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Es war Stefanies Idee gewesen, auf den Jahrmarkt zu gehen und Peter Simon fühlte sich sichtlich unwohl. Aber nun war es zu spät.

Er hatte sich von ihr breitschlagen lassen. Es war einer von ihren spontanen Einfällen gewesen und spontane Einfälle waren etwas, das ihm fremd war.

Ebenso wie dieser Jahrmarkt, der eigentlich kaum mehr als eine Dorfkirmes war.

Wenigstens sie schien sich jedoch gut zu amüsieren.

"Schießt du mir eine Rose?", fragte Stefanie ihn schließlich irgendwann ziemlich unvermittelt.

Er runzelte jetzt die Stirn.

"Was?", fragte er.

Er fühlte, wie sie ihn mitzuziehen versuchte.

"Eine Rose", wiederholte sie. "Da vorne ist eine Schießbude."

Er seufzte hörbar und machte dabei ein Gesicht, das zu sagen schien: Muss das denn sein?

Es musste sein.

Schon deswegen, weil er Stefanie einfach gar nichts abschlagen konnte.

"Ist das dein Ernst?", fragte er überflüssigerweise, denn die Antwort kannte er im Voraus.

Stefanie lachte und ließ dabei ihre makellos weißen Zähne aufblitzen. "Was denkst du denn!"

"Ich glaube, ich kann gar nicht schießen", drückte Peter dann zögernd hervor.

"Ach, Quatsch."

"Nein, im Ernst! Ich habe das noch nie gemacht", behauptete er.

"Echt?"

"Ja."

Sie machte ein ungläubiges Gesicht.

"Und ich hätte darauf gewettet, dass einer wie du bei der Bundeswehr gewesen ist!"

"Bin ich nicht", erwiderte Peter mürrisch. Sie hakte sich bei ihm unter und er legte halbherzig den Arm um ihre Schultern.

"Und warum nicht?"

Schulterzucken.

"Untauglich", knurrte er.

"Was?" Sie wahr ehrlich erstaunt und sah ihn ziemlich verwundert an.

"Ja, du hast schon richtig gehört", knurrte er zurück.

"Warum bist du denn so gereizt, Peter?"

Er machte eine wegwerfende Geste. "Ich bin überhaupt nicht gereizt!"

"Natürlich bist du das!" Einen Augenblick lang schwieg Stefanie. Dann sagte sie: "Du siehst mir aber nicht sehr krank aus, finde ich."

Peter zuckte die Achseln.

"Plattfüße, eine Menge Amalgam im Mund und eine dicke Brille. Das hat genügt."

"Du Ärmster!"

"Na, so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Ich bin ganz froh, dass ich auf diese Weise drumherum gekommen bin."

Sie zog ihn mit sich in Richtung der Schießbude. Der dicke vierschrötige Mann, der dort die Aufsicht hatte, blickte schon zu ihnen hinüber.

"Komm, probier's trotzdem!", lachte Stefanie.

"Was?"

"Na, einmal schießen!"

Er atmete tief durch. Er hatte ihr schon das Riesenrad abgeschlagen, weil ihm allein vom Hinsehen schon schlecht zu werden drohte.

Hier würde er wohl nicht drumherum kommen.

"Wenn's sein muss...", murmelte er.

"Es muss sein", erklärte sie.

Sie sagte das sehr bestimmt.

Und dann waren sie auch schon da.

Peters Blick ging die möglichen Ziele entlang. Es gab jede Menge Rosen, Federn, Delphine an kleinen Kettchen und andere nützliche Dinge, die man mit der Kugel aus einem Luftgewehr herunterschießen konnte.

Für Fortgeschrittene gab es eine nicht abreißende Kolonne von kleinen Panzern, die mit stets gleichbleibender Geschwindigkeit dahergezogen wurde.

Ein Mittfünfziger in jägergrünem Anzug räumte gerade die Ziele reihenweise aus den Regalen. Der Dicke hinter dem Tresen machte bereits ein missmutiges Gesicht, sagte aber nichts, sondern lud statt dessen einem zehnjährigen Knirps das Luftgewehr durch.

Der Knirps nahm das Gewehr, zielte kurz und schoss.

Beim ersten Mal traf er nichts, beim zweiten Mal einen der Panzer. Dem Dicken war die Überraschung deutlich ins Gesicht geschrieben.

"Gratuliere, Kleiner", grunzte er dann gönnerhaft. Die Augen des Jungen leuchteten dabei.

Peter nahm sich indessen eine der Waffen, die auf dem Tresen herumlagen und hob sie hoch.

"Kann ich dieses Gewehr hier nehmen?"

"Können Sie!" Der Dicke nahm es Peter trotzdem erst einmal aus der Hand und lud es durch. "Wie oft wollen Sie denn schießen?"

"Ein Mal."

"Wenn Sie öfter schießen, wird's billiger." Der Dicke grinste dabei von einem Ohr zum anderen.

"Nein, ich möchte nur ein Mal", erwiderte Peter.

"Wie Sie wollen."

"Na, komm, mach schon!", rief Stefanie.

Peter legte an und zielte auf eine Rose. Einige Augenblicke lang blieb er wie versteinert und rührte sich nicht einen Millimeter.

Dann drückte er schließlich ab. Es machte zack! und irgend etwas fiel herunter.

Die Rosen wackelten.

Der Dicke lachte heiser.

"Na sehen Sie!", meinte er mit ironischem Unterton. "Sogar was getroffen!"

Er bückte sich und ächzte dabei. Dann reichte er Peter grinsend seine Beute und Stefanie musste unwillkürlich lachen.

"Ein Schnuller!"

Peter zuckte die Achseln und legte das Gewehr zurück auf den Tresen. "Ich habe auf die Rose gezielt", murmelte er schwach.

Stefanie lachte noch immer und schlang ihre Arme um seinem Hals. "Ja, und einen Schnuller getroffen."

"Na und?"

Der Schießbudenmann lud das Gewehr durch und grinste ziemlich breit. Er fand die Sache auch lustig, das war ihm deutlich anzusehen.

Aber der Dicke wusste auch, was sich gehörte. Der Kunde war ja schließlich König.

"Noch einmal?", fragte er süffisant und konnte das Grinsen dabei kaum unterdrücken.

"Nein", zischte Peter und fühlte dabei, wie Stefanies Hand unter seine Jacke glitt.

"Nicht sauer sein, Peter!"

Aber Peter war sauer. Das ließ sich nicht mehr ändern. Er wandte sich an den Schießbudenmann.

"Was bin ich Ihnen schuldig?", knurrte er, woraufhin der Dicke sich etwas über den Tresen beugte.

"Ein Schuss eins fünfzig. Drei Schuss zwei Euro fünfzig."

"Bitte", knurrte Peter und bezahlte.

Dann gingen sie, Arm in Arm zwar, aber es sagte ein paar Minuten lang keiner ein Wort.

Stefanies Kopf nickte leicht im stampfenden Rhythmus der Disco-Musik, die über den Platz dröhnte. Es war eine merkwürdige Mixtur, ein Brei aus drei, vier verschiedenen Stücken.

Die Bässe drückten in die Magengrube.

Sie wichen einem Betrunkenen aus, der sie mit einer fürchterlichen Fahne anrülpste und irgend etwas daherlallte, das kein Mensch verstehen konnte und kamen schließlich in eine Gegend, in der vorwiegend Bierstände und Würstchenbuden platziert worden waren.

Hier war es wesentlich leiser und so fragte Stefanie schließlich: "Du bist jetzt sauer, stimmt's?" Im Grunde war es eine Feststellung, keine Frage.

Peter schüttelte trotzdem den Kopf.

"Nein", behauptete er, allerdings nicht überzeugend genug für Stefanie.

Immerhin kannte sie ihn schon gut genug, um ihn zielsicher zu ertappen, wenn er log.

"Ach komm, du kannst mir nichts vormachen!" Sie musste ein erneutes Lachen unterdrücken, was ihr nur mit äußerster Mühe zu gelingen schien.

Peter sah sie an. Seine Augenbrauen hoben sich. Er schien das ganze sehr viel ernster zu nehmen.

"Was ist so witzig?", fragte er.

Er sah ihre makellosen Zähne blitzen.

"Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde es einfach witzig", meinte sie und schlang zärtlich ihre Arme um seinen Hals.

"Ha, ha,ha", knurrte er.

"Soll ich dir was sagen? Irgendwie passt das zu dir."

Sie blieben stehen.

"Was?"

"Das du einen Schnuller geschossen hast!" In ihrem Augen funkelte es. "Statt einer Rose, meine ich."

Peter seufzte. "Irgendwie war es keine gute Idee, hier her zu gehen..."

Sie knuffte ihn in die Seite.

"Ach komm schon!"

"War ja auch nicht meine Idee..."

"Du bist und bleibst doch ein alter Spielverderber!" Sie hob die Schultern und sah dann zu ihm hinauf. "Außerdem weiß ich gar nicht, was du eigentlich hast! Wir hatten doch viel Spaß!"

"Naja..."

"Ich finde schon!"

Sie beobachteten einige Jugendliche, die sich um einen Boxautomaten herum gruppierten. Für ein paar Groschen konnte jeder, der es wollte, testen, ob er Weltmeister oder Schwächling war.

"Gehen wir nachher noch zu dir?", fragte Peter dann später ziemlich unvermittelt.

Stefanie wartete einen Moment mit der Antwort, musterte ihn kurz und sagte dann: "Nein."

"Was?"

Er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit.

"Ja, du hast schon richtig gehört", lächelte sie.

Irgend etwas führte sie im Schilde, das hatte Peter gleich gespürt. So gut kannten sie sich inzwischen doch schon.

Vielleicht wollte sie ihn auch einfach nur ein wenig ärgern...

"Ich dachte mir, dass wir heute mal zu dir gehen, Peter", meinte sie dann schließlich gedehnt.

Peter machte kein sehr glückliches Gesicht. Er kratzte sich an der Nase.

"So, dachtest du...", murmelte er.

Sie nickte sehr entschieden.

"Ja."

"Das muss ja nicht unbedingt heute sein, oder?

"Warum denn nicht heute?"

"Weil..."

Er brach ab. Vielleicht deshalb, weil es keinen vernünftigen Grund gab. Jedenfalls wollte ihm auf die Schnelle einfach nichts einfallen, das auch nur einigermaßen plausibel klang.

"Wir kennen uns fast zwei Monate und ich war noch nie bei dir zu Hause."

Schulterzucken.

"Na, und?"

"Peter,findest du das nicht auch seltsam?"

"Warum soll ich das seltsam finden?", meinte er schwach, obwohl er wusste, dass sie eigentlich recht hatte.

"Na, komm, Peter, du musst schon zugeben, dass das seltsam ist." Sie lachte kurz auf. Ihre Stimme klang dabei hell und klar. Dann meinte sie: "Stehst du nicht zu mir, oder was soll das Theater?"

"Natürlich stehe ich zu dir", stöhnte er.

Doch sie ließ nicht locker.

"Ich meine, was soll ich davon halten, dass... "

"Das ist es nicht."

Sie seufzte.

"Und was ist es dann? Ich blamier' dich schon nicht. Keine Sorge."

"Da mache ich mir auch keine Sorgen."

"Also gehen wir heute zu dir. Morgen ist Wochenende und die Nacht wird bei dir bestimmt so toll, wie die Nächte, die wir bei mir verbracht haben..."

Ihre Stimme bekam bei den letzten Worten einen ganz besonderen Klang. Einen Klang, der Peter für ein paar Sekunden verzauberte.

Sie zu treffen war das Beste, was mir passieren konnte, ging es ihm durch den Kopf.

Trotzdem.

Er wollte sie nicht mit nach Hause nehmen.

Ehe er wieder ganz beieinander war, fühlte er bereits ihre Lippen auf den seinen. Sie waren ganz weich.

"Komm, Stefanie, hör mir mal zu..."

Es gelang ihm schließlich doch noch, sich von ihr zu lösen.

"Ja, ich weiß schon, was jetzt kommt...", murrte sie und zog dabei einen Schmollmund, wie er im Bilderbuch stand.

Auch dabei sah sie noch reizend aus.

Peter wirkte unsicher, als er zu sprechen begann.

"Meine Mutter..."

"Deine Mutter wird das schon verkraften!"

Seine Geste wirkte genauso hilflos wie sein Gestammel. Er machte einen erneuten Versuch ohne wirklich daran zu glauben, ihr seine Sicht der Dinge einsichtig machen zu können: "Du weißt doch..."

"Ja ich weiß, die alte Leier...", fertigte sie ihn kurzerhand ab.

"Seit mein Vater nicht mehr lebt..."

Sie unterbrach ihn.

"Ja, seit dein Vater tot ist, ist sie etwas seltsam. Das hast du mir erzählt." Ihr Gesicht wurde trotzig. "Aber ich sehe nicht ein, warum ich sie nicht kennenlernen sollte. So verschroben kann sie doch nicht sein, dass du mir das nicht zumuten könntest... Für wen hältst du mich? Für ein Kartenhaus, das gleich beim ersten Niesen in sich zusammenstürzt?"

Er wusste, dass seine Position denkbar schwach war, schon deshalb, weil er selbst nur an das glaubte, was er ihr da erzählt hatte.

Er kratzte sich am Nacken.

"Nein", murmelte er mit wenig Nachdruck.

"Dann verstehe ich nicht, warum wir über diese Sache so eine Debatte führen müssen!"

Peter nahm sie bei den Schultern, aber sie entwand sich seinem Griff gleich wieder und sah ihn verständnislos an.

Er druckste unbeholfen herum und begann: "Ich glaube nicht, dass du weißt..."

Sie schnitt ihm das Wort ab.

"Keine Ausflüchte mehr, Peter! Heute geht's zu dir." Sie lächelte kokett und trat herausfordernd nahe an ihn heran. "Oder gibt es da am Ende gar keine Mutter, sondern eine eifersüchtige Ehefrau, die mir oder dir oder uns beiden mit dem Küchenmesser an die Gurgel gehen würde..."

Er schüttelte den Kopf und lächelte sogar ein wenig.

"Nein..."

"Na, dann gibt's doch kein Problem, oder?"

"Also..."

"Kein Echtes, meine ich."

Peter wusste in diesem Augenblick instinktiv, dass sein Widerstand zwecklos wurde. Er war drauf und dran zu kapitulieren und die Waffen zu strecken. Und zwar bedingungslos.

Manchmal fragte er sich, was es wohl sein mochte, dass sie so stark machte und ihn so schwach.

Er ahnte die Antwort und weigerte sich, weiter darüber nachzudenken.

"Okay", meinte er, obwohl es da eine Stimme in ihm gab, die es gar nicht okay fand.

Er zuckte die Achseln.

Phantom-Mörder - 12 Strand Krimis

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