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Kapitel 6

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Unausgeschlafen saß Pia am Frühstückstisch und nippte gedankenverloren an ihrer Kaffeetasse.

„Wir müssen unbedingt darüber reden, wie es weitergehen soll“, murmelte Felix mit vollem Mund. „Das wird bestimmt nicht einfach, mit zwei Hunden eine Wohnung zu finden. Willst du Finley nicht doch lieber ins Tierheim bringen?“

„Das kommt überhaupt nicht infrage!“, empörte sie sich. „Es reicht schon, wenn ich den Hof aufgeben muss, dann will ich nicht auch noch Finley verlieren. Du bist die Woche über nicht da und mit einem zweiten Hund fühle ich mich sicherer.“

„Das ist ein vernünftiger Grund. Aber mir wäre bedeutend wohler, wenn du noch vor Weihnachten den Umzug in Angriff nehmen könntest.“

„Ich möchte ja auch so schnell wie möglich ausziehen. Das Beste wird sein, wenn ich nachher das Internet nach Mietwohnungen durchforste. Aber jetzt sollten wir uns um die defekte Lampe kümmern.“


Felix balancierte auf der Aluleiter und schraubte an der Lampe herum.

„Meine Herren, der Trafo ist komplett durchgeschmort und mit Sicherheit für den Kurzschluss verantwortlich. Du hattest richtiges Glück, dass du zu Hause warst. An einem normalen Arbeitstag hätte die Deckenverkleidung wahrscheinlich sofort Feuer gefangen und der gesamte Hof wäre abgebrannt.“

„Das wäre nicht die schlechteste Lösung gewesen.“ Pia nagte nervös an ihrer Unterlippe.

„Ist das dein Ernst?“ Felix musterte sie verwundert. „Du bist doch sonst nicht so?“

„Keine Ahnung, was über mich gekommen ist, der Gedanke war auf einmal da.“

„Ich glaube, das liegt am Stress der letzten Tage.“

„Ja, schon möglich.“

„Hast du irgendwo noch eine Ersatzlampe?“

„Natürlich, warte einen Moment.“ Pia wühlte in den Kartons unter der Treppe und reichte ihm das Vorgängermodell. „Felix? Würdest du mit mir in der oberen Etage nachschauen, was die Geräusche verursacht haben könnte?“

„Kein Problem, ich wollte sowieso die Räume kontrollieren.“

Flink kletterte er von der Leiter und stellte sie zurück in den Abstellraum. „Ich wäre dann so weit.“

Zuerst untersuchten sie die beiden größeren Zimmer. Die Fenster waren fest verschlossen und es gab nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Dann öffnete Felix die Kammer und Pia sog geräuschvoll die Luft ein.

„Was ist denn?“

„Der Schaukelstuhl, er wurde bewegt!“

„Was meinst du damit?“

„Carina und ich haben den Schaukelstuhl gleich vorn an der Tür abgestellt. Jetzt steht er vor dem Fenster, als hätte jemand in der Nacht darin gesessen und hinausgeschaut.“

Felix ging zum Fenster. „Der Fensterflügel ist nur angelehnt, hier muss jemand eingestiegen sein.“ Er schloss das Fenster und rüttelte daran. „So, jetzt ist alles dicht.“

„Ich habe das Fenster bereits gestern kontrolliert. Da hätte niemand einsteigen können, sonst wäre doch eine Scheibe eingeschlagen.“

„Manchmal verzieht sich das alte Holz. Vielleicht hast du es nicht richtig verschlossen?“

„Vielen Dank für das in mich gesetzte Vertrauen. Hältst du mich für so gedankenlos? Das Fenster war definitiv zu.“ Ihre Augen blitzten.

„Ich will mich nicht darüber streiten, das ist es nicht wert.“ Er legte liebevoll seinen Arm um ihre Schultern. „Lass uns wieder nach unten gehen, hier ist es mir zu kalt.“

„Einen Moment noch …“ Pia verschob den Schaukelstuhl wieder in seine vorherige Position. „Wollen doch einmal sehen, wer hier den längeren Atem hat.“

„Wahrscheinlich pilgern die ersten Schaulustigen zum Hof, um ihn genauer unter die Lupe nehmen. Die machen sich einen Spaß daraus, in das Haus einzusteigen und dich zu Tode zu erschrecken.“

„Ich weiß nicht so recht“, wiegelte sie ab. „Müssten dann die Hunde nicht öfter anschlagen?“

„Dazu kann ich nicht viel sagen, ich bin einfach zu selten da.“ Er öffnete die Haustür und zog die Zeitung aus dem Briefkasten. „So Pia, während ich mit den Hunden einen Spaziergang mache, wirst du dir die Annoncen mit den Mietwohnungen vorknöpfen. Was immer dir gefällt, greif zu. Ich lasse dir da freie Hand.“

Er zog seinen Parka über, rief die Hunde zu sich und stapfte nach draußen.

Pia setzte sich mit Zeitung und Stift bewaffnet an den Küchentisch und ging die Anzeigen durch. Alles was in Frage kam, kreiste sie ein und notierte sich die Nummer. Dann griff sie zum Telefon.

Innerhalb weniger Minuten hatte sich die Sache erledigt, eine Absage folgte der nächsten. Sobald die Hunde ins Spiel kamen, beendeten die Vermieter meist das Gespräch. Aber für Pia stand außer Frage, sich von ihren geliebten Vierbeinern zu trennen.

Sie verstand ja selbst nicht, wie sie in diesen Schlammassel überhaupt hineingeraten konnte. Der Hof hatte sie von Anfang an magisch angezogen und auf ihre Intuition konnte sie sich stets verlassen. Was, verdammt noch einmal, war bloß schief gelaufen?

Ihre Gedanken wanderten zurück zur Kammer und dem Schaukelstuhl. Wer verschaffte sich nachts Zutritt, drehte den Schaukelstuhl zum Fenster und verschwand dann wieder? Noch dazu bei diesem ungemütlichen Novemberwetter? Und wer war in der Dunkelheit an ihr vorbeigehuscht? Oder hatte ein Luftzug diese Wahrnehmung ausgelöst?

Da Felix auf sich warten ließ, zog sie Annikas Notizbuch aus der Schublade und begann zu lesen …

20. September 1938

Ich liege oben in der Kammer und möchte endlich schlafen, aber Martha und Albert streiten sich. Sie wirft ihm wieder einmal an den Kopf, dass er keine Kinder zeugen kann und er brüllt ungehalten zurück: „Das werden wir ja sehen! Du wirst dich noch wundern, was ich zustande bringe.“

„Ich weiß doch, wonach dir der Sinn steht, du dreckiger Lump“, keift sie erbost.

Beide sind Ende vierzig und Martha kann keinen eigenen Nachwuchs bekommen. Sie kränken einander zutiefst, wenn sie über dieses Thema streiten. Anscheinend ist Martha deshalb so gemein, so hartherzig, eben ein richtiges Biest.

Die Vorstellung, wie Martha ihre Kinder liebevoll umsorgt, ist einfach zum Scheitern verurteilt. Ihre zusammengekniffenen Augen, dieser böse Blick und der verbitterte Zug um ihren Mund. Die groben fleischigen Hände, die ohne Vorwarnung zuschlagen, mit einer Kraft, die man bei einer Frau nicht vermutet. Ich fürchte mich vor ihr, schon immer, und ich werde diese Angst wohl auch nicht mehr ablegen können.

Vielleicht hat Gott einfach nicht gewollt, dass sie bösartige Kinder bekommt. Könnte doch sein?

Die beiden haben nun genug gekreischt, es herrscht endlich wieder Ruhe. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Albert und Martha je herzlich miteinander umgegangen sind. Morgen werden sie bestimmt wieder schlechte Laune haben, die sie dann an uns auslassen. Wie ungerecht ist doch diese Welt.

Inzwischen bin ich sehr vorsichtig geworden und gehe dem Albert aus dem Weg. Ich möchte nicht noch einmal, dass er mir wehtut. Sobald er auftaucht, suche ich die Nähe von Willi und Gustav oder sogar die von Martha. Es war so entwürdigend und ich weiß nicht, wie ich darüber hinwegkommen soll.

Pia atmete auf, Albert hatte Annika glücklicherweise verschont. Trotzdem drehte sich das Gedankenkarussell unaufhörlich weiter. Wenn Martha keine Kinder gebären konnte, von wem stammten dann die Babys? Das Ehepaar war sehr uneins mit sich und der Welt und sie ließen die anderen dafür büßen. Pias Mitgefühl war erneut entfacht.

Die Haustür öffnete sich und Biene und Finley stürmten ins Wohnzimmer. „Runter vom Sofa, ihr Dreckspatzen!“, befahl Pia streng und die Hunde trollten sich in die Körbchen.

Felix lehnte im Türrahmen und hatte seine kalten Hände in den Hosentaschen vergraben. „Hast du etwas erreicht? Können wir heute schon eine Wohnung besichtigen?“

„Leider nein, niemand möchte eine Mieterin mit zwei kläffenden Kötern.“ Niedergeschlagen senkte sie ihren Blick. „Ich will mich aber nicht von den Hunden trennen, ich kann es einfach nicht.“

„Schade, wahrscheinlich wird es länger dauern als geplant. Und wenn du eine Annonce aufgibst, um für Finley ein neues Zuhause zu suchen?“ In seinen Augen schimmerte Zuversicht.

„Schon vergessen? Ich habe den Rüden aus einer Scheune geklaut.“

„Dann weiß ich auch nicht mehr weiter. Du bringst dich immer wieder in Situationen, die ich nicht nachvollziehen kann.“ Frustriert lief er in die Küche und schenkte sich einen Kaffee ein.

„Wie lange hätte der halb verhungerte Hund bei dieser Kälte wohl durchgehalten? Ich konnte ihn nicht zurücklassen!“

„Pia, du kannst doch nicht alle Tiere auf dieser Welt retten.“

„Das weiß ich doch auch. Aber der Hof sollte eine Zuflucht für eben diese Tiere werden. Oder ist dir das entfallen?“

„Ich mag mich nicht darüber streiten. Ich will hier nicht wohnen bleiben, nicht jetzt und später erst recht nicht. Wie stellst du dir das vor, wenn wir einmal Kinder haben? Die buddeln vergnügt in der Erde und finden weitere Menschenknochen. Romantische Zukunftsaussichten. Manchmal denke ich, du machst dir überhaupt keinen Kopf. So kann das doch nicht weitergehen!“ Seine Kiefer mahlten, ein Zeichen dafür wie sehr ihn dieses Thema beschäftigte.

Pia schluckte. Tränen brannten in ihren Augen und es fiel ihr schwer, sie zurückzuhalten. Das waren harte Worte, die er ihr da an den Kopf geworfen hatte. Aber irgendwo musste sie ihm auch Recht geben. Sie hatte diesen Hof unbedingt gewollt und Felix mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen gestellt.

„Ich werde ihn so schnell wie möglich verkaufen, versprochen“, flüsterte sie mit brüchiger Stimme.


Den restlichen Tag hockte Felix über seinen Büchern und lernte für die anstehenden Prüfungen. Hin und wieder suchte er die Küche auf, um sich einen Kaffee nachzuschenken. Pia hätte gern mit ihm über Annika gesprochen oder die Geschichte dieses Hofes, aber Felix blockte jeden Annäherungsversuch ab.

Sie füllte einen Eimer mit lauwarmem Wasser, griff nach einem Schwamm und weichte im Flur die Tapeten ein. Dann schabte sie mit einem Spachtel die alten Fetzen herunter. Auf keinen Fall wollte sie Felix beim Lernen stören, so schlecht wie er drauf war. Viel lieber hätte sie neben ihm auf der Couch gelegen und in Annikas Notizen geblättert. Immerhin konnte sie bei dieser eintönigen Tätigkeit ihren gesamten Frust abbauen.


Nachdem sich beide am Abend ins Schlafzimmer zurückgezogen hatten, küsste Felix Pia flüchtig auf die Wange und drehte sich sofort auf die andere Seite. Ihr Innerstes verkrampfte sich und die Eifersucht kochte hoch. Er war tagtäglich mit attraktiven Studentinnen zusammen. Wenn er sich nun in eine andere Frau verliebte? Oder er den gemeinsamen Traum nicht mehr leben wollte? Wie würde eine Zukunft ohne Felix aussehen? Dieses traurige Szenario wollte sie sich gar nicht erst ausmalen.

Aber wie sollte es weitergehen? Musste sie sich tatsächlich entscheiden – Felix oder Finley? Warum gab er ihr nicht die Zeit, um nach einer Wohnung zu suchen, wo sie beide Hunde mitnehmen konnte? Die Tiere hatten inzwischen ein hohes Alter erreicht und es wäre bestimmt nur eine Frage der Zeit …

Ihre Gedanken wanderten zu Afra und augenblicklich strömten Tränen über ihre Wangen. Sie presste schluchzend ihr Gesicht in das Kissen, um Felix nicht aufzuwecken. Sein gleichmäßiger Atem verriet, dass er bereits eingeschlafen war.

Nachdem sie sich beruhigt hatte, zog sie die Nachttischschublade auf und griff nach dem zerfledderten Büchlein. Ein paar Seiten wollte sie noch lesen. Inzwischen fühlte sie sich ähnlich elend wie Annika.

1. Oktober 1938

Die Truppen der Wehrmacht sind heute ins Sudetenland einmarschiert und wurden mit großem Jubel empfangen. Die meisten Menschen freuen sich darüber, dass Hitler die Sudeten wieder heim ins Reich holt. Es sieht so aus, als ginge es mit Deutschland langsam wieder bergauf. Vielleicht bekomme ich ja bald mehr Lohn?

Martha und Albert sind auch ganz aus dem Häuschen und lassen das Radio tagsüber laufen. Albert hat den ganzen Abend lang aus dem Völkischen Beobachter vorgelesen und uns mit Berichten informiert.

Zur Feier des Tages schnitt Martha den geräucherten Schinken an und spendierte uns einige Scheiben. Oh Gott, war der köstlich! Heute hat sie mich auch verschont und nicht wie üblich durch die Gegend gescheucht. Es herrschte tatsächlich eine heitere Stimmung. Von mir aus könnte es jeden Tag so sein, dann ließe sich das Leben hier aushalten.

12. Oktober 1938

Die Ernte ist endgültig eingefahren und die Tagelöhner sind weitergezogen. Kaum waren sie weg, hat Albert es wieder getan, dieser elende Mistkerl. Gustav und Willi waren in die Stadt gefahren, um Vieh zu verkaufen, und ich habe im Stall noch ein krankes Kälbchen gefüttert, als er mich von hinten packte.

Mit Gewalt hat er mich in eine leere Box gedrängt und zu Boden gerissen. Die Schmerzen vom ersten Mal waren mir noch gut in Erinnerung und ich habe mich gewehrt. Aber das hat ihn wohl erst recht angestachelt. „Na komm schon, du widerspenstiges Ding! Dir werde ich noch zeigen, wer hier der Herr im Hause ist.“

Hemmungslos hat er meine Bluse aufgerissen und ich habe mich fürchterlich geekelt, weil der widerliche Geruch nach Alkohol kaum auszuhalten war. Dann schob er meine Kleider hoch und egal wie sehr ich meine Knie auch zusammenpresste, er drückte sie immer wieder auseinander. Es hat diesmal länger gedauert, bis er in mir war, aber das schien ihm zu gefallen. Er wollte mir beweisen, welche Macht er über mich besitzt und hat es ausgekostet, die Verzweiflung in meinem Gesicht zu sehen.

Ich war total verkrampft und es fühlte sich an, als ob er einen Pfahl in mein Innerstes rammt. Mir ist unbegreiflich, warum diesem Akt so eine große Bedeutung beigemessen wird. Müssen all die anderen Frauen auch ständig weinen vor Schmerz und vor Gram? Es scheint, als hätten nur die Männer Vergnügen daran. Ich kann jedenfalls gut darauf verzichten und bete jeden Abend, dass Albert mich verschont.

Noch mehr als vorher wünsche ich mir, von hier wieder weg zu dürfen. Vielleicht kommt eines Tages ein reicher junger Herr, der sich unsterblich in mich verliebt und mich vom Fleck weg heiratet. Ein weiches Bett, keine schweren Arbeiten mehr und jemanden an meiner Seite, der mich wirklich liebt. Das wäre einfach wunderbar.

Müde strich sich Pia über die Augen. Sie verfluchte Albert und seine herrische Art, sich alles zu nehmen, wonach ihm der Sinn stand. Warum lief Annika nicht fort? Aber wo sollte sie auch hin? Es waren harte Zeiten und für die Dorfbewohner mit Sicherheit kein Zuckerschlecken.

Felix störte sich nicht am Licht ihrer Nachttischlampe und schlief unbeirrt weiter. Erneut widmete sie sich den Zeilen, um mehr über Annika und ihr Schicksal zu erfahren.

10. November 1938

Was war das nur für eine grauenvolle Nacht! Dreißigtausend Juden wurden verhaftet, überall brannten Synagogen und Geschäfte wurden geplündert. Das Radio dudelt ununterbrochen und ich versuche stets mitzuhören.

Hier bei uns ist es zum Glück ruhig geblieben. Im Dorf hatten wir nur einen einzigen Juden, den Schneider. Aber der ist vor zwei Monaten mit seiner Frau und den vier Kindern nach England ausgewandert. Mit Politik habe ich nicht viel am Hut, aber der Führer wird schon wissen, was gut für Deutschland ist.

Der Winter hat nun endgültig Einzug gehalten und es wird von Tag zu Tag kälter. Wann wohl der erste Schnee fällt? Darüber mache ich mir die meisten Sorgen, denn in der Kammer ist es sehr kalt. Am liebsten halte ich mich in der Küche auf, der Ofen dort strahlt eine behagliche Wärme aus.

25. November 1938

Es gab wieder einen heftigen Streit zwischen dem Bauern und der Bäuerin. Nach dem Abendessen war Albert zornig ins Wirtshaus marschiert und erst kurz vor Mitternacht betrunken zurückgekehrt. Laut krakeelend stolperte er zur Haustür herein und riss einige Gegenstände mit sich. Aber er verschwand nicht wie üblich im gemeinsamen Schlafzimmer.

Die Treppenstufen knarzten unter seinem Gewicht und wenige Augenblicke später torkelte er in meine Kammer. Lallend fiel er auf mich drauf, rappelte sich wieder auf und zog mir die Bettdecke weg. Trotz seines Alters besitzt er Bärenkräfte und diesmal benutzte er sie auch. Er drehte mich schwungvoll auf den Bauch und schob meine Nachtwäsche hoch. Ich fror erbärmlich, doch sein Körper war verschwitzt und heiß.

Urplötzlich holte er mit seiner flachen Hand aus und ließ sie auf meine nackten Pobacken niedersausen. Das Klatschen seiner Schläge hallte von den Wänden meiner Kammer wider. Mein Hintern brannte wie Feuer und ich umklammerte vor lauter Schmerz mein Kissen.

„Hör auf, Albert! Bitte, bitte lass das …“, wimmerte ich.

„Nichts werde ich davon tun! Was bildet ihr euch eigentlich ein, ihr elenden Weibsbilder? Euch muss man zeigen, wo es langgeht. So und nicht anders“, keuchte er.

Dann griff er mit seinen Händen unter meinen Bauch und zerrte mich hoch. Wie ein Hündchen hockte ich nun vor ihm. Meinen Oberkörper drückte er wieder nach unten und wenige Augenblicke später war er in mir. Grob und hart stieß er zu und von hinten tat es besonders weh. Ich biss in meine Faust, um nicht laut zu schreien.

Zum Glück dauerte es nicht lange und er ließ von mir ab. Ich spürte, wie seine Feuchtigkeit aus mir herausrann. Zufrieden grunzte er auf, stopfte sein Hemd in die Hose und verschwand, ohne ein Wort zu verlieren zur Tür hinaus.

Halbnackt lag ich da und mein Hinterteil glühte von den Schlägen. Was war bloß in ihn gefahren? Ich bemerkte, dass auch mein Körper anders reagierte. In meinem Unterleib verspürte ich ein eigenartiges Ziehen und ich wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Hauptsache, es war vorbei. Ich kroch wimmernd unter die Bettdecke und versuchte zu verdrängen, was soeben geschehen war. Doch der körperliche und seelische Schmerz gönnte mir keinen erholsamen Schlaf.

Pia schlug das Büchlein zu und setzte sich auf. Niemand, der helfend eingriff, und keine Eltern, die sich sorgten und Annika beschützten. Stattdessen eine Ehefrau, die das Verhalten ihres Mannes duldete. Wie viele Annikas mag es wohl zu dieser Zeit gegeben haben?

Plötzlich stutzte sie, irgendetwas hatte sie übersehen. Noch einmal warf sie einen Blick auf das Geschriebene und blieb am Datum hängen. Erstaunt stellte sie fest, dass der heutige Tag genau mit dem damaligen Datum übereinstimmte. Was für ein seltsamer Zufall.

Sie löschte das Licht, rollte sich auf die Seite und starrte grübelnd in die Dunkelheit. Morgen würde Felix wieder fahren und sie zurücklassen. Wie sollte es mit ihnen als Paar weitergehen? Sie fürchtete sich vor dem Alleinsein wie nie zuvor.

Und als wäre dieser Gedanke das Stichwort gewesen, vernahm sie ein schabendes Geräusch. Pia zog die Bettdecke bis zur Nasenspitze und wagte kaum zu atmen. Wenige Augenblicke später schien jemand an den geschlossenen Fensterflügeln zu rütteln.

Sie robbte näher an Felix heran und überlegte, ob sie ihn wecken sollte. Mit Sicherheit wäre es sinnvoll, wenn er sich selbst ein Bild davon machte, was hier vor sich ging. Vielleicht hatte er ja eine plausible Erklärung parat?

Doch sie traute sich nicht, ihn zu berühren und zog die Hand rasch zurück. Stattdessen lauschte sie den Geräuschen und spürte den schnellen Herzschlag in ihrer Brust. Das Rütteln am Fenster war inzwischen verstummt, dafür hatte sich ein neuer Laut hinzugesellt. Irgendetwas in der Kammer bollerte rhythmisch über den Boden.

Was zum Teufel ging da oben vor sich?

Plötzlich machte Biene einen Satz vom Bett und begann lauthals zu bellen.

Felix richtete sich erschrocken auf und knipste das Licht an. „Was ist denn jetzt schon wieder los?“

„Oben in der Kammer rumort es, aber ich wollte dich nicht wecken“, fügte Pia entschuldigend hinzu.

„Jetzt reicht es aber“, fluchte Felix, sprang aus dem Bett und stürmte barfuß die Stufen zur Kammer hinauf. Schwungvoll öffnete er die Tür. „Verdammt, was soll das?“, brüllte er in den leeren Raum hinein, dass es von den kahlen Wänden widerhallte.

Sie hörte, wie seine nackten Fußsohlen über den Dielenboden tappten. Dann verschloss er die Fensterflügel und zerrte den Schaukelstuhl zurück in die Ecke. Sekunden später flog die Kammertür krachend ins Schloss.

Mit einem genervten Gesichtsausdruck betrat er das Schlafzimmer. „Ich habe dir doch prophezeit, dass sich die Leute auf dem Hof herumtreiben werden. Ein zusätzlicher Minuspunkt, wenn du mich fragst.“

„Felix, ich habe es verstanden. Ich verkaufe den Hof und kümmere mich um etwas Neues. Ich kann ja in der Firma nachfragen, ob ein Kollege in Sachen Mietwohnung einen heißen Tipp für mich hat.“

Finley erwähnte sie mit keinem Wort, ohne die Hunde würde sie nirgendwo hingehen. Felix hatte früher doch auch Verständnis für die Vierbeiner gezeigt. Sie rutschte ein Stückchen näher zu ihm heran und küsste ihn auf die Wange. „Schlaf gut, Felix.“

„Du auch“, murmelte er, wickelte die Bettdecke fester um seine Schultern und löschte das Licht.

Die Angst ist dein Feind

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