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Kapitel 3: Die Gäste

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„Auf Inaara gibt es verschiedene Klimazonen!“, rief einer aus der ankommenden Touristengruppe erstaunt, als er das soeben erhaltene Prospekt studierte.

Die 18 Neuankömmlinge hatten wie alle Gäste erst auf der Überfahrt im U-Boot Broschüren mit genaueren Informationen erhalten. Schon die Anreise gestaltete sich für die Touristen sehr geheimnisvoll. Alle mussten auf eine Insel der Maskarenen fliegen, wurden dann mit einem Hubschrauber abgeholt, auf einen Flugzeugträger gebracht und dann mit einem U-Boot nach Inaara.

„Wie gibt es den das? Meinen Sie in Hallen, wo das künstlich simuliert wird?“, fragte ein anderer, der lieber aus der Luke sah, als zu lesen.


„Nein, hier steht ausdrücklich, dass die besondere Beschaffenheit der Insel unterschiedliche Vegetationen und Landschaften bietet. Alles unter freiem Himmel. Selbst der Sonnenuntergang und der nächtliche Sternenhimmel unterscheiden sich je nach Abschnitt. So besteht zum Beispiel ein Teil – nämlich das sogenannte ‚Paradies’ – aus Palmenstrand und tropischem Regenwald und der Abschnitt ‚Natur’ ist ein nordisches Wald- und Seengebiet mit Birken- und Nadelwäldern. Ein anderer Abschnitt, der ‚Wildnis’ heißt, ist hauptsächlich eine Lavalandschaft mit verschiedenen vulkanischen Phänomenen, heißen Quellen, sowie einem Berg, der sogar von einem Gletscher bedeckt ist. Im Wald- und Seengebiet, also dem Inselabschnitt ‚Natur’ und in der sogenannten ‚Wildnis’ scheint die polare Mitternachtssonne, aber in dem Teil, der ‚Paradies’ heißt, geht die Sonne abends unter und morgens wieder auf. Nachts soll man dann dort sehr schön den Sternenhimmel sehen.“


„Das muss künstlich sein! Wie soll das denn sonst gehen?“, beharrte der andere, der nun nicht mehr den Fischen zusah, sondern auch seine Broschüre zur Hand nahm.

„Da steht ausdrücklich, dass es eine Insel im Freien ist und es sich um außergewöhnliche Naturphänomene handelt“, mischte sich nun eine ältere Dame ein.

„Das kann natürlich auch eine Lüge sein …“, warf vorsichtig ein junger Mann ein, worauf er einen verächtlichen Blick der älteren Dame erntete. Sie meinte leicht schnippisch: „Man kann nun mal nicht alles auf der Welt rational erklären.“

Der eifrige Prospektleser, der die Diskussion begonnen hatte, fuhr fort: „Die ganze Insel ist zirka 3000 km2 groß. Die Küstenlinie beträgt ungefähr 200 km und der Durchmesser ist etwa 62 km. Man kann mit einem Schiff die Insel umrunden. Da alle Abschnitte ans Meer münden, kann man vom Schiff aus die verschiedenen Zonen sehen. Wenn das Klima in mehreren Hallen oder Zelten oder was auch immer erzeugt werden würde, dann würde man ja vom Meer aus die Wände oder irgendwelche Trennungen sehen!“ Triumphierend fügte er noch hinzu: „Die Klimaunterschiede müssen eine natürliche Ursache haben!“


„Aber wie wollen Sie das denn erklären, dass die Sonne zu verschiedenen Zeiten untergeht?“

„Das muss ich mir erst anschauen“, war die etwas trotzige Antwort.

Die meisten Touristen diskutierten nun angeregt über ihr Urlaubsziel, nur wenige blickten gelegentlich aus dem Fenster, um die atemberaubende Unterwasserwelt zu bewundern, als sie an einem herrlichen Korallenriff vorbeizogen. Verblüfft studierten sie die Beschreibungen der Abschnitte. Vier der fünf Zonen reichten vom Hotel in der Mitte der Insel bis an die Küste und noch weiter, sodass sich auch das Meer unterschiedlich präsentierte.

„Kann man denn von der einen Zone einfach in die andere gehen und ist man dann mit einem Schritt in einem ganz anderem Klima?“

„Das steht da nicht. Aber so wie das da auf dem Plan aufgezeichnet ist, müsste das schon gehen. In dem Prospekt stehen mehr die Attraktionen, die man in der jeweiligen Zone unternehmen kann. Jede bietet halt was anderes an.“

„Es gibt auch eine Wüste! Da kann man Kamelreiten und es gibt Pyramiden“, rief Elena, eine junge Studentin begeistert.

„Na, wie originell…“, meinte Jean, ihr Freund, dem auf der Überfahrt leicht übel geworden war. Unbeeindruckt von seinem Sarkasmus fuhr sie fort, ihrer Freundin Lucie, mit der sie sich ein Prospekt teilte, zu berichten: „In der Wüste sind zwei Pyramiden, in der einen sind mehrere Geschäfte und Lokale, in der anderen ist eine riesige Diskothek.“

„Kommt man dort nur mit Kamelen hin?“


„Nein, in jeden Abschnitt kommt man mit einer unterirdischen Bahn. In der Wüste kann man dann halt auch mit Kamelen in eine Oase reiten oder mit Geländefahrzeugen über die Dünen fahren.“

„Das machen wir!“

Trevor war ein sportlicher Mann mittleren Alters und fühlte sich von der Vorstellung einer Wüste nicht besonders angezogen. Er las interessiert die Informationen über die kälteren Landschaften und begann nun ebenfalls – wie scheinbar üblich – das Gelesene zu referieren: „In dem Teil ‚Wildnis’ kann man durch eine fast mondähnliche Landschaft mit Geländewagen fahren. Am Gletscher gibt es Hundeschlitten- und Jetskifahrten!“

„Jetskis? Fahrt man damit nicht im Wasser? Wie kalt ist es in der Wildnis?“, fragte ihn seine Frau Anja.

„Je nach Höhe und Wetter zwischen 0 und 15 Grad Celsius. Sagt man zu den Motorschlitten nicht auch Jetski? Zum Schifahren oder Klettern ist das Wetter ideal“, wandte er sich zu seiner Frau, die seine Sportbegeisterung teilte.


„Stimmt“, gab sie lächelnd zurück. „Die Wasserfälle sind ja riesig. Sieh dir das Bild an. Wie klein die Leute da sind. Rafting und Canyoning will ich auch probieren.“

Ein älterer Herr, der bis jetzt nur still in seinem Prospekt gelesen hatte, meldete sich nun auch zu Wort: „Wie kann es denn auf einer Insel in den Tropen Rentiere geben? In dem Naturpark gibt es auch noch Wölfe, Luchse, Bären und Elche? Ist es denn erlaubt in so großem Stil Tiere wo anzusiedeln?“

„… und das dann Natur nennen!“, warf ein anderer ein.

„Vielleicht waren die schon dort, bevor die Menschen hinkamen … und ob die Insel in den Tropen liegt ist nicht so klar“, meinte Lucie in geheimnisvollem Tonfall. Sie und Elena waren sich einig, dass mystische Theorien im Urlaub interessanter waren als Wissenschaft und Technik.

„Ich dachte es gibt dort auch einen Vergnügungspark…“ Eine Touristin, die mit drei Kindern angereist war, blätterte hastig in dem Prospekt. Beruhigt murmelte sie: „Ah ja!“ und las die Seite über den gesuchten Inselabschnitt, der einfach nur ‚Vergnügungspark’ hieß. Er versprach Attraktionen und Spaß für jedes Alter. Vom Karusel l bis zur waghalsigen Achterbahn war alles vorhanden. Sie las ihren Kindern die Beschreibungen einiger Attraktionen vor. Ein älteres Ehepaar, das auf einer Art zweiten Hochzeitsreise war, fand besonders Gefallen am Abschnitt ‚Natur’. Die Frau beugte sich zu ihrem Mann: „Schau, man kann am Seeufer in einer Blockhütte übernachten.“

„Dann muss man ja wieder Koffer packen und vom Hotel in so eine Hütte ziehen?“


„Du packst ja ohnehin nicht. Das mache ich. Aber mal im Ernst … so ein oder zwei Nächte in einer Holzhütte am See würde ich schon sehr schön finden. Man hat dort ein Ruderboot und eine eigene Sauna zur Verfügung.“

„Sauna? Wie kalt ist es denn dort?“

„Moment…“, wieder blätterte die ältere Dame in dem kleinen Heftchen, um die gewünschte Information zu finden „Ah ja! Da steht so um die 20 bis 25 Grad. Die Sonne scheint zwar bis spät in die Nacht, aber trotzdem kann es abends kühl werden.“

„Na gut“, willigte schließlich der Mann ein. „Aber wenn die Hütte an den Wald grenzt und es dort Wölfe und Bären gibt, ist das nicht gefährlich?“, gab er noch zu bedenken.

„Nein“, antwortete seine Frau.

Angeregt durch das Gespräch der beiden, das er mitangehört hatte, blätterte Jean nun zu den Seiten über die Zone ‚Natur’. Er nahm sich vor, das Kitesurfen am stürmischen Meer zu probieren. Jean hatte ein schlechtes Gewissen wegen seiner grimmigen Art vorhin. So sagte er nun besonders euphorisch zu seiner Freundin Elena und seiner Schwester Lucie:

„Am Strand vom Naturpark können wir ausreiten und es gibt einen kleinen Hafen, wo man Segelboote ausleihen kann. Das Meer soll zwar etwas stürmisch sein, aber wenn man damit umgehen kann, klappt das schon.“ Damit meinte er natürlich sich selbst, da er ein wenig Segelerfahrung hatte. Begeistert stimmten ihm seine Freundin und seine Schwester zu. Es war ihr erster Urlaub zu dritt und Jean wusste noch nicht genau, was er davon halten sollte. Er hatte Elena, eine Studienkollegin seiner Schwester vor Jahren als enge Freundin seiner kleinen Schwester kennen gelernt. Er fand die blonde Schönheit zwar von Anfang an mehr als sympathisch, aber damals war er noch verheiratet. Erst Monate nach seiner Scheidung auf der feuchtfröhlichen Geburtstagsparty seiner Schwester hatten er und Elena zueinander gefunden. Das war nun zwei Jahre her.


Elena schmiegte sich an ihren Freund und las ihm auszugsweise aus dem Kapitel über das ‚Paradies’ vor. „Das ‚Paradies’ hat einen herrlichen Palmenstrand mit zahlreichen Wassersportmöglichkeiten … tropisches Klima … Strandbars … Dschungel mit vielen verschiedenen Vogelarten und Pflanzen, die man bei Wanderungen besichtigen kann … imposante Wasserfälle, bei denen man sich abkühlen kann … und es gibt am Strand eine Aufzuchtstation für Meeresschildkröten … man kann einen Tauchkurs machen. Sollen wir so einen Kurs machen, Lucie?“

„Nur wenn der Tauchlehrer echt gut aussieht…“, antwortete Lucie im Spaß und wusste gar nicht wie recht sie damit haben sollte.

Die knapp einstündige Fahrt im U-Boot ging schnell vorüber, da immer wieder jemand referierte, was er gerade in der Hotel- und Inselbroschüre entdeckt hatte, obwohl jeder eigentlich das gleiche Prospekt hatte. Man diskutierte noch aufgeregt die seltsamen Buchungsumstände und die mühsame Anreise. Jeder hatte entweder von irgendwem einen Tipp bekommen oder war durch Zufall auf die Seite www.resort-inaara.com gestoßen, wo man Aufenthalt und Anreise buchen konnte.

Trotz eher karger Informationen, strömten immer zahlreiche Touristen auf die Insel, die nach ihrer Heimkehr begeistert davon erzählten und so neue Besucher anlockten. Bei der Bootsanlegestelle konnten die ankommenden Gäste sich noch nicht von den unerklärlichen Phänomenen überzeugen. Mit einer unterirdischen Monorail wurden sie direkt in das Hotel gebracht. Per Aufzug fuhren sie vom Untergeschoss in die Hotellobby. Dort bewunderten sie eine künstlich geschaffene Welt. Die imposante Halle war ein tropischer Dschungel, in dessen Mitte ein Wasserfall vom Dach bis ins Erdgeschoss des siebenstöckigen Gebäudes in einen See fiel. Das feucht-heiße Klima, das die Dschungelpflanzen benötigten und das Erlebnis authentischer machte, wurde an der Rezeption und im Cafe mit Klimaanlagen wieder gemäßigt. Die üppige Dschungelvegetation war echt, aber die Tierwelt in der Eingangshalle bestand aus verblüffend real aussehenden animierten Robotern. Diese sahen so echt aus, dass sich mancher Gast vor einer Schlange oder einem Löwen erschreckte. Die Lautsprecher der bunten Vögel erzeugten eine authentische Geräuschkulisse.

Das Personal jeder Etage trug dem Ambiente angepasste Kleidung. Im Erdgeschoss war die Arbeitskleidung vorwiegend afrikanischen Kulturen nachempfunden. Vom Kellner der Tropenbar bis zur Rezeptionistin und sogar den regelmäßig patrouillierendem Reinigungspersonal war die Kleidung ein Kompromiss zwischen Authentizität und Klischee. Obwohl kaum Wachpersonal nötig war, waren in jeder Etage und auf der ganzen Insel verstreut zahlreiche Sicherheitsleute, die ebenfalls ihrer jeweiligen Umgebung angepasst gekleidet waren, um das Gesamtbild und die Illusion nicht zu stören - und auch um weniger aufzufallen. In der prachtvollen Eingangshalle staunten die Gäste über soviel Schönheit und blickten von den vielen Eindrücken etwas eingeschüchtert von einem Anziehungspunkt zum anderen. Noch während dem Einchecken stellten sie dem geduldigen Personal alle möglich Fragen zu der geheimnisvollen Insel. Verständnisvoll gab das an Fragen gewöhnte Personal ausweichende Antworten. Geduldig teilten sie die Gäste ihren Zimmer in den unterschiedlichen Etagen zu. Jede Etage war einem eigenen Thema gewidmet, das einer bestimmten Epoche oder Kultur nachempfunden war. Die Angestellten des Hotels hatten Verständnis für die vielen Fragen über die Phänomene der Insel, auf die sie selbst gerne die Antworten gewusst hätten.

Tatort: Dimension, Inaara

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