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Vorwort

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Liebe Leserin, lieber Leser,

viele Menschen wollen mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun haben. Sie flüchten sich in Scheinwelten. In Fantasywelten, in Drogenwelten, manche sogar in politische Parteien. Das ist schade, wenn auch psychologisch nachvollziehbar. Diese Menschen fliehen vor der Realität, weil sie ihnen zu bescheuert ist. Allein die Tatsache, dass Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten werden konnte, beweist doch, dass die Realität uns oft verdammt viel zumutet. Und dann gibt es ja auch diesen Satz: »Das Leben schreibt die besten Geschichten.« Ich halte den für Unsinn. Manchmal schreibt das Leben auch einfach nur vollkommen hanebüchene Geschichten. Geschichten, bei denen man ausrufen möchte: »Was soll denn das jetzt bitte schon wieder?« und Angst haben muss, vom vielen Kopfschütteln ein Schleudertrauma zu bekommen.

Trotzdem: Ich finde, es lohnt sich hinzuschauen. Genau hinzuschauen. Das mag eine Berufskrankheit sein. Als Macherinnen und Macher einer Satiresendung sind wir praktisch von Haus aus auf die Absurditäten der Realität geeicht; sie bieten uns das Rohmaterial, aus dem wir unsere Scherze drechseln. Aber auch die schiere, pure, unbehandelte Realität kann ihren Reiz haben. Für genau diese Fälle gibt es bei extra 3 eine eigene Rubrik: »Der reale Irrsinn«.

Aus vielen Gesprächen mit Zuschauerinnen und Zuschauern weiß ich: Es ist wahrscheinlich die beliebteste Rubrik. Es sind diese oftmals kleinen, aber immer realen Geschichten mit dem gewissen »Das-gibt’s-doch-gar-nicht«-Faktor, diese vielen, vielen Fälle von Behördenirrsinn, von Schildbürgerstreichen und Provinzpossen in kleinen und großen Städten, die uns und den extra 3-Fans ganz besondere Freude machen.

So sehr man die Wirklichkeit auch hassen und anklagen kann für den Mangel an Sinn und intelligentem Design, wir sollten nie die Worte des großen Philosophen Berti Vogts vergessen, der einmal gesagt hat: »Die Realität sieht anders aus als die Wirklichkeit.« Ein Satz, der sich vielleicht nicht auf Anhieb erschließt. Aber nachdem ich einige Wochen darüber meditiert habe, hat sich mir seine tiefe Weisheit offenbart. Denn das Reale wirkt ja bisweilen irreal. Die Realität ist oftmals ganz und gar unglaublich.

Das gilt auch und ganz besonders für Deutschland. Dieses eigenartige Land mit seiner sympathischen Regulierungswut. Hierzulande einen Bauantrag für eine Garage zu stellen, ist vom Schwierigkeitsgrad her mit einer Doktorarbeit in Harvard zu vergleichen. Viele große Bauwerke hätte es in Deutschland nicht gegeben. Die wären nie und nimmer genehmigt worden. Die Behausungen der Steinzeitmenschen zum Beispiel. Feuer in einer Höhle ohne Schornstein und CO2-Messung? Können Sie vergessen. Die Höhle wäre nach der deutschen Feuerstättenverordnung sofort geschlossen worden. Oder das Kolosseum in Rom. 50.000 Sitzplätze und keine einzige Toilette. Das hätte nach deutschen Verordnungen um insgesamt 5.000 Dixi-Klos erweitert werden müssen. Oder auch die Pyramiden von Gizeh. Gebäude ohne Fenster! Das hätte kein deutsches Bauamt erlaubt.


Nun sind aber viele Bauwerke und Ausflugsziele durch ihr Scheitern erst berühmt geworden. Der schiefe Turm von Pisa etwa. Wenn der gerade stünde, würde da keine Sau hinfahren. Oder Pompeji. Wer würde von der Stadt reden, wenn Politiker die nicht damals zu nah am Vesuv gebaut hätten? Oder die Insel Giglio. Die hatte monatelang viel mehr Tagestouristen, weil ein wahnsinniger Kapitän damals die Costa Concordia dagegen gesteuert hat.

Berlin mit dem Hauptstadtflughafen natürlich sowieso. Finden wir uns damit ab: Fertig wird der Flughafen nicht mehr. Da wird man nicht fliegen können. Einchecken vielleicht. Man gibt sein Gepäck auf, genießt die Erlebniswelt Flughafen mit Restaurants und Shoppingmalls. Dann geht es zum Gate, da wartet der Bus und fährt Passagiere und Gepäck einfach schnell nach Tegel.

Das ist ja der prominenteste Irrsinn: Der Flughafen in Berlin, von dem man nicht wegfliegen kann. Die U-Bahn in Köln, die Unsummen verschlungen hat und praktisch keine Zeitersparnis bietet. Das Volksparkstadion in Hamburg. Ein Stadion, in dem die Heimmannschaft keinen vernünftigen Fußball spielen kann.

Aber als extra 3-Moderator kann ich Ihnen versichern: Der reale Irrsinn ist überall. Den gibt’s als Flatrate für alle. Es reicht, morgens die Haustür zu öffnen. Ich bin ja der Meinung, dass auf Haustüren eigentlich von innen standardmäßig Warnhinweise angebracht werden sollten: »Achtung! Das Öffnen dieser Tür kann zu Erstaunen und unkontrollierten Lachanfällen führen.«

In diesem Zusammenhang kann ich Ihnen nur raten: Fahren Sie mal in die Orte, die in diesem Buch vorkommen. Machen Sie sich auf die Deutschlandreise zum realen Irrsinn und schauen Sie sich zum Beispiel die Besonderheit in Bad Salzuflens Fußgängerzone an! Oder den Strand von Wilhelmshaven! Oder den Fischbrötchenstand in Stralsund! Diese Orte haben ihren Reiz, den Reiz des Absurden. Und der ist immer eine Reise wert.

Sei es das Grabenlaub, das nicht zum Straßenlaub sortiert werden darf, sei es der Streit über verschiedene Sitzbankmodelle oder seien es Straßen, die eigentlich keiner braucht und keiner will. Böse Menschen sagen: zum Beispiel alle, die nach Bremerhaven reinführen.

Ich bin froh und glücklich, dass 40 dieser Geschichten, an denen viele Zuschauerinnen und Zuschauer schon im Fernsehen ihre helle Freude hatten, nun auch als Buch vorliegen. Den bewährten Satirefachkräften Alicia Anker und Daniel Sprenger gebührt das Verdienst, diese schönen, lustigen, absurden Realsatiren aus heimischer Produktion und mit Echtheitszertifikat noch einmal nachrecherchiert, erweitert, ergänzt und vor allem in Buchform gebracht zu haben.

Wenn Sie wissen wollen, wie Deutschland tickt, wie dieses Land denkt und funktioniert und vor allem: warum nicht, dann sei Ihnen dieses Buch wärmstens ans Herz gelegt.

Viel Vergnügen und Let’s Make Realsatire Great Again!

Christian Ehring

extra 3. Deutschland - Der reale Irrsinn ist überall

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