßig an die Costa Brava.

Nächste Woche ist es wieder soweit. Ich hoffe nur, dass sich auf die Anzeige, die wir aufgegeben haben, bis dahin noch jemand meldet. Proviant sollte schließlich stets frisch sein!



Die große Halloween Horror Sammlung November 2021

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