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Der Geysir von Bad Salzuflen

Bad Salzuflen – eine Perle Nordrhein-Westfalens! Seit jeher Thermalbad, seit 2013 sogar anerkannter Kneipp-Kurort. Das Stadtwappen ziert ein Brunnen. Auch dem Stadtunkundigen wird schnell klar: Mit Wasser und dessen fachmännischem Gebrauch kennt man sich hier aus. So zum Beispiel Rolf Oberweis, der Baudezernent der Stadt. Rolf Oberweis hatte eine Weltklasseidee: Er ließ einen künstlichen Geysir bauen. Mitten in die Fußgängerzone von Bad Salzuflen! Ha! Wer hat schon einen Geysir? Also außer den Isländern natürlich.

»Viele Deutsche haben Angst, nicht nur vor überraschenden Wasserfontänen, vor Geysiren in Bad Salzuflen. Nein, die Deutschen haben Angst vor denen, die da kommen. Vor dem Glauben dieser Menschen, vor Gewalt, vor den Kosten. Und diese Ängste, die sind berechtigt. Allein letztes Wochenende kamen wieder Zehntausende in unsere Städte, meistens junge Männer, viele gewaltbereit, beseelt von einem wirren Glauben, und das kostet uns Millionen. Aber genug von der Bundesliga!«


»Wir wollten einen haben mit einem Wow-Effekt, also einen Brunnen, einen Geysir, der alle paar Minuten spritzt«, schwärmt Oberweis. Läppische 40.000 Euro hat das Wasserwunderwerk gekostet.

Und für das Geld bekommen die Bad Salzufler richtig was geboten: Alle vier Minuten schießt der Geysir völlig unvermittelt ziemlich hohe Wasserfontänen in die Luft – mitunter auch auf Passanten. Oberweis freut sich: »Nicht-Salzufler wissen das nicht, gucken vielleicht rein und erleben dann den Wow-Effekt. Einheimische wissen vielleicht schon, wie es funktioniert.« Vielleicht.


Ein Mann und seine Idee: Rolf Oberweis neben seinem Geysir, der hier noch ganz friedlich wirkt.

Es gibt komischerweise auch Einheimische, die den Oberweis’schen »Wow-Effekt« des Geysirs nicht richtig zu schätzen wissen:

»Der ist furchtbar! Ich krieg einen Herzinfarkt!«

»Ich habe hier schon einige Leute nass werden sehen.«

»Der stört die Leute, die erschrecken sich und werden nass gespritzt.«

»Wir haben die Fontäne drei Meter hoch spritzen lassen, also der Geysir ging über drei Meter hoch, dann war aber im Umkreis von sechs Metern alles nass«, erklärt Oberweis. Der umsichtige Baudezernent weiß natürlich, was in so einer Situation zu tun ist. Ein Geländer muss her. Und zwar rund um den Geysir herum. Um Sicherheitsbedenken konsequent auszuräumen und einen gewissen Spritzschutz zu gewährleisten.

Wären da nur nicht wieder diese Bad Salzufler … Denen gefällt der Geysir mit Geländer auch nicht.

»Da fällt man drüber, nachts ist das schlecht beleuchtet, dann rennt man gegen das Geländer – solche Argumente kamen«, erinnert sich Oberweis.

Also Kommando zurück: Das 1.000 Euro teure Geländer wird wieder entfernt und die Spritzhöhe der Wasserwurfanlage auf mickrige 1,50 Meter gekürzt. So hat Rolf Oberweis sich das eigentlich nicht vorgestellt. Aber kehrt nun endlich Ruhe ein?

»Es ist auch passiert, dass die Fontäne gerade kam, und eine Frau mit Rollator ist vor Schreck umgefallen«, sagt Oberweis und fügt an: »Gut, das ist das Leben.«

Genau, das ist das Leben! Zumindest das Leben mit einem Geysir. Ein bisschen vorausschauendes Mitdenken ist da schon erforderlich, findet Oberweis. »Wenn ich auf dem Boden unten eine nasse Zone sehe, dann frage ich mich doch: Was ist das? Warum ist das nass? Und dann guckt man und dann weiß man auch, da ist irgendwas.«


Oberweis demonstriert den »Wow-Effekt«. Man könnte auch sagen: Der Geysir macht sie alle nass. Auch seinen genialen Planer.

Eben. Alles eine Frage der eigenen Aufmerksamkeit. Dass es um just die bei den meisten Bad Salzuflern nicht gut bestellt zu sein scheint, bestätigt der im Laufe der Zeit entstandene Geysir-Beobachtungsposten im nahe gelegenen Café. Hier sitzen die, die das Spektakel kennen und schätzen. Denn immer noch erschreckt und durchnässt der Spritzbrunnen die Passanten in der Fußgängerzone. »Die Älteren wissen gar nicht, dass da Wasser kommt, schon sind sie nass und sind am Schreien, jetzt müssen sie nach Hause zum Umziehen«, lacht ein schadenfroher Cafébesucher. »Ich sitze jeden Tag hier.«

Oberweis’ letztes Zugeständnis an die Bürger seiner ach so wasseraffinen Stadt: Eine Geysir-Countdown-Uhr in Form einer Digitalanzeige soll die Leute auf die nächste Eruption vorbereiten. Wenn es nach Oberweis geht, nicht um sie zu warnen, damit sie sich vor dem herausschießenden Wasser in Sicherheit bringen, sondern um bewusst stehen zu bleiben und den Geysir zu erleben. Und so kehrt hoffentlich endlich Ruhe ein in Bad Salzuflen.

Vielleicht ist die eigentliche Attraktion in der Stadt auch gar nicht der Geysir, sondern der Baudezernent – ein Mann, der mit allen Wassern gewaschen ist.

WAS IST DRAUS GEWORDEN?

In einem Telefongespräch erzählt der immer noch amtierende Baudezernent Rolf Oberweis, der anfangs, sagen wir mal, kein Fan der satirischen extra 3-Berichterstattung über seinen Geysir war, dass die Bad Salzufler heute voll und ganz hinter seinem Brunnen stünden. Sicher, von Zeit zu Zeit werde noch mal einer nass. Aber: »Man kann sich die Innenstadt von Bad Salzuflen gar nicht mehr ohne Geysir vorstellen! Er ist akzeptiert bis zum Gehtnichtmehr.«

Außerdem, so erzählt Oberweis weiter, habe die plötzliche Präsenz des Brunnens in den Medien dazu geführt, dass sogar Touristen seinetwegen die Stadt besuchen: »Eine bessere Werbung für die Stadt kann ich mir nicht wünschen!« Hoffentlich haben die Besucher alle Regenjacken dabei.

Anreise

Der Geysir spritzt in der Fußgängerzone Lange Straße, 32105 Bad Salzuflen.


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