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Die Klangbrücke in Übach-Palenberg

Diese Brücke spielt das Lied des Windes. Der Luftzug bringt ihre 3.150 Klangelemente zum Tönen und schafft einen wohlklingenden Erholungsraum für Stressgeplagte. Zumindest in der Vorstellung der Architekten. Mit zusätzlich montierten mehreren Hundert Metallfächern wirkt die Klangbrücke in den Entwürfen zudem wie eine stählerne Reuse, durch die Spaziergänger lustwandeln. Sie sollen den Wohlklang nicht nur hören, sondern ihn fangen wie einen Schwarm wohlschmeckender Fische. »Dies ist ein Unikat, welches weltweit einzigartig ist«, schwärmt Wolfgang Jungnitsch beim Blick auf die Pläne.

Dieses einzigartige Werk entsteht 2008 nicht etwa in New York, Berlin oder Paris, sondern in Nordrhein-Westfalen, inmitten von Weizenfeldern und Wiesen am Rand von Übach-Palenberg, einer Kleinstadt nahe der niederländischen Grenze. Und das nicht einfach nur so: »Diese Brücke hat den Gedanken des Verbindens in sich im Zuge der EuRegionale«, erinnert sich Jungnitsch, der Bürgermeister der Stadt, durch die das Flüsschen Wurm fließt und in der der Übach entspringt. Die EU-Regionale 2008 hatte zum Ziel, im Dreiländereck von Aachen, den Niederlanden und Belgien »wegweisende Projekte« zu fördern.

Die Brücke führt von einer Wiese über eine Straße in einen Park. Wobei der »Gedanke des Verbindens« bei der Klangbrücke nicht im Vordergrund stand, wie Jungnitsch zugibt. Denn es gibt nur rund hundert Meter weiter einen ebenerdigen Eingang in den Park. »Ob die Brücke jetzt hier wäre oder nicht, das würde keinen Besucher vom Park abhalten. Von daher ist eine originäre Notwendigkeit nicht da«, sagt Jungnitsch. Aber so ist es ja oft mit großer Kunst: Sie braucht keinen profanen Zweck, sondern genügt sich selbst.


»Weltweit einmalig«: Eine Klangbrücke gibt es noch nirgends – und nur Kleingeister würden sagen: zu Recht. In Übach-Palenberg hingegen sieht man die Chancen und lässt die Idee 2008 mit viel Geld Wirklichkeit werden.

Außerdem gibt es Zuschüsse – von der EU und vom Land Nordrhein-Westfalen. Die Gesamtkosten der Klangbrücke, die anfangs mit 887.000 Euro kalkuliert waren, liegen am Ende bei 1,2 Millionen Euro. Kennt man ja von anderen Prestigeprojekten wie der Elbphilharmonie. Die Stadt Übach-Palenberg steuert rund 420.000 Euro aus ihrem Haushalt bei. »Es war unsere Hoffnung, dass das mal das Highlight werden kann, um Touristen in unsere Region zu bringen«, sagt Jungnitsch. Doch es kommt anders.

Heute baumeln nur vereinzelt Klangelemente an ihren Stahlschnüren, traurig und verheddert. Touristen sind nicht zu sehen. Und zu hören ist – nichts. Oder? »Wenn man ganz leise ist und bei den Klangelementen mal gut hinhört, dann hört man ein leichtes Klingen und Säuseln.« Jungnitsch muss überdurchschnittlich gute Ohren haben.

Die Gestänge sind größtenteils leer, weil der Klang der Elemente ein nicht unerhebliches rechtliches Problem schafft, das die Eröffnung der Brücke 2009 um einige Monate hinauszögert: »Bei über 3.000 Elementen wäre das Problem gewesen, dass sie in der Summe zu laut geklungen hätten«, erklärt der Bürgermeister. »Ein Lärmschutzgutachten hat dazu geführt, dass nur maximal 65 Elemente aufgehängt werden durften.« Sonst wäre der erlaubte Grenzwert von 39 Dezibel in der Nacht überschritten worden.

Eine weltweit einzigartige Klangbrücke, die nur sehr eingeschränkt klingen darf, weil die Bewohner eines nahe gelegenen Hauses durch das Bimmeln um ihren Schlaf gebracht würden. Das mag man noch als Scheitern einer weltmännisch orientierten Architektur an kleinstädtischen Befindlichkeiten abtun. Doch die Brücke wird zwischenzeitlich zum echten Sicherheitsrisiko: Die Metallfächer lösen sich gleich beim ersten größeren Sturm im November 2009 aus ihrer Verankerung. »Die Elemente verwirbelten und fielen teilweise mit scharfkantigen Spitzen herunter. Ich musste die Straße sperren lassen und habe dann auch alle Elemente abnehmen lassen«, erinnert sich Jungnitsch.

Im Mai 2011 laufen die Übach-Palenberger – und interessierte Touristen – dann endlich über die Brücke, drei Jahre später als ursprünglich geplant. Auch das kennt man von anderen Prestigeprojekten. Die Brücke ist nun fast aller Besonderheiten beraubt – aber sicher. Auch der Lärchenholzbelag ist jetzt bereits erneuert: Er hatte sich nämlich durch Regenwasser verformt. Die Kosten für die Reparaturen trägt die Stadt übrigens allein. Rund 100.000 Euro sind dafür bislang fällig geworden.


Ob Klangbrücke oder Gerippe: »Das eine wie das andere ist irgendwie touristisch interessant«, findet der Bürgermeister.

»Bildlich hat sich die Brücke von einer Reuse zu einem Dinosauriergerippe entwickelt«, sagt Jungnitsch. Und finanziell ist aus der Klangbrücke ohne Klang für die Stadt ein Fass ohne Boden geworden. Denn auch das Gerippe kostet Geld. Es muss als funktionierende Brücke erhalten werden – um jeden Preis. Die Instandhaltung schlägt mit jährlich 15.000 Euro zu Buche, also mit bislang insgesamt etwas über 100.000 Euro. »Lieber diese Mehrkosten in Kauf nehmen als Zuschüsse zurückzahlen«, lautet Jungnitschs Devise. Denn die deutsche Förderpolitik sieht vor, dass die Gemeinde die vom Land erhaltene Summe zurückzahlen müsste, würde die Brücke ihren Zweck nicht mehr erfüllen – etwa, wenn sie gesperrt würde.

Das mit sechzig Millionen Euro verschuldete Übach-Palenberg muss also weiter Geld in Erhaltungsmaßnahmen für ein eigentlich völlig überflüssiges Bauwerk stecken, damit ihr nicht auf einmal die Gesamtkosten in Rechnung gestellt werden.


Aber vielleicht schafft es ja auch das Dinosauriergerippe, Menschenmassen nach Übach-Palenberg zu locken. Bürgermeister Jungnitsch jedenfalls gibt die Hoffnung nicht auf, auch wenn von der eigentlichen Klangbrücke nicht viel übrig geblieben ist: »Das eine wie das andere ist irgendwie touristisch attraktiv.«

Anreise

Die Klangbrücke liegt an der Wurmtalstraße in 52531 Übach-Palenberg zwischen dem Fluss Wurm und dem Willy-Dohmen-Park. Sie ist ganzjährig und ganztägig begehbar, ein kleiner Parkplatz befindet sich davor. Der Willy-Dohmen-Park wurde auf dem Gelände einer ehemaligen Kiesgrube eingerichtet und ist kostenlos zugänglich. Er steht unter Naturschutz.


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