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Kapitel 8: Das Paradies

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Lucie, Elena und Jean verbrachten einen entspannten Tag am Strand im Paradies und genossen ihren ersten Urlaubstag unter der heißen Sonne.


Das Meer war herrlich warm und bedeckte ein wunderschönes Korallenriff mit einer artenreichen Tierwelt. Zusätzlich zu den herrlichen, natürlichen Attraktionen bot das Hotel viele Unterhaltungs- und Sportmöglichkeiten. Das Wassersportzentrum wurde von Phillip geleitet. Er kümmerte sich unter anderem um den Verleih der Schnorchelausrüstung und Kanus oder begleitete Taucher, die hinter dem Riff die Unterwasserwelt erkunden wollten. Lucie und Elena war es nicht entgangen, dass Phillip wirklich ausgesprochen gut aussah. Lucie beschloss erst mal eine Schnorchelausrüstung zu borgen – um so einen Erstkontakt herzustellen. Der Anblick, der sich ihr unter Wasser bot, war wunderschön und hatte ihre Erwartungen übertroffen. Sie ließ sich von der sanften Strömung einfach treiben und schwebte über die herrlichen Korallen.


Der schöne Phillip war vorläufig vergessen. Man brauchte nicht weit zu schwimmen oder lange zu suchen. Schon im seichten Wasser gab es Korallen, die kleine Fische beherbergten. Der größte Teil des Meeres, an dem der Strand des Paradieses lag, war von einem Korallenriff umgeben, das eine geschützte Lagune bildete. Lucie genoss unbeschwert das Unterwasserleben, da – wie sie sich erkundigt hatte – die großen Riffhaie nur auf der anderen Seite des Korallenriffs lebten und nie in die Lagune schwammen. Lucie freute sich über jeden einzelnen Fisch, den sie sah und lauschte dem überraschend lauten Knacken der Korallen, als sie von Fischen abgenagt wurden. Im Sand am Meeresgrund staunte sie über einen runden, flachen Fisch, der sich gut getarnt im Sand fortbewegte. Zwischen den röhrenförmigen Korallen entdeckte sie winzigste Exemplare der bunten Fische. „Die sind ja ursüß!“, sagte Lucie im Gedanken zu sich selbst als sie die kaum einen Zentimeter großen Abbilder der Fische sah, deren ausgewachsenen Exemplare sie zuvor am Riff bewundert hatte.

Da sie erst dabei war die Unterwasserwelt zu entdeckten, war sie von einigen Erscheinungen regelrecht verblüfft. Sie bemerkte in ungefähr zwei Metern Entfernung einen großen, röhrenförmigen, fast durchsichtigen Fisch, der bei jeder ihrer Bewegungen ganz still verharrte. Wenn Lucie sich nicht bewegte, dann schwamm er weiter von ihr weg. Hätte sie nicht den Schnorchel im Mund gehabt, hätte sie geschmunzelt als sie dachte: „Mit dem kann man ja Donner-Wetter-Blitz spielen.“ Ein Picassoschnapperfisch war nicht gerade begeistert von Lucies Besuch in der so friedlich wirkenden Unterwasserwelt und versuchte sich in Drohgebärden, indem er mutig immer wieder auf Lucie zuschwamm. Erfolgreich, da Lucie tatsächlich mit ein paar kräftigen Flossenschlägen das Weite suchte. Plötzlich fand sie sich zwischen hochgewachsenen Korallen, die ein Labyrinth bildeten. Darüber zu schwimmen, war unmöglich, da sie fast bis zur Wasseroberfläche ragten. Die dunklen Korallen bildeten Gänge, die Lucie die Orientierung verlieren ließen. Also tauchte sie einfach auf und schaute ober Wasser nach in welcher Richtung der Strand lag. Sie war viel weiter rausgeschwommen, als sie gedacht hatte. Lucie tauchte wieder unter und suchte etwas beunruhigt den Rückweg.


Plötzlich wirkten die Korallen düster und die Fische, die den Eindringling drohend ansahen, fast unheimlich, obwohl sie nicht sehr groß waren. Einem der Fische kam Lucie etwas zu nahe und er schoss hervor und biss sie ins Knie. Die Attacke tat nicht wirklich weh und hatte nur einen oberflächlichen Kratzer verursacht, dennoch reichte es, um der unerfahrenen Schnorchlerin einen Schreck einzujagen. Fast panikartig schwamm sie so schnell sie konnte Richtung Strand und unterschätze dabei die Gefährlichkeit des Riffs. Sie kam einer Koralle zu nahe, streifte sie und schnitt sich den Unterschenkel an der scharfkantigen Koralle auf. Phillip kam ihr bereits entgegen, da er schon von weitem sah, dass etwas nicht in Ordnung war. Er stützte Lucie, als sie aus dem Wasser humpelte.

„Ich habe mich nur geschnitten. Das ist nicht schlimm“, meinte Lucie verlegen.

„Es scheint wirklich nur eine oberflächliche Wunde zu sein“, sagte Phillip. Er hatte schon viele solcher Schnitte gesehen. „Komm trotzdem mit hinein und lass das von mir versorgen.“ Er führte Lucie in die kleine Hütte am Strand, wo die meisten Ausrüstungen für verschiedene Sport- und Freizeitbeschäftigungen im Wasser oder am Strand gelagert waren. Natürlich gab es auch eine kleine Erste-Hilfe-Station.


Als Phillip sich um ihre Wunde kümmerte, erklärte er Lucie: „Du darfst die Strömung nicht unterschätzen. An manchen Stellen ist sie so stark, dass sie dich gegen ein scharfes Riff drücken kann. Eigentlich hätte ich dir das vorher erklären sollen. Das tut mir leid. Außerdem solltest du generell immer beachten, dass du nichts berührst. Es gibt einige wenige giftige Fische hier und ganz vereinzelt kannst du einer Qualle begegnen. Also immer schauen worauf man gerade zuschwimmt“

Lucie hörte aufmerksam zu und bewunderte dabei unauffällig seinen braungebrannten und muskulösen Oberkörper. Phillip blickte sie lächelnd mit seinen schönen, dunkelbraunen Augen an und sagte: „Wenn du möchtest, gehe ich gerne mit dir zusammen schnorcheln oder tauchen und zeige dir ein paar besonders sehenswerte und ungefährliche Plätze.“ Lucie bemühte sich möglichst wenig aufgeregt zu klingen und sagte nur: „Ja, das wäre nett“, und dachte insgeheim: „Der kleine Schnitt hat sich durchaus gelohnt.“ Nachdem sich Jean und Elena davon überzeugt hatten, dass es Lucie gut ging, beschlossen sie einen Strandspaziergang zu machen.


Die meisten der strohbedeckten Schirme mit den darunter befindlichen Liegen waren zwischen Kokosnußpalmen auf einem Rasen gleich hinter dem Strand. Jean und Elena spazierten an den Liegen vorbei zum Strand und gingen am Rand des Ufers entlang, wo der Sand mehr Halt bot. Elena ließ ihren Blick über die schöne Strandanlage schweifen. Die Umkleidekabinen und Duschen waren mit Strohdächern geschickt an die natürliche Umgebung angepasst worden und hinter Palmen und tropischen Blumen versteckt. Die Schirme waren weitläufig verstreut, sodass man viel Privatsphäre genießen konnte.

„Möchtest du einmal Golf spielen gehen?“, fragte Elena.

„Ich dachte, das interessiert dich nicht“, meinte Jean.

„Eigentlich nicht, aber die Anlage ist so schön. Wir könnten es ja einmal versuchen.“ Hinter dem tropischen Garten am Strand begann die üppige Dschungelvegetation. Mitten im Urwald erstreckte sich eine schöne Golfwiese, die man nur mit der unterirdischen Monorail oder als sportlicher Wanderer erreichen konnte.

„Wenn es sich ausgeht… Du willst ja noch in den Talkessel wandern und mit Lucie am Strand reiten gehen“, sagte Jean

„Das Reiten ist im ‚Naturpark’. Nicht hier im ‚Paradies’. Und die Wanderung durch den Talkessel ist vielleicht doch zu anstrengend… Mir gefällt es hier einfach und will in diesem Abschnitt mehr unternehmen“, antwortete Elena. Jean hatte mittlerweile auch alle möglichen Hotel- und Inselbroschüren gelesen und war von der Abenteuerlust gepackt, dem Inselgeheimnis auf die Spur zu kommen.

„Wenn wir am Strand jetzt immer entlang gehen, müssen wir doch auf diesen Naturpark stoßen. Das kann nicht so weit sein, weil wir ziemlich am Rand vom Paradies sind“, meinte er und blickte auf den Plan, den er eingesteckt hatte. Elena freute sich über seine Begeisterung und gab ihm einen Kuss.

„Glaubst du, dass man da hinübergehen kann?“, fragte sie.

„Das werden wir gleich sehen.“


Nach ungefähr 20 Minuten Strandspaziergang, meinten sie – für einen kurzen Moment – aus der Ferne hohe Nadelbäume hinter der üppigen Dschungelvegetation zu erkennen. Das letzte Stück legten die beiden noch schneller zurück. Vor der offensichtlichen Grenze blieben sie stehen und sahen einander an.

„Was jetzt?“ fragte Elena aufgeregt.

„Wir gehen rüber,“ meinte Jean entschlossen und nahm Elena an die Hand. Gemeinsam gingen sie gespannt auf den etwas andersfarbigen Strand zu und überschritten die Grenze. Eben befanden sie sich noch an einem Sandstrand mit tropischen Klima, an dessen Rand vereinzelt Krebse oder angespülte Korallenstücke zu sehen waren und mit einem Schritt war alles anders. Plötzlich standen sie auf einem felsigen Strand an einem Meer mit hohen Wellen. Ein extrem starker Wind ließ das deutlich kühlere Klima noch kälter erscheinen. Elena war der plötzliche Temperatursturz unheimlich und zog Jean wieder zurück. Mit nur einem Schritt waren sie wieder am tropischen Strand.


„Wie kann es das geben? Wir gehen an einem Strand wo es mindestens 35 Grad hat. Die ganze Vegetation ist tropisch – würde ich sagen. Das Meer ist warm und hat kaum Wellen und plötzlich ist da eine unsichtbare Grenze, hinter der alles anders ist!“, staunte Jean.

Elena meinte fast ängstlich: „Dort drüben war es kalt. Das ist unheimlich… mit einem Schritt in einer ganz anderen Welt. Die Pflanzen und wahrscheinlich auch die Tierwelt sind auch ganz anders. Das Meer hat auf der einen Seite nur ganz sanfte Wellen und auf der anderen ganz hohe. Und wieso weht der Wind von drüben nicht bis hierher. Der kann ja nicht in der Luft stehen bleiben. Man sieht ja von hier das stürmische Meer auf der anderen Seite und den Strand.“ Elena konnte ihre Eindrücke kaum in Worte fassen.

„Gehen wir noch mal rüber!“, schlug Jean aufgeregt vor. Die Neugier besiegte die Furcht und Elena gab nach. Sie schritten wieder über die unsichtbare Grenze. Beide froren in ihrer dünnen Strandkleidung. Ungläubig fühlten sie die Wassertemperatur mit ihren Händen. Das Meer war kühl und die heftigen Wellen peitschten an die rundgeschliffenen Felsen, die vereinzelt am Ufer emporragten. Hinter den Dünen erhob sich ein dunkler Mischwald. Immer noch verblüfft blickte Elena auf das stürmische Wasser und rief: „Schau, da draußen sind Kitesurfer!“ Einige 100 Meter weiter konnten sie ein paar Surfer entdecken, die den starken Wind ausnutzten und hoch in die Luft sprangen. Eine Weile sah das frierende Paar von weitem den Surfern bewundernd zu. Dann schlug Jean vor in den Wald zu gehen.

„Mit Strandsandalen?“ Elena war die Kälte doch zu viel geworden.

„Nur ein kleines Stück“, beharrte Jean.

„Ich warte auf der warmen Seite auf dich!“, meinte Elena und schritt entschlossen dem tropischen Klima entgegen. Sie setzte sich nach wenigen Schritten in den heißen Sand unter der wärmenden Sonne. Vom ruhigen Meer wehte eine leichte Brise und Elena fühlte sich wieder wohl.


Jean sah seiner Freundin zu, wie sie sich gemütlich hinsetzte und machte sich auf den Weg durch die Dünen in Richtung Wald. Nach einer halben Stunde kehrte er zu seiner Freundin wieder zurück. Mit blauen Lippen berichtete Jean von dem Gesehenen: „Der Wald ist wunderschön, ein Mischwald mit Fichten, Birken und Kiefern. Ich konnte von weitem auch einen herrlichen See erkennen. Eines war komisch. Ich bin ja eigentlich am Rand zum ‚Paradies’ in den Wald gegangen. Als ich dann im Wald in Richtung Paradies gegangen bin, konnte ich dort nicht rübergehen. Weit und breit war nur dieser Mischwald. Ich konnte gar keinen tropischen Dschungel sehen. Erst als ich an den Strand ging, konnte ich wieder zu dir hinüber.“

„Morgen ziehen wir uns warm an und dann werden wir uns den Teil genauer anschauen. Und natürlich auch die Grenze zu dieser Wildnis, wo es noch kälter sein soll“, sagte Elena und rieb Jean über den kalten Rücken.

„Und heute Abend machen wir einen Ausflug in die Wüste.“

Tatort: Dimension, Inaara

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